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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 01.07.2003
Aktenzeichen: 4 BS 49/03
Rechtsgebiete: SiGrG, SächsGemO


Vorschriften:

SiGrG § 1 Abs. 1
SiGrG § 1 Abs. 2
SiGrG § 1 Abs. 3
SiGrG § 2 Abs. 1
SiGrG § 2 Abs. 2
SiGrG § 4 Abs. 1
SächsGemO § 111
SächsGemO §§ 113 ff.
1. Das Sicherheitsneugründungsgesetz - SiGrG - ermächtigt die Rechtsaufsichtsbehörde nicht, die zur Sicherheitsneugründung eines Zweckverbandes gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SiGrG erforderliche Vereinbarung einer Verbandssatzung durch die beteiligten Gemeinden durch Anordnungen gegen Gemeinden herbeizuführen.

2. Kommt die Sicherheitsneugründung in dem Verfahren gemäß § 2 Abs. 1 SiGrG nicht zu Stande, weil sich nicht alle beteiligten Gemeinden auf eine genehmigungsfähige Verbandssatzung einigen können, so muss die Rechtsaufsichtsbehörde die Sicherheitsneugründung gemäß § 4 Abs. 1 SiGrG im Wege der Ersatzvornahme durchführen.

3. Der Einsatz von Maßnahmen der Rechtsaufsicht gemäß § 111, §§ 113 ff. SächsGemO zur Durchführung einer Sicherheitsneugründung ist ausgeschlossen.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 4 BS 49/03

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Maßnahmen der Kommunalaufsicht (Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO)

hier: Beschwerde

hat der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Heitz als Vorsitzenden, den Richter am Verwaltungsgericht Voigt und den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng

am 1. Juli 2003

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 3. Februar 2003 - 1 K 1953/02 -, die sich dagegen richtet, dass das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Anordnungen unter Nummern 2 und 3 des Bescheids des Regierungspräsidiums Chemnitz vom 12. August 2002 wiederhergestellt hat, wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

1. Die Antragstellerin wendet sich gegen Maßnahmen, durch die ihr die Mitwirkung an der Sicherheitsneugründung des Zweckverbands ( ) aufgegeben worden ist. Dieser Zweckverband, an dem 48 Gemeinden beteiligt sind, nimmt seit 1993 die Aufgaben der Wasserversorgung und der Abwasserentsorgung wahr. Die Antragstellerin hat an der Gründung des Zweckverbands mitgewirkt. Seit dem Jahr 2000 laufen Bemühungen, um Zweifel an der Rechtswirksamkeit der Verbandsgründung im Jahr 1993 durch eine Sicherheitsneugründung auszuräumen. Die dafür erforderliche Vereinbarung einer neuen Verbandssatzung ist bislang an der Antragstellerin gescheitert. Diese ist als einzige betroffene Gemeinde nicht bereit, den Satzungsentwurf vom 10.1.2001 als neue Verbandssatzung zu akzeptieren.

Durch Bescheid vom 12.8.2002 hat das Regierungspräsidium Chemnitz gegenüber der Antragstellerin und den anderen betroffenen Gemeinden folgende Anordnungen getroffen:

1. Die Durchführung der Sicherheitsneugründung des Zweckverbandes wird angeordnet.

2. Die am bisherigen Zweckverband beteiligten Verbandsmitglieder haben erneut eine Verbandssatzung nach Maßgabe des § 48 SächsKomZG zu vereinbaren.

3. Die Verbandsversammlung des bisherigen Zweckverbandes hat eine vollständige Neufassung der Verbandssatzung, die mit der unter 2.) genannten Satzung identisch ist, in Form einer Änderungssatzung zu beschließen.

In der Begründung dieses Bescheids wird ausgeführt, die Anordnungen beruhten auf § 1 Abs. 3 des Sicherheitsneugründungsgesetzes - SiGrG -. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Sicherheitsneugründung unter Mitwirkung der Antragstellerin lägen vor. Diese sei verpflichtet, sich an der Sicherheitsneugründung auf der Grundlage des Satzungsentwurfs vom 10.1.2001 zu beteiligen, weil alle anderen betroffenen Gemeinden diesem Vorgehen bereits zugestimmt hätten.

