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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 22.02.2006
Aktenzeichen: 5 B 304/04
Rechtsgebiete: SächsStrG


Vorschriften:

SächsStrG § 3 Abs. 1 Nr. 1
SächsStrG § 7 Abs. 2
1. Die Verkehrsbedeutung einer öffentlichen Straße i.S.d. § 3 Abs. 1 SächsStrG beurteilt sich nach der Bedeutung der Straße im Verkehr, also nach ihrer Funktion im Gesamtstraßennetz.

2. Staatsstraßen i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 SächsStrG sind Straßen, die innerhalb des Freistaates Sachsen untereinander oder zusammen mit Bundesfernstraßen ein Verkehrsnetz bilden (Netzzusammenhang).

3. Die Funktion der Staatsstraßen wird dadurch bestimmt, dass sie innerhalb dieses Netzzusammenhangs dem Durchgangsverkehr dienen oder zu dienen bestimmt sind.

4. Eine nur einseitig an das Verkehrsnetz angebundene Straße (Stichstraße) schließt ihre Verknüpfung mit dem Verkehrsnetz nicht aus.

5. Der auf einer Stichstraße stattfindende überregionale Zu- und Abfahrtsverkehr ist Durchgangsverkehr i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 SächsStrG.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 5 B 304/04

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Abstufung einer Staatsstraße zur Kreisstraße

hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schaffarzik und den Richter am Verwaltungsgericht Büchel aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2006

am 22. Februar 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 19. Dezember 2002 - 2 K 2396/98 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt der Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Verfügung des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 3.11.1998, mit welcher die Staatsstraße S 271 zwischen dem Netzknoten 5543 003, Stat. 0,000 und Netzknoten 5543 004, Stat. 0,000 - Länge 2,312 km zur Kreisstraße K 7151 abgestuft wird.

Die S 271 schließt eine Lücke im Bundesfernstraßennetz. Sie verbindet - unter der Bezeichnung Tellerhäuserstraße - die aus Richtung Chemnitz über Annaberg-Buchholz auf Oberwiesenthal zulaufende Bundesstraße (B) 95 mit der B 101, auf die sie nahe der Ortschaft Raschau trifft. Die B 95 führt bis zur Bundesgrenze und schließt dort an eine nach Karlsbad führende Fernverkehrsstraße der Tschechischen Republik an. Die S 271 zweigt in Ostwestrichtung im Bereich des Naturschutzgebietes Oberwiesenthal von der B 95 ab und gabelt sich danach in zwei Äste, von denen der eine als Fichtelbergstraße zum Fichtelbergplateau, der andere in Richtung Raschau führt. Die Fichtelbergstraße verläuft mit einer Gesamtlänge von 2,312 km außerhalb der geschlossenen Ortslage der Beigeladenen und stellt im Zuge der S 271 die alleinige Verbindung zum Fichtelbergplateau mit vorgelagertem Hinterem Fichtelberg dar. Auf dem unbewohnten Plateau befinden sich neben einem vom Kläger betriebenen Restaurant mit Aussichtsturm (Fichtelberghaus) die Bergstation der Fichtelberg-Schwebebahn sowie eine Wetterstation der Bundesrepublik Deutschland. Eine weitere, vom beklagten Freistaat unterhaltene Wetterstation (Rauhreifstation) liegt im Bereich des Hinteren Fichtelberges als Ausgangspunkt eines sowohl dem Olympiatraining wie auch dem Breitensport dienenden grenzüberschreitenden Pisten-, Loipen-, Rollski- und Wanderwegenetzes. Dieses ist Austragungsort nationaler und internationaler Skiwettkämpfe wie z. B. des Weltcups in der Nordischen Kombination. Auf ca. halber Höhe des Fichtelberges liegt das Hotel "Sachsenbaude". Ein weiterer Hotel- und Gaststättenbetrieb, die "Fichtelbergbaude", befindet sich ca. 150 m unterhalb des Plateaus. Parkmöglichkeiten bestehen am Fuß des Fichtelberges, im Bereich des Hinteren Fichtelberges sowie auch auf dem Plateau selbst.

Im Jahre 1995 fanden Verhandlungen zwischen dem Straßenbauamt Zwickau und der Beigeladenen über die Abstufung der "Fichtelbergstraße" zum beschränkt-öffentlichen Weg statt. Das Straßenbauamt bereitete eine entsprechende Umstufungsvereinbarung vor, die jedoch vom Stadtrat der Beigeladenen auf seiner Sitzung vom 31.8.1995 abgelehnt wurde.

