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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 07.12.2006
Aktenzeichen: 4 BS 220/05
Rechtsgebiete: SächsGemO, AVB WasserV, BGB


Vorschriften:

SächsGemO § 10 Abs. 2
SächsGemO § 14
AVB WasserV § 33 Abs. 2
BGB § 242
BGB § 273
Eine Einstellung der öffentlich-rechtlich ausgestalteten Abwasserentsorgung wegen Abgabenschulden des Anschlussnehmers kommt nach sächsischem Landesrecht (§ 14 SächsGemO) nur beim Bestehen einer entsprechenden Satzungsregelung in Betracht.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 4 BS 220/05

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Einstellung der Abwasserentsorgung; Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Künzler, den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng und den Richter am Oberverwaltungsgericht Heinlein

am 7. Dezember 2006

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 22. Juli 2005 - 4 K 1362/05 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Erwägungen, die den Prüfungsumfang des Senats begrenzen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben dem Senat keine Veranlassung zur beantragten Aufhebung bzw. Änderung des angegriffenen Beschlusses. Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den nachträglich für sofort vollziehbar erklärten Bescheid des Antragsgegners vom 21.6.2005 zu Recht angeordnet.

Für die vom Antragsgegner angeordnete "Einstellung der Abwasserentsorgung" wegen Abgabenschulden (Abwasserbeiträge, Abwassergebühren, Säumniszuschläge und Mahngebühren) in Höhe von seinerzeit 5.239,21 € dürfte die erforderliche Rechtsgrundlage fehlen. Der Antragsgegner betreibt die Abwasserbeseitigung als öffentliche Einrichtung, wobei das Benutzungsverhältnis durch die Satzung des AZV Obere Schwarze Elster über die Abwasserbeseitigung im Entsorgungsgebiet Pulsnitz vom 22.6.2005 (nachfolgend: Satzung) insgesamt öffentlich-rechtlich ausgestaltet ist. Entgegen den Ausführungen des Antragsgegners in der Beschwerdebegründung dürfte die angekündigte Einstellung der Abwasserentsorgung durch das Setzen einer Blase im öffentlichen Abwasserkanal durchaus das Hausgrundstück des nach § 3 Abs. 1 der Satzung anschluss- und benutzungspflichtigen Klägers betreffen, weil die angesprochene Maßnahme eine Einleitung von Abwasser aus der privaten Entwässerungsleitung des Antragstellers in die öffentliche Abwasseranlage verhindern soll. Für diese - nicht etwa unerhebliche - Beschränkung des durch § 3 Abs. 1 der Satzung und durch § 10 Abs. 2 SächsGemO i.V.m. § 47 Abs. 2, § 5 Abs. 4 SächsKomZG begründeten Nutzungsrechts des Antragstellers bedarf es einer hinreichenden Rechtsgrundlage, die sich hier wohl weder aus der Satzung des Antragsgegners noch aus anderen Normen ergibt.

§ 3 Abs. 1 Satz 1 der Satzung bestimmt, dass Grundstückseigentümer nach Maßgabe der Satzung berechtigt und verpflichtet sind, ihre Grundstücke an die öffentliche Abwasseranlage anzuschließen und diese zu benutzen. Eine Regelung über die Einstellung der Abwasserentsorgung wegen ausstehender Abgabenzahlungen enthält die Satzung - anders etwa als die nach Maßgabe von § 33 Abs. 2 AVBWasserV ausgestaltete Mustersatzung zur Wasserversorgung von 2006 (abgedruckt in Sachsenlandkurier 2006, 428) - nicht. § 6 ("Allgemeine Ausschlüsse") der Satzung des Antragsgegners schließt bestimmte Stoffe von der öffentlichen Abwasserbeseitigung aus, § 7 ("Einleitungsbeschränkung") knüpft an die Beschaffenheit und Menge des Abwassers an. Die in der Beschwerdebegründung zitierten Regelungen über Abwassergebühren (§§ 41 ff. der Satzung) regeln die Abgabenverpflichtungen der Anschlussnehmer, nicht aber die Einstellung der Abwasserbeseitigung wegen Zahlungsverzugs.

Der mit Schriftsatz des Antragsgegners vom 24.10.2006 zuletzt als Rechtsgrundlage genannte § 53 Abs. 1 der Satzung ermächtigt den Antragsgegner, im Einzelfall die notwendigen Maßnahmen nach pflichtgemäßem Ermessen anzuordnen, um rechtswidrige Zustände zu beseitigen, die "unter Verstoß gegen Bestimmungen dieser Satzung herbeigeführt worden oder entstanden sind". Mit dieser Generalklausel dürfte sich eine Einstellung der Abwasserversorgung ebenso wenig rechtfertigen wie mit der sog. Anstaltsgewalt oder den Vorschriften des Sächsischen Kommunalabgabegesetzes. Auch aus dem Rechtsgedanken des § 273 BGB lässt sich die Einstellung der Abwasserbeseitigung am Hausgrundstück des Antragstellers wohl nicht rechtfertigen.

