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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 15.02.2006
Aktenzeichen: 4 B 952/04
Rechtsgebiete: BGB, SächsBG, SächsKomZG


Vorschriften:

BGB §§ 662 ff
SächsBG § 97
SächsBG § 158
SächsKomZG § 20 Abs. 1

Entscheidung wurde am 14.08.2006 korrigiert: die Rechtsgebiete und Vorschriften wurden geändert, Stichworte und ein Leitsatz wurden hinzugefügt
Verletzt ein ehrenamtlicher Verbandsvorsitzender vorsätzlich oder fahrlässig seine Pflicht, das Vermögen seines Zweckverbands pfleglich und wirtschaftlich zu verwalten, ergibt sich seine Haftung im Innenverhältnis aus einer entsprechenden Anwendung von §§ 662 ff. BGB.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 4 B 952/04

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Schadensersatz

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Künzler, den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng und den Richter am Oberverwaltungsgericht Heinlein

am 15. Februar 2006

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beklagten, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 12. Juli 2004 - 6 K 428/04 - zuzulassen, wird abgelehnt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 766.937,82 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

Die innerhalb der Antragsbegründungsfrist vorgebrachten, den Prüfungsumfang des Senats begrenzenden (§ 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO) Darlegungen des Beklagten lassen das Vorliegen der von ihm geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und des Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) nicht erkennen.

1. Auf die - vom Landgericht Zwickau verwiesene - Schadensersatzklage von Mitgliedsgemeinden des 1992 gegründeten Zweckverbands Abwasserentsorgung "O. G. " (nachfolgend: AZV) gegen den Beklagten, der von Mai 1992 bis zu seinem Rücktritt im April 1994 Vorsitzender des AZV war, hat das Verwaltungsgericht Chemnitz den Beklagten zur Zahlung von 766.937,82 € nebst 7,17 % seit Rechtshängigkeit verpflichtet. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, den Klägerinnen stehe ein Schadensersatzanspruch in der genannten Höhe zu, weil der Beklagte die ihm als ehrenamtlichem Verbandsvorsitzenden (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SächsKomZG) obliegende Pflicht, das Vermögen des AZV pfleglich und wirtschaftlich zu verwalten, grob fahrlässig verletzt und dadurch einen Schaden in Höhe des eingeklagten (Teil-)Betrags aus einem Gesamtschaden von rund 25 Mio. DM verursacht habe. Der Schadensersatzanspruch ergebe sich aus einer positiven Vertragsverletzung der öffentlich-rechtlichen Sonderverbindung zwischen dem AZV und dem Beklagten, für die die Vorschriften über Auftragsverhältnisse (§§ 662 ff. BGB), nicht die beamtenrechtlichen Regelungen der §§ 97, 158 SächsBG anwendbar seien. Der - vom Landgericht Chemnitz mit Urteil vom 15.12.1997 (8 Kls 350 JS 25712/97) rechtskräftig wegen Untreue verurteilte - Beklagte habe es als Verbandsvorsitzender pflichtwidrig unterlassen, die vom damaligen Geschäftsführer des AZV, Herrn R. U. , 1993 und 1994 zur Geldanlage abgeschlossenen privaten Darlehensverträge (Gesamthöhe: 28 Mio. DM) mit Herrn H.-B. W. zu kontrollieren. Bei der Abwicklung des letzten Darlehensvertrags im Januar 1994 habe der Beklagte den nur vom Geschäftsführer unterzeichneten Überweisungsauftrag über zehn Mio. DM auf das Treuhandkonto des Rechtsanwalts und Notars G. in S. auf Rückfrage der Kreissparkasse A. schriftlich bestätigt und zusammen mit dem Geschäftsführer eine interne Auszahlungsanordnung für die angebliche "Festgeldanlage in Siegen" unterzeichnet. Schon angesichts der außergewöhnlichen Höhe des Geldbetrags und der Überweisung auf ein Treuhandkonto hätte sich der Beklagte auch ohne besondere Verdachtsmomente nicht "blind" auf seinen Geschäftsführer verlassen dürfen. Vielmehr hätte er sich als dessen Vorgesetzter über die Grundlagen dieses außergewöhnlichen Rechtsgeschäfts informieren und sich den entsprechenden Treuhandauftrag zeigen lassen müssen. Bei einer solchen Kontrolle hätte er erkannt, dass es sich um ein Privatdarlehen gehandelt habe, wobei die Werthaltigkeit der vom Darlehensnehmer gebotenen Sicherheiten vom Treuhänder nicht zu überprüfen gewesen sei. Die Verbandsversammlung des AZV habe von der Vergabe solcher Privatdarlehen keine Kenntnis gehabt; sie habe allenfalls Festgeldanlagen stillschweigend (d.h. ohne ausdrückliche Beschlussfassung) geduldet; dies sei dem Beklagten bekannt gewesen. Sein Vorbringen, er sei wegen seiner hohen Arbeitsbelastung als hauptamtlicher Bürgermeister der Klägerin zu 3) nicht in der Lage gewesen, den für die Vermögensverwaltung zuständigen Geschäftsführer umfassend zu kontrollieren, schließe eine Haftung für den - unstreitig entstandenen Schaden - nicht aus, zumal der Beklagte bei einer beruflichen Überforderung gehalten gewesen wäre, die Verbandsversammlung zu informieren und um Abhilfe zu ersuchen. Angesichts des Betrags von zehn Mio. DM habe der Beklagte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt (§ 276 BGB) sowohl durch die unzureichende Kontrolle des Geschäftsführers als auch durch die eigene Mitwirkung bei der Überweisung auf das Treuhandkonto in außergewöhnlich hohem Maße verletzt. Ein Mitverschulden (§ 254 BGB) der Klägerinnen bzw. des zwischenzeitlich aufgelösten AZV, dessen Verbandssatzung vom August 1992 jedenfalls bis Mai 1994 nicht öffentlich bekannt gemacht worden sei, liege nicht vor und würde sich angesichts des Gesamtschadens in Höhe von rund 25 Mio. DM jedenfalls auf den eingeklagten Teilbetrag nicht auswirken.

