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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 12.04.2006
Aktenzeichen: 5 B 370/04
Rechtsgebiete: SGB VIII


Vorschriften:

SGB VIII § 74
§ 74 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII verpflichtet den öffentlichen Träger der Jugendhilfe, gleichartige Maßnahmen freier und öffentlicher Träger nach einheitlichen Grundsätzen und Maßstäben zu fördern. Dies gilt nur im Rahmen von Projektförderungen, nicht jedoch hinsichtlich einer institutionellen Förderung freier Träger.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Förderung der Kinder- und Jugendhilfe

hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schaffarzik und den Richter am Verwaltungsgericht Büchel auf Grund der mündlichen Verhandlung am 12. April 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 8. September 2003 - 6 K 2206/00 - geändert.

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger einen weiteren Personalkostenzuschuss in Höhe von 40.128,15 € zu gewähren.

In diesem Umfang werden der Bescheid der Beklagten vom 18. April 2000 und ihr Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2000 aufgehoben.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen zu 55 %, die Beklagte zu 45 %.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt weitere Fördermittel für seine Geschäftsstelle, die u.a. verschiedene Projekte in von ihm betriebenen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen betreut, für das Jahr 2000 durch die Beklagte.

Unter dem 14.9.1999 beantragte der Kläger für das Haushaltsjahr 2000 u. a. Gesamtprojektfördermittel in Höhe von 333.247,85 DM, darunter 69.464,76 DM für die Geschäftsstelle seiner Einrichtungen sowie 221.626,75 DM an Personalkosten.

Der Jugendhilfeausschuss der Beklagten beschloss am 16.3.2000 - Beschluss-Nr. 275 - über die Förderung einzelner Träger der freien Jugendhilfe, darunter auch des Klägers, unter Berücksichtigung der begrenzt zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel. Zudem wurde die Verwaltungsordnung zur Ermessensbindung nach § 74 SGB VIII modifiziert.

Mit Bescheid vom 18.4.2000 bewilligte die Beklagte dem Kläger unter Bezugnahme auf den Beschluss des Jugendhilfeausschusses vom 16.3.2000 eine Zuwendung als Projektförderung bis zu einem Höchstbetrag von 188.000,00 DM in Form einer Fehlbetragsfinanzierung. Aus der Begründung ergibt sich, dass für in der Geschäftsstelle des Klägers vorhandene 11 geförderte Personalstellen eine Personalkostenumlage von 77.000,00 DM gewährt wurde. Gleichzeitig wurde der Vorauszahlungsbescheid vom 16.1.1998 mit Wirkung vom 4.1.2000 widerrufen.

Unter dem 25.5.2000 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid ein. Mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 20.7.2000 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Die Beklagte begründete dies unter Verweis auf die Beschlussfassung ihres Jugendhilfeausschusses und die Verwaltungsordnung zur Ermessensbindung damit, dass auf Grund nur begrenzt zur Verfügung stehender Haushaltsmittel keine weitergehende Förderung möglich sei. Die Verwaltungsordnung zur Ermessensbindung sei aus sachgerechten Gründen modifiziert worden. Eine Verletzung des Klägers sei insbesondere unter Vertrauensschutzgesichtspunkten nicht gegeben; insbesondere habe der Kläger immer mit einer Kürzung der Fördermittel rechnen müssen. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 25.7.2000 zugestellt.