Unter dem 17.10.1997 ordnete das Landratsamt Annaberg u. a. die Entfernung des am Beginn der Fichtelbergstraße stehenden Verkehrszeichens Z 250 - Verbot für Fahrzeuge aller Art mit den vier Zusatzzeichen - Bus frei, Rollstuhlfahrer frei, Radfahrer frei und Betriebs- und Versorgungsdienst, sowie Ausnahmegenehmigungen frei - an. Mit Schreiben vom 13.7.1998 teilte der Beklagte dem Kläger die Absicht mit, die Staatsstraße S 271 in dem oben näher beschriebenen Abschnitt (Zufahrt zum Fichtelberg - Fichtelbergstraße -) auf einer Länge von 2,378 km in die Baulast des Klägers abzustufen. Der Kläger wandte in der Folgezeit gegen die beabsichtigte Umstufung ein, dass die dafür erforderlichen Voraussetzungen des Sächsischen Straßengesetzes nicht vorlägen.

Mit Verfügung vom 3.11.1998 stufte der Beklagte die bisherige Teilstrecke der S 271 (Fichtelbergstraße von Netzknoten 5543 003 bis Netzknoten 5543 004) zur Kreisstraße (K 7151) des Klägers ab. Zur Begründung führte er im Kern aus, dass die Fichtelbergstraße weder dem Durchgangsverkehr diene noch diesem zu dienen bestimmt sei. Die Straße schließe den Fichtelberg als regional bedeutsames Ausflugs- und Naherholungsziel der Verbindungsstufe IIIb an Straßen höherer Verbindungsfunktion an.

Gegen diese ihm am 5.11.1998 zugestellte Verfügung erhob der Kläger am 3.12.1998 Klage und beantragte, die Verfügung des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 3.11.1998 aufzuheben. Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 19.12.2002 hob das Verwaltungsgericht Chemnitz den Bescheid des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 3.11.1998 auf. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus: Die zulässige Klage sei begründet, weil die die Fichtelbergstraße betreffende Abstufungsverfügung des Beklagten vom 3.11.1998 rechtswidrig sei und den Kläger in seinen Rechten verletze. Die Fichtelbergstraße sei keine Kreisstraße i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 SächsStrG. Vielmehr lägen die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 SächsStrG zugunsten der Qualität einer Staatsstraße unverändert vor. Die S 271 diene in dem betroffenen Teilstück einem weiträumigen Verkehr innerhalb des Staatsgebietes. Staatsstraßen i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 SächsStrG seien öffentliche Straßen, die untereinander oder zusammen mit Bundesfernstraßen ein Verkehrsnetz bildeten (Netzzusammenhang) und einem Durchgangsverkehr innerhalb des Staatsgebietes dienten oder zu dienen bestimmt seien (Verkehrsbedeutung). Der Netzzusammenhang i.S.d. vorgenannten Vorschrift verlange nicht ein eigenes Netz von Staatsstraßen, sondern lasse es vielmehr auch zu, dass der Durchgangsverkehr einer Staatsstraße für eine Teilstrecke auf eine Bundesstraße verwiesen werde. Netzzusammenhang i.S.d. Vorschrift bedeute, dass Staatsstraßen zumindest an einem Ende mit Bundesautobahnen, Bundesstraßen oder anderen Staatsstraßen verknüpft sein müssten, um im Hinblick auf den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 SächsStrG geforderten Netzzusammenhang als Staatsstraße angesehen werden zu können. Der Netzzusammenhang werde deshalb nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Fichtelbergstraße und damit das hier betroffene Teilstück der S 271 auf dem Fichtelberg ende.

Die Fichtelbergstraße besitze auch - weiterhin - eine Funktion (Verkehrsbedeutung) im überörtlichen Verkehrsnetz i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 SächsStrG. Sie diene nach den derzeitigen Verhältnissen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 SächsStrG festgelegten Funktionen einer Staatsstraße für den Durchgangsverkehr innnerhalb des Staatsgebietes bereits aus netzstrukturellen Gesichtspunkten. Sie diene im Verbund mit den vorhandenen Staats- und Bundesfernstraßen als einzige Zufahrt der verkehrlichen Erschließung und damit Erreichbarkeit der in sportlicher und touristischer Hinsicht zentralen Einrichtung des Osterzgebirges, des Fichtelbergs, das "Dach Sachsens". Raumbedeutsamer Verkehrserzeuger sei der Fichtelberg selbst und nicht die Beigeladene.

