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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 30.08.2007
Aktenzeichen: 4 E 47/06
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO, RVG, RVG VV


Vorschriften:

VwGO § 146
VwGO § 162 Abs. 1
VwGO § 164
VwGO § 165
ZPO § 91 Abs. 2 S 2
RVG § 2 Abs. 2
RVG VV Anl. 1 Nr. 3401
RVG VV Anl. 1 Nr. 3402
Lehnt ein Gericht eine Terminsverlegung ab, obgleich einem Prozessbevollmächtigten wegen Terminsüberschneidung die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung unmöglich ist und wird deshalb ein weiterer Prozessbevollmächtigter als Terminsvertreter tätig, dann sind die dadurch anfallenden Mehrkosten erstatungsfähig.
SÄCHSICHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 4 E 47/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Nutzung eines Abwasserkanals

hier: Kostenfestsetzung und -verteilung

hat der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Künzler, den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng und den Richter am Oberverwaltungsgericht Heinlein

am 30. August 2007

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägers werden der Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 1. November 2005, mit dem sein Kostenfestsetzungs- und Kostenausgleichsantrag zurückgewiesen wurde sowie der seine Erinnerung zurückweisende Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 26. Januar 2006 - 12 K 2916/02 - geändert. Die Beklagte hat an den Kläger 68,05 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit 8.9.2005 zu erstatten.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des gerichtskostenfreien Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte zu 3/4 und der Kläger zu 1/4.

Gründe:

1. Der Kläger wendet sich gegen die Zurückweisung des Antrags auf Festsetzung und Ausgleichung von anlässlich der Teilnahme des Prozessbevollmächtigten zu 2. an einer mündlichen Verhandlung entstandenen Prozesskosten.

Nachdem die Prozessbevollmächtigte zu 1. für den Kläger am 16.12.2002 Klage erhob, bestimmte das Verwaltungsgericht am 11.2.2005 Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 6.4.2005. Eine von der Prozessbevollmächtigten erbetene Verlegung des Termins wegen eines anderen Gerichtstermins lehnte das Verwaltungsgericht u.a. mit dem Hinweis ab, ein anderer Rechtsanwalt könne mit der Terminswahrnehmung beauftragt werden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung trat für den Kläger dann der Prozessbevollmächtigte zu 2. auf. Nach Erörterung der Sache in der Verhandlung wurde der Termin "aufgehoben" und "neuer Termin" zu einem späteren Zeitpunkt bestimmt. Aufgrund des "neuen Termins", auf dem für den Kläger die Prozessbevollmächtigte zu 1. auftrat, erging ein überwiegend die Klage abweisendes Urteil; die Kosten des Verfahrens wurden dem Kläger zu 10/11 und der Beklagten zu 1/11 auferlegt.

Nach Beantragung der Festsetzung und Ausgleichung der Kosten der Prozessbevollmächtigten zu 1. und 2. hat die Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts um die Einreichung eines korrigierten Antrages gebeten; der Prozessbevollmächtigte zu 2. habe nicht als Unterbevollmächtigter gehandelt, da er mit der Prozessbevollmächtigten zu 1. eine Bürogemeinschaft führe. Mit Schreiben vom 2.9.2005 beantragte die Prozessbevollmächtigte zu 1. daraufhin die Festsetzung und Ausgleichung lediglich ihrer Kosten; diese wurden antragsgemäß mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 1.11.2005 festgesetzt und ausgeglichen. Der Prozessbevollmächtigte zu 2. beantragte am 8.9.2005 die Festsetzung und Ausgleichung seiner Kosten in Höhe von 1.003,40 €; mit weiterem Beschluss des Verwaltungsgerichts ebenfalls vom 1.11.2005 wurde der Antrag zurückgewiesen. Die dagegen von dem Prozessbevollmächtigten zu 2. eingelegte Erinnerung hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 26.1.2006 zurückgewiesen und dem Prozessbevollmächtigten die Kosten als vollmachtlosen Vertreter auferlegt.

2. Die Beschwerde ist zulässig (§ 146 VwGO); insbesondere besteht keine Veranlassung das Vorbringen des Prozessbevollmächtigten zu 2. im Kostenfestsetzungsverfahren und Beschwerdeverfahren, er habe von dem Kläger gesondert Vollmacht erhalten, in Zweifel zu ziehen. Ebenso wenig besteht Anlass zur Annahme, diese Vollmacht erstrecke sich nicht auf das Kostenfestsetzungsverfahren (sh. etwa: Geiger, in: Eyermann, VwGO, § 164 RdNr. 5).

Die Beschwerde ist überwiegend begründet. Das Verwaltungsgericht hat es fehlerhaft abgelehnt, die dem Prozessbevollmächtigten zu 2. entstandenen Kosten festzusetzen und auszugleichen. Der Prozessbevollmächtigte zu 2. hat als Terminsvertreter Anspruch auf eine Vergütung dieser Einzeltätigkeit nach § 2 Abs. 2 RVG, Anlage 1 Teil 3 Abschnitt 4 VV Nr. 3401 und 3402, Teil 7 Nr.7002. Der Terminsvertreter hat nach diesen Regelungen in der jeweilig bestimmten Höhe Anspruch auf eine Verfahrensgebühr, Terminsgebühr sowie die Post- und Telekommunikationspauschale.