Am 25.8.2000 erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht Dresden Klage. Er trug vor, dass er als anerkannter freier Träger der Jugendhilfe Anspruch auf eine Förderung nach § 74 SGB VIII habe. Hierbei stehe ihm derselbe Anspruch zu, wie er einem öffentlichen Träger der Jugendhilfe zustehen würde. Insbesondere habe er einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung. Da die Mitarbeiter der öffentlichen Jugendhilfe nach BAT-O bezahlt würden, müsse die Beklagte den freien Trägern Personalkosten in entsprechender Höhe bewilligen. Die gleiche Entlohnung von Arbeitskräften sei ein wesentlicher Maßstab zur Beurteilung der Frage, ob eine Förderung den Vorgaben des § 74 Abs. 5 SGB entspreche. Auch aus der Richtlinie der Beklagten für die Förderung von Trägern der freien Jugendhilfe vom 31.8.1995 sowie Ziff. 5.5 der Verwaltungsordnung zur Ermessensbindung nach § 74 SGB VIII ergebe sich der Gleichentlohnungsanspruch einschließlich etwaiger Tariferhöhungen. Hiergegen verstoße es, wenn die Beklagte dem Kläger nur einen pauschalen Betrag zuwende, der sich an der Zahl der geförderten sonstigen Vollzeitkräfte, hier fünf, orientiere. Der Kläger habe daher Anspruch auf den Differenzbetrag in Höhe von 78.659,06 DM. Zudem stehe dem Kläger eine Sachkostenpauschale in Höhe von 110.000,00 DM zu, wovon die Beklagte jedoch nur 11.000,00 DM zugesprochen habe. Daneben stehe dem Kläger eine weitere Umlage zu, da er Dachverbandsaufgaben wahrnehme; hierzu habe es ermessensfehlerhaft nicht einmal eine Einzelabstimmung gegeben. Diese beiden Ansprüche ergäben sich auch aus dem Beschluss des Jugendhilfeausschusses der Beklagten vom 16.3.2000 (Ziff. 2 und 5).

Der Kläger vertrat weiter die Auffassung, dass der Beschluss des Jugendhilfeausschusses wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz rechtswidrig sei. Er verstoße zudem gegen die Verwaltungsordnung zur Ermessensbindung nach § 74 SGB VIII, von der sich die Beklagte nicht für den Einzelfall lösen könne. Schließlich verstoße der Zuwendungsbescheid auch gegen § 74 SGB VIII. Es sei nicht zulässig, die Bewilligungspraxis beliebig und kurzfristig zu ändern. Der freie Träger müsse in die Lage versetzt werden, sich auf Veränderungen einzustellen. Hier sei die Reduzierung der Fördermittel rückwirkend erfolgt, so dass sich der Kläger nicht habe darauf einstellen können.

Mit Urteil vom 8.9.2003 - 6 K 2206/00 - wies das Verwaltungsgericht Dresden die Klage ab und führte zur Begründung aus, dass die Umstellung der Fehlbedarfsfinanzierung auf eine Festbetragsfinanzierung rechtlich nicht zu beanstanden sei. Der Kläger habe keinen strikten Rechtsanspruch auf Förderung. Der Bescheid sei auch ermessensfehlerfrei. Insbesondere schreibe das Gesetz keine Gleichbehandlung der öffentlichen und der freien Träger der Jugendhilfe vor. Nur bei der Projektförderung seien insoweit Gleichheitsgrundsätze zu beachten. Die Beklagte habe auch ihre Verwaltungsordnung zur Ermessensbindung modifizieren können. Sachlicher Grund hierfür sei die drastische Reduzierung der Fördermittel für die freie Jugendhilfe gewesen. Das Urteil wurde dem Kläger am 25.9.2003 zugestellt.

Auf den Antrag des Klägers vom 30.9.2003 hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom 21.4.2004 - 5 B 783/03 - wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zugelassen, soweit der Kläger die Bewilligung eines weiteren Personalkostenzuschusses in Höhe von 78.659,86 DM begehrt. Ernstliche Zweifel bestünden im Hinblick darauf, dass die Beklagte bei ihrer Förderung eine Entlohnung des Personals des Klägers entsprechend BAT-O unberücksichtigt gelassen habe, obwohl sein eigenes Personal nach BAT-O bezahlt werde.