2.1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit dieses Urteils bestehen nicht. Solche Zweifel sind nach der Rechtsprechung des Senats nur dann veranlasst, wenn der jeweilige Rechtsmittelführer einen tragenden Rechtssatz oder eine Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage stellt, dass der Ausgang des Berufungsverfahrens zumindest als ungewiss anzusehen ist (vgl. Senatsbeschl. v. 11.9.2001, SächsVBl. 2002, 59). Daran fehlt es hier.

Mit seinem fristgerechten Zulassungsvorbringen zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die vom Verwaltungsgericht herangezogenen zivilrechtlichen Regelungen seien nicht anwendbar, weil der Beklagte gerade in seiner Eigenschaft als hauptamtlicher Bürgermeister zum Verbandsvorsitzenden gewählt worden sei, weshalb er als kommunaler Wahlbeamter (§ 158 SächsBG) gemäß § 97 Abs. 1 SächsBG nur im Fall einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung seiner dienstlichen Pflichten zum Schadensersatz herangezogen werden könne, macht der Beklagte - jedenfalls bei ergänzender Berücksichtigung seines Vorbringens zum Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO - der Sache nach geltend, er sei den Klägerinnen gegenüber nicht schadensersatzpflichtig, weil allenfalls eine leichte Fahrlässigkeit vorgelegen habe.

Daraus ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils.

Fügt ein ehrenamtlich tätiger Verbandvorsitzender seinem Zweckverband einen Schaden zu, so richtet sich die Haftung im sog. Innenverhältnis mangels spezialgesetzlicher Regelung nach dem zugrundeliegenden öffentlich-rechtlichen Auftragsverhältnis, auf das die §§ 662 ff. BGB entsprechende Anwendung finden (vgl. Quecke in: Quecke/Schmid, Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen, Stand Oktober 2005, G § 17 RdNr. 34 m.w.N. zur Haftung ehrenamtlich Tätiger). Ausgehend davon haftet ein Verbandsvorsitzender entsprechend § 276 BGB sowohl für vorsätzliche als auch für fahrlässige Pflichtverletzungen; davon ist das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen.

