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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 08.04.2008
Aktenzeichen: 4 B 711/07
Rechtsgebiete: AVBWasserV, SächsGemO


Vorschriften:

AVBWasserV § 3 Abs. 1
SächsGemO § 14 Abs. 2
Zur Frage der Befreiung von Benutzungszwang zur Wasserversorgung mit Ausnahme der Wasserverwendung zur Nahrungszubereitung und zum Trinken.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 4 B 711/07

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Benutzungszwang Wasserversorgung

hat der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Künzler, den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng und den Richter am Oberverwaltungsgericht Heinlein aufgrund der mündlichen Verhandlung

am 8. April 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 7. Dezember 2005 - 4 K 1753/03 - geändert; die Klage des Klägers wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Klägers auf Befreiung von der Verpflichtung zur Benutzung der öffentlichen Wasserversorgung.

Der Kläger ist Eigentümer eines an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossenen Hausgrundstücks in mit einem 1875 erstmals in Betrieb genommen Hausbrunnen. Auf den Antrag des Klägers vom 28.11.2000 auf Befreiung von der Verpflichtung zur Benutzung der öffentlichen Wasserversorgung in Bezug auf die Verwendung von Wasser für die Nahrungs- und Getränkezubereitung, Körperreinigung, Gartenbewässerung und Toilettenspülung, das Geschirrspülen, Wäschewaschen und das Tränken von Tieren befreite ihn der Zweckverband Wasserversorgung mit Bescheid vom 11.9.2002 vom Benutzungszwang in Bezug auf die Toilettenspülung; im Übrigen lehnte er den Antrag ab und stellte dabei fest, dass die Verwendung von Wasser aus Hausbrunnen und Regenwasseranlagen zu Bewässerungszwecke grundsätzlich gestattet sei. Den Widerspruch des Klägers gegen die Anlehnung der beantragten Befreiung wies der Zweckverband mit Bescheid vom 11.2.2003 mit der Begründung zurück, im Hinblick auf die Trinkwasserverordnung und die Rechtsprechung sei ungeachtet der Qualität des Wassers aus dem Hausbrunnen nur die Befreiung in Bezug auf die Toilettenspülung möglich. Im Übrigen sei die Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs auch aus Rentabilitätsgründen erfolgt.

Das Verwaltungsgericht gab der am 11.3.2003 erhobenen Klage des Klägers mit Urteil vom 7.12.2005 statt, mit dem er eine umfassende Befreiung vom Benutzungszwang mit Ausnahme der Verwendung von Wasser zur Nahrungs- und Getränkezubereitung geltend machte. Zur Begründung führte es aus, die Rumpfsatzung des Zweckverbandes über den Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung und deren Benutzung vom 4.10.1995 in der Fassung vom 7.8.2002 (RS) sei mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Satzung entspreche insbesondere § 3 Abs. 1 Satz 1 und § 35 AVBWasserV. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch folge aus § 7 Abs. 2 RS. Insoweit sei dem Beklagten eine Befreiung des Klägers vom Benutzungszwang zumutbar, weil davon auszugehen sei, dass die beantragte Teilbefreiung weder zu einer wesentlichen Reduzierung des gesamten Wasserbedarfs noch einer unzumutbaren Gebührenerhöhung für die Nutzer der öffentlichen Wasserversorgung führen könne. Die beantragte Teilbefreiung sei auch nicht mit anderen Rechtsvorschriften unvereinbar.