Der Widerspruch der Antragstellerin ist durch Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Chemnitz vom 29.10.2002 zurückgewiesen worden. Zugleich hat das Regierungspräsidium die sofortige Vollziehung der Anordnungen unter Nrn. 1 bis 3 des Bescheids vom 12.8.2002 angeordnet.

Am 28.11.2002 hat die Antragstellerin Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 12.8.2002 erhoben und (sinngemäß) beantragt, die aufschiebende Wirkung dieser Klage wiederherzustellen. Diesem Antrag hat das Verwaltungsgericht Chemnitz durch Beschluss vom 3.2.2003 - 1 K 1953/02 - stattgegeben, soweit es um die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Anordnungen unter Nrn. 2 und 3 geht. Hinsichtlich der unter Nr. 1 getroffenen Anordnung hat es den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die Anordnung unter Nr. 1, die Sicherheitsneugründung durchzuführen, finde ihre gesetzliche Grundlage in § 1 Abs. 3 SiGrG. Die den Gemeinden durch § 1 Abs. 1 und 2, § 2 Abs. 2 dieses Gesetzes aufgegebene Verpflichtung, Zweifel an der wirksamen Gründung eines Zweckverbands und somit an der wirksamen Übertragung von Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung, insbesondere der Pflichtaufgaben der Wasserversorgung und der Abwasserentsorgung durch eine Sicherheitsneugründung auszuräumen, stelle keine Verletzung des Rechts auf kommunale Selbstverwaltung dar. Die Verpflichtung knüpfe an der Mitwirkung von Gemeinden in einem als Zweckverband gewollten Zusammenschluss an, der im Rechtsverkehr als Zweckverband aufgetreten sei und Aufgaben der Daseinsvorsorge wahrgenommen habe. Aus Gründen des Vertrauensschutzes und der sachgerechten Aufgabenerfüllung sei es erforderlich und angemessen, die tatsächlichen Verhältnisse auf eine sichere rechtliche Grundlage zu stellen (Seiten 9 bis 16 der Beschlussgründe). Aus den Gründen des Bescheids vom 12.8.2002 ergebe sich, dass der Regelungsgehalt der unter Nrn. 2 und 3 getroffenen Anordnungen darin bestehe, die Organe der Antragstellerin und deren Vertreter in der Verbandsversammlung zur Vornahme derjenigen Mitwirkungshandlungen zu verpflichten, die erforderlich seien, um den Satzungsentwurf vom 10.1.2001 als neue Verbandssatzung in Kraft zu setzen. Dem Gemeinderat der Antragstellerin werde eine entsprechende Beschlussfassung, deren Vertretern in der Verbandsversammlung werde ein entsprechendes Abstimmungsverhalten aufgegeben. Anordnungen dieses Inhalts seien jedoch vom Sicherheitsneugründungsgesetz nicht gedeckt. Dieses sehe in § 1 Abs. 3 lediglich vor, die Mitwirkungspflicht an der Durchführung der Sicherheitsneugründung dem Grunde nach festzustellen. Führten die Bemühungen der betroffenen Gemeinden um die Sicherheitsneugründung auf freiwilliger Grundlage nicht zum Erfolg, so müsse die Rechtsaufsichtsbehörde die Sicherheitsneugründung gemäß § 4 Abs. 1 SiGrG im Wege der Ersatzvornahme vornehmen (Seiten 17 bis 19 der Beschlussgründe).

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 3.2.2003 ist rechtskräftig geworden, soweit das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die in dem Bescheid vom 12.8.2002 unter Nr. 1 getroffene Anordnung abgelehnt hat. Soweit der Antrag Erfolg gehabt hat, hat die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt, zu deren Begründung sie geltend macht: Die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage gemäß § 1 Abs. 3 SiGrG decke auch ein Vorgehen gegen eine Gemeinde, die den erfolgreichen Abschluss einer Sicherheitsneugründung in dem gemäß § 2 Abs. 1 SiGrG vorgesehenen Verfahren durch ihre Weigerung verhindere, eine bestimmte Verbandssatzung zu vereinbaren. In einer solchen Situation müsse die Rechtsaufsichtsbehörde diejenigen Maßnahmen ergreifen können, die unter Berücksichtigung des erreichten Sachstandes zur Durchführung der Sicherheitsneugründung erforderlich seien. Anordnungen, die eine Gemeinde zur Vornahme von Mitwirkungshandlungen verpflichteten, stellten zudem ein milderes Mittel als die Sicherheitsneugründung im Wege der Ersatzvornahme gemäß § 4 Abs. 1 SiGrG dar.

2. Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht begründet.

Aus den von der Antragsgegnerin dargelegten Gründen, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, ergibt sich nicht, dass der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts insoweit unrichtig ist, als er die Antragsgegnerin beschwert. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die unter Nummern 2 und 3 des Bescheids vom 12.8.2002 getroffenen Anordnungen zu Recht mit der zutreffenden Begründung wiederhergestellt, dass diese Anordnungen im Sächsischen Sicherheitsneugründungsgesetz vom 18.4.2002 - SiGrG - (GVBl. S. 140) keine Rechtsgrundlage finden.

a. Hinsichtlich des Regelungsgehalts der Anordnungen unter Nrn. 2 und 3 des Bescheids vom 12.8.2002 geht der Senat von der Richtigkeit der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts aus. Der Antragsgegner hat diese Rechtsauffassung in der Beschwerdebegründung nicht in Frage gestellt. Demnach hat der Antragsgegner der Antragstellerin durch die Anordnung unter Nr. 2 aufgegeben, an der Sicherheitsneugründung des Zweckverbandes gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SiGrG durch die Vereinbarung des Satzungsentwurfs vom 10.1.2001 als Verbandssatzung mitzuwirken. Aus dieser Anordnung folgt zum einen die Verpflichtung des Gemeinderats der Antragstellerin, einer Vereinbarung dieses Inhalts zuzustimmen und die Aufgaben der Wasserversorgung und der Abwasserentsorgung (erneut) auf diesen Zweckverband zu übertragen. Zum anderen folgt daraus die Verpflichtung des Bürgermeisters der Antragstellerin, in deren Namen eine solche Vereinbarung abzuschließen. Durch die Anordnung unter Nr. 3 hat der Antragsgegner der Antragstellerin aufgegeben, ihre Vertreter in der Verbandsversammlung des bisherigen Zweckverbandes anzuhalten, ihre Stimmen bei der gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 SiGrG erforderlichen Beschlussfassung für die Übernahme des Satzungsentwurfs vom 10.1.2001 als neue Verbandssatzung abzugeben.

b. Diesen Anordnungen, die in das kommunale Selbstverwaltungsrecht der Äntragstellerin eingreifen, fehlt die hierfür erforderliche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Sie können nicht auf § 1 Abs. 3 SiGrG gestützt werden.

Nach dieser Vorschrift kann die Rechtsaufsichtsbehörde die Durchführung der Sicherheitsneugründung anordnen, wenn die Verpflichtung zur Sicherheitsneugründung besteht, diese aber nicht durchgeführt wird. Eine solche Verpflichtung ist einer Gemeinde unmittelbar durch das Sicherheitsneugründungsgesetz auferlegt, wenn sie gemäß § 2 Abs. 2 SiGrG als Mitglied eines Zweckverbandes gilt, der seine Tätigkeit aufgenommen hat, an dessen wirksamer Gründung und demnach Bildung als Körperschaft aber zumindest erhebliche Zweifel bestehen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2, Nr. 3; Abs. 1 Nr. 2 SiGrG). Die betroffenen Gemeinden haben diese Verpflichtung dadurch zu erfüllen, dass sie eine genehmigungsfähige, d.h. vor allem den gesetzlichen Erfordernissen genügende Verbandssatzung vereinbaren (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SiGrG) und sicherstellen, dass ihre Vertreter in der Verbandsversammlung des bisherigen Verbandes der vereinbarten Verbandssatzung zustimmen (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 SiGrG i.V.m. § 26 Abs. 1 SächsKomZG; § 52 Abs. 1 Satz 3, Abs. 4 SächsKomZG).