Übt der Vorsitzende eines Zweckverbands - wie von § 56 Abs. 1 Satz 3 SächsKomZG ausdrücklich vorgesehen (vgl. Stimpf/Weisenberger in: Sponer/Jacob, Kommunalverfassungsrecht Sachsen, Stand Dezember 2005, § 56 SächsKomZG Anm. 3) - neben dieser ehrenamtlichen Tätigkeit zugleich ein Amt als kommunaler Wahlbeamter i.S.v. §§ 158 ff. SächsBG aus (etwa als Bürgermeister oder Landrat), wirkt sich dies auf seine Haftungsverpflichtung gegenüber dem Zweckverband jedenfalls nicht unmittelbar aus. Soweit § 97 Abs. 1 Satz 1 SächsBG die Schadensersatzpflicht von Beamten auf Fälle der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung beschränkt, betrifft dies nur die Haftung gegenüber dem jeweiligen Dienstherrn (vgl. Battis, BBG, 3. Aufl., § 78 RdNr. 6 zur entsprechenden Regelung für Bundesbeamte), also nicht auch die Haftung eines Zweckverbandsvorsitzendem gegenüber dem Zweckverband, mit dem - entgegen dem Zulassungsvorbringen des Beklagten - gerade kein Beamtenverhältnis besteht. Aus § 20 Abs. 1 Satz 1 SächsKomZG und § 158 Nr. 4 SächsBG folgt in diesem Zusammenhang nichts anderes. Die mehr als ein Jahr nach erfolgter Wahl des Beklagten zum Verbandsvorsitzenden (Mai 1992) am 22.9.1993 in Kraft getretene Regelung des § 20 Abs. 1 Satz 1 SächsKomZG (vgl. § 86 Abs. 1 SächsKomZG, SächsGVBl. 1993, 815), nach der der Verbandsvorsitzende eines Verwaltungsverbands hauptamtlicher Beamter auf Zeit ist, lässt - zumal unter Berücksichtigung der abschließenden Aufzählung der kommunalen Wahlbeamten in § 158 SächsBG und der allgemeinen Formenstrenge des Beamtenrechts - nicht darauf schließen, dass auch der Verbandsvorsitzende eines Zweckverbands zum Beamten zu bestellen ist. Zudem verweist § 56 Abs. 3 Satz 2 SächsKomZG nur auf § 20 Abs. 1 Satz 3 SächsKomZG, nicht auch auf die anderen Sätze der letztgenannten Norm. Das am 1.2.1998 in Kraft getretene Heilungsgesetz vom 15.1.1998 (SächsGVBl. S. 2), auf das der Beklagte im Zulassungsverfahren ergänzend verweist, enthält dazu keine abweichende Regelung.

Ob möglicherweise eine analoge Anwendung der Haftungserleichterung des § 97 Abs. 1 Satz 1 SächsBG mit der Erwägung in Betracht kommen könnte, ein ehrenamtlich Tätiger müsse üblicherweise finanzielle Nachteile hinnehmen und dürfe deshalb im Fall einer Pflichtverletzung nicht schlechter gestellt werden als die in § 158 SächsBG aufgezählten kommunalen Wahlbeamten (vgl. NdsOVG, Urt. v. 24.8.1993 - 2 L 129/89 -, Urteilsabdruck S. 32, zum niedersächsischen Kommunalrecht), kann hier offen bleiben, weil der Beklagte den in Rede stehenden Schaden zumindest grob fahrlässig verursacht hat.

Bei dieser Beurteilung ist der beschließende Senat ebensowenig wie das Verwaltungsgericht an die von den Klägerinnen hervorgehobenen Feststellungen im rechtskräftigen Strafurteil des Landgerichts Chemnitz vom 15.12.1997 gebunden, durch das der Beklagte wegen Untreue (§ 266 StGB) zum Nachteil des AZV verurteilt wurde. Auf der Grundlage des Antragsvorbringens, das den Prüfungsumfang des Senats begrenzt, besteht nach Lage der umfangreichen Akten jedoch kein Anlass, am Vorliegen einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Beklagten zu zweifeln. Soweit der Beklagte auf Seite seines Schriftsatzes vom 11.11.2004 ausführt, nicht er, sondern der stellvertretende Verbandsvorsitzende und Bürgermeister der Klägerin zu 1) habe Anfang August 1993 Überweisungen in einer Gesamthöhe von mehr als vier Mio. DM veranlasst, begründet dies schon deshalb keine Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils, weil sich das Verwaltungsgericht zur Begründung des Schadensersatzanspruches auf den letzten Darlehensvertrag über zehn Mio. DM vom Januar 1994 beschränkt und frühere schadensbegründende Ereignisse insoweit ausdrücklich außer Betracht gelassen hat (Urteilsabdruck S. 23). Ob der Beklagte bereits im Jahr September und November 1993 pflichtwidrig Überweisungen in einer Gesamthöhe von elf Mio. DM mitunterzeichnet hat, wie es die Klägerinnen mit ihrer Antragserwiderung ausführen, ist damit nicht entscheidend.