Der Prozessbevollmächtigte zu 2. ist Terminsvertreter; er ist neben der Prozessbevollmächtigten zu 1. als weiterer Bevollmächtigter von dem Kläger beauftragt worden, ihn im Termin zur mündlichen Verhandlung am 6.4.2005 zu vertreten. Dies folgt aus dem Vorbringen des Prozessbevollmächtigten, er habe von dem Kläger eine Vollmacht für die Terminswahrnehmung erhalten, nachdem das Verwaltungsgericht eine Verlegung des Termins gegenüber der Prozessbevollmächtigten zu 1. abgelehnt habe. Dass die Prozessbevollmächtigten zu 1. und 2. zum damaligen Zeitpunkt eine Bürogemeinschaft führten ändert daran nichts. Im Falle einer Bürogemeinschaft wird grundsätzlich ein bestimmtes Mitglied der Gemeinschaft und nicht die Gemeinschaft selbst beauftragt; anders als bei einer Sozietät ist es gerade das Wesen der Bürogemeinschaft, dass Aufträge nicht gemeinschaftlich übernommen werden. Dass gleichwohl die Grundsätze der Beauftragung einer Sozietät zur Anwendung kommen könnten - etwa wenn die Bürogemeinschaft als Außensozietät in Erscheinung getreten wäre - erschließt sich hier schon deshalb nicht, weil zum Zeitpunkt der Klageerhebung - wie den Schriftsätzen zu entnehmen ist - offenbar die Bürogemeinschaft noch nicht geführt wurde; erstmals der Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten zu 1. vom 15.3.2005 enthält einen Hinweis auf eine Bürogemeinschaft. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts steht einer Festsetzung der angesprochenen Kosten nicht die Rechtskraft des Beschlusses über die Festsetzung und Ausgleichung der Kosten der Prozessbevollmächtigten zu 1. entgegen. Mit dem Beschluss wurde über den von der Prozessbevollmächtigten zu 1. am 5.9.2005 beim Verwaltungsgericht eingereichten Ausgleichsantrag, der sich auf die Kosten der Prozessbevollmächtigten beschränkt und die Kosten des Prozessbevollmächtigten zu 2. nicht erfasst, entschieden. Den zuvor am 29.7.2005 gestellten Kostenausgleichsantrag - mit dem auch die Festsetzung und Ausgleichung der Kosten des Prozessbevollmächtigten zu 2. beantragt wurden - hat die Prozessbevollmächtigte aufgrund des Hinweises der Urkundsbeamtin auf eine vermeintliche Fehlerhaftigkeit nicht aufrecht erhalten.

Die Kosten des Terminsvertreters sind als notwendige Kosten dem Grunde nach erstattungsfähig. Dabei kann dahin gestellt bleiben, ob hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit eines Terminsvertreters auf § 162 Abs. 1 VwGO oder § 173 VwGO i.V.m. § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO abzuheben ist (sh. dazu etwa: OLG München, Beschl. v. 26.10.2001, NJW-RR 202, 354). Eine Erstattungsfähigkeit wäre nach beiden Regelungen zu bejahen. Die Einschaltung des Terminsvertreters als weiterer Prozessbevollmächtigter war notwendig i.S.v. § 162 Abs. 1 VwGO; sie musste auch i.S.v. § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO eintreten. Die Einschaltung des Terminsvertreters erfolgte, weil das Verwaltungsgericht sich weder aus rechtlichen noch aus sonstigen Gründen veranlasst gesehen hat, der Bitte der Prozessbevollmächtigten, der es wegen eines anderen Gerichtstermins unmöglich war, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, zu entsprechen. Lehnt ein Gericht eine Terminsverlegung ab, obgleich einem Prozessbevollmächtigten wegen Terminsüberschneidung die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung unmöglich ist und wird deshalb ein weiterer Prozessbevollmächtigter als Terminsvertreter tätig, dann sind die dadurch anfallenden Mehrkosten erstattungsfähig.

Wegen der Terminsvertretung des Prozessbevollmächtigten zu 2. sind danach bei einem Streitwert von 5.732,86 € folgende erstattungsfähige Kosten entstanden:

 a. Verfahrensgebühr nach Nr. 3401 VV RVG in Höhe von 50 % der Verfahrensgebühr der Prozessbevollmächtigten zu 1. von 1,3 nach 3100 VV RVG, somit 0.65 219,70 €
b. Terminsgebühr nach Nr. 3402 VV RVG in Höhe der Terminsgebühr der Prozessbevollmächtigten zu 1. nach Nr. 3104, somit 1,2 405,60 €
c. Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV RVG 20,00 €
insgesamt 645,30 €
+ 16 % USt 103,25 €
Gesamtsumme: 748,55 €

Die Beklagte hat nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 4.5.2005 Verfahrenskosten in Höhe von 1/11 zu tragen, von den Kosten des Terminsvertreters damit 68,05 €, die nach § 104 Abs. 1 Satz 2 mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit Eingang des Festsetzungsantrags am 8.9.2005 zu verzinsen sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO; das Beschwerdegericht hat dabei sowohl über die Kosten des Erinnerungs- wie auch des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden (Olbertz in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 165 RdNr. 16). Vorliegend hat der Kläger, der Kosten in Höhe von 1.003,40 € geltend gemacht hat, etwa zu 3/4 obsiegt. Da die Beschwerde somit in der Sache nur zu einem kleineren Teil zurückgewiesen wurde, entspricht es billigem Ermessen Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren nicht zu erheben (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG Nr. 5502); das Erinnerungsverfahren ist mangels Kostentatbestand ebenfalls gerichtskostenfrei.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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