Die Einstellung der Abwasserentsorgung über das öffentliche Abwassernetz wegen Zahlungsverzugs des Anschlussnehmers dürfte einen wesentlichen Aspekt des gemäß § 14 SächsGemO durch Satzung zu regelnden Nutzungsverhältnisses betreffen, so dass nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung Überwiegendes dafür spricht, dass die Inanspruchnahme eines solchen Leistungsverweigerungsrechts einer ausdrücklichen Satzungsregelung bedarf. Der über § 47 Abs. 2, § 5 Abs. 4 SächsKomZG auf Zweckverbände anwendbare § 14 SächsGemO bestimmt, dass der Anschluss von Grundstücken u.a. an Anlagen zur Ableitung und Reinigung von Abwasser beim Bestehen eines öffentlichen Bedürfnisses durch Satzung vorgeschrieben werden kann (Abs. 1), wobei die Satzung bestimmte Ausnahmen vom Anschluss- und Benutzungszwang zulassen kann (Abs. 2 Satz 1). Der gezielte Ausschluss eines säumigen Abgabenschuldners von einer vorhandenen und bislang auch genutzten Abwasserentsorgung über den öffentlichen Abwasserkanal dürfte einer Ausnahme vom Anschluss- und Benutzungsrecht i.S.v. § 14 Abs. 2 Satz 1 SächsGemO faktisch gleichkommen und deshalb - landesrechtlich - ungeachtet dessen einer ausdrücklichen satzungsmäßigen Grundlage bedürfen, dass der Grundgedanke des § 273 BGB auch im öffentlichen Recht Anwendung finden kann.

Das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB ist eine besondere Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB), wonach treuwidrig handelt, wer aus einem einheitlichen Rechtsverhältnis die ihm gebührende Leistung fordert, ohne die entsprechende Gegenleistung zu erbringen (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 18.1.1977, NJW 1977, 1251; Heinrichs in: Palandt, BGB, 66. Aufl. § 273 RdNr. 1 jeweils m.w.N.). Für einen uneingeschränkten Rückgriff auf § 242 oder § 273 BGB ist im öffentlichen Recht jedoch kein Raum. Insbesondere kann der Grundsatz von Treu und Glauben wohl nicht dazu dienen, eine nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SächsGemO wohl erforderliche Satzungsregelung über die Einstellung der Abwasserentsorgung zu ersetzen. Dies gilt umso mehr, als eine öffentliche Abwasserbeseitigung nicht nur im Interesse der jeweiligen Anschlussnehmer liegt, sondern auch dem Gesundheitsschutz der Allgemeinheit und der Sauberkeit des Grundwassers dient (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.1.1992, NVwZ 1992, 565 [566]).

Die letztgenannten Schutzgüter dürften eine Satzungsregelung über die Einstellung der Abwasserentsorgung wegen Zahlungsverzugs wohl nicht vollends ausschließen, wie es das Verwaltungsgericht angenommen hat. Insoweit ist anzumerken, dass nach § 33 Abs. 2 AVBWasserV selbst bei der öffentlich-rechtlichen Trinkwasserversorgung mit Anschluss- und Benutzungszwang satzungsmäßig geregelte Liefersperren wegen Abgabenschulden als zulässig angesehen werden (vgl. OVG NW, Urt. v. 5.2.1992, NJW 1993, 414 m.w.N.; aus neuerer Zeit VG Darmstadt, Beschl. v. 2.5.2005 - 3 G 759/03 -, juris; ebenso § 10 der Mustersatzung Wasserversorgung 2006, abgedruckt in Sachsenlandkuriere 2006, 428). Ob eine Einstellung der Abwasserentsorgung nach einer Satzungsänderung des Antragsgegners im Hinblick auf die wohl bestandskräftig gewordenen Abgabenbescheide in rechtmäßiger Weise erlassen werden könnte - namentlich unter Berücksichtigung einer auf dem Grundstück wohl zusätzlich vorhandenen Klärgrube (Beschwerdebegründung S. 10) -, hat der Senat im Beschwerdeverfahren jedoch nicht zu entscheiden.

Nach alledem ist die Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Bei der Streitwertfestsetzung nach §§ 47, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG orientiert sich der Senat an der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die die Beteiligten keine Einwände erhoben haben.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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