Mit Beschluss vom 31.3.2004 ließ der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zu. Als von grundsätzlicher Bedeutung i.S.d. vorgenannten Vorschrift sah der Senat die Frage, ob das Merkmal "Durchgangsverkehr" i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 SächsStrG auch dann zu bejahen sei, wenn eine Straße an ihrem Endpunkt nicht weiterführe, sondern als Stichstraße ende.

Der Beklagte beruft sich zur Begründung seiner Berufung auf sein Vorbringen im Zulassungsverfahren. Dort hatte er vorgetragen, dass der vom Verwaltungsgericht verwendete Begriff der Verkehrsbedeutung als Erläuterung des Durchgangsverkehrs im Sinne der Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 1 SächsStrG nicht der Rechtslage entspreche. Aus der systematischen Stellung der Verkehrsbedeutung in § 3 Abs. 1 SächsStrG folge, dass diese nicht allein den Staatsstraßen zuzuordnen sei, sondern dieses Merkmal gleichsam vor die Klammer gezogen für alle Straßenkategorien in § 3 Abs. 1 SächsStrG gelte. Das Verwaltungsgericht verstehe die Begriffe "Verkehrsbedeutung" und "Durchgangsverkehr" gleich mit der Folge, dass es dem Begriff "Durchgangsverkehr" keine eigene Bedeutung zumesse. Mit dem Begriff des "Durchgangsverkehrs" setze sich das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die verkehrsrechtliche Erschließung des Fichtelberges überhaupt nicht auseinander. Es fehle auch eine Auseinandersetzung mit der Problematik, ob eine Stichstraße eine Durchgangsstraße sein könne.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 19. Dezember 2002 - 2 K 2396/98 - die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich auf sein Vorbringen vor dem Verwaltungsgericht Chemnitz.

Die Beigeladene beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf ihr Vorbringen vor dem Verwaltungsgericht.

Dem Senat liegen die zur Sache gehörenden Akten des Beklagten (3 Heftungen), die Akten des Verwaltungsgerichts Chemnitz (2 K 2396/98) und die Akte des Zulassungsverfahrens (1 B 104/03) vor. Auf sie sowie auf die im Berufungsverfahren zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Die Bezugnahme auf das Vorbringen im Zulassungsverfahren erfüllt die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung nach § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.9.1999, NVwZ 2000, 67).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Die Klage, mit der sich der Kläger gegen die Umstufungsverfügung des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 3.11.1998 wendet, ist zulässig. Insbesondere kann der Kläger geltend machen, durch die angefochtene Umstufungsverfügung in seiner Planungs- und Finanzhoheit verletzt zu werden. Durch die angefochtene Umstufungsverfügung werden Teile einer bisherigen Staatsstraße zur Kreisstraße in der Straßenbaulast des Klägers (§ 44 Abs. 1 Satz 2 SächsStrG) abgestuft. Die Abstufung des streitgegenständlichen Teils der Staatsstraße S 271 führt zu den in § 9 SächsStrG näher dargestellten Aufgaben, die sich belastend auf die Planungs- und Finanzhoheit des Klägers auswirken können.

Die Klage ist auch begründet. Die die Fichtelbergstraße im Kreisgebiet des Beklagten betreffende Abstufungsverfügung des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 3.11.1998 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die in § 7 Abs. 2 SächsStrG normierten Voraussetzungen für die straßenrechtliche Umstufung von einer Staats- in eine Kreisstraße liegen nicht vor.

Die Verfügung des Beklagten ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, formell rechtmäßig. Die besonderen in § 7 Abs. 3 und 4 SächsStrG geregelten Form- und Verfahrensvoraussetzungen hat das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit beachtet.

