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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 26.05.2008
Aktenzeichen: 5 B 319/07
Rechtsgebiete: GG, SächsStrG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
SächsStrG § 51 Abs. 5 S. 1
Überträgt eine Gemeinde durch Satzung die Verpflichtung zur Straßenreinigung unter Verstoß gegen den Gleichheitssatz den Eigentümern oder Besitzern einzelner erschlossener Straßen oder kleinerer Gebiete, führt dies regelmäßig nicht dazu, dass andere Eigentümer, denen die Verpflichtung zur Reinigung der Straßen nicht auferlegt ist, Gebührenbescheide angreifen können.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 5 B 319/07

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Straßenreinigungsgebühren 2004

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dehoust und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Düvelshaupt

am 26. Mai 2008

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 27. März 2007 - 6 K 1776/05 - zuzulassen, wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 38,40 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 27.3.2007 ist abzulehnen, weil die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht bestehen.

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, in dem er für das Jahr 2004 zu Straßenreinigungsgebühren in Höhe von 38,40 € herangezogen wird. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die umstrittene Straßenreinigungsgebühr sei rechtmäßig. Insbesondere sei die zugrunde liegende Straßenreinigungssatzung nicht deshalb zu beanstanden, weil die Beklagte die betreffende Straße als zu reinigende in die Anlage zur Straßenreinigungssatzung aufgenommen habe. Die Gemeinden hätten vielmehr nach § 51 Abs. 1 SächsStrG grundsätzlich alle öffentlichen Straßen innerhalb der geschlossenen Ortslage zu reinigen. Der Kläger habe keinen Anspruch darauf, dass ihm auf Grundlage von § 51 Abs. 5 Satz 1 SächsStrG die Reinigung ganz oder teilweise übertragen werde. Nur wenn die Kommune vom gesetzlichen Regelfall abweichen und den Eigentümern oder Besitzern die Reinigung übertragen wolle, habe sie hierbei besondere Erwägungen anzustellen und z. B. die Zumutbarkeit zu prüfen. Bei der Schaffung von kommunalen Einrichtungen sowie bei der Abgrenzung des sachlichen, örtlichen und persönlichen Geltungsbereichs habe die Kommune zudem einen großen Gestaltungsspielraum. Etwas anderes ergebe sich hier auch nicht aus dem Ergebnisprotokoll vom 4.9.2003 über die Absprache der Stadtreinigung Leipzig mit dem Sächsischen Landesverband e. V. Daraus lasse sich nicht zwingend entnehmen, dass die Beklagte die E.......... Straße und die M.......... Straße aus der Anlage zur Straßenreinigungssatzung hätte herausnehmen müssen. Zudem habe weder der Stadtrat noch der Bürgermeister gehandelt.

Hiergegen wendet der Kläger in der Begründung seines Zulassungsantrages ein, das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig begegne ernstlichen Zweifeln an seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Ausweisung der E.......... und M.......... Straße in der Anlage der Straßenreinigungssatzung als gebührenpflichtig stelle sich als rechtswidrig dar. Die Beklagte behandle vergleichbare Sachverhalte ohne sachlichen Grund ungleich und verletze damit den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Im Gegensatz zu einer Vielzahl vergleichbarer Siedlungen, wo die Anliegerstraßen nicht durch die Beklagte gereinigt würden, seien die E.......... und die M.......... Straße in das Verzeichnis der von der Beklagten zu reinigenden Straßen aufgenommen worden. Auch die Tatsache, dass die Anwohner der Straßen bis 1997 die Reinigung selbst durchgeführt hätten, spreche dafür, dass die Übernahme der Straßenreinigung durch die Beklagte nicht erforderlich und sachgerecht sei. Bereits diese Ungleichbehandlung führe zu einer Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsaktes. Hierfür sei nicht erforderlich, dass der Kläger einen Anspruch auf Übertragung der Reinigungspflicht auf ihn selbst habe. Zudem habe das Verwaltungsgericht das Ergebnisprotokoll vom 4.9.2003 verkannt. Für eine Zusicherung i. S. v. § 1 SächsVwVfG i. V. m. § 38 Abs. 1 VwVfG komme es nur auf die Außenvertretungsmacht an. Es könne davon ausgegangen werden, dass der Betriebsleiter der Stadtreinigung, der hier gehandelt habe, vom Bürgermeister bevollmächtigt gewesen sei. Die Aussage des Betriebsleiters der Straßenreinigung in dem Ergebnisprotokoll stelle sich damit als verbindliche Zusicherung dar.

Diese Einwendungen gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung greifen nicht durch.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehen dann, wenn der Antragsteller des Zulassungsverfahrens tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen mit schlüssigen Gegenargumenten so infrage stellt, dass der Ausgang des Berufungsverfahrens als ungewiss zu beurteilen ist. Ein Zulassung der Berufung scheidet aus, wenn sich das angefochtene Urteil aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig darstellt (SächsOVG, Beschl. v. 28.12.2007 - 5 B 175/06 -, st. Rspr.).

Das Urteil des Verwaltungsgerichts stellt sich jedenfalls im Ergebnis als richtig dar. Dies gilt auch dann, wenn die von dem Kläger behauptete Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) vorliegt. Eine solche käme ihm jedenfalls bis zu einer Behebung des Gleichheitsverstoßes nicht zugute.