Das Sicherheitsneugründungsgesetz erlegt den Gemeinden zwar die Pflicht zur Durchführung der Sicherheitsneugründung eines Zweckverbandes dem Grunde nach auf. Das Gesetz überlässt es jedoch den Gemeinden, sich über die Bedingungen, unter denen sie den Verband auf rechtlich gesicherter Grundlage fortsetzen wollen, d.h. über den Inhalt der neuen Verbandssatzung zu einigen. Der Rechtsaufsichtsbehörde ist es verwehrt, die Vereinbarung einer Verbandssatzung bestimmten Inhalts durch Aufsichtsmaßnahmen zu erzwingen. Gleiches gilt für die Beschlussfassung der Verbandsversammlung des bisherigen Verbandes. Steht fest, dass die Sicherheitsneugründung auf freiwilliger Grundlage in dem Verfahren gemäß § 2 Abs. 1 SiGrG nicht gelingen wird, weil sich nicht alle betroffenen Gemeinden über den Inhalt einer genehmigungsfähigen Verbandssatzung einigen können, so muss die Rechtsaufsichtsbehörde gemäß § 4 Abs. 1 SiGrG die gesetzlich vorgeschriebene Sicherheitsneugründung an Stelle der Gemeinden im Wege der Ersatzvornahme durchführen.

Die Regelung gemäß § 1 Abs. 3 SiGrG ermächtigt die Rechtsaufsichtsbehörde lediglich zu der Feststellung gegenüber einer Gemeinde, dass diese gemäß § 1 Abs. 1 und 2, § 2 Abs. 2 SiGrG verpflichtet ist, an der Sicherheitsneugründung eines bestimmten Zweckverbandes mitzuwirken. Durch eine Anordnung gemäß § 1 Abs. 3 SiGrG soll das Bestehen dieser gesetzlichen Verpflichtung rechtsverbindlich festgestellt und die Gemeinde zur Erfüllung dieser Verpflichtung gemahnt werden. Demzufolge kann eine Anordnung gemäß § 1 Abs. 3 SiGrG gegen eine Gemeinde ergehen, die die Sicherheitsneugründung entgegen § 1 Abs. 1 und 2 SiGrG nicht für erforderlich hält, ihre Beteiligung entgegen § 2 Abs. 2 SiGrG in Abrede stellt, sich aus anderen Gründen weigert, an der Sicherheitsneugründung mitzuwirken oder ohne Angaben von Gründen untätig bleibt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Gemeinde von Anfang an nicht mitwirkt oder ihre Bemühungen um die Vereinbarung einer neuen Verbandssatzung einstellt. Dagegen bietet § 1 Abs. 3 SiGrG der Rechtsaufsichtsbehörde keine Handhabe für die Anordnung von bestimmten Mitwirkungshandlungen gegenüber einer Gemeinde, um auf diese Weise das Verfahren gemäß § 2 Abs. 1 SiGrG zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen und die Sicherheitsneugründung durch Ersatzvornahme zu vermeiden.

Dieser eingeschränkte Bedeutungsgehalt von § 1 Abs. 3 SiGrG ergibt sich aus dem Wortlaut dieser Vorschrift, ihrer systematischen Stellung im Gefüge von §§ 1, 2 und 4 Abs. 1 SiGrG, aus dem Inhalt von § 4 Abs. 1 SiGrG sowie aus der Entstehungsgeschichte dieses Gesetzes:

Die Regelung gemäß § 1 Abs. 3 SiGrG kann nicht als Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung konkreter Mitwirkungshandlungen herangezogen werden, weil ihr Wortlaut hierfür zu unbestimmt ist. Er enthält keine Anhaltspunkte, die erkennen lassen, in welchem Stadium sich die Bemühungen der betroffenen Gemeinden um eine Vereinbarung befinden und welche inhaltlichen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um der Rechtsaufsichtsbehörde ein Eingreifen zu ermöglichen. Auch enthält § 1 Abs. 3 SiGrG keinen Hinweis darauf, ob ein solches Eingreifen nur möglich sein soll, wenn - wie im vorliegenden Fall - eine einzelne Gemeinde die Sicherheitsneugründung in dem Verfahren gemäß § 2 Abs. 1 SiGrG verhindert oder ob darüber hinaus komplexere Interessenkollisionen, die einer Einigung entgegenstehen, durch die Rechtsaufsichtsbehörde geklärt werden sollen. Hinzu kommt, dass § 1 Abs. 3 SiGrG auf Grund seiner Stellung im Gesetz an die voranstehenden Absätze 1 und 2 des § 1 SiGrG anknüpft. Diese befassen sich aber nur mit den Voraussetzungen für die Durchführung einer Sicherheitsneugründung dem Grunde nach.

