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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 31.01.2007
Aktenzeichen: 5 B 522/06
Rechtsgebiete: SächsKAG, SächsGemO


Vorschriften:

SächsKAG § 26 Abs. 1
SächsKAG § 28 Abs. 1
SächsKAG § 28 Abs. 2
SächsGemO § 73
SächsGemO § 82 Abs. 2
SächsGemO § 114 Abs. 1
1. Die Rechtsaufsichtsbehörde kann ihre rechtsaufsichtlichen Befugnisse verwirken.

2. Die Gemeinden sind grundsätzlich nicht zur Erhebung von Ausbaubeiträgen und damit zum Erlass entsprechender Ausbaubeitragssatzungen verpflichtet.

3. Die Gemeinden haben bei der Bestimmung der Anteile des öffentlichen Interesses und der Anteile der Allgemeinheit am ausbaubeitragsfähigen Aufwand (§ 28 Abs. 1 Satz 2 SächsKAG) ein weites Ermessen. Eine Einschränkung erfährt dieses Ermessen grundsätzlich nur durch die Regelung, dass die Beiträge vorteilsgerecht zu bestimmen sind und deshalb der öffentliche Anteil am beitragsfähigen Aufwand nicht in einem Umfang festgesetzt werden darf, der zu einem nicht mehr vorteilsgerechten Anliegeranteil und damit Ausbaubeitrag führt.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 5 B 522/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Beanstandung des Beschlusses des Gemeinderates Ralbitz-Rosenthal über die Straßenbaubeitragssatzung vom 27.4.2000

hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und die Richterin am Verwaltungsgericht Düvelshaupt aufgrund der mündlichen Verhandlung

am 31. Januar 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 10. März 2006 - 4 K 2523/03 - geändert. Der Bescheid des Beklagten vom 17. Februar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Dresden vom 15. Mai 2003 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich mit Ihrer vom Senat zugelassenen Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 10.3.2006, mit dem ihre Klage gegen eine rechtsaufsichtliche Beanstandungsmaßnahme des Beklagten abgewiesen wurde.

Der Gemeinderat der Klägerin beschloss in seiner Sitzung am 27.4.2000 eine Satzung über die Erhebung von Beiträgen von Verkehrsanlagen (Straßenbaubeitragssatzung), die die bis dahin geltende Straßenbaubeitragssatzung vom 10.4.1997 ablöste. Die Straßenbaubeitragssatzung vom 27.4.2000 hat u.a. folgenden Wortlaut:

"§ 1

Erhebungsgrundsatz

(1) Die Gemeinde Ralbitz-Rosenthal erhebt zur teilweisen Deckung ihres Aufwands für die Anschaffung, Herstellung und den Ausbau (Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung) der in ihrer Baulast stehenden öffentlichen Straßen, Wege und Plätze (Verkehrsanlagen) Beiträge nach Maßgabe dieser Satzung für Grundstücke, denen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Verkehrsanlagen Vorteile zuwachsen. Zu den Verkehrsanlagen gehören auch Wohnwege, die aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht mit Kraftfahrzeugen befahren werden können und öffentliche Wirtschaftswege.

(2) Der Absatz (1) gilt für die dort bezeichneten Maßnahmen nur, soweit für sie nicht Erschließungsbeiträge oder Ausgleichsbeiträge nach dem BauGB zu erheben sind.

§ 2

Beitragsfähiger Aufwand

(1) Beitragsfähig ist insbesondere der Aufwand für

1. den Erwerb (einschließlich Erwerbsnebenkosten) und die Freilegung der für die Herstellung, Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung der Verkehrsanlagen benötigten Grundflächen,

2. den Wert der von der Gemeinde Ralbitz-Rosenthal aus ihrem Vermögen bereitgestellten Grundflächen zum Zeitpunkt der Bereitstellung,

3. die Herstellung, Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung

a) der Fahrbahn sowie von

b) Rinnen und Bordsteinen,

c) Radwegen,

d) Gehwegen,

e) Beleuchtungseinrichtungen,

f) Oberflächenentwässerungseinrichtungen,

g) Böschungen, Schutz- und Stützmauern,

h) unselbstständigen Markierungsflächen und

i) unselbstständigen Grundflächen

(2) Nicht beitragsfähig ist jeder Aufwand für Gemeindeverbindungsstraßen.

...

§ 4

Anteile der Gemeinde Ralbitz-Rosenthal am beitragsfähigen Aufwand

Die Gemeinde Ralbitz-Rosenthal trägt den Teil des Aufwands, der

a) nach Maßgabe des § 5 von ihr zu tragen ist (sog. Mehrbreitenaufwand und Gemeindeanteil)

und der

b) bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwands nach § 6 auf ihre Grundstücke, Erbbaurechte und anderen dinglichen baulichen Nutzungsrechte entfällt.

§ 5

Straßenarten, anrechenbare Breiten, Anteile der Beitragspflichtigen

(1) Die Straßenarten, die anrechenbaren Breiten der Teilanlagen und der Anteil der Beitragspflichtigen am beitragsfähigen Aufwand werden wie folgt festgesetzt:

 Straßenart mit Teilanlagenanrechenbare BreitenAnteil der Beitragspflichtigen
1. Anliegerstraßen  
  10 v. H.
a) Fahrbahn6,25 m 
b) Radweg (einschl. Sicherheitsstreifen)je 1,75 m 
c) Parkstreifenje 6,00 m 
d) Gehwegje 2,00 m 
e) unselbständige Grünflächen mit Bepflanzungje 2,00 m 
2. Haupterschließungsstraßen  
  8 v. H.
a) Fahrbahn6,25 m 
b) Radweg (einschl. Sicherheitsstreifen)je 1,75 m 
c) Parkstreifenje 6,00 m 
d) Gehwegje 2,00 m 
e) unselbständige Grünflächen mit Bepflanzungje 2,00 m 
3. Hauptverkehrsstraßen  
  6 v. H.
a) Fahrbahn6,25 m 
b) Radweg (einschl. Sicherheitsstreifen)je 1,75 m 
c) Parkstreifenje 6,00 m 
d) Gehwegje 2,00 m 
e) unselbständige Grünflächen mit Bepflanzungje 2,00 m 
4. Wirtschaftswege  
  10 v. H.
......

Die Satzung wurde am 4.5.2000 öffentlich bekannt gemacht und trat am 5.5.2000 in Kraft.