Zur Begründung der Berufung führt der Kläger aus, er besitze einen Anspruch auf eine weitergehende Förderung für das Jahr 2000 gegen die Beklagte hinsichtlich der Personalkosten. Rechtsgrundlage für diesen Fördermittelanspruch seien § 79 Abs. 1 und 2 Satz 2 SGB VIII sowie § 74 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und Abs. 5 Satz 2 und § 4 Abs. 2 SGB VIII. Im Rahmen seiner Gesamtverantwortung habe der öffentliche Träger für eine Sicherstellung zumindest der Grundausstattung der freien Träger zu sorgen. Es handele sich um eine Pflichtaufgabe der Beklagten. § 79 SGB VIII komme auch Drittschutzwirkung zu. Die der Beklagten dabei eingeräumten Grenzen habe sie hier überschritten. Es liege eine Ermessensreduzierung auf Null vor. Die Beklagte möge zwar eine Gleichbehandlung der freien Träger der Jugendhilfe vorgenommen haben, nicht jedoch eine ebenfalls gebotene Gleichbehandlung mit den öffentlichen Trägern der Jugendhilfe. Auf Grund dessen, dass die hier streitige Förderung als Projektförderung zu bewerten sei, sei § 74 Abs. 5 SGB VIII auch in jedem Fall einschlägig. Man müsse nicht auf einen fiktiven öffentlichen Träger zurückgreifen, da bei der Beklagten vergleichbare Träger vorhanden seien. Auch möge die Anrechnung einer angemessenen Eigenleistung entsprechend § 74 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII zwar auch auf der Rechtsfolgenseite des § 74 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII zulässig sein. Bei ihrer Bemessung seien jedoch die Finanzkraft und die sonstigen Verhältnisse eines freien Trägers zu berücksichtigen. Dies setze voraus, dass entsprechende Erhebungen zur Situation des betroffenen freien Trägers erfolgen. Hieran fehle es schon. Die Beklagte habe es versäumt, eine Abwägung der einzelnen Angebote und Verhältnisse von Einrichtungen freier und öffentlicher Träger vorzunehmen und dann eine Förderauswahl zu treffen. Auch habe der Kläger immer schon angemessene Eigenleistungen erbracht, so dass eine Kürzung seines finanziellen Bedarfs nicht mehr zulässig sei. Die Beklagte könne sich auch nicht auf die Beschlüsse ihres Jugendhilfeausschusses zurückziehen, da auch jener zu rechtmäßigem Verhalten verpflichtet sei. Etwaiges Fehlverhalten sei der Beklagten zuzurechnen. Schließlich weist der Kläger darauf hin, dass die in § 74 Abs. 3 SGB VIII als Soll-Vorschrift formulierte Regelung die Kontinuität der Arbeit des freien Trägers im Auge habe. Das Arbeitsrecht setze einem uneingeschränkten flexiblen Verhalten Grenzen, worauf die Beklagte bei der Entscheidung über die Förderung zu achten habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 8.9.2003 - 6 K 2206/00 - aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 18.4.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.7.2000 insoweit aufzuheben, als Personalkostenzuschüsse versagt wurden, und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger für das Jahr 2000 einen weiteren Personalkostenzuschuss in Höhe von 40.218,15 € (entspricht 78.659,86 DM) zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Ihrer Auffassung nach ist die Förderung des Klägers für das Jahr 2000 unter Berücksichtigung der Knappheit der zur Verfügung stehenden Mittel rechts- und ermessensfehlerfrei erfolgt. Die Haushaltsbeschränkung schlage auch auf § 74 Abs. 5 SGB VIII durch. Ein Anspruch des Klägers auf Vollförderung seines in der Geschäftsstelle beschäftigten Personals sei nicht ersichtlich. Insbesondere handele es sich nicht um gleichartige Maßnahmen im Sinne des § 74 Abs. 5 SGB VIII. Die Beklagte verfüge auch nicht über mit den Einrichtungen des Klägers vergleichbare Einrichtungen; insbesondere gebe es in ihren Einrichtungen keine Geschäftsstellen.