Die Umstufungsentscheidung vom 3.11.1998 ist jedoch materiell rechtswidrig. Nach § 7 Abs. 2 SächsStrG ist eine Straße, wenn sich deren Verkehrsbedeutung ändert, in die entsprechende Straßenklasse umzustufen (Satz 1). Sie ist ebenfalls umzustufen, wenn eine Straße nicht in die ihrer Verkehrsbedeutung entsprechenden Straßenklasse eingeordnet ist (Satz 2). Die Umstufungsentscheidung enthält dabei zwei inhaltliche Elemente. Zum einen ist durch die zuständige Behörde festzustellen, dass die derzeitige Einstufung der Straße deren in § 3 SächsStrG definierte Verkehrsbedeutung nicht - mehr - erfasst (Abstufung). Zum anderen ist eine Neueinstufung in die nunmehr der Verkehrsbedeutung entsprechende Straßenklasse vorzunehmen (Einstufung). Die zuständige Behörde hat somit zwei Teilentscheidungen zu treffen. Die erste Teilentscheidung betrifft die Abstufung der Staatsstraße mit der Rechtswirkung, dass die Straße ihre bisherige Eigenschaft als Staatsstraße verliert. Die zweite Teilentscheidung beinhaltet die Neueinstufung der abgestuften Straße in die entsprechende Straßenklasse.

Bei der Beurteilung, welche Verkehrsbedeutung einer Straße zukommt und in welche Straßenklasse sie dementsprechend einzuteilen ist, steht den zuständigen Behörden weder ein Beurteilungsspielraum oder eine Einschätzungsprärogative noch ein Ermessen zu. Bei dem Tatbestandsmerkmal der Verkehrsbedeutung und den weiteren in § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 SächsStrG genannten Begriffe handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die der vollen Nachprüfung durch die Verwaltungsgerichte unterliegen (vgl. BayVGH, Urt. v. 10.4.2002 - 8 B 01.1170 -, m.w.N., zitiert nach Juris). Die umstufende Behörde trifft weder eine planerische noch eine sonst gestaltende und deshalb eines tatbestandlichen Ermessens bedürftige Entscheidung, sondern zieht lediglich rechtliche Folgerungen aus anderweitigen, rechtlichen oder tatsächlichen verkehrsbedeutungsrelevanten Entwicklungen (vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 17.2.1994 - 1 A 11079/93 -, m.w.N., zitiert nach Juris). Liegen die Voraussetzungen für eine Abstufung einer Straße vor, so hat diese zwingend zu erfolgen. Der Wortlaut des § 7 Abs. 2 Satz 1 SächsStrG ("ist") lässt ein Verständnis der Norm im Sinne der Eröffnung eines Rechtsfolgeermessens nicht zu.

Die durch das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit als oberste Straßenbaubehörde verfügte Abstufung ist nicht gerechtfertigt. Der streitgegenständliche Teil der Staatsstraße S 271 erfüllt weiterhin die Voraussetzungen einer Staatsstraße i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 SächsStrG.

Gemäß § 3 Abs. 1 SächsStrG werden die öffentlichen Straßen nach ihrer Verkehrsbedeutung in Staatsstraßen, Kreisstraßen, Gemeindestraßen und sonstige öffentliche Straßen eingeteilt. § 3 Abs. 1 Nr. 1 SächsStrG definiert dabei Staatsstraßen als Straßen, die innerhalb des Freistaates Sachsen untereinander oder zusammen mit Bundesstraßen ein Verkehrsnetz bilden und dem Durchgangsverkehr dienen oder zu dienen bestimmt sind.

Im vorliegenden Fall hat die streitige Teilstrecke die Verkehrsbedeutung einer Staatsstraße. Die Verkehrbedeutung einer öffentlichen Straße i.S.d. § 3 Abs. 1 SächsStraG beurteilt sich nach der Bedeutung der Straße im Verkehr, also nach ihrer Funktion im Gesamtstraßennetz. Die Verkehrsbedeutung beruht auf der unterschiedlichen Aufgabe einzelner Straßen- oder Straßengruppen, den innerhalb der menschlichen Lebensräume oder zwischen diesen sich entfaltenden Verkehr aufzunehmen und damit Räume zu erschließen oder sie miteinander zu verbinden. Verkehrsbedeutung ist somit im Sinne einer Erschließungs- und Verbindungsfunktion zu verstehen. Der an den Anfang der Norm des § 3 Abs. 1 SächsStrG gesetzte Begriff der Verkehrsbedeutung wird - dies ergibt sich aus seiner systematischen Stellung innerhalb der Norm - durch die in den Nrn. 1 bis 4 der Norm näher definierten Einteilungskriterien konkretisiert. Dem Begriff kommt somit keine gegenüber diesen Einteilungskriterien selbständige Bedeutung zu; er fasst vielmehr begriffsmäßig die für die Einteilung der öffentlichen Straßen normierten Einteilungskriterien zusammen. Sie sind es, die jeweils die Verkehrsbedeutung einer öffentlichen Straße bestimmen. Die Verkehrsbedeutung einer Staatsstraße bestimmt sich somit gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 SächsStrG zum einen nach dem Einstufungsmerkmal des Netzzusammenhangs und zum anderen nach dem Einstufungsmerkmal der ihr innerhalb dieses Netzzusammenhangs zukommenden Funktion.