Mit Schreiben vom 9.5.2000 zeigte die Klägerin die Straßenbaubeitragssatzung vom 27.4.2000 beim Beklagten an. Dieser teilte daraufhin der Klägerin mit Schreiben vom 4.7.2002 mit, dass die Klägerin verpflichtet sei, den Anliegeranteil und den Allgemeinanteil im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 SächsKAG vorteilsgerecht zu regeln. Die Vorteile hingen von der Verkehrsbedeutung der ausgebauten Straßen ab. Anliegerstraßen vermittelten den Grundstückseigentümern im Verhältnis zur Allgemeinheit ungleich mehr Vorteile als eine Straße für den überörtlichen Durchgangsverkehr. Die Gemeinde müsse bei der Bestimmung des Gemeindeanteils diesem grundsätzlichen Unterschied der durch die Straßen vermittelten Vorteile Rechnung tragen. Das im Sächsischen Kommunalabgabengesetz geregelte Vorteilsprinzip erschöpfe sich nicht darin, den Beitragspflichtigen vor zu hohen, nicht vorteilsgerechten Beiträgen zu schützen, sondern regle auch eine Untergrenze für die Vorteilsbemessung.

Der Beklagte zeigte der Klägerin in dem vorgenannten Schreiben den Rahmen auf, der sich nach seiner Auffassung aus den Entscheidungen von Oberverwaltungsgerichten und Verwaltungsgerichten aus den alten Bundesländern zum Anteil der Beitragspflichtigen ergebe und empfahl der Klägerin, ihre gemeindliche Satzung zu überprüfen und den Anteil der Beitragspflichtigen mittels Änderungssatzung neu festzusetzen.

Mit Bescheid vom 17.2.2003 beanstandete der Beklagte den Beschluss der Klägerin über die Straßenbaubeitragssatzung vom 27.4.2000 (Nr. 1), forderte die Klägerin auf, diesen Beschluss unverzüglich, spätestens bis zum 31.3.2003 aufzuheben (Nr. 2) und ihm den Aufhebungsbeschluss sowie den Beschluss zur Neufassung der Straßenbaubeitragssatzung anzuzeigen (Nr. 3). Zur Begründung wiederholte der Beklagte seine Ausführungen in seinem Schreiben vom 4.7.2002 und führte ergänzend im Wesentlichen aus: Der dem Beitragspflichtigen vermittelte Vorteil hänge von der Verkehrsbedeutung der ausgebauten Verkehrsanlage ab. Das Sächsische Staatsministerium des Innern habe deutlich gemacht, dass der Anteil des von dem Beitragspflichtigen zu zahlenden Aufwands sich in einem gewissen Rahmen bewegen könne. Dieser könnte für Anliegerstraßen und Wirtschaftswege bei 50 bis 75 v. H., bei Haupterschließungsstraßen bei 33,34 bis 50 v. H. und bei Hauptverkehrsstraßen bei 16,67 bis 25 v. H. liegen. Die in § 5 Abs. 1 der Straßenbaubeitragssatzung der Klägerin geregelten Anteile unterschritten die genannten Untergrenzen der Vorteilsbemessung und seien auch nicht vorteilsgerecht je Straßenart aufeinander abgestimmt. Das öffentliche Interesse erfordere ein Einschreiten der Rechtsaufsichtbehörde, da die beschlossene Satzung die Grundzüge der Beitragsbemessung verletze und die Bürger der Gemeinde die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften durch den Gemeinderat erwarten könnten. Zudem gebiete der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung eine Beanstandung. Dem stehe die verfassungsrechtlich garantierte Selbstverwaltung der Gemeinden nicht entgegen.

Am 4.3.2003 legte die Klägerin gegen den Bescheid des Beklagten Widerspruch ein, den sie im Wesentlichen wie folgt begründete: Sie habe den ihr gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraum mit der vom Beklagten beanstandeten Satzungsregelung eingehalten. Die vom Gesetzgeber grundsätzlich gewollte Staffelung der von der Verkehrsbedeutung der ausgebauten Verkehrsanlagen und vorteilsgerecht aufeinander abzustimmenden prozentualen Beitragssätze sei von ihr beachtet worden. Das Sächsische Kommunalabgabengesetz regle in § 28 Abs. 2 lediglich prozentuale Mindestsätze für die Anteile des öffentlichen Interesses an Verkehrsanlagen. Daraus ergäben sich prozentuale Höchstsätze der Anteile, die den Beitragspflichtigen auferlegt werden könnten. Die im Bescheid des Beklagten vom 17.2.2003 aufgeführten und von den Beitragspflichtigen zu tragenden Mindestsätze ließen sich nicht aus dem Sächsischen Kommunalabgabengesetz herleiten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.5.2003 wies das Regierungspräsidium Dresden den Widerspruch zurück und führte unter Aufgreifen der Gründe aus dem angefochtenen Bescheid zusätzlich im Wesentlichen aus: Die beanstandete Satzungsregelung verstoße gegen die Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen. Dort sei der Einnahmebeschaffungsgrundsatz geregelt, der die Erhebung von Entgelten vor der Nutzung anderer Einnahmebeschaffungsmöglichkeiten vorschreibe. Das Ermessen der Gemeinde bei der Festlegung der Anteile der Beitragspflichtigen am beitragsfähigen Aufwand in Straßenausbaubeitragsatzungen werde dadurch eingeschränkt. Der Verzicht auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen und eine Aushöhlung der Einnahmebeschaffungsmöglichkeit durch eine unangemessen niedrige Festsetzung der jeweiligen Anteile stehe im Widerspruch zur Regelung des § 73 Abs. 2 SächsGemO. Die unverhältnismäßig niedrig in der beanstandeten Satzung festgelegten Anteile der Beitragspflichtigen am beitragsfähigen Aufwand müssten von der Klägerin durch andere Einnahmen kompensiert werden. Hierfür kämen insbesondere die Grundsteuer und die Gewerbesteuer in Betracht. Dies widerspreche der Verpflichtung der Gemeinden, ihre Einnahmen vorrangig aus Entgelten zu beschaffen. Darüber hinaus habe der Gesetzgeber durch die in § 28 Abs. 2 SächsKAG festgelegten Mindestsätze der Anteile des öffentlichen Interesses ein Verhältnis zwischen den Arten von Verkehrsanlagen festgeschrieben.