Für den dargestellten Inhalt von § 1 Abs. 3 SiGrG spricht zudem, dass weder diese Vorschrift noch eine andere Bestimmung des Sicherheitsneugründungsgesetzes Aussagen darüber trifft, in welchem Verhältnis Anordnungen zur Vornahme konkreter Mitwirkungshandlungen in dem Verfahren gemäß § 2 Abs. 1 SiGrG zu der Maßnahme der Ersatzvornahme gemäß § 4 Abs. 1 SiGrG stünden. Es ist unklar, ob ein Stufenverhältnis bestünde oder die Rechtsaufsichtsbehörde zwischen beiden Vorgehensweisen wählen könnte.

Vor allem aber sprechen die Regelungen in § 4 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 SiGrG gegen die Annahme, dass § 1 Abs. 3 SiGrG die Rechtsaufsichtsbehörde ermächtigen könnte, den Abschluss einer Vereinbarung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SiGrG oder eine Beschlussfassung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 SiGrG herbeizuführen. Diese Regelungen enthalten die inhaltlichen Vorgaben für das Vorgehen der Rechtsaufsichtsbehörde zur Durchführung einer Sicherheitsneugründung, die in § 1 Abs. 3 SiGrG vollständig fehlen. Aus § 4 Abs. 1 Satz 1 bis 3 SiGrG ist zu folgern, dass das Sicherheitsneugründungsgesetz für eine gesetzlich gebotene Sicherheitsneugründung ausschließlich die Ersatzvornahme durch die Rechtsaufsichtsbehörde vorsieht, falls sich die betroffenen Gemeinden - aus welchen Gründen auch immer - über die Bedingungen der Sicherheitsneugründung nicht einigen können.

Gemäß § 4 Abs. 1 Satz SiGrG verfugt die Rechtsaufsichtsbehörde die Bildung eines Zweckverbandes und erlässt gleichzeitig die Verbandssatzung, wenn eine übereinstimmende Beschlussfassung nach § 2 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 innerhalb einer von der Rechtsaufsichtsbehörde gesetzten Frist nicht zu Stande kommt. Dies lässt den Schluss zu, dass der Rechtsaufsichtsbehörde zur Durchführung der Sicherheitsneugründung ausschließlich die Maßnahme der Fristsetzung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 SiGrG zur Verfügung steht, wenn sich abzeichnet, dass das vorrangige Verfahren gemäß § 2 Abs. 1 SiGrG nicht zum Erfolg führen wird. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich herausgestellt hat, dass eine Einigung aller betroffenen Gemeinden nicht möglich ist. Der fruchtlose Ablauf der Frist stellt eine Zäsur dar: Wie der Wortlaut von § 4 Abs. 1 Satz 1 SiGrG erkennen lässt, werden durch den Fristablauf Handlungspflichten der Rechtsaufsichtsbehörde begründet: Sie ist nunmehr verpflichtet, den gesetzlichen Auftrag der Sicherheitsneugründung zu erfüllen. Die Verantwortung für die Sicherheitsneugründung und damit für den Inhalt der neuen Verbandssatzung geht von den beteiligten Gemeinden auf die Rechtsaufsichtsbehörde über. An die Stelle des Verfahrens gemäß § 2 Abs. 1 SiGrG, das aufgrund des Fristablaufs als gescheitert gilt, tritt das Verfahren der Ersatzvornahme gemäß § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SiGrG. Dieses Verhältnis der beiden gesetzlich vorgesehenen Verfahrenswege für eine Sicherheitsneugründung wird durch § 4 Abs. 1 Satz 3 SiGrG klargestellt, wonach die Ersatzvornahme an die Stelle des Verfahrens nach § 2 tritt.

Auch die in § 4 Abs. 1 Satz 2 SiGrG getroffenen Regelungen für das Verfahren der Ersatzvornahme und den Inhalt der von der Rechtsaufsichtsbehörde zu erlassenden Verbandssatzung zeigen, dass die Rechtsaufsichtsbehörde darauf verwiesen ist, die Gründe für das Scheitern des Verfahrens gemäß § 2 Abs. 1 SiGrG erst im Verfahren der Ersatzvornahme zu berücksichtigen. Erst nach Übernahme der Verantwortung für die Sicherheitsneugründung ist sie gesetzlich ermächtigt, durch den Erlass einer Verbandssatzung mit entsprechendem Inhalt dem Willen der Mehrheit der betroffenen Gemeinden Rechnung zu tragen oder komplexe Interessenkollisionen durch Einbeziehung oder Zurückstellung von Interessen aufzulösen.

