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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 04.11.2003
Aktenzeichen: 4 BS 315/03
Rechtsgebiete: SächsVwVG


Vorschriften:

SächsVwVG § 19 Abs. 4
SächsVwVG § 19 Abs. 5
SächsVwVG § 20 Abs. 3
SächsVwVG § 22 Abs. 1
SächsVwVG § 22 Abs. 2
Zur Ermessensbetätigung der Vollstreckungsbehörde bei der Bestimmung der Höhe des Zwangsgeldes gemäß § 22 Abs. 1 SächsVwVG, wenn der Pflichtige eine Unterlassungspflicht nicht beachtet.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 4 BS 315/03

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Zwangsgeldandrohung (Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO)

hier: Beschwerde

hat der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Heitz als Vorsitzenden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Rottmann und den Richter am Verwaltungsgericht Voigt

am 4. November 2003

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 11. September 2003 - 7 K 1130/03 - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.250,- € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin kann keinen Erfolg haben. Die von der Antragstellerin in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Nachprüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, ergeben nicht, dass der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts unrichtig ist. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums Leipzig vom 15.7.2003, mit dem der Antragstellerin ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 25.000,- € angedroht worden ist, zu Recht abgelehnt.

Die aufschiebende Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage gegen eine Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung i.S.v. § 11 Satz 1 SächsVwVG ist regelmäßig nur dann anzuordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer solchen Maßnahme bestehen. Ernstliche Zweifel sind anzunehmen, wenn ein Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg. Es reicht nicht aus, dass die Erfolgsaussichten in der Hauptsache als offen zu beurteilen sind. Dieser Entscheidungsmaßstab folgt aus dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 11 Satz 1 SächsVwVG. Diesem Ausschluss liegt die gesetzgeberische Wertung zugrunde, dass bei Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung das öffentliche Vollziehungsinteresse regelmäßig Vorrang vor dem individuellen Aufschubinteresse hat (VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 16.6.1995, NVwZ-RR 1996, 541, 542; HessVGH, Beschl. v. 12.4.1995, NVwZ-RR 1996, 361, 362).

Die Gesichtspunkte, die die Antragstellerin in der Beschwerdebegründung anführt, sind nicht geeignet, Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 25.000.- € in dem Bescheid des Regierungspräsidiums Leipzig vom 15.7.2003 zu begründen. Zu dem Beschwerdevortrag ist im Einzelnen zu bemerken:

Die Zwangsgeldandrohung vom 15.7.2003 ist nicht nachträglich dadurch rechtswidrig geworden, dass die Vollstreckungsbehörde mit Bescheiden vom 23.7.2003 und 22.9.2003 weitere Zwangsgeldandrohungen erlassen hat. Die Zwangsgeldandrohung vom 15.7.2003 ist auch nicht aufgrund der nachträglichen Androhungen "verbraucht", d.h. sie hat ihre Rechtswirkung nicht verloren. Sie stellt - zusammen mit der Zwangsgeldfestsetzung vom 23.7.2003 - die Rechtsgrundlage für die Beitreibung des Zwangsgeldes von 25.000.- € dar. Von diesen Maßnahmen gehen erst dann keine Rechtswirkungen mehr aus, wenn die Verwaltungsvollstreckung gemäß § 2 Satz 2 SächsVwVG einzustellen ist, weil ihr Zweck erreicht ist. Dies ist der Fall, wenn gewährleistet ist, dass die Antragstellerin ihre Verpflichtung, nicht mehr als 150.000 Tiere am Tag zu schlachten, beachtet (vgl. zum Vollstreckungszweck bei der Durchsetzung von Unterlassungspflichten VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 21.2.1996, NVwZ-RR 1997, 444, 445; Hess.VGH, Beschl. v. 12.4.1995, aaO). Dies folgt daraus, dass sich dem Sächsischen Verwaltungsvollstreckungsgesetz ein Verbot, die Verwaltungsvollstreckung mit mehreren Zwangsmitteln gleichzeitig zu betreiben, nicht entnehmen lässt. Vielmehr ist aus § 19 Abs. 5, § 20 Abs. 3 Satz 2 SächsVwVG sowie aus dem Fehlen einer § 13 Abs. 6 Satz 2 BVwVG entsprechenden Regelung zu schließen, dass das Sächsische Verwaltungsvollstreckungsgesetz den Einsatz mehrerer Zwangsmittel, insbesondere die Androhung und Festsetzung mehrerer Zwangsgelder nebeneinander zulässt. Der Senat verweist insoweit auf die Ausführungen in den Gründen des Beschlusses vom 4.11.2003 im Parallelverfahren - 4 BS 332/03 -.

Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass der gesetzliche Höchstbetrag von 25.000,- € ausgeschöpft worden ist. Die Bestimmung der Höhe des jeweils angedrohten Zwangsgeldes innerhalb des von § 22 Abs. 1 SächsVwVG vorgegebenen Rahmens steht im Ermessen der Vollstreckungsbehörde. Die Ermessensausübung hat sich vorrangig daran zu orientieren, wie die Rechtspflicht, die dem Pflichtigen in dem vollstreckbaren Grundverwaltungsakt vorgegeben ist, effektiv durchgesetzt werden kann. Denn alle Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung knüpfen daran an, dass die Existenz der durchzusetzenden Rechtspflicht nicht in Frage steht; sie dienen somit der Einhaltung der Rechtsordnung.

Darüber hinaus sind bei der Bestimmung der Höhe des Zwangsgeldes gemäß § 20 Abs. 4, § 22 Abs. 1 SächsVwVG die Besonderheiten dieses Zwangsmittels jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn der Vollstreckungsbehörde - wie regelmäßig für die Durchsetzung von Unterlassungspflichten - die Zwangsmittel Ersatzvornahme und unmittelbarer Zwang nicht zur Verfügung stehen. Im Gegensatz zu diesen Zwangsmitteln stellt das Zwangsgeld lediglich ein mittelbares Beugemittel zur Herbeiführung des vom Pflichtigen verlangten Verhaltens dar. Durch Zwangsgeldandrohung, -festsetzung und -beitreibung gemäß § 20 Abs. 1 bis 4, § 22 Abs. 1, § 22 Abs. 2 i.V.m. §§ 12 ff SächsVwVG kann lediglich Druck auf den Pflichtigen ausgeübt werden, um ihn zur zügigen und dauerhaften Erfüllung seiner Rechtspflichten, wie sie sich aus dem Grundverwaltungsakt ergeben, anzuhalten. Letztlich bleibt es aber dem Pflichtigen überlassen, ob und wann er diesem Druck nachgibt. Dagegen kann die Vollstreckungsbehörde durch den Einsatz der Zwangsmittel Ersatzvornahme und unmittelbarer Zwang selbst, d.h. an Stelle des Pflichtigen, die diesem obliegende Rechtspflicht erfüllen.

Davon ausgehend sind der Ermessensausübung durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit insoweit Grenzen gesetzt, als durch die Bestimmung der Zwangsgeldhöhe kein Nachteil für den Pflichtigen herbeigeführt werden darf, der erkennbar außer Verhältnis zum Zweck der Vollstreckung steht (vgl. § 19 Abs. 4 SächsVwVG).

Ist die Vollstreckungsbehörde - wie im vorliegenden Fall - zur Durchsetzung einer Unterlassungspflicht auf den Einsatz des Zwangsmittels Zwangsgeld angewiesen, so ist ihr Ermessen bei der Bestimmung der Zwangsgeldhöhe entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht durch einen abstrakten Rechtsgrundsatz des Inhalts beschränkt, dass der gesetzliche Höchstbetrag von 25.000,- € ungeachtet der Besonderheiten des Einzelfalles erst nach mehrfacher fruchtloser Androhung von niedrigeren Zwangsgeldern angedroht werden darf. Vielmehr gebietet die gesetzliche Zielsetzung an einer effektiven Durchsetzung der Unterlassungspflicht, dass die Höhe des Zwangsgeldes nach den Umständen des Einzelfalles bestimmt wird. Demnach kommt es auf die Bedeutung der rechtlichen Verpflichtung, um deren Erfüllung es geht, auf die Auswirkungen einer fortdauernden Nichterfüllung, und vor allem auf das Verhalten des Pflichtigen an. Lässt dieser keine Bereitschaft erkennen, seine Unterlassungspflicht dauerhaft zu beachten, sondern handelt dieser bewusst zuwider, so wird die Vollstreckungsbehörde den von § 22 Abs. 1 SächsVwVG vorgegebenen Rahmen jedenfalls dann ohne allmähliche Steigerung der Zwangsgeldhöhe ausschöpfen dürfen, wenn dieses Verhalten des Pflichtigen zu erheblichen Beeinträchtigungen für schutzwürdige öffentliche oder private Belange führt.