Dem Senat liegen der Verwaltungsvorgang der Beklagten, die Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts - 6 K 2206/00 - und die Akten des Zulassungs- und Berufungsverfahrens vor.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist, soweit sie zugelassen worden ist, begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Kläger zu Unrecht einen weitergehenden Fördermittelzuschuss in Höhe von 40.218,15 € versagt. Er hat einen Anspruch auf Gewährung eines Fördermittelzuschusses in dieser Höhe. Insoweit ist der die Gewährung ablehnende Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers ist § 74 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 5 Satz 2 SGB VIII. Danach soll ein freier Träger der Jugendhilfe vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe Förderung erhalten (Abs. 1); jedoch ergibt sich hieraus kein Rechtsanspruch auf eine Förderung in bestimmter, insbesondere nicht in beantragter Höhe. Vielmehr entscheidet nach § 74 Abs. 3 SGB VIII der Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel nach pflichtgemäßem Ermessen über die Art und Höhe der Zuwendung (vgl. OVG NW, Beschl. v. 26.9.2003 - 12 B 1727/03 -, NVwZ-RR 2004, 501; Wabnitz, Subventionsfinanzierung nach § 74 SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe) - objektive Verpflichtung und subjektive Rechtsansprüche, ZfJ 2003, 165).

Der Ablauf des Haushaltsjahres führt nicht zur Erledigung eines hierauf gerichteten Antrags; im Falle einer rechtswidrigen Nichtleistung ist der öffentliche Jugendhilfeträger verpflichtet, in einem Folgejahr die erforderlichen Mittel in den Haushalt einzustellen.

Die Förderung steht zunächst unter einem kommunalpolitischen Vorbehalt (vgl. Mrozynski, SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe, 4. Auflage 2004, § 74 RdNr. 15). Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe darf den freien Trägern der Jugendhilfe entgegenhalten, dass nach seiner Finanzkraft und gesamten Haushaltsplanung Mittel nur in beschränkter Höhe zur Verfügung gestellt werden können (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.7.1967 - 2 BvR 3/62 u.a. -, BVerfGE 22, 180; OVG Berlin, Beschl.v. 14.10.1998 - 6 S 94/98 -, FEVS 49, 368; Hauck, in: Sozialgesetzbuch SGB VIII, Stand: Dezember 2005, K § 74 RdNr. 5). Daraus folgt, dass gegebenenfalls keine antragsgemäße Förderung erfolgen kann. In diesen Fällen hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe eine Ermessensentscheidung über die Höhe der Förderung zu treffen (vgl. Wabnitz, Subventionsfinanzierung nach § 74 SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe) - objektive Verpflichtung und subjektive Rechtsansprüche, ZfJ 2003, 165; Frings/Siemes, Rechtliche Grundlagen der Finanzierung ambulanter Angebote der freien Träger der Jugendhilfe bei Hilfen zur Erziehung nach §§ 16 bis 19, 27 bis 41 KJHG, ZfF 1995, 1). Dies bedeutet, dass ein Rechtsanspruch des Klägers auf die beantragte, weitergehende Förderung nur in Betracht kommt, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt (vgl. NdsOVG, Urt. v. 25.3.1998 - 4 L 3057/96 -, NVwZ-RR 1999, 127). Im Hinblick auf § 74 Abs. 5 SGB VIII i.V.m. § 3 Abs. 4a) der Richtlinie der Beklagten vom 31.8.1995 für die Förderung von Trägern der freien Jugendhilfe sowie 5.1 Abs. 2 und 5.3.3 der Verwaltungsordnung zur Ermessensbindung nach § 74 KJHG vom September 1997 ist das Ermessen hier auf Null reduziert.