Überträgt eine Stadt die Pflicht zur Reinigung der öffentlichen Straßen nur in bestimmten Gebieten oder einzelnen Straßen auf die Einwohner, muss sich die Differenzierung sachlich nach Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen lassen (vgl. hierzu: HessVGH, Beschl. v. 8.1.1991, NVwZ 1992, 804). Aus einem möglichen Gleichheitsverstoß kann der Kläger hier aber keine Rechte ableiten. Der Gleichheitsverstoß würde zwar dazu führen, dass die dem Bescheid neben der Straßenreinigungsgebührensatzung zugrunde liegende Straßenreinigungssatzung teilweise rechtswidrig wäre. Die Satzung wäre aber nicht unwirksam. Deshalb kann sie bis zu ihrer Änderung durch die Gemeinde weiter angewandt werden und Grundlage von Bescheiden sein.

Einen unterstellten Gleichheitsverstoß könnte der Satzungsgeber auf verschiedene Weise korrigieren. Er könnte entweder die Straßen, die gleichheitswidrig nicht in das Straßenverzeichnis aufgenommen wurden - hier die vom Kläger bezeichneten anderen Siedlungsstraßen - zusätzlich in das Straßenverzeichnis aufnehmen und damit der Reinigungspflicht unterwerfen. Er könnte aber auch weitere Straßen gleicher Art aus dem Verzeichnis streichen - wie hier z. B. die E.......... und die M.......... Straße. Auf eine Normenkontrolle gegen die Satzung wäre deshalb - einen Gleichheitsverstoß unterstellt - lediglich festzustellen, dass und inwieweit die Satzung mit dem Gleichheitssatz nicht zu vereinbaren und damit rechtswidrig ist. Zudem könnte die Verpflichtung des Satzungsgebers festgestellt werden, den Gleichheitsverstoß (binnen einer bestimmten Frist) zu korrigieren. Bis zur Korrektur des Verstoßes oder zum Ablauf der vom Gericht gesetzten Frist wäre die Satzung aber weiter anwendbar; eine Unwirksamkeitserklärung ausgeschlossen (vgl. hierzu: BVerfG, Beschl. v. 27.11.1997, BVerfGE 97, 35, 48, st. Rspr.; BVerwG, Beschl. v. 18.9.1981, BVerwGE 64, 81; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 47 Rn. 126 m. w. N.). Da hier eine rückwirkende Korrektur für das Jahr 2004 aus tatsächlichen Gründen nicht mehr möglich ist - die Straßenreinigungspflicht kann für das Jahr 2004 nicht mehr geändert werden - war die Beklagte 2004 auf Grundlage der ungeachtet eines möglichen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz anwendbaren Straßenreinigungssatzung für die Straße, die das Grundstück des Klägers erschließt, straßenreinigungspflichtig.

Allein an diese Straßenreinigungspflicht und die Inanspruchnahme der öffentlichen Straßenreinigung durch den Kläger knüpft die Straßenreinigungsgebührensatzung in § 2 Abs. 1 an. Ob die Einbeziehung in die Straßenreinigungspflicht der Beklagten in Übereinstimmung mit dem Gleichheitssatz oder gleichheitswidrig geschah, ist für die Erfüllung des Gebührentatbestandes und die Gebührenerhebung ohne Belang. Mit ihr werden der Vorteil der erfolgten Reinigung für den Kläger und die bei der Beklagten angefallenen Kosten abgegolten.

Entgegen der Auffassung des Klägers führt ein Gleichheitsverstoß somit weder zur Unwirksamkeit der Satzungen noch zur Aufhebung der auf ihrer Grundlage erlassenen Bescheide. Das Verwaltungsgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger aus einem Gleichheitsverstoß keine Rechte herleiten könnte.

Auch die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass sich aus dem Ergebnisprotokoll vom 4.9.2003 über die Absprache der Stadtreinigung Leipzig mit dem Sächsischen Landesverband e. V. nichts anderes ergibt, ist nicht zu beanstanden. Dabei kann der Senat offen lassen, inwieweit verbindliche Zusagen im Hinblick auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Abgabenerhebung (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b SächsKAG i. V. m. § 38 AO) zulässig sind und ob § 38 VwVfG i. V. m. § 1 SächsVwVfG Anwendung finden. Hier liegt jedenfalls keine verbindliche Zusage, sondern nur eine Meinungsäußerung sowie eine hieraus gezogene Schlussfolgerung vor. Es ergibt sich aus dem Wortlaut des Ergebnisprotokolls eindeutig, dass es sich lediglich um eine Wiedergabe des Planungsstandes im September 2003 sowie eine Schlussfolgerung hieraus handelt und nicht um eine verbindliche Erklärung, künftig auf die Gebührenerhebung für bestimmte öffentliche Straßen zu verzichten: "Es ist nicht geplant, Anliegerstraßen in Siedlungen in die öffentliche Straßenreinigung aufzunehmen, so dass ...". Der Kläger durfte das Ergebnisprotokoll deshalb nach Treu und Glauben nicht als verbindliche Zusage verstehen.

Die Kostenentscheidung für das Zulassungsverfahren folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 62 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und § 52 Abs. 3 GKG. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht setzt den Streitwert wie das Verwaltungsgericht Leipzig auf den im angefochtenen Bescheid festgesetzten Betrag fest. Zwar wäre grundsätzlich bei wiederkehrenden Abgaben der 3,5-fache Jahresbetrag der Abgabe zugrunde zu legen (vgl. Nr. 3.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, abgedruckt z. B. bei Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., Anh § 164 Rn. 14). Da hier aber die Abgaben für die Folgejahre jeweils gesondert festgesetzt wurden und diese Bescheide eigens angegriffen werden konnten, erscheint es sachgerecht, den jeweils geforderten Betrag festzusetzen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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