Staatsstraßen i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 SächsStrG sind nach den vorgenannten Kriterien Straßen, die innerhalb des Freistaates Sachsen untereinander oder zusammen mit Bundesfernstraßen ein Verkehrsnetz bilden (Netzzusammenhang). Die Funktion der Staatsstraßen wird dadurch bestimmt, dass sie innerhalb dieses Netzzusammenhangs dem Durchgangsverkehr dienen oder zu dienen bestimmt sind. Durch die in der vorgenannten Vorschrift verwendeten Begriffe wird als Verkehrsbedeutung der Staatsstraßen die Erschließung regionaler Räume und deren Verbindung untereinander deutlich. Staatsstraßen dienen somit dem überregionalen Verkehr innerhalb des Freistaates Sachsen und bilden dazu untereinander oder zusammen mit den Bundesfernstraßen ein Verkehrsnetz.

Das zusammenhängende Verkehrsnetz der Staatsstraßen i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 SächsStrG wird von Staatsstraßen und den Bundesfernstraßen (Bundesautobahnen und Bundesstraßen - § 1 Abs. 1 und 2 des Bundesfernstraßengesetze [FStrG] i.d.F. vom 20.2.2003 [BGBl. I S. 286]) gemeinsam gebildet. Die Vorschrift verlangt somit nicht ein eigenes Netz von Staatsstraßen, sondern lässt auch ein Verkehrsnetz zu, in dem der Durchgangsverkehr einer Staatsstraße für eine Teilstrecke auf eine Bundesstraße verwiesen wird. Verkehrsnetz und damit Netzzusammenhang i.S.d. vorgenannten Vorschrift bedeutet, worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat, dass Staatsstraßen zumindest an einem Ende mit Bundesfernstraßen oder anderen Staatsstraßen verknüpft sein müssen. Dies folgt aus dem Wortlaut der Vorschrift, wonach es lediglich darauf ankommt, dass die in ihr genannten Straßen ein Verkehrsnetz bilden, ohne dass sich die Vorschrift über die Anzahl der Verknüpfungspunkte ausdrückt. Eine Straße verliert folglich unter dem Gesichtpunkt ihrer Teilnahme an dem geforderten Netzzusammenhang nicht deshalb ihre Eigenschaft als Staatsstraße, weil sie lediglich an einem Ende mit Bundesfernstraßen oder einer anderen Staatsstraße verknüpft ist, während sie am anderen Ende mit Kreisstraßen, Gemeindestraßen oder sonstigen öffentlichen Straßen i.S.d. § 3 Abs. 1 Nrn. 2 bis 4 SächsStrG verbunden ist.

Nichts anderes gilt auch dann, wenn die Straße, wie hier, von einer Straße i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 SächsStrG abzweigt und als Stichstraße weitergeführt wird und somit keine Anbindung an eine weitere Straße besteht. Der Begriff des Verkehrnetzes ist hingegen nicht dahingehend zu verstehen, dass jede öffentliche Straße an beiden Enden mit anderen öffentlichen Straßen verknüpft sein muss. Ein solches Verständnis wird nicht durch den Wortlaut gefordert. Dem Begriff des Netzes ist nicht die Vorstellung immanent, die ein Netz bildenden Maschen müssten immer an beiden ihrer Seiten mit weiteren Maschen verbunden sein. Ein solches Verständnis würde sich einseitig an körperlich wahrnehmbaren Netzen orientieren, die der Aufnahme körperlicher Gegenstände dienen (z.B. das Einkaufsnetz) und würde damit nicht allen in der Wirklichkeit vorhandenen Erscheinungsformen von Netzen ausreichend Rechnung tragen.