§ 74 Abs. 5 SGB VIII regelt die Gleichbehandlung der Förderung der freien Träger und damit die Konkurrenzneutralität des Jugendamtes. Zwar erfasst diese Norm auch das Konkurrenzverhältnis der freien Träger zum öffentlichen Träger, soweit auch eine Förderung öffentlicher Träger erfolgt (vgl. Mrozynski, SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe, 4. Auflage 2004, § 74 RdNrn. 18f.). Insoweit ist jedoch zunächst der wesentliche Unterschied der grundsätzlichen Finanzierung freier und öffentlicher Träger zu beachten. Während der freie Träger der Kinder- und Jugendhilfe selbständig ist, was dazu führt, dass der öffentliche Träger die Zielsetzung und Durchführung der Aufgaben des freien Trägers sowie dessen Organisationsstruktur zu beachten hat (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII), und sich demzufolge zunächst eigenverantwortlich um seine Finanzen kümmern muss, richtet sich die Finanzierung der öffentlichen Jugendhilfe nach §§ 72 ff. SächsGemO und § 79 SGB VIII. § 74 SGB VIII stellt hingegen eine von vielfältigen Finanzierungsmöglichkeiten für freie Träger der Jugendhilfe dar. Diese Norm gilt grundsätzlich nicht auch für öffentliche Träger. Gleichwohl spannt § 74 Abs. 5 SGB VIII auch einen Bogen zum öffentlichen Träger, indem die Förderung freier Träger an dieselben Grundsätze und Maßstäbe gebunden wird, die für gleichartige Maßnahmen öffentlicher Träger gelten. Hierdurch soll sowohl eine Besser- als auch eine Schlechterstellung der freien Träger der Jugendhilfe gegenüber den öffentlichen Trägern vermieden werden, was aus dem Grundsatz der partnerschaftlichen Zusammenarbeit abzuleiten ist (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII). Die nach § 74 Abs. 3 SGB VIII zu treffende Ermessensentscheidung hat diese Grundsätze und Maßstäbe gegebenenfalls mit zu berücksichtigen. Dies gilt jedoch nur bei gleichartigen Maßnahmen, die sowohl von öffentlichen als auch von freien Trägern durchgeführt werden. Denn nur insoweit kann eine Vergleichbarkeit gegeben sein, die zu einer Gleichbehandlung des freien mit dem öffentlichen Träger zwingt (vgl. NdsOVG, Urt. v. 25.3.1998 - 4 L 3057/96 -, NVwZ-RR 1999, 127, Wiesner/Mörsberger/Oberloskamp/Struck, SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, 2. Auflage 2000, § 74 RdNr. 51). Besondere Auswirkungen hat dieser Grundsatz hinsichtlich der Personal- und Gehaltsstruktur des öffentlichen Dienstes und der freien Träger (vgl. Münder u.a., Frankfurter Lehr- und Praxiskommentar zum KJHG, 1991, § 74 RdNr. 18). Schon aus der Formulierung in § 74 Abs. 5 SGB VIII wird jedoch deutlich, dass insoweit ausschließlich Projektförderungen in Betracht kommen. Denn eine institutionelle Förderung von öffentlichen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe gibt es auf Grund des bereits dargelegten Finanzierungssystems der öffentlichen Träger über den Gemeindehaushalt nicht. Demzufolge kann insoweit auch keine Vergleichbarkeit bestehen (vgl. NdsOVG, Urt. v. 25.3.1998 - 4 L 3057/96 -, NVwZ-RR 1999, 127; Wabnitz, Subventionsfinanzierung nach § 74 SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe) - objektive Verpflichtung und subjektive Rechtsansprüche, ZfJ 2003, 165).

Die vom Kläger in diesem Verfahren beanspruchten weiteren Fördermittel sind nicht einrichtungs-, sondern projektbezogen. Dies ergibt sich schon ausdrücklich aus dem Wortlaut des angefochtenen Bescheids. Auch beantragte der Kläger unter dem 14.9.1999 die Gewährung einer Zuwendung im Bereich der Projektförderung. Schließlich ergibt sich aus 5.1 Abs. 2 und 3 der Verwaltungsordnung der Beklagten zur Ermessensbindung nach § 74 KJHG, dass eine Geschäftsstellenförderung, einschließlich der Personalkostenförderung nur im Rahmen einer Projektförderung in Betracht kommt.

Der Einordnung der hier verfolgten Förderung als projektbezogen steht auch nicht entgegen, dass die Geschäftsstelle des Klägers mit Personal ausgestattet werden soll. Denn in dieser werden die Organisationsaufgaben in Bezug auf alle Projekte des Klägers gebündelt, was einer effektiven Aufgabenerfüllung dienen soll. Am Charakter dieser Personalkostenförderung als projektbezogen ändert sich hierdurch nichts. Insbesondere liegt hierin keine einrichtungsbezogene Förderung.

