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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 24.02.2006
Aktenzeichen: 4 BS 19/05
Rechtsgebiete: VwGO, SiGrG
Vorschriften:
VwGO § 47 | |
VwGO § 80 Abs. 5 Satz 1 | |
SiGrG § 4 Abs. 1 | |
SiGrG § 4 Abs. 2 |
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss
Az.: 4 BS 19/05
In der Verwaltungsrechtssache
wegen Sicherheitsneugründung eines Zweckverbandes; Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
hier: Beschwerde
hat der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Künzler, den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng und den Richter am Oberverwaltungsgericht Heinlein
am 24. Februar 2006
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Beigeladenen wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 22. Dezember 2004 - 1 K 1761/04 - geändert. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500 € festgesetzt.
Gründe:
1. Mit der Beschwerde begehrt der Beigeladene die Änderung des angefochtenen Beschlusses, soweit darin die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die sofort vollziehbare Bildung des beigeladenen Zweckverbandes und den Erlass der Verbandssatzung in dem Bescheid des Antragsgegners vom 11.8.2004 angeordnet wurde.
Nachdem zwischen den Beteiligten bereits seit vielen Jahren die Mitgliedschaft der Antragstellerin in dem Beigeladenen und dessen Bestehen streitig beurteilt wurde, ordnete der Antragsgegner mit Bescheid vom 11.8.2004 durch eine sofort vollziehbare Ersatzvornahme die Bildung eines Zweckverbandes unter Erlass einer Verbandssatzung an. Auf den Antrag der Antragstellerin auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ordnete das Verwaltungsgericht mit dem hier angefochtenen Beschluss die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs an. Zur Begründung wird in dem Beschluss im Wesentlichen darauf abgehoben, dass der gegen den Bescheid eingelegte Widerspruch voraussichtlich begründet sei. Zum einen wäre die Anhörung der Antragstellerin fehlerhaft durchgeführt worden, des Weiteren seien mehrere Regelungen der Verbandssatzung rechtswidrig.
Der Beigeladene hat dagegen Beschwerde erhoben und vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe eine Vielzahl von tatsächlichen und rechtlichen Umständen zum Gegenstand seiner Entscheidung gemacht, ohne dass diese Gesichtpunkte von den Beteiligten oder dem Gericht zuvor angesprochen worden seien. Auch in der Sache sei die angenommene Rechtswidrigkeit der von dem Verwaltungsgericht angesprochenen Satzungsregelungen nicht zutreffend; der Beigeladene hat hierzu im Einzelnen ausgeführt.
2. Die zulässige Beschwerde ist aus den vom Beigeladenen vorgebrachten Erwägungen (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO) begründet. Entgegen dem angefochtenen Beschluss ist nicht anzunehmen, dass das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt und deshalb vorläufiger Rechtsschutz durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die nach § 4 Abs. 2 des Sicherheitsneugründungsgesetzes - SiGrG - sofort vollziehbare Ersatzvornahme nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu gewähren wäre. Vielmehr überwiegt das öffentliche Interesse an dem Sofortvollzug, weil in dem vorläufigen Rechtssschutzverfahren nicht davon ausgegangen werden kann, dass die angefochtene Ersatzvornahme rechtswidrig ist.
Bei der für die Interessenabwägung in einem Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zunächst in den Blick zu nehmenden Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs gegen eine sofort vollziehbare Maßnahme, bei der - wie hier - auch die Rechtmäßigkeit von Regelungen einer Satzung in Rede steht, ist kein Prüfungsmaßstab anzulegen, der zum Ergebnis hätte, in dem vorläufigen Rechtsschutzverfahren gleichsam eine Normenkontrollprüfung i.S.v. § 47 VwGO durchzuführen. Eine Inzidentkontrolle einer Satzung, die auch schwierige Fragen aufwirft, kann ohne eingehende Prüfung regelmäßig nicht erfolgen und ist mit dem summarischen Charakter des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO nicht vereinbar. In einem solchen Verfahren ist vielmehr regelmäßig von der Gültigkeit von Satzungsbestimmungen auszugehen, wenn sich diese nicht ersichtlich als rechtswidrig erweisen. Erst recht gilt dies, wenn ein Antragsteller sein geltend gemachtes überwiegendes Aussetzungsinteresse nicht aus einer Unwirksamkeit einer Satzung ableitet. Macht der Gesetzgeber nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO von der Möglichkeit Gebrauch, die aufschiebende Wirkung auszuschließen - wie nach § 4 Abs. 2 SiGrG - so lässt sich daraus herleiten, dass das öffentliche Vollziehungsinteresse Vorrang beansprucht und das private Aussetzungsinteresse regelmäßig zurück zu stehen hat (BVerfG, Kammerbeschl. v. 10.10.2003, NVwZ 2004, 93). Diese gesetzgeberische Wertung muss auch ein Gericht respektieren; es kann diese Grundentscheidung nicht unterlaufen, indem es von sich aus Satzungsregelungen, die nicht ersichtlich rechtswidrig sind, einer eingehenden Normenkontrollprüfung unterzieht.