Dem in § 3 Abs. 1 Nr. 1 SächsStrG geforderten Verkehrsnetz, das ein zusammenhängendes sein muss, wird die bildliche Vorstellung eines vielfältigen Systems von Maschen und Netzverknüpfungen durch Kreuzungen, Verbindungen und Straßenäste im allgemeinen entsprechen. Darin erschöpft sich jedoch nicht der Gehalt der genannten Vorschrift. Der tragende Gesichtspunkt ist vielmehr der einer verkehrlichen Anbindung der Straße an ein Straßensystem, um gerade dadurch als Teil dieses Systems dessen verkehrliche Leitungsfähigkeit mitzubegründen, zu stützen oder auch nur zu erweitern. Im Sinne dieser Funktionalität muss das Verkehrsnetz nicht nur bautechnisch ein Netz bilden, sondern seine Aufgabenerfüllung gerade darin finden, dass es zur Erfüllung der vorausgesetzten Aufgabe "zusammenhängt". Der durch das Verkehrsnetz aufzunehmende Verkehr muss sich ohne Wechsel der verkehrlichen Qualität in einem zusammenhängenden Straßennetz bewegen können. Diese Verknüpfung kann auch dann gewährleistet sein, wenn eine öffentliche Straße wie bei einer Stichstraße nur einseitig an des Verkehrsnetz angebunden ist. Die Eigenschaft einer Stichstraße nimmt dieser Straße nicht notwendig den Charakter einer Staatsstraße. Das Verkehrsnetz, das zusammenhängend sein soll, muss in seiner spezifischen Leistungsaufgabe betrachtet werden. Diese liegt in erster Linie in der verkehrlichen Erschließungsfunktion. Diese wird nicht bereits dadurch in Frage gestellt, dass eine Straße nur einseitig an das übrige Straßennetz angeschlossen ist. Entscheidend ist insoweit die mit der Regelung in § 3 Abs. 1 Nr. 1 SächsStrG verfolgte Zielsetzung des Interesses an einer überregionalen Verkehrserschließung. Die Erfüllung dieser Zielsetzung bedingt nicht, dass eine Straße, welche durch ihre Anbindung an das Verkehrsnetz die erforderliche Erschließungsfunktion besitzt, beidseitig mit öffentlichen Straßen verbunden sein muss.

Der Begriff des (sächsischen) Verkehrsnetzes i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 SächsStrG ist unter Berücksichtigung der den öffentlichen Straßen zugewiesenen Aufgabe zu definieren. Diese besteht in erster Linie darin, die Erreichbarkeit eines jeden Ortes (im Freistaat Sachsen) von jedem anderen beliebigen Ort sicherzustellen (Erschließungsfunktion). Dieses setzt eine Verknüpfung aller diese Aufgabe erfüllenden öffentlichen Straßen voraus. Diese Verknüpfung ist aber nicht nur dann gegeben, wenn jede öffentliche Straße an beiden Enden mit anderen öffentlichen Straßen verbunden ist, sondern auch dann, wenn nur an einem Ende die öffentliche Straße mit einer anderen öffentlichen Straße verbunden ist.

Dem steht nicht entgegen, dass in § 3 Abs. 1 Nr. 1 SächsStrG auf den Durchgangsverkehr abgestellt wird. Dieses Merkmal bezieht sich nicht auf das Kriterium des Netzzusammenhangs, sondern auf das weitere für die Bestimmung der Eigenschaft einer öffentlichen Straße heranzuziehende Kriterium der Funktion der öffentlichen Straße.

Durchgangsverkehr ist dabei ein Verkehr, der das für die Bestimmung der Verkehrsfunktion einer Straße maßgebliche Gebiet betritt und wieder verlässt. Dies ist auch dann gegeben, wenn der Verkehr auf einer Stichstraße ein für die Bestimmung der Verkehrsfunktion der Straße maßgebliches Gebiet betritt, sich dort vorübergehend aufhält und anschließend wieder verlässt. Dabei kann es nicht darauf ankommen, dass der Verkehr das Gebiet auf dem gleichen Wege verlässt, wie er es betreten hat. Eine andere Auffassung würde letztlich die Einstufung einer Straße als Staatsstraße i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 SächsStrG von Zufälligkeiten abhängig machen. Dies wird an dem vorliegenden Beispiel besonders deutlich. Würde die Staatsstraße S 271 hier nicht am Fichtelbergplateau enden, sondern bis zu einer weiteren Straße fortgeführt werden, wäre das Merkmal des Durchgangsverkehrs wohl ohne weitere Bedenken zu bejahen mit der Folge, dass sie im Hinblick auf ihre überregionale Verkehrsfunktion als Staatsstraße einzustufen wäre. Etwas anderes kann aber auch dann nicht gelten, wenn die Straße bei identischer überregionaler Funktion als Stichstraße endet.