Auf den Antrag des Beklagten vom 27.1.2006 hat der Senat durch Beschluss vom 17.12.2007 - 4 B 178/06 - die Berufung gegen das angefochtene Urteil zugelassen, der dem Beklagten am 22.1.2008 zugestellt wurde. Im Schriftsatz zur Berufungsbegründung vom 25.1.2008 hat der Beklagte ausgeführt, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe der Kläger keinen Anspruch auf Befreiung von dem in Rede stehenden Benutzungszwangs nach § 7 Abs. 2 der nunmehr maßgeblichen RS des Beklagten vom 16.3.2006. Der Sache nach handele es sich hier nicht um eine Teilbefreiung, sondern um eine Vollbefreiung, die nur unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 RS erfolgen könne, die hier nicht erfüllt seien. Dessen ungeachtet seien auch die Voraussetzungen für eine Teilbefreiung nach § 7 Abs. 2 RS nicht erfüllt. Dies setze ungeachtet des Wortlauts der Vorschrift voraus, dass die Sicherheit vor Beeinträchtigungen des Gemeinwohls im Sinne von § 7 Abs. 1 RS gewahrt bleibe; dies sei hier jedoch nicht der Fall.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 7. Dezember 2005 - 4 K 1753/03 - zu ändern, die Klage abzuweisen und dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und bringt im Wesentlichen vor, der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ergebe sich aus § 7 Abs. 2 RS, dessen Voraussetzungen erfüllt seien, weil nicht ersichtlich sei, dass die begehrte Teilbefreiung für den Beklagten zu einer wirtschaftlich Unzumutbarkeit führe.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Verwaltungsakte (eine Heftung), die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Dresden sowie die Senatsakten zu diesem Verfahren verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage des Klägers zu Unrecht stattgegeben; das Klagebegehren ist nicht auf eine Teilbefreiung nach § 7 Abs. 2 der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblichen Rumpfsatzung des Beklagten vom 16.3.2006 (RS), sondern auf eine Vollbefreiung nach § 7 Abs. 1 RS gerichtet (sh.1), auf die der Kläger keinen Anspruch hat (sh. 2).

1. Nach § 7 Abs. 1 RS wird der Grundstückseigentümer von der Verpflichtung zur Benutzung der öffentlichen Wasserversorgung auf Antrag befreit, wenn die Benutzung ihm aus besonderen Gründen auch unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Gemeinwohls nicht zugemutet werden kann. § 7 Abs. 2 RS bestimmt, dass der Beklagte dem Grundstückseigentümer darüber hinaus im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren die Möglichkeit einräumt, den Bezug auf den von ihm gewünschten Verbrauchszweck oder auf einen Teilbedarf zu beschränken. Bei der Frage, wie die Vollbefreiung im Sinne des § 7 Abs. 1 der RS l und die Teilbefreiung nach § 7 Abs. 2 RS voneinander abzugrenzen sind, ist die Bedeutung der Vorschrift des § 3 Abs. 1 der Vorordnung über allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser in der Fassung vom 5.4.2002 (BGBl. I S. 1250 - AVBWasserV) in den Blick zu nehmen, welcher der Beklagte mit § 7 Abs. 2 RS Rechnung getragen hat. Danach hat das Versorgungsunternehmen dem Kunden im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren die Möglichkeit einzuräumen, den Bezug auf den von ihm gewünschten Verbrauchszweck oder auf einen Teilbedarf zu beschränken. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darf diese Vorschrift nicht dazu führen, dass ein rechtmäßig angeordneter Benutzungszwang im Ergebnis leerläuft (BVerwG, Beschl. v. 24.01.1986 - 7 CB 52/85 - zit. nach juris). Soweit dies - wie hier - möglich ist, müssen die Regelungen des Satzungsgebers über die Teilbefreiung so ausgelegt werden, dass die Verpflichtung zum Benutzungszwang im Grundsatz gewahrt bleibt. Im Hinblick darauf ist davon auszugehen, dass keine Teilbefreiung im Sinne von § 7 Abs. 2 RS mehr vorliegt, sondern eine Vollbefreiung nach § 7 Absatz 1 RS, wenn die in Rede stehende Befreiung dazu führt, dass bei dem Betroffenen eine wesentliche Verpflichtung zur Deckung des Wasserbedarfs aus der öffentlichen Anlage nicht mehr verbleibt. Dies ist hier der Fall. Der Kläger begehrt die Befreiung vom Benutzungszwang insoweit, als nicht Wasser für die Nahrungszubereitung und Trinken betroffen ist. Hierfür verwenden private Haushalte - wie in der mündlichen Verhandlung angesprochen - im Durchschnitt lediglich 3 bis 6 % des täglichen Wasserbedarfs (sh. hierzu z.B. www.bmu.de/gewaesserschutz/doc/3128.php). Dass der Wasserbedarf des Klägers für die angesprochenen Zwecke vom Durchschnitt abweicht, ist nicht ersichtlich und wurde von ihm auch nicht geltend gemacht. Im Hinblick darauf würde die Erteilung der begehrten Befreiung vom Benutzungszwang dazu führen, dass der Kläger noch weit über 90 % seines Wasserbedarfs aus seinem Hausbrunnen decken könnte. Jedenfalls bei einer derart weitgehenden Befreiung kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass eine wesentliche Verpflichtung zum Bezug von Wasser aus der öffentlichen Anlage noch fortbesteht.