Auch das weitere Zulassungsvorbringen des Beklagten, er selbst habe die Auszahlung der zehn Mio. DM Anfang Januar 1994 weder veranlasst noch habe er die "schädlichen Folgen" der Überweisung vorhersehen können, zumal ihm der für die Vermögensverwaltung zuständige Geschäftsführer des Zweckverbands seinerzeit nicht mitgeteilt habe, dass es sich um die Ausreichung eines Darlehens an eine Privatperson handele, die dem Darlehensnehmer durch den als "Treuhänder" zwischengeschalteten Notar sogleich in bar ausgezahlt werden sollte, begründet keine durchgreifenden Bedenken gegen die Annahme einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Beklagten.

Als gewählter Verbandsvorsitzender war der Beklagte gesetzlicher Vertreter des AZV und zur Erledigung der Geschäfte der laufenden Verwaltung zuständig. Darüber hinaus war er Leiter der Verbandsverwaltung und Vorgesetzter der Bediensteten, zu denen auch der damalige Geschäftsführer des AZV zählte. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, sah die vom Beklagten selbst erlassene "Geschäftsordnung für die Geschäftsleitung" vom 1.6.1992 ausdrücklich ein Weisungsrecht des Verbandsvorsitzenden gegenüber dem Geschäftsführer vor, um die Erfüllung der Aufgaben des Zweckverbands zu sichern (§ 5 Abs. 1 der Geschäftsordnung). Angesichts seiner auch durch die Verbandssatzung vom 26.8.1992 hervorgehobenen Stellung als Leiter der Verbandsverwaltung war der Beklagte dem AZV gegenüber für die sachgemäße Erledigung der Verwaltungsaufgaben und damit auch für die Vermögensverwaltung des AZV verantwortlich. Bei dieser Organisation der Verbandsverwaltung kann sich der Beklagte den Klägerinnen gegenüber nicht darauf berufen, dass die Vermögensverwaltung des AZV faktisch in den Händen des damaligen Geschäftsführers gelegen habe, auf dessen Angaben er auch im Zeitpunkt der schriftlichen Bestätigung der Überweisung der zehn Mio. DM gegenüber der Sparkasse und bei der nachträglichen Unterschrift unter die Auszahlungsanordnung habe vertrauen dürfen.

Soweit der Beklagte nach Ablauf der gesetzlichen Antragsbegründungsfrist auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 16.2.2005 vorgetragen hat, es sei seinerzeit eine "übliche Verfahrensweise" gewesen, dass Überweisungen für Festgeldanlagen des AZV durch die Sparkasse auf "telefonische Order des Geschäftsführers" erfolgt seien, wobei "alle anderen Formalitäten" (wie das Erstellen von Auszahlungsanordnungen und Überweisungsbelegen) erst nachträglich vorgenommen worden seien, entlastet dies den Beklagten ebensowenig wie sein weiteres Vorbringen, er habe die Sparkasse bereits Ende 2003 nach einer Innenrevision des AZV, bei der das Fehlen der erforderlichen Belege für Geldanlagen in S. aufgefallen war, gebeten, ihn - den Beklagten - über künftige "Überweisungen auf Zuruf" zu informieren, um den Geschäftsführer so besser kontrollieren zu können.