Nach diesen Grundsätzen erweist sich vorliegend die Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe des gesetzlichen Höchstbetrags von 25.000,- € in dem Bescheid vom 15.7.2003 als gerechtfertigt: Nach den Feststellungen des Antragsgegners und des Verwaltungsgerichts, die die Antragstellerin nicht bestritten hat, missachtet sie die sich aus dem Bescheid vom 5.2.2002 ergebende Begrenzung der täglichen Schlachtkapazität seit längerem bewusst. Jedenfalls seit dem rechtskräftigen Abschluss des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens durch den Beschluss des Senats vom 3.4.2003 - 4 BS 348/02 - muss sich die Antragstellerin darüber im Klaren sein, dass sie es zunächst bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu unterlassen hat, mehr als 150.000 Tiere am Tag zu schlachten. Darüber hinaus hat der Senat in dem Beschluss vom 3.4.2003 - 4 BS 348/02 - keinen Zweifel daran gelassen, dass der Bescheid vom 5.2.2002 hinsichtlich dieser Beschränkung der Schlachttätigkeit rechtmäßig ist. Hinzu kommt, dass die Verstöße der Antragstellerin gegen die ihr aufgegebene Rechtspflicht zu Beeinträchtigungen Dritter, nämlich zu immissionsschutzrechtlich erheblichen Geräusch- und Geruchsimmissionen führt. Da die Antragstellerin durch ihr Verhalten zu erkennen gegeben hat, dass ein rechtstreues Verhalten und die ihr abverlangte Rücksichtnahme auf Dritte von ihr nicht zu erwarten sind, ist es ermessensgerecht gewesen, den Druck auf die Antragstellerin bis zu der gesetzlich vorgegebenen Grenze zu erhöhen. Ein Verstoß gegen § 19 Abs. 4 SächsVwVG ist weder dargetan noch ersichtlich. In Anbetracht der konkreten Umstände genügt die Begründung, die dem Bescheid vom 15.7.2003 beigefügt ist, den sich aus § 1 SächsVwVfG i.V.m. § 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG ergebenden Anforderungen.

Die Zwangsgeldandrohung vom 15.7.2003 verstößt auch nicht gegen § 20 Abs. 3 Satz 2 SächsVwVG. Nach dieser Vorschrift ist bei der Androhung mehrerer Zwangsmittel anzugeben, in welcher Reihenfolge diese Zwangsmittel angewandt werden sollen. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Regelung nur für den Fall Geltung beansprucht, dass mehrere Androhungen in einem Bescheid ausgesprochen werden. Ausgehend von der Zulässigkeit des sog. Nebeneinander von Zwangsmitteln setzt die behördliche Verpflichtung zur Angabe der Reihenfolge jedenfalls voraus, dass für den gleichen Zeitraum mehrere Androhungen auf den Pflichtigen einwirken. Dieser Bedeutungsgehalt folgt aus dem Zweck der Vorschrift, der darin besteht, dem Pflichtigen Klarheit über das weitere behördliche Vorgehen zu verschaffen. Dem Pflichtigen muss mitgeteilt werden, in welcher Reihenfolge die Vollstreckungsbehörde ihre Androhungen zu verwirklichen beabsichtigt. Demnach muss einer weiteren Androhung keine Mitteilung gemäß § 20 Abs. 3 Satz 2 SächsVwVG beigefügt werden, wenn zur Zeit ihres Erlasses keine Unklarheit über das weitere Vorgehen bestehen kann. Dies ist anzunehmen, wenn das zuvor angedrohte Zwangsgeld bei Erlass der weiteren Zwangsgeldandrohung bereits festgesetzt oder gar beigetrieben ist. Hier stellt sich die Frage, von welcher Androhung die Vollstreckungsbehörde zuerst Gebrauch machen wird, nicht mehr. Die frühere Zwangsgeldandrohung entfaltet zwar noch Rechtswirksamkeit als Rechtsgrundlage von Zwangsgeldfestsetzung und -beitreibung. Sie wirkt jedoch nicht mehr eigenständig als Druckmittel auf den Pflichtigen ein. Diese Wirkung ist zumindest teilweise auf die Zwangsgeldfestsetzung übergegangen, die auf ihrer Grundlage erlassen worden ist.

Demnach hat das Regierungspräsidium Leipzig in dem Bescheid vom 15.7.2003 keine Reihenfolge gemäß § 20 Abs. 3 Satz 2 SächsVwVG angeben müssen, weil bei Erlass dieses Bescheids keine Unklarheit darüber bestanden hat, welche Zwangsgeldandrohung als nächste umgesetzt werden würde. Denn das in dem Bescheid vom 5.2.2002 angedrohte Zwangsgeld von 5.000,- € war bereits lange zuvor, nämlich mit Bescheid vom 19.9.2002 festgesetzt worden. Weitere Zwangsgeldandrohungen sind bei Erlass des Bescheids vom 15.7.2002 nicht in Kraft gewesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 20 Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Senat orientiert sich an der Empfehlung unter I. Nrn. 7 und 8 des von Richtern der Verwaltungsgerichtsbarkeit erarbeiteten Streitwertkatalogs in der Fassung vom Januar 1996 (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., Anh. zu § 164).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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