Schließlich wird auch durch die Amtliche Begründung zum Sicherheitsneugründungsgesetz (Landtags-Drucksache 3/3903) belegt, dass die Rechtsaufsichtsbehörde ihre inhaltlichen Vorstellungen nicht in dem Verfahren gemäß § 2 Abs. 1 SiGrG, sondern erst nach Übergang in das Verfahren der Ersatzvornahme durchsetzen kann. Auf den Seiten 16 und 17 der Amtlichen Begründung wird zu § 4 Abs. 1 ausgeführt:

"§ 4 enthält die zentrale Ermächtigungsgrundlage für die zwangsweise Durchsetzung der Sicherheitsneugründung. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Gemeinden die Mitwirkungen an einer Sicherheitsneugründung verweigern oder verschleppen, obwohl sie nach § 1 Abs. 1 zur Durchführung verpflichtet sind. Denkbar sind ebenfalls Fälle, in denen die Mitglieder zwar prinzipiell zu einer Sicherheitsneugründung bereit sind, die Mitwirkung aber an Bedingungen, z.B. Satzungsänderungen in ihrem Sinne, knüpfen. Hier kann sich im Einzelfalle eine sehr unübersichtliche Interessenlage ergeben. Es wäre für die Rechtsaufsichtsbehörde außerordentlich schwierig, hier gegen jede einzelne Gemeinde mit den Mitteln der Ersatzvornahme einzuschreiten. Dagegen stellt das Verfahren, an die Stelle übereinstimmender Beschlüsse eine Verfügung der Rechtsaufsichtsbehörde treten zu lassen, ein handhabbares, praktikables Verfahren dar..."

Aus diesen Ausführungen wird deutlich, dass der Landesgesetzgeber die Rechtsaufsichtsbehörde auf die Sicherheitsneugründung im Wege der Ersatzvornahme verwiesen hat, falls das vorrangige Verfahren gemäß § 2 SiGrG, d.h. eine Einigung der Gemeinden aus welchen Gründen auch immer nicht zu Stande kommt.

Die Amtliche Begründung lässt zudem erkennen, dass die Regelung gemäß § 1 Abs. 3 SiGrG der Rechtsaufsichtsbehörde nur die rechtsverbindliche Feststellung der gesetzlichen Neugründungspflicht ermöglicht. Darin heißt es auf Seite 12 zu § 1 Abs. 3:

"... Die Sicherheitsneugründung eines Zweckverbandes soll in erster Linie von den Mitgliedsgemeinden ausgehen, da die Gründung eines Zweckverbandes Angelegenheit der kommunalen Selbstverwaltung ist. Leiten die Gemeinden jedoch eine Neugründung nicht selbständig ein, obwohl begründete Zweifel an der Verbandsgründung bestehen, ist die Durchführung des Verfahrens durch die Rechtsaufsichtsbehörde anzuordnen ..."

Nach Inhalt und Systematik des Sicherheitsneugründungsgesetzes kann nicht zweifelhaft sein, dass dieses Gesetz den von ihm erfassten Regelungsbereich, nämlich die Sicherheitsneugründung von Zweckverbänden bei Zweifeln an der Wirksamkeit der Gründung abschließend regelt. Aus diesem Grund scheidet in diesem Bereich der Einsatz von Aufsichtsmaßnahmen der allgemeinen Kommunalaufsicht gemäß § 111, §§ 113 ff SächsGemO gegenüber Gemeinden aus.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 20 Abs. 3, § 14 Abs. 1 Satz 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Ebenso wie das Verwaltungsgericht orientiert sich der Senat für die Streitwertfestsetzung an Nr. 19.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., Anhang zu § 164, RdNr. 14). Daraus lässt sich für das Beschwerdeverfahren ein Streitwert von 5.000,00 € herleiten. Der Senat hält eine Halbierung des Streitwertes nicht für angemessen, weil das vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Hauptsache faktisch vorwegnimmt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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