Auch soweit sich die Beklagte auf die Änderung ihrer Verordnung zur Ermessensbindung nach § 74 SGB VIII durch den Beschluss des Jugendhilfeausschusses vom 17.3.2000 beruft, steht dies dem Anspruch des Klägers nicht entgegen. Zwar mag es der Beklagten gestattet sein, ihre Verwaltungsordnung aus sachlichen Gründen auch kurzfristig zu ändern, insbesondere um einer geänderten Haushaltslage Rechnung zu tragen. Gleichwohl muss eine solche Änderung im Rahmen geltenden Rechts erfolgen. Die hier vorgenommene Modifizierung der Förderung von Geschäftsstellen auf eine Umlagefinanzierung auch hinsichtlich der Personalkosten verstößt hingegen aus den oben dargelegten Gründen gegen § 74 Abs. 5 SGB VIII (vgl. für den Fall eines Gleichbehandlungsgrundsätze verletzenden Haushaltsplans: OVG NW, Beschl. v. 15.6.2001 - 12 A 3045/99 -, NVwZ-RR 2002, 127).

Es kommt des Weiteren nicht darauf an, ob die Beklagte über einen öffentlichen Träger verfügt, der gleichartige Maßnahmen wie der Kläger durchführt. Denn in einem solchen Fall wäre ein fiktiver öffentlicher Träger zu bilden und dem freien Träger gegenüberzustellen. Im Rahmen eines hypothetischen Vergleichs wäre zu prüfen, mit welchem Personal dieser öffentliche Träger die Maßnahme durchführen würde (vgl. Wiesner/Mörsberger/ Oberloskamp/Struck, SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, 2. Auflage 2000, § 74 RdNr. 52; Frings/Siemes, Rechtliche Grundlagen der Finanzierung ambulanter Angebote der freien Träger der Jugendhilfe bei Hilfen zur Erziehung nach §§ 16 bis 19, 27 bis 41 KJHG, ZfF 1995, 1). Im Rahmen des Verfahrens zur Feststellung der Förderfähig- und -würdigkeit des Klägers hat die Beklagte das von diesem angesetzte Personal als notwendig angesehen, so dass davon auszugehen ist, dass auch sie selbst dieses Personal zum Einsatz gebracht hätte, wenn sie die betroffenen Projekte des Klägers durchgeführt hätte. Dieses Personal hätte die Beklagte gemäß BAT-O zu bezahlen gehabt. Aus dem Gleichbehandlungsgebot des § 74 Abs. 5 SGB VIII folgt daher, dass auch dem Kläger für das von ihm benötigte Personal BAT-O entsprechende Mittel im Rahmen der Projektförderung zur Verfügung gestellt werden müssen, was grundsätzlich auch für - hier nicht im Streit befindliche - Tariferhöhungen gilt (vgl. Häbel, Verpflichtung der öffentlichen Träger zur Förderung der freien Jugendhilfe, ZfJ 1997, 109). Insoweit kann sich die Beklagte nicht auf die ihr nur begrenzt zur Verfügung stehenden Mittel zurückziehen. Hält sie ein Projekt für förderungswürdig, muss sie zwingend eine Ausstattung in dem Umfang vornehmen, wie sie ein öffentlicher Träger bedürfte. Gegebenenfalls sind zur Anpassung an eine veränderte Haushaltslage an anderer Stelle Mittel einzusparen, etwa, indem andere Kinder- und Jugendhilfe-Projekte nicht (mehr) gefördert werden.

Der vom Kläger geltend gemachte Betrag stellt die Differenz zwischen dem nach BAT-O für die Mitarbeiter des Klägers zu zahlenden Finanzbedarf und dem von der Beklagten bereits pauschal bewilligten Betrag dar.

Die Kostenentscheidung für das gemäß § 188 VwGO gerichtskostenfreie Verfahren folgt aus § 155 Abs. 1 und 2 VwGO. Die Kostenquote ergibt sich aus dem Verhältnis des dem Kläger nunmehr zugesprochenen weiteren Fördermittelbetrages zur Höhe seines ursprünglichen, im Berufungszulassungsverfahren geltend gemachten Anspruchs (90.836,04 €).

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 90.836,04 € festgesetzt (§ 10 Abs. 1 BRAGO, § 61 RVG).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 10 Abs. 3 Satz 2 BRAGO, § 61 RVG).



Ende der Entscheidung

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