Am 12.6.2003 erhob die Klägerin Klage und trug zur Begründung im Wesentlichen vor: Der Rechtmäßigkeit der Beanstandungsverfügung stehe bereits der lange Zeitabstand zwischen der Anzeige der Satzung und ihrer Beanstandung durch den Beklagten entgegen. Sie, die Klägerin, habe aufgrund des verstrichenen Zeitraums berechtigterweise davon ausgehen können, dass der Beklagte als Rechtsaufsichtsbehörde keine Einwände gegen die betreffende Satzung habe. Die für genehmigungspflichtige Satzungen geltende Monatsfrist sei hier entsprechend anzuwenden. In der Sache selbst sei auszuführen, dass das Sächsische Kommunalabgabengesetz keine Mindestbelastung für die Bürger mit Straßenbaubeiträgen vorsehe. Die Höhe der Erhebung stehe im Ermessen der Gemeinde. Die Unterschiedlichkeit der Arten von Straßen und die daraus resultierenden unterschiedlichen Vorteile für die Bürger seien in der beanstandeten Satzung berücksichtigt worden. Es komme hinzu, dass die Haushaltslage der Klägerin im Gegensatz zu vielen anderen sächsischen Gemeinden äußerst stabil sei. Die Pro-Kopf-Verschuldung betrage ca. 260,- € und liege damit bei einem Drittel der durchschnittlichen Verschuldung von sächsischen Kommunen. Demgegenüber sei die finanzielle Lage der privaten Haushalte im ländlichen Gebiet äußerst schlecht. Daher habe sich die Klägerin entschlossen, den Erhebungssatz möglichst niedrig zu halten. Die vom Beklagten gegen sie ergriffenen Maßnahmen verstießen zudem gegen die Selbstverwaltungsgarantie.

Die Klägerin beantragte, den Bescheid des Beklagten vom 17.2.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Dresden vom 15.5.2003 aufzuheben.

Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen, und nahm zur Begründung im Wesentlichen Bezug auf die Ausführungen in seinen Bescheiden. Ergänzend wies er darauf hin, dass für eine Beanstandung durch die Rechtsaufsichtsbehörde Fristen nicht bestünden. Auch könne das Beanstandungsrecht nicht verwirkt werden. Ein Eingriff in die Selbstverwaltungsgarantie sei ebenfalls nicht gegeben, da es hier um den gesetzesmäßigen Vollzug gehe.

Mit Urteil vom 10.3.2006 wies das Verwaltungsgericht Dresden die Klage ab. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus: Die Beanstandungsmaßnahme des Beklagten sei rechtmäßig, weil die Straßenbaubeitragssatzung der Klägerin vom 27.4.2000 in ihrem § 5 Abs. 1 gegen die Grundsätze der Einnahmebeschaffung nach § 73 Abs. 2 SächsGemO und gegen das Vorteilsprinzip des § 28 Abs. 1 SächsKAG verstoße.

Das Verwaltungsgericht führte unter Berufung auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 23.3.2004 (SächsVBl. 2005, 112, [117]) aus, dass sich aus der Vorschrift des § 73 Abs. 2 SächsGemO eine Verpflichtung der Gemeinden ergebe, Straßenausbaubeiträge zu erheben. Dem stehe nicht entgegen, dass der Gesetzgeber in § 73 Abs. 2 Nr. 1 SächsGemO den Grundsatz zur vorrangigen Erhebung von Entgelten unter den Vorbehalt des "soweit gebotenen und soweit vertretbaren" gestellt habe. Der das wirtschaftliche Leistungsvermögen der Zahlungspflichtigen zur Geltung bringende Begriff "soweit vertretbar" könne hier nicht zur Geltung gebracht werden, da § 28 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG bestimme, die Erhebung von Straßenbaubeiträgen nach den Vorteilen zu bemessen. Somit könne es auf die von der Klägerin vorgetragene allgemeine Belastung ihrer Bürger und ihrer unter der Verschuldung anderer Gemeinden liegenden Pro-Kopf-Verschuldung nicht ankommen. Auch § 73 Abs. 3 SächsGemO stehe der Verpflichtung zur Erhebung von Straßenbaubeiträgen nicht entgegen. Die Vorschrift regele die Sozialverträglichkeit von Abgaben und stelle dabei auf die Belastung der Gesamtheit der Abgabenpflichtigen durch die Gesamtheit der Abgaben ab. Dagegen enthalte die Vorschrift keine Regelung einer Verpflichtung zur sozialverträglichen Abgabe im Einzelfall.

Eine andere rechtliche Beurteilung ergebe sich auch nicht aus der Vorschrift des § 26 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG, wonach die Gemeinden Straßenbaubeiträge erheben könnten. Entweder folge man der Auffassung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 23.3.2004, dem Wort "können" in der vorgenannten Vorschrift komme lediglich die Bedeutung eines "dürfen" zu, ohne dass damit der Behörde ein Ermessen habe eingeräumt werden sollen. Oder man verstehe den Begriff "können" im Sinne einer das Ermessen eröffnenden Regelung und sehe jedenfalls im vorliegenden Fall das dann durch § 26 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG eingeräumte Ermessen auf Null reduziert. Denn jedenfalls dann, wenn eine Gemeinde - wie hier - verschuldet sei, d. h. ihre sonstigen Einnahmen nicht ausreichten, die Erfüllung ihrer Aufgaben zu finanzieren, würde sich ihr Ermessen auf die Pflicht zur Beitragserhebung aus § 73 Abs. 2 SächsGmO verdichten.

Die Verpflichtung zur Erhebung von Ausbaubeiträgen habe zur weiteren Folge, dass die in der zu erlassenden Ausbaubeitragssatzung u. a. vorzunehmende Festsetzung der Anteile der Beitragspflichtigen am beitragsfähigen Aufwand den gesetzlichen Vorgaben der § 26 ff. SächsKAG entsprechen müsse. § 28 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG gebe den Rahmen für die Bestimmung des Gemeindeanteils und damit in der Kehrseite des Anwohneranteils am beitragsfähigen Aufwand vor. Diese Regelung sei an dem Vorteilsgrundsatz auszurichten. Der Gesetzgeber habe in § 28 Abs. 1 Satz 2 SächsKAG den als öffentliches Interesse an der Verkehrsanlage zu bemessenden Anteil auf das Ausmaß des der Allgemeinheit durch die Verkehrsanlage vermittelten Vorteils beschränkt und sogleich eine Obergrenze für die Bemessung des Gemeindeanteils geschaffen. In diesem der Gemeinde vorgegebenen Rahmen habe sie die bei der Beschlussfassung über die Satzung erforderliche Vorteilsabwägung durchzuführen. Dabei sei die Festlegung der Anteilssätze ein Akt gemeindlicher Rechtssetzung, der gerichtlich nur darauf überprüft werden könne, ob die Gemeinde den ihr durch das Gesetz gesteckten Rahmen überschritten habe. Dies sei im vorliegenden Fall zu bejahen. Der durch § 28 Abs. 1 und Abs. 2 SächsKAG für die Vorteilsbemessung gezogene Rahmen werde zudem durch die in § 73 Abs. 2 SächsGemO enthaltene Reihenfolge der Einnahmebeschaffung bestimmt. Der gesetzlich vorgeschriebene Vorrang der Finanzierung durch spezielle Entgelte versage es der Gemeinde, den Anteil des öffentlichen Interesses frei zu wählen. Die Gemeinde müsse vielmehr diesen Vorrang nicht nur in ideeller Höhe, sondern auch in einer seiner Bedeutung zukommenden tatsächlichen Höhe Geltung verschaffen. Die Klägerin habe mit der Bemessung des Anteils des öffentlichen Interesses mit 90 v. H. an dem beitragsfähigen Aufwand für Anliegerstraßen und im Verhältnis hierzu mit 92 v. H. Gemeindeanteil bei Haupterschließungsstraßen, 94 v. H. Gemeindeanteil bei Haupterschließungsanlagen und wiederum 90 v. H. Gemeindeanteil bei Wirtschaftswegen gegen den nach § 28 Abs. 1 SächsKAG für Straßenbaubeiträge geltenden Vorteilsmaßstab und gegen § 73 Abs. 2 SächsGemO verstoßen.