Für dieses Auslegungsergebnis spricht noch eine weitere Überlegung. Würde man der Auffassung des Beklagten folgen, so käme hier die auch tatsächlich vorgenommene Einstufung der S 271 in dem streitgegenständlichen Abschnitt als Kreisstraße i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 SächsStrG in Betracht. Die Voraussetzungen hierfür liegen jedoch nicht vor. Nach der vorgenannten Vorschrift sind Kreisstraßen Straßen, die dem Verkehr zwischen benachbarten Landkreisen und kreisfreien Städten, dem überörtlichen Verkehr innerhalb eines Landkreises oder einer kreisfreien Stadt oder dem unentbehrlichen Anschluss von Gemeinden oder räumlich getrennten Ortsteilen an überörtliche Verkehrswege dienen oder zu dienen bestimmt sind; sie sollen mindestens an einem Ende an eine Bundesstraße, Staatsstraße oder andere Kreisstraße anschließen. Bei dem von der Staatsstraße S 271 in dem hier betroffenen Abschnitt aufgenommenen Verkehr handelt es sich weder um einen solchen zwischen benachbarten Landkreisen und kreisfreien Städten noch um überörtlichen Verkehr innerhalb eines Landkreises oder einer kreisfreien Stadt. Es handelt sich ebenfalls nicht um einen unentbehrlichen Anschluss einer Gemeinde oder räumlich getrennter Ortsteile an überörtliche Verkehrswege. Der Begriff des überörtlichen Verkehrs innerhalb eines Landkreises oder einer kreisfreien Stadt ist vom Wortlaut her dahingehend zu verstehen, dass es sich um ausschließlichen Verkehr innerhalb eines Landkreises oder einer kreisfreien Stadt handeln muss. Die Überörtlichkeit ist somit kreis- bzw. stadtbezogen. Der Begriff der Überörtlichkeit kann dagegen nicht dahingehend verstanden werden, dass es sich um überregionalen Verkehr im Sinne der Begriffsbestimmung in § 3 Abs. 1 Nr. 1 SächsStrG handelt. Ein solches Verständnis des Begriffs Überörtlichkeit verbietet bereits der systematische Aufbau der Norm des § 3 Abs. 1 Nr. 2 SächsStrG. Als weitestgehender Verkehr im Sinne dieser Vorschrift wird der Verkehr zwischen benachbarten Landkreisen und kreisfreien Städten bezeichnet. Demgegenüber ist der überörtliche Verkehr innerhalb eines Landkreises oder einer kreisfreien Stadt als eine einschränkende Regelung des Verkehrs im Sinne dieser Vorschrift zu verstehen. Liegen somit die Voraussetzungen für die Einstufung einer Straße als Kreisstraße i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 SächsStrG nicht vor, dient die betreffende Straße jedoch einem überregionalen Verkehr, so kommt allein ihre Einstufung als Staatsstraße i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 SächsStrG in Betracht. Dies ist immer dann gegeben, wenn eine Straße einem überregionalen Verkehr dient bzw. zu dienen bestimmt ist. Dies ist dann der Fall, wenn Regionen über Kreisgrenzen hinweg erschlossen werden.

Der S 271 kommt mit dem durch die angefochtene Abstufungsverfügung betroffenen Abschnitt in dem Netzzusammenhang auch weiterhin die Funktion einer Staatsstraße im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 SächsStrG zu. Sie nimmt auch in diesem Abschnitt unstreitig überregionalen Verkehr auf und dient damit der Erschließung regionaler Räume. Das Gebiet des Fichtelberges, das über den streitgegenständlichen Abschnitt der S 271 erschlossen wird, wird von Touristen aus dem gesamten Freistaat Sachsen und auch aus anderen Staaten (Tschechische Republik) und den Bundesländern Brandenburg, Thüringen, Bayern besucht. Hierbei handelt es sich um überregionalen Verkehr, ohne dass diese Feststellung einer näheren Begründung bedürfte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss vom 22. Februar 2006

Der Streitwert wird unter Bezugnahme auf die Gründe des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts auf 80.920,- € festgesetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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