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, war der Beklagte als Verbandsvorsitzender und Leiter der Verbandsverwaltung dem AZV gegenüber verpflichtet, für eine ordnungsgemäße Vermögensverwaltung zu sorgen. In diesem Rahmen war er gehalten, durch geeignete Aufsichtsmaßnahmen gegenüber den ihm unterstellten Bediensteten zu erreichen, dass die Vermögensgegenstände pfleglich und wirtschaftlich verwaltet und ordnungsgemäß nachgewiesen werden und bei vorrangig Geldanlagen auf eine hinreichende Sicherheit geachtet wird. Zur Erfüllung dieser bereits aus § 48 Abs. 2 des Gesetzes über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung) vom 17.5.1990 (GBl. DDR I. S. 255) abzuleitenden Verpflichtung, an der das Inkrafttreten des Sächsischen Gesetzes über kommunale Zusammenarbeit (SächsKomZG) vom 19.8.1993 (SächsGVBl. S. 815) am 22.9.1993 mit seiner Überleitungsregelung für Zweckverbände in § 78 Abs. 2 inhaltlich nichts geändert hat, war eine Kontrolle der vom Geschäftsführer veranlassten umfangreichen Geldanlagen durch den Beklagten jedenfalls im Januar 1994 unabdingbar.

Angesichts der vom Beklagten auch nach eigenen Angaben offenbar bereits Ende 1993 erkannten Verstöße des Geschäftsführers gegen grundlegende haushaltsrechtliche Vorschriften - wie der Überweisung von Millionenbeträgen an Dritte ohne vorhergehende schriftliche Zahlungsanordnungen - und dem unstreitigen Fehlen einer ausdrücklichen Beschlussfassung der Verbandsversammlung über die Anlage der vorhandenen Vermögenswerte hätte der Beklagte weitere eigenmächtige Geldgeschäfte in zweistelliger Millionenhöhe unterbinden müssen, etwa durch eine entsprechende Änderung der "Geschäftsordnung für die Geschäftsleitung" oder durch die Ausübung des allgemeinen Weisungsrechts gegenüber dem Geschäftsführer. Dies gilt umso mehr, als die vom Geschäftsführer im Jahr 1993 durchgeführten Geldgeschäfte diejenigen Wertgrenzen deutlich überschritten, die den Beklagten nach § 9 Abs. 3 der von ihm als verbindlich angesehenen Verbandssatzung zu einer Befassung der Verbandsversammlung hätten veranlassen müssen. Gemäß § 9 Abs. 3 a und b der genannten Satzung war die Entscheidungsbefugnis des Verbandsvorsitzenden auf die Bewirtschaftung von Haushaltsmitteln "bis zu 30.000,00 DM im Einzelfall" und die "Stundung von Forderungen bis zu 20.000,00 DM im Einzelfall für längstens drei Monate" beschränkt, so dass die in Rede stehenden Geldanlagen in S. - sieben Darlehensverträge über insgesamt 28 Mio. DM - unter keinem denkbaren Gesichtspunkt als Geschäfte der laufenden Verwaltung angesehen und vom Verbandsvorsitzendem selbst oder gar von einem ihm untergebenen Bediensteten des AZV in eigener Verantwortung hätten ins Werk gesetzt werden dürfen (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 18.5.2004 - 4 BS 168/04 - n.v. und NdsOVG, Urt. v. 24.8.1993, aaO, zur Überschreitung von satzungsmäßigen Wertgrenzen; Schmid in: Quecke/Schmid, aaO, G § 89 RdNr. 11).