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Benutzung der öffentlichen Trinkwasserversorgung nach § 7 Abs. 1 RS. Bei der Frage, unter welchen Voraussetzungen die dort in Bezug genommenen Gründe vorliegen, ist § 14 Abs. 2 SächsGemO zu berücksichtigen. Danach kann die Satzung Ausnahmen vom Anschluss- und Benutzungszwang zulassen. Hiermit hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass er die Unterwerfung unter den Anschluss- und Benutzungszwang als den Regelfall ansieht und vom Satzungsgeber lediglich Ausnahmen zugelassen werden können. Daraus folgt für entsprechende Satzungsregelungen, dass sie nur solche Tatbestände als Befreiungsgründe anerkennen dürfen, die nicht so weit gefasst sind, dass sie das Verhältnis von Regel und Ausnahme umkehren oder auch nur in die Gefahr einer Umkehrung bringen. Demzufolge sind nur Satzungsregelungen zulässig, die eine Ausnahme bei besonderen atypischen Fallgestaltungen gewähren. Die Regelung des § 7 Abs. 1 RS ist entsprechend auslegbar und mit § 14 Abs. 2 SächsGemO insofern vereinbar. Vorliegend ist ein besonders atypischer Fall nicht ersichtlich. Nichts anderes ergibt sich für den Fall, dass der Kläger - wie er vorträgt - die Wasserversorgung auf dem in Rede stehenden Grundstück vor Einrichtung der öffentlichen Wasserversorgungsanlage bereits geraume Zeit aus einem Hausbrunnen gedeckt hat. Der durch Satzung begründete Zwang, Grundstücke an die öffentliche Wasserversorgungsanlage anzuschließen und diese zu benutzen, stellen für den betroffenen Grundstückseigentümer grundsätzlich eine zulässige Bestimmung von Inhalt und Schranken des Grundeigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG bzw. Art 31 Abs. 1 Satz 2 SächsVerf dar (BVerwG, Beschl. v. 12.1.1988, 7 B 55/87 - zit. nach juris). Die Eigentumsrechte des Grundeigentümers, der eine private Anlage betreibt, sind daher von vornherein dahin eingeschränkt, dass er seine Anlage nur solange benutzen darf, bis der Wasserversorgungsträger von der ihm gesetzlich zustehenden Befugnis Gebrauch macht, die Wasserversorgung im öffentlichen Interesse in seine Verantwortung zu übernehmen (BVerwG, a. a. O.). Dass hier im Hinblick auf die mangelnde Amortisation von Investitionen in den in Rede stehenden Hausbrunnen der Benutzungszwang für den Kläger unzumutbar ist, ist nicht ersichtlich und wurde von ihm auch nicht geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss vom 8. April 2008

Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren wird unter Abänderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts Dresden vom 16.12.2005 auf 4.000 € und für das Berufungsverfahren auf 5.000 € festgesetzt (§ 63 Abs. 3 GKG i. V. m. § 72 Nr. 1 GKG und § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG a. F. sowie §§ 63 Abs. 2, § 52 Abs. 2 GKG). Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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