Davon ausgehend bestehen an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids auch im Hinblick auf die von dem Verwaltungsgericht angesprochenen Satzungsbestimmungen, die unter Sofortvollzug erlassen wurden, keine hinreichenden Zweifel. Die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 SiGrG, wonach die Rechtsaufsichtsbehörde nach Anhörung des bisherigen Verbandes und seiner Mitglieder die Bildung eines Zweckverbandes verfügt und gleichzeitig die Verbandssatzung erlässt, wenn innerhalb einer angemessenen Frist eine übereinstimmende Beschlussfassung zu einer neuen Verbandssatzung durch die bisherigen Mitglieder nicht erfolgt, dürften hier gegeben sein. Der Antragsgegner hat die in § 4 Abs. 1 Satz 1 SiGrG angesprochene Ersatzvornahme verfügt, nachdem die bisherigen Mitglieder sich auch nach angemessener Frist nicht auf eine Satzung verständigt haben.
Eine Rechtswidrigkeit des Bescheides wegen eines Anhörungsmangels liegt - wie der Beigeladene zu Recht vorbringt - nicht vor. Es bestehen schon keine tragfähigen Anhaltspunkte für einen Anhörungsmangel. Dass der Antragsgegner in seinem Anhörungsschreiben vom 30.6.2004 - wie die Antragstellerin vorgebracht hat - den Eindruck erweckt haben könnte, die Änderung der inhaltlich "zu unbestimmten Vorschrift des § 18 Abs. 3 der bisherigen Satzung sei Angelegenheit des Zweckverbandes nach dessen Sicherheitsneugründung" erschließt sich nicht. In dem Schreiben wird ausdrücklich angesprochen, dass der Antragsgegner diese Regelung in dem Satzungsentwurf nicht übernehmen wird.
Des Weiteren kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die von dem Verwaltungsgericht angesprochenen Satzungsregelungen rechtswidrig sind. Ob die von dem Verwaltungsgericht hierbei im Einzelnen angesprochenen Rechtmäßigkeitszweifel in der Sache berechtigt sind, bedarf keiner weiteren Erörterung in diesem Verfahren. Die Satzungsbestimmungen sind jedenfalls nicht ersichtlich rechtswidrig. Im Hinblick auf die umfangreichen Erwägungen in dem angefochtenen Beschluss sei hierzu lediglich bemerkt:
Mit der in § 7 Abs. 4 der Satzung angesprochenen Beschlussfassung durch die Verbandsversammlung - das Verwaltungsgericht bezweifelt die Rechtmäßigkeit, weil dadurch Gemeinden über Angelegenheiten entscheiden könnten, hinsichtlich derer sie keine Aufgabenübertragung vorgenommen hätten - kann nach dem Regelungskontext mit § 6 Abs. 2, § 3 der Satzung etwa zum Ausdruck kommen, dass sich die Anzahl der Stimmen nach der in § 6 Abs. 2 der Satzung angesprochenen Stimmenzahl eines Mitglieds ergibt, auch wenn ihre Aufgaben vor der Übertragung auf den Zweckverband einen unterschiedlichen Umfang hatten. Jedenfalls offensichtlich rechtswidrig wäre eine solche Regelung nicht. Ebenso wenig kann eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der nach Auffassung des Verwaltungsgerichts zu unbestimmten Begriffe in § 14 Abs. 2, § 15 Abs. 2 der Satzung - etwa: Abwassermenge und Anlagevermögen des Zweckverbandes im Abwasserbereich zum 31.12 des Vorjahres - angenommen werden. Dass diese Begriffe einer Auslegung nicht zugänglich sein und ihr Inhalt sich nicht bestimmen lassen könnte, erschließt sich nicht. Des Weiteren ist nicht offensichtlich, dass die Regelung in § 17 Abs. 2 der Satzung über das Erfordernis einer Zustimmung von drei Viertel aller Stimmen unverhältnismäßig wäre. Davon abgesehen wäre - die Unverhältnismäßigkeit unterstellt - nicht offensichtlich, dass deshalb die gesamte Satzung nichtig wäre. Soweit das Verwaltungsgericht von der Unwirksamkeit des nach einer Auflösung in § 18 Abs. 3 der Satzung angesprochenen Umlageschlüssels ausgeht, spricht einiges dafür, dass der in dieser Regelung in Bezug genommene Verteilungsmaßstab für die Kapitalumlage in § 14 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung einen Verteilungsmaßstab bezeichnet, wie er in § 29 Abs. 3, § 25 Abs. 1 Satz 2 SächsKomZG vorgegeben ist. Schließlich kann auch die in § 20 Abs. 2 der Satzung geregelte Öffentliche Bekanntmachung in der Zeitung "B. -L. für Aue, Schwarzenberg, Stollberg und Umgebung" - die wohl tatsächlich nicht unter diesem Namen existiert - möglicherweise dahingehend ausgelegt werden, dass damit in der Sache die zwei erscheinenden Zeitungen "B. -L. für Stollberg und Umgebung" und "B. -L. für Aue, Schwarzenberg und Umgebung" angesprochen sind.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen in beiden Rechtszügen zu erstatten hat, weil sich dieser durch die Antragstellung im erstinstanzlichen Verfahren und durch Einlegung der Beschwerde einem Kostenrisiko ausgesetzt hat. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG, § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG und § 63 Abs. 2 GKG. Der Senat orientiert sich hierbei an der Festsetzung des Streitwertes durch das Verwaltungsgericht, gegen die die Beteiligten Einwände nicht erhoben haben.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 66 Abs. 1 Satz 5 VwGO, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Ende der Entscheidung
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