Angesichts der besonderen Höhe der in Rede stehenden Anlagebeträge hätte der Beklagte - wie das Verwaltungsgericht im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat - auch dann nicht der Vermögensverwaltung des Geschäftsführers unbesehen vertrauen dürfen, wenn - wie der Beklagte behauptet - seinerzeit kein Anlass bestanden haben mag, an dessen persönlicher Integrität zu zweifeln. Dies gilt umso mehr, wenn der Beklagte, der vor seiner Wahl zum hauptamtlichen Bürgermeister der Klägerin zu 3) von 1982 bis 1990 als Maschinenbauingenieur und Diplomjurist Justiziar eines Unternehmens war, Anfang der 90iger Jahre mit den rechtlichen Rahmenbedingungen der Vermögensverwaltung für öffentlich-rechtliche Körperschaften möglicherweise nicht in dem erforderlichen Maße vertraut war. Gerade in einem solchen Fall erscheint es unabdingbar, bei außergewöhnlich hohen Geldanlagen, die darüber hinaus auch noch eine höhere als die bankübliche Rendite erbringen sollen, auf eine hinreichende Sicherheit zu achten und dies - bereits im Vorfeld eines vorgesehenen Vertragsschlusses - durch eine sachkundige Überprüfung der entsprechenden Vertragsentwürfe (ggf. unter Einbeziehung der Kommunalaufsicht) sicherzustellen. Entgegen dem Zulassungsvorbringen des Beklagten gilt dies auch für "Festgeldanlagen", wie die unzureichend gesicherten Darlehen des AZV mit Herrn W. insbesondere gegenüber der Kreissparkasse bezeichnet worden waren. Soweit der Beklagte im Zulassungsverfahren geltend macht, seine Kontrollpflicht gegenüber dem Geschäftsführer habe sich auf die Einsichtnahme in die Jahresabschlüsse beschränkt, zumal sie nicht über die vergleichbaren Kontrollpflichten eines Aufsichtsrats nach § 111 AktG hinausgehen dürften, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen.

Das Vorbringen des Beklagten, er habe seinerzeit weder die Gefahren noch die "schädlichen Folgen" seines Verhaltens auch nur vorhersehen können, zieht dies die vom Verwaltungsgericht angenommene grobe Fahrlässigkeit des Beklagten bei der Verletzung der Kontrollpflicht als Verbandsvorsitzender nicht ernstlich in Zweifel.

Eine solche Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt, mit anderen Worten also nicht beachtet wird, was im gegebenem Fall Jedem einleuchten muss (vgl. bereits BGH, Urt. v. 11.5.1953, BGHZ 10, 16; BVerwG, Urt. v. 18.9.1957, BVerwGE 19, 243 [248]). Anders als im Strafrecht ist bei § 276 Abs. 1 BGB ein objektivierter bzw. typisierter Fahrlässigkeitsmaßstab anzulegen, weshalb es nicht vorrangig auf die individuellen Umstände in der Person des Beklagten, sondern auf die typischerweise zu erwartende Kenntnisse und Fähigkeiten eines ehrenamtlich tätigen Zweckverbandsvorsitzenden ankommt.

Nach diesem Maßstab ist hinsichtlich der Abwicklung des letzten Darlehensvertrags vom Januar 1994 von einer grob fahrlässigen Verletzung der Kontrollpflicht des Beklagtem auszugehen, weil es sich nach den Umständen des Falles geradezu aufdrängen musste, die der angeblichen Festgeldanlage bei einem privaten Dritten zugrundeliegenden Vertrag über zehn Mio. DM - ungeachtet der Mitwirkung eines als Treuhänder auftretenden Notars - auf eine hinreichende Sicherheit zu überprüfen. Dass eine solche Überprüfung hier möglich und zumutbar war, hat das Verwaltungsgericht - auch unter Einbeziehung der entsprechenden Aussagen des Beklagten im Strafverfahren - ohne erkennbaren Rechtsverstoß ausgeführt (Urteilsabdruck S. 27). Soweit der Beklagte mit seinem Zulassungsantrag geltend macht, er habe sich die Anlageform seinerzeit vom Geschäftsführer schildern lassen, wobei dieser wesentliche Umstände bewusst verschwiegen habe, rechtfertigt dies schon angesichts der außergewöhnliche Höhe des in Rede stehenden Anlagebetrags, dessen Überweisung der Beklagte überdies auch schriftlich bestätigt hatte, keine andere Beurteilung.

Ob sich der bei der Abwicklung des Geldgeschäfts beteiligte Rechtsanwalt und Notar möglicherweise strafbar gemacht hat, ist für die Entscheidung über den Zulassungsantrag des Beklagten ohne Belang. Für die schriftsätzlich beantragte Beiziehung der entsprechenden Strafakten besteht daher kein Anlass.

2.2. Eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO scheidet ebenfalls aus. Die fristgerechten Darlegungen des Beklagten im Zulassungsverfahren lassen nicht erkennen, dass die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist.