Der Beklagte habe sein nicht an bestimmte Fristen gebundenes Beanstandungsrecht nicht verwirkt. Er habe der Klägerin keinen Anlass gegeben, auf die Rechtmäßigkeit ihres Satzungsbeschlusses zu vertrauen.

Auf den Antrag der Klägerin hat der erkennende Senat die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (Beschl. v. 1.8.2006 - 5 B 282/06 -).

Die Klägerin vertieft zur Begründung ihrer Berufung ihr bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor:

Die beanstandete, auf der Grundlage der ein Ermessen eröffnenden Vorschrift des § 26 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG ergangene satzungsrechtliche Regelung verstoße auch nicht gegen § 73 Abs. 2 SächsGemO. Diese Vorschrift regle allgemeine Grundsätze der Haushaltswirtschaft und keine Fragen der Beitragserhebung. Im Hinblick auf die detaillierten beitragsrechtlichen Regelungen im Sächsischen Kommunalabgabengesetz hätte es deshalb nahe gelegen, dass der Landesgesetzgeber die zwingende Verpflichtung zur Erhebung von Beiträgen im Wortlaut der Vorschrift deutlich gemacht hätte, wenn er dies auch so gewollt hätte. Ein Vorrang der speziellen Entgelte nach § 73 Abs. 2 Nr. 1 SächsGemO bestehe im Übrigen nur dann, wenn sie vertretbar und geboten seien. Die solide Hauhaltslage der Klägerin, die Belastung ihrer Bürger mit z. T. hohen sonstigen Abgaben (z. B. Abwasserbeiträge) und ihr Bestreben, eine bisher nicht erfolgte Abwanderung von Einwohnern/Bürgern und Gewerbebetrieben weiterhin zu verhindern, hätten es der Klägerin ermöglicht, auch bei Annahme einer im Recht der Ausbaubeiträge verpflichtenden Geltung des Grundsatzes des Vorrangs spezieller Entgelte vom Erlass einer Ausbaubeitragsatzung abzusehen.

Auch die vorgenommene Staffelung in § 5 Abs. 1 der Straßenbaubeitragssatzung sei nicht zu beanstanden. Insbesondere könne hierin kein Verstoß gegen § 28 Abs. 2 SächsKAG gesehen werden. Diese Vorschrift regele nur die Mindestanteile des öffentlichen Interesses und damit die von der Gemeinde zu tragenden Kostenanteile je nach Straßenart. Nach ihrem Wortlaut lasse die Vorschrift sogar die Festlegung eines einheitlichen Anteils des öffentlichen Interesses für alle Straßen zu.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 10. März 2006 - 4 K 2523/03 - zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 17. Februar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Dresden vom 15. Mai 2003 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung nimmt er Bezug auf die angefochtenen Bescheide sowie die Entscheidungsgründe in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden.

Dem Senat liegen die zur Sache gehörenden Akten des Beklagten (2 Heftungen), die Verfahrensakte des Verwaltungsgerichts Dresden (4 K 2523/03) sowie die Akte des Verfahrens auf Zulassung der Berufung vor dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht (5 B 282/06) vor. Auf sie sowie auf die zwischen den Beteiligten im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht Dresden hat ihre Klage zu Unrecht abgewiesen. Der von ihr angefochtene rechtsaufsichtliche Beanstandungsbescheid des Beklagten vom 17.2.2003 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Dresden vom 15.5.2003 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheids ist § 114 Abs. 1 Satz 1 SächsGemO. Danach kann die Rechtsaufsichtsbehörde Beschlüsse und Anordnungen der Gemeinde, die das Gesetz verletzen, beanstanden und verlangen, dass sie von der Gemeinde binnen einer angemessenen Frist aufgehoben oder abgeändert werden. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben, weil die Regelung der Anteile der Beitragspflichtigen am beitragsfähigen Aufwand in § 5 Abs. 1 der Straßenbaubeitragssatzung ihre jeweilige Höhe betreffend weder gegen das in § 28 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SächsKAG geregelte Vorteilsprinzip noch gegen den in § 73 Abs. 2 SächsGemO geregelten Grundsatz der speziellen Entgeltlichkeit verstößt.

Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids folgt allerdings nicht aus der von der Klägerin behaupteten Nichteinhaltung einer im Zusammenhang mit rechtsaufsichtlichen Maßnahmen zu beachtenden gesetzlichen Frist oder der Verwirkung des Beanstandungsrechtes durch den Beklagten.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist § 119 Abs. 1 SächsGemO hier nicht anwendbar. Nach dieser Vorschrift darf ein Beschluss der Gemeinde, der nach gesetzlicher Vorschrift der Rechtsaufsichtsbehörde vorzulegen ist, erst vollzogen werden, wenn die Rechtsaufsichtsbehörde die Gesetzmäßigkeit bestätigt oder den Beschluss nicht innerhalb eines Monats beanstandet hat. Ungeachtet der strittigen Frage (vgl. hierzu die Nachweise bei Schmid, in: Quecke/Schmid, Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen, Stand: Dezember 2006, RdNr. 5 zu § 37), ob die Rechtsaufsichtsbehörde nach Ablauf der Frist des § 119 Abs. 1 SächsGemO einen Beschluss der Gemeinde beanstanden darf, wenn sie dies nicht bereits im Vorlageverfahren geltend gemacht hat, scheidet hier sowohl eine unmittelbare als auch eine entsprechende Anwendung der angesprochenen Norm aus. Die Vorschrift des § 119 Abs. 1 SächsGemO bezieht sich nur auf die Beschlüsse der Gemeinde, die nach gesetzlicher Vorschrift der Rechtsaufsichtsbehörde vorzulegen sind. Andere Beschlüsse, wie z. B. Beschlüsse über nach § 4 Abs. 3 Satz 3 SächsGemO der Rechtsaufsichtsbehörde anzuzeigende Satzungen, werden von dieser Regelung nicht erfasst. Eine entsprechende Anwendung des § 119 Abs. 1 SächsGemO auf solche Beschlüsse ist wegen des Fehlens einer Regelungslücke nicht zulässig. Der Gesetzgeber hat in § 119 Abs. 1 und 2 SächsGemO die Vorlage- und Genehmigungspflicht differenziert geregelt und damit gewollt auf die Beachtung von Fristen im Zusammenhang mit der Vorlage von lediglich anzuzeigenden Beschlüssen verzichtet, so dass eine insoweit bestehende Regelungslücke nicht angenommen werden kann. Die vom Beklagten beanstandete Straßenbaubeitragssatzung der Klägerin war nach § 4 Abs. 3 Satz 3 SächsGemO der Rechtsaufsichtsbehörde anzuzeigen, so dass Fristen hier nicht zu beachten waren.

Der Beklagte hat sein Beanstandungsrecht auch nicht verwirkt, da er der Klägerin keinen Anlass gegeben hat, darauf zu vertrauen, er werde ihr gegenüber keine Beanstandungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Straßenausbaubeitragssatzung aussprechen.

Das aus dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben hergeleitete Rechtsinstitut der Verwirkung bezieht sich nicht nur auf Ansprüche und Rechte des Bürgers oder der öffentlichen Hand, sondern auch auf den Trägern hoheitlicher Verwaltung zustehende Befugnisse. Diese können nicht nur Leistungsansprüche gegenüber dem Bürger, sondern auch die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes verwirken. Eine solche Befugnis kann aber nur verwirkt werden, wenn sie zur Disposition des Inhabers der Befugnis steht, mit anderen Worten, wenn die Behörde auf sie verzichten darf. Hinsichtlich unverzichtbarer Rechte und Befugnisse und in den Bereichen, in denen dem öffentlichen Interesse ein besonderes Gewicht zukommt, ist eine Verwirkung in der Regel nicht möglich. Dies gilt vor allem für im öffentlichen Interesse verliehene Befugnisse und Rechte, die der Wahrung und dem Schutz gewichtiger Gemeinschaftsgüter oder unverzichtbarer Rechte dienen, wenn durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist, etwa im Bereich der Gefahrenabwehr, insbesondere im Polizei- und Sicherheitsrecht.

Die Rechtsaufsicht ist einer Anwendung der Grundsätze über die Verwirkung grundsätzlich zugänglich. Für die Ausübung der Rechtsaufsicht gilt das Opportunitätsprinzip. Ob und inwieweit die Rechtsaufsichtsbehörde einschreiten will, liegt in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Eine Pflicht zum Einschreiten besteht nur in Ausnahmefällen (z. B. bei Verstößen gegen die Bundestreue, vgl. BVerfG, Urt. v. 30.7.1958 - 2 BvG 1/58, BVerfGE 8, 122 [137]). Daraus folgt eine grundsätzliche Verzichtbarkeit der Rechtsaufsichtsbehörden auf die ihnen zustehenden rechtsaufsichtlichen Eingriffsbefugnisse mit der Folge, dass sie diese auch verwirken können. Der Beklagte hat hier seine rechtsaufsichtlichen Befugnisse nicht verwirkt.

Ob eine Befugnis verwirkt und ihre Ausübung deshalb unzulässig geworden ist, kann nur unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des konkreten Falles beurteilt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.5.1984 - 3 C 86.82 -, BVerwGE 69, 227 [237]; Urt. v. 25.1.1974 - IV C 2.72 -, BVerwGE 44, 294 [298]). Eine Verwirkung setzt neben der Rechtsmissbräuch-lichkeit des Verhaltens (Umstandsmoment) auch das Verstreichen eines längeren Zeitraumes (Zeitmoment) voraus. Die Annahme einer Verwirkung des Beanstandungsrechts scheitert hier bereits am Vorliegen des Umstandselementes.

Hinsichtlich des Umstandselementes setzt eine Verwirkung voraus, dass der Pflichtige - hier die Klägerin - aufgrund des vom Inhaber der Befugnis - hier des Beklagten - gezeigten Verhaltens unter Berücksichtigung der Gesamtumstände nach Treu und Glauben die berechtigte Erwartung hegen darf, von der Befugnis werde kein Gebrauch mehr gemacht werden. Dieser Eindruck kann nicht nur durch Erklärungen, sondern auch durch ein bestimmtes sonstiges Verhalten erweckt werden. Ein solches Verhalten des Beklagten vermag der Senat nicht festzustellen. Die Klägerin hat die Straßenbaubeitragssatzung dem Beklagten mit Schreiben vom 9.5.2000, am 22.5.2000 beim Beklagten eingegangen, angezeigt. Der Beklagte forderte die Klägerin mit Schreiben vom 19.7.2000 zur Vorlage weiterer Unterlagen auf, die von ihr mit Schreiben vom 25.7.2000, beim Beklagten am 26.7.2000 eingegangen, vorgelegt wurden. Mit Schreiben vom 4.7.2002 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass die Rechtsaufsichtsbehörde die formelle und materielle Rechtmäßigkeit der angezeigten Straßenbaubeitragssatzung bisher nicht bestätigt habe, weil ein Klärungsprozess zum festzulegenden Anteil der Beitragspflichtigen notwendig gewesen sei. Die Klägerin hat daraufhin mit Schreiben vom 14.7.2002 dem Beklagten mitgeteilt, dass sie ihre Straßenbaubeitragssatzung für rechtmäßig halte und deshalb keine Veranlassung zu einer Satzungsänderung sehe. Der streitgegenständliche Beanstandungsbescheid erging unter dem 17.2.2003 und wurde der Klägerin am 26.2.2003 zugestellt. Dieser aufgezeigte Verfahrensgang zeigt, dass der Beklagte vor dem Erlass seines Beanstandungsbescheids weder durch entsprechende Erklärungen noch durch ein sonstiges Verhalten den Eindruck erweckt hat, er werde keine Beanstandung der Straßenausbaubeitragssatzung aussprechen. Vielmehr hat er, wenn auch erst gut zwei Jahre nach der Anzeige der Satzung, auf die Gründe der zeitlichen Verzögerung hingewiesen. Die Vertreter der Klägerin haben in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass ihnen diese Gründe bekannt waren.

Auch in der Zeit zwischen dem Schreiben der Klägerin vom 14.7.2002 und dem Erlass der Beanstandungsverfügung ist kein Verhalten des Beklagten feststellbar und wird von der Klägerin auch nicht behauptet, das bei ihr den Eindruck hätte entstehen lassen können, der Beklagte werde im Hinblick auf ihre Darlegung ihrer Auffassung zur Rechtmäßigkeit der Straßenausbaubeitragssatzung keine Beanstandung aussprechen.

Die Beanstandungsverfügung des Beklagten ist jedoch rechtswidrig, weil die vom Beklagten beanstandete Festsetzung der jeweiligen Höhe der Anteile der Beitragspflichtigen am beitragsfähigen Aufwand in § 5 Abs. 1 Straßenausbaubeitragssatzung nicht aus den von ihm dargelegten Gründen mit höherrangigem Recht unvereinbar ist. Die Vorschrift verstößt insoweit weder gegen das in § 28 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SächsKAG geregelte Vorteilsprinzip noch gegen den in § 73 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 SächsGemO geregelten Grundsatz der speziellen Entgeltlichkeit.

Das Verwaltungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Gemeinden grundsätzlich zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen und damit auch zum Erlass entsprechender Ausbaubeitragssatzungen verpflichtet sind.

Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 23.3.2004 (5 B 6/03, LKV 2005, 24 = SächsVBl. 2005, 112) die vorläufige Auffassung vertreten, dass die Gemeinden verpflichtet seien, Ausbaubeiträge zu erheben und demzufolge auch Ausbaubeitragssatzungen zu erlassen. Die Vorschrift des § 26 Abs. 1 SächsKAG räume den Gemeinden trotz der Verwendung des Begriffs "können" kein Ermessen bei der Erhebung von Ausbaubeiträgen ein. Vielmehr dürfte diesem Begriff die Bedeutung von "dürfen" zukommen, ohne dass damit den Gemeinden ein Ermessen eingeräumt werden solle. Der Begriff "können" dürfte im Sinne eines "Kompetenz-Könnens" zu verstehen sein. Die Erhebung von Ausbaubeiträgen sei den Einnahmebeschaffungsgrundsätzen des § 73 SächsGemO zu unterstellen. Der in § 73 Abs. 2 SächsGemO geregelte Grundsatz der speziellen Entgeltlichkeit dürfte zu einer Verpflichtung der Gemeinden führen, auf der Grundlage der in dieser Vorschriften näher geregelten Voraussetzungen Ausbaubeiträge zu erheben.

Der Senat hält an dieser - lediglich vorläufig geäußerten - Auffassung nicht mehr fest. Die Gemeinden sind weder nach § 26 Abs. 1 SächsKAG noch nach § 73 Abs. 2 SächsGemO verpflichtet, Ausbaubeiträge zu erheben und wegen des Satzungsvorbehaltes des § 2 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG Ausbaubeitragssatzungen zu erlassen. Vielmehr stellt die Vorschrift des § 26 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG im Unterschied zum Baugesetzbuch, welches zur Erhebung von Erschließungsbeiträgen verpflichtet (§ 127 Abs. 1 BauGB), die Erhebung von Beiträgen für Straßenausbaumaßnahmen in das kommunalpolitische Ermessen der Gemeinden.

Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG können die Gemeinden, soweit das Baugesetzbuch nicht anzuwenden ist, zur Deckung des Aufwands für die Anschaffung, Herstellung oder den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen (Verkehrsanlagen) Beiträge für Grundstücke erheben, denen durch die Verkehrsanlage Vorteile zuwachsen. Die Fassung dieser Vorschrift (...können...) überlässt es grundsätzlich der freien Entscheidung der Gemeinden, ob sie überhaupt Beiträge erheben wollen. Der Begriff "können" in § 26 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG ist nicht im Sinne eines "Kompetenz-Könnens" sondern im Sinne eines "Ermessens-Könnens" zu verstehen. Zwar muss dem Begriff "können" in § 26 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG nicht, wie der Senat in seinem Urteil vom 23.3.2004 ausgeführt hat, zwangsläufig die Bedeutung eines "Ermessens-Könnens" zukommen. Der Gesetzgeber verwendet aber in der Regel diesen Begriff, um deutlich zu machen, dass den normanwendenden Trägern öffentlicher Verwaltung ein Ermessen zustehen soll. Diese Bedeutung kommt auch dem Begriff "können" in § 26 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG zu.

Einem solchen Verständnis steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber den gleichen Begriff in § 40 Abs. 2 SächsKAG im Sinne eines "Dürfens" verwendet. Diese Begriffsbedeutung folgt unmittelbar aus dem Wortlaut der Vorschrift. Mit der Formulierung "nur erhoben werden können" stellt das Gesetz klar, dass Ausbaubeiträge für vor dem In-Kraft-Treten des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes begonnene Ausbaumaßnahmen nur erhoben werden "dürfen", wenn sie nach diesem Zeitpunkt endgültig abgeschlossen wurden. Die Norm ist nicht im Sinne einer den Regelungsbereich der vorangehenden Vorschriften erweiternden Ermächtigung zur Erhebung von Ausbaubeiträgen, sondern vielmehr in einem die Erhebungsermächtigung einschränkenden Sinne zu verstehen. Dieser Normzweck unterscheidet sich von dem Normzweck des § 26 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG als die die grundsätzliche Ermächtigung zur Erhebung von Ausbaubeiträgen regelnde Vorschrift und schließt damit die Übertragung des Auslegungsergebnisses hinsichtlich des Begriffs "können" auf die letztgenannte Vorschrift aus.

Das Verständnis des § 26 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG als eine Ermessensermächtigung wird durch die Motive des Gesetzgebers belegt. In der Begründung des Regierungsentwurfes zu § 26 SächsKAG, die vom Gesetzgeber aufgenommen wurde, heißt es:

"Zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für die erstmalige Herstellung von Verkehrsanlagen schreibt das BauGB (§§ 127 ff) den Gemeinden die Erhebung eines Erschließungsbeitrags von den Grundstückseigentümern vor, die durch die Verkehrsanlage für ihre Grundstücke Vorteile vermittelt bekommen. Das BauGB regelt dagegen nicht, ob die Gemeinden auch zur Deckung ihres Aufwands für die Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung bestehender Verkehrsanlagen (Ausbau) und die erstmalige Herstellung der nicht von den Vorschriften der §§ 127 ff erfaßten Verkehrsanlagen (z. B. Wirtschaftswege) Beiträge erheben können. Es stellt jedoch in § 128 Abs. 2 Satz 1 ausdrücklich klar, dass diese Materie landesrechtlicher Gestaltung vorbehalten bleibt. Außer dem Land Baden-Württemberg haben bisher alle Flächenländer von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. In einigen Ländern ist sogar durch den Soll-Grundsatz die Erhebungspflicht für Ausbaubeiträge eingeführt worden. Der Regierungsentwurf überlässt es den Gemeinden, ob und in welchem Umfang sie von der Erhebungsmöglichkeit von Ausbaubeiträgen Gebrauch machen wollen. Es kann z. B. durchaus auch auf Ausbaubeiträge für bestimmte Verkehrsanlagen, z. B. Wirtschaftswege, verzichtet werden. Da das Flurbereinigungsgesetz die (Mit-)Finanzierung der Wirtschaftswege durch Beiträge der Teilnehmergemeinschaft vorsieht, sollte den Gemeinden die Finanzierung des Ausbaus solcher Wege außerhalb eines Flurbereinigungsverfahrens über Beiträge der Grundstückseigentümer jedoch nicht verschlossen bleiben. Aus dem Grundsatz des Vorrangs spezieller Entgelte bei den kommunalen Einnahmebeschaffungsgrundsätzen lässt sich aber keine Pflicht zur Erhebung von Ausbaubeiträgen herleiten, da Verkehrsanlagen keine öffentlichen Einrichtungen sondern öffentliche Sachen sind, für deren ihrer Widmung entsprechende Nutzung nach dem geltenden Recht keine Rechtsgrundlage zur Erhebung von Leistungsentgelten besteht."

Diese Begründung des § 26 des Regierungsentwurfs, der vom Sächsischen Landtag ohne inhaltliche Änderungen übernommen und beschlossen wurde, zeigt deutlich, dass der Gesetzgeber den Willen hatte, die Erhebung von Ausbaubeiträgen in das kommunalpolitische Ermessen der Gemeinden im Sinne einer Entscheidungsfreiheit zu stellen.

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden (so aber noch der erkennende Senat in seinem Urteil vom 23.3.2004), der Gesetzgeber sei von einem falschen rechtlichen Ansatz ausgegangen, wenn es im Regierungsentwurf heiße, dass sich aus dem Grundsatz des Vorrangs spezieller Entgelte keine Pflicht zur Erhebung von Ausbaubeiträgen herleiten lasse, weil Verkehrsanlagen öffentliche Sachen seien, für deren ihrer Widmung entsprechende Nutzung nach dem geltenden Recht keine Rechtsgrundlage zur Erhebung von Leistungsentgelten bestehe. Die damals geäußerte Auffassung des Senats, dass diese Einschätzung in dieser Allgemeinheit nicht tragfähig sein dürfte, ist missverständlich. Die Begründung des Regierungsentwurfs übernimmt nämlich lediglich die herrschende Auffassung, dass der Gemeingebrauch von dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Verkehrsanlagen kostenfrei ist und deshalb eine Verpflichtung zur Erhebung von Ausbaubeiträgen allein aus den haushaltsrechtlichen Einnahmebeschaffungsgrundsätzen des § 73 SächsGemO nicht hergeleitet werden kann.

Der Gesetzgeber ist somit zutreffend davon ausgegangen, dass vor dem In-Kraft-Treten des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes eine Rechtsgrundlage zur Erhebung von Leistungsentgelten für die Inanspruchnahme von dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Verkehrsanlagen nicht bestand. Die rechtliche Möglichkeit, Leistungsentgelte für Ausbaumaßnahmen an dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Verkehrsanlagen zu erheben, wurde im Freistaat Sachsen erstmals mit § 26 Abs. 1 SächsKAG geschaffen. Bestand somit vor dem In-Kraft-Treten des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes mangels Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen keine aus § 73 Abs. 2 SächsGemO folgende Ermächtigung und folglich auch keine Pflicht zur Erhebung von Ausbaubeiträgen, so vermag diese Vorschrift, die Leistungen der Gemeinden im Zusammenhang mit dem Gemeingebrauch von Verkehrsanlagen ohne Bestehen einer entsprechenden zur Erhebung ermächtigenden gesetzlichen Regelung nicht erfasst, nicht den Regelungsinhalt der nachträglich eingeführten Erhebungsermächtigung zu bestimmen. Erst durch § 26 Abs. 1 SächsKAG wurde ohne ausdrückliche Bezugnahme auf § 73 SächsGemO und damit ohne Inkorporation des Grundsatzes des Vorrangs spezieller Entgelte in den Regelungsbereich des § 26 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG erstmals die Möglichkeit geschaffen, Entgelte für Ausbaumaßnahmen an im Gemeingebrauch stehenden Verkehrsanlagen zu verlangen.

Die Verwendung des in der Regel ein Ermessen eröffnenden Begriffs "können" sowie die Gesetzesbegründung, nach der es den Gemeinden überlassen bleiben soll, ob sie von der Erhebungsmöglichkeit von Ausbaubeiträgen Gebrauch machen wollen, zeigen somit, insbesondere auch vor dem Hintergrund des Verständnisses des § 73 Abs. 2 Nr. 1 SächsGemO als eine zumindest bis zum In-Kraft-Treten einer entsprechenden gesetzlichen Erhebungsermächtigung Ausbaumaßnahmen an im Gemeingebrauch stehenden Verkehrsanlagen nicht erfassende Regelung, dass § 26 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG nicht im Sinne einer zur Erhebung von Ausbaubeiträgen verpflichtenden, sondern die Erhebung in das Ermessen der Gemeinden stellenden Vorschrift zu verstehen ist. Der Gesetzgeber hat sich in Kenntnis der bis zum In-Kraft-Treten des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes fehlenden Erhebungsmöglichkeit von Ausbaubeiträgen für eine Ermessensregelung entschieden. Dieses war ihm auch bewusst, wie der Hinweis in der oben zitierten Gesetzesbegründung auf die Gesetzeslage in den anderen Bundesländern zeigt. Hier verweist er nicht nur darauf, dass mit Ausnahme von Baden-Württemberg alle anderen Flächenländer von der durch § 128 Abs. 2 Satz 1 BauGB eingeräumten Möglichkeit zur Erhebung von Ausbaubeiträgen Gebrauch gemacht haben, sondern auch auf die teilweise Einführung einer Erhebungspflicht von Ausbaubeiträgen durch die Verwendung des Soll-Grundsatzes.

Der Gesetzesbegründung kann nicht entnommen werden, der Gesetzgeber habe sich im Hinblick auf den Umstand, dass aus den haushaltsrechtlichen Einnahmebeschaffungsgrundsätzen des § 73 SächsGemO allein keine Ermächtigung zur Erhebung von Ausbaubeiträgen hergeleitet werden kann, daran - irrtümlich - gehindert gesehen, im Kommunalabgabengesetz eine Erhebungsverpflichtung zu normieren. Vielmehr wird in der Begründung ausdrücklich auf die in § 128 Abs. 2 Satz 1 BauGB enthaltene Ermächtigung des Landesgesetzgebers hingewiesen, die Erhebung von Ausbaubeiträgen gesetzlich zu regeln. Ein einschränkendes Verständnis des Gesetzgebers in dem Sinne, dass die Erhebung von Ausbaubeiträgen nur als Ermessensermächtigung ausgestaltet werden dürfe, lässt sich dieser Begründung nicht entnehmen. Es war ihm vielmehr bewusst, dass er die Erhebung von Ausbaubeiträgen als Verpflichtungs- oder Ermessensentscheidung regeln durfte.

Die Gesetzesbegründung ist auch nicht dahingehend zu verstehen, der Gesetzgeber habe mit seiner Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG den Gemeinden nicht die Möglichkeit eröffnen wollen, auf die Erhebung von Ausbaumaßnahmen generell, sondern nur hinsichtlich von Ausbaumaßnahmen an bestimmten Verkehrsanlagen zu verzichten. Auf ein solches das Ermessen einschränkendes Verständnis des § 26 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG könnte zwar die Formulierung in der Gesetzesbegründung hindeuten, es könne "z. B. durchaus auch auf Ausbaubeiträge für bestimmte Verkehrsanlagen, z. B. Wirtschaftswege, verzichtet werden." Diese Begründung kann aber nicht im Sinne einer vom Gesetzgeber gewollten grundsätzlichen Erhebungspflicht mit der Möglichkeit eines nur teilweisen, auf bestimmte Verkehrsanlagen beschränkten Absehens von der Erhebungspflicht für Ausbaumaßnahmen verstanden werden. Der Gesetzgeber wollte durch die Formulierung dieses Beispiels lediglich verdeutlichen, dass die Gemeinden Ausbaumaßnahmen an bestimmten Verkehrsanlagen von einer Erhebungspflicht ausnehmen können, ohne damit die Erhebungspflicht für sonstige Ausbaumaßnahmen ebenfalls ausschließen zu müssen. Das Eingehen in der weiteren Begründung auf die Finanzierung des Ausbaus von Wirtschaftswegen in einem Flurbereinigungsverfahren zeigt, dass der Gesetzgeber damit lediglich seine Absicht klarstellen wollte, Ausbaumaßnahmen an Wirtschaftswegen außerhalb eines Flurbereinigungsverfahrens dem ausbaubeitragsrechtlichen Regime mit der Möglichkeit der Beitragserhebung zu unterstellen, es aber den Gemeinden zu überlassen, ob sie von dieser Erhebungsmöglichkeit Gebrauch machen wollen oder nicht.

§ 26 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG stellt es somit in das Ermessen der Gemeinden, ob sie von der Möglichkeit der Erhebung von Ausbaubeiträgen Gebrauch machen wollen oder nicht. Dieses Ermessen wird entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts grundsätzlich nicht durch die Grundsätze der Einnahmebeschaffung des § 73 Abs. 2 Nr. 1 SächsGemO eingeschränkt. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift erhebt die Gemeinde Abgaben nach den gesetzlichen Vorschriften; nach Absatz 2 hat sie die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Einnahmen soweit vertretbar und geboten vorrangig aus speziellen Entgelten für die von ihr erbrachten Leistungen und erst nachrangig aus Steuern zu beschaffen. § 73 Abs. 4 SächsGemO ergänzt diesen Grundsatz hinsichtlich der Zulässigkeit der Aufnahme von Krediten. Danach darf die Gemeinde Kredite nur aufnehmen, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich ist oder wirtschaftlich unzweckmäßig wäre.

§ 73 Abs. 2 und 4 SächsGemO stellt folgende verbindliche Reihenfolge der Deckungsmittel auf:

1. spezielle Entgelte

2. Steuern

3. Kredite

Spezielle Entgelte sind Verwaltungsgebühren, Benutzungsgebühren, privatrechtliche Benutzungsentgelte und Beiträge. Die in § 73 Abs. 2 Nr. 1 SächsGemO geregelte Vorrangigkeit der speziellen Entgelte vor Steuern folgt aus dem Verursacherprinzip und dient dem Vorteilsausgleich (Schmid, in: Quecke/Schmid, aaO, RdNr. 15 zu § 73). Derjenige, der aus speziellen Leistungen der Verwaltung individuell zurechenbare Vorteile erfährt, soll auch die dabei anfallenden Kosten tragen und nicht anonym der Steuerzahler.

Diese Grundsätze der Einnahmebeschaffung sind für die Gemeinden rechtlich verpflichtend. Die durch § 73 Abs. 2 SächsGemO bestimmte Rangfolge der Einnahmequellen wird allerdings relativiert durch die unbestimmten Rechtsbegriffe der Vertretbarkeit und des Gebotenseins (vgl. § 73 Abs. 2 Nr. 1 SächsGemO) sowie der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die wirtschaftlichen Kräfte der Zahlungspflichtigen, also der Abgabenschuldner (§ 73 Abs. 3 SächsGemO).

Der Grundsatz des Gebotenseins bedeutet die Forderung nach einer vollen Kostendeckung und verweist hierbei auf die Beachtung des Äquivalenzprinzips als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Der Grundsatz der Vertretbarkeit und das Rücksichtnahmegebot reklamieren die Heranziehung des Sozialstaatsprinzips, speziell des Zumutbarkeitsgedankens zur Rangbestimmung. Mit diesen drei Grundsätzen bringt das Gesetz das Spannungsverhältnis zwischen finanzwirtschaftlichen und sozialen Anforderungen zum Ausdruck.

Der Grundsatz des Gebotenseins führt dazu, dass eine volle Kostendeckung anzustreben ist, wenn das wirtschaftliche Interesse der Leistungsempfänger im Vordergrund steht und dem keine sozialen Aspekte entgegenstehen. Je höher das wirtschaftliche Interesse anzusetzen ist, desto höher sollte der Umfang der Kostendeckung sein. Daraus folgt, dass die vom Senat in seinem Urteil vom 23.3.2004 angedeutete Auffassung, der Grundsatz des Gebotenseins begründe nur dann eine Erhebungspflicht, wenn die Gemeinde nicht über ausreichende sonstige Einnahmen verfüge, um die Straßenbaumaßnahme zu finanzieren, so nicht haltbar ist. Auf die Finanzierungsmöglichkeit mit den vorhandenen Mitteln dürfte es nämlich nicht ankommen.

Der Grundsatz der Vertretbarkeit und das Rücksichtnahmegebot geben der Gemeinde einen Gestaltungsspielraum. Das Äquivalenzprinzip und der Grundsatz der speziellen Entgeltlichkeