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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 12.12.2007
Aktenzeichen: 4 B 412/07
Rechtsgebiete: SächsBAG, SächsHG


Vorschriften:

SächsBAG § 10 Abs. 3 S. 2 Nr. 11
SächsHG § 23 Abs. 3 S. 5
SächsHG § 23 Abs. 4 S. 5
Zur Zulässigkeit einer zweiten Wiederholungsprüfung in einem "besonders begründeten Ausnahmefall" nach sächsischem Landesrecht.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 4 B 412/07

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Zulassung zur zweiten Wiederholungsprüfung

hat der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Künzler, den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng und den Richter am Oberverwaltungsgericht Heinlein

am 12. Dezember 2007

beschlossen:

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 5. Juli 2006 - 5 K 1846/05 - ist wirkungslos.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen werden gegeneinander aufgehoben.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung des Senats übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen und das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts für wirkungslos zu erklären (§ 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 ZPO).

Bei der Kostenentscheidung, die gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes ergeht, erscheint eine Kostenaufhebung, wie sie die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung angeregt haben, angemessen. Dabei ist in rechtlicher Hinsicht von Folgendem auszugehen:

Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf eine zweite Wiederholungsprüfung im Fach Rechnerarchitektur des Studiengangs Netzwerk- und Medientechnik der Beklagten richtete sich nach § 10 Abs. 3 der Prüfungsordnung (PO) in der Fassung von 2001; die zwischenzeitlich erlassene Änderungssatzung vom 1.10.2006 enthält in § 30 Abs. 2 eine Übergangsregelung für Studenten, die - wie der Kläger - vor 2004 zum Studium zugelassen wurden.

Nach § 10 Abs. 3 PO ist die zweite Wiederholungsprüfung "in besonders begründeten Ausnahmefällen" innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bekanntgabe des Ergebnisses der ersten Wiederholung der Prüfung schriftlich beim Prüfungsausschuss zu beantragen. Dem Antrag ist die schriftliche Zustimmung des Praxispartners beizufügen. Die Prüfung soll spätestens sechs Monate nach Beendigung des entsprechenden Studienhalbjahres abgeschlossen sein, es sei denn, dass vom Studenten nicht zu vertretende Gründe - wie hier wegen des gerichtlichen Verfahrens - eine Fristverlängerung erfordern.

Die formellen Anforderungen des § 10 Abs. 3 sind erfüllt. Über den Antrag hat gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 PO der Prüfungsausschuss zu entscheiden, wobei der Wortlaut des § 10 Abs. 3 PO nicht ausdrücklich erkennen lässt, ob der Prüfungsausschuss eine Ermessensentscheidung oder eine gebundene Entscheidung zu treffen hat.

Für Hochschulprüfungen, deren Prüfungsordnungen den Anforderungen des § 23 Abs. 3 Satz 5 und Abs. 4 Satz 5 SächsHG genügen müssen, geht der Senat in gefestigter Rechtsprechung davon aus, dass es sich bei dem "besonders begründeten Ausnahmefall" nach sächsischem Landesrecht um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, der im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 28 f. SächsVerf bei berufsbezogenen Prüfungen einer vollständigen gerichtlichen Kontrolle unterliegt (so auch Pohl, SächsVBl. 2006, 105 m.w.N.; einschränkend dagegen BayVGH, Urt. v. 23.7.1985, BayVBl. 1986, 26, unter Hinweis auf die Erforderlichkeit einer Erfolgsprognose mit pädagogisch-prüferischer Wertung; vgl. auch Niehues, Schul- und Prüfungsrecht Bd. 2, Rn. 742 Fn. 27). Diese Erwägungen sind auch für berufsbezogene Prüfungen außerhalb des hochschulischen Bereichs anwendbar, zumal § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 11 des Sächsischen Berufsakademiegesetzes (SächsBAG) zweite Wiederholungsprüfungen nur für besonders begründete Ausnahmefälle zulässt.

Entsprechend dem Wortlaut der Prüfungsordnung und des Gesetzes sind zweite Wiederholungsprüfungen nicht allgemein, sondern nur in besonderen, d.h. außergewöhnlich gelagerten Fällen zulässig. Nach der Rechtsprechung des Senats (u.a. Beschl. v. 3.11.2005 - 4 E 268/05 -, nicht veröffentlicht; vgl. auch OVG NRW, Urt. v. 27.3.1979 - XV A 2329/77 -, Urt. v. 26.11.1993 - 22 A 3246/92 -, jeweils juris) setzt ein besonders begründeter Ausnahmefall voraus, dass sich die Ungeeignetheit eines Prüflings für einen bestimmten Beruf oder eine bestimmte Ausbildung trotz des zweifachen Prüfungsversagens ausnahmsweise nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen lässt. Solche Zweifel können nur aus prüfungsbezogenen - nicht etwa allgemeinen sozialen - Umständen abgeleitet werden (VGH BW, Beschl. v. 13.3.1996 - 4 S 1684/95 -, juris), die vom Prüfling weder zu beeinflussen oder sonst zu vertreten sind (Senatsbeschl. v. 3.11.2005, a.a.O.; HessVGH, Urt. v. 22.2.1985, ZAR 1985, 92). Im Ausgangspunkt können sich Zweifel an der Aussagekraft der vorangegangenen Prüfungen aus individuellen Unwägbarkeiten, Unzulänglichkeiten des äußeren Prüfungsverlaufs oder früheren - besseren - Leistungen ergeben, wobei aus Gründen der Rechtssicherheit solche Gründe ausscheiden müssen, die nach der jeweiligen Prüfungsordnung im Wege des Prüfungsrücktritts oder der Prüfungsanfechtung geltend zu machen sind. Bei der Beurteilung des jeweiligen Einzelfalls ist vom Maßstab eines verständigen Dritten in der Situation des Prüflings auszugehen. Beruft sich ein Kandidat etwa darauf, dass ein Angehöriger kurz vor der Prüfung verstorben oder schwer ist, wird es entscheidend auf das Näheverhältnis zwischen Prüfling und Angehörigen ankommen, das z.B. bei Eltern im Regelfall unterstellt werden kann, nicht aber bei entfernteren Verwandten. In solchen Fällen obliegt es dem Prüfling, im Einzelfall sowohl das Näheverhältnis als auch die Auswirkungen auf das Prüfungsergebnis plausibel darzulegen und erforderlichenfalls auch zu beweisen. Für das Vorliegen eines besonders gelagerten Ausnahmefalls kann bei der gebotenen Gesamtbetrachtung auch sprechen, dass ein Kandidat in anderen Prüfungen auffallend günstigere Ergebnisse erzielt hat, wodurch ein Prüfungsversagen in einem bestimmten Fach als "Ausrutscher" erscheint (vgl. VGH BW, Beschl. v. 13.3.1996, a.a.O.). Eine positive Erfolgsprognose für das Bestehen der zweiten Wiederholungsprüfung ist jedoch nicht erforderlich.

Die materielle Beweislast für diejenigen Tatsachen, aus denen ein besonders begründeter Ausnahmefall abgeleitet wird, liegt beim Prüfungskandidaten.

Ausgehend von diesem rechtlichen Maßstab wäre aufgrund der Darlegungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung eine weitere Sachaufklärung geboten gewesen. Bei diesem Verfahrensstand entspricht die von den Beteiligten angeregte Kostenaufhebung der Billigkeit.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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