Soweit der Beklagte besondere rechtliche Schwierigkeiten daraus ableitet, dass er als hauptamtlicher Bürgermeister nach Inkrafttreten des SächsKomZG gemäß dessen § 20 Abs. 1 Satz 2 nicht zum Verbandsvorsitzenden des AZV hätte gewählt werden dürfen, verkennt er, dass die zitierte Vorschrift nur auf Verwaltungsverbände i.S.v. § 3 ff. SächsKomZG, nicht auch auf Zweckverbände i.S.v. §§ 44 ff. SächsKomZG Anwendung findet. § 56 Abs. 3 Satz 2 SächsKomZG verweist ausdrücklich nicht auf § 20 Abs. 1 Satz 2, sondern nur auf § 20 Abs. 1 Satz 3 SächsKomZG. Im Übrigen sieht es § 56 Abs. 1 Satz 3 SächsKomZG ausdrücklich vor, dass hauptamtliche Wahlbeamte zu Verbandsvorsitzenden von Zweckverbänden gewählt werden.

Angesichts der insoweit eindeutigen gesetzlichen Regelungen sind die vom Beklagten angesprochenen Rechtsfragen nicht außergewöhnlich schwierig. Zum Vorliegen besonderer Schwierigkeiten in tatsächlicher Hinsicht fehlen in der Begründung des Zulassungsantrags jegliche Darlegungen.

2.3. Die Rechtssache lässt nach dem fristgemäßen Antragsvorbringen des Beklagten, auf dessen Prüfung der Senat beschränkt ist, auch keine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erkennen.

Dieser Zulassungsgrund ist nur dann gegeben, wenn eine grundsätzliche, in der Rechtsprechung bisher nicht abschließend geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, die sich in dem angestrebten Berufungsverfahren in entscheidungserheblicher Weise stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortbildung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die einzige sinngemäß aufgeworfene Frage, ob sich der Haftungsmaßstab bei einem Zweckverbandsvorsitzenden, der zugleich hauptamtlicher Bürgermeister einer Mitgliedsgemeinde und als solcher kommunaler Wahlbeamter ist, aus § 276 BGB oder aus § 97 SächsBG ergibt, wäre in einem zugelassenen Berufungsverfahren nicht entscheidungserheblich, weil aus den unter Nr. 2.1. dargelegten Gründen vom Vorliegen einer groben Fahrlässigkeit des Beklagten auszugehen ist. Im Übrigen lassen die Darlegungen des Beklagten nicht erkennen, dass sich die aufgeworfene Frage über den bloßen Einzelfall hinaus in einer größeren Zahl von Verfahren stellt. Ob die Entscheidung über Schadensersatzansprüche eines Zweckverbands oder seiner Mitglieder gegen einen ehrenamtlich tätigen Vorsitzenden eines Zweckverbands in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit fällt, mag dahinstehen; angesichts der bindenden Verweisung des Landgerichts Zwickau war darüber nicht zu befinden.

2.4. Die Berufung ist schließlich auch nicht wegen eines Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen. Mit der Behauptung, der Beklagte habe nicht grob fahrlässig gehandelt, weil er die "schädlichen Folgen" seines Handelns - soweit es für den Schadenseintritt überhaupt kausal gewesen sei - ungeachtet seiner damals durchaus gegebenen Kontrollmöglichkeiten gegenüber dem Geschäftsführer nicht habe vorhersehen können (S. 4 - 8 des Schriftsatzes vom 11.11.2004), ist ein Verstoß gegen Vorschriften, die das verwaltungsgerichtliche Verfahren regeln (zum Begriff des Verfahrensmangels vgl. nur SächsOVG, Beschl. v. 13.6.2001, NVwZ-RR 2002, 20 [23] m.w.N.) schon nicht dargelegt. Mit diesem Vorbringen und dem Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe eine "einseitige Beweiserhebung" (Schriftsatz vom 11.11.2004, S. 6) zu seinem Nachteil durchgeführt, rügt der Beklagte nicht die Verletzung einzelner prozessualer Vorschriften, sondern er wendet sich gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, die grundsätzlich dem materiellen Recht zuzurechnen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.2.1978, Buchholz 402.24 § 2 AuslG Nr. 8; Beschl. v. 20.12.2005 - 5 B 84.05 -, S. 6 des Abdrucks).

Nach alledem ist der Zulassungsantrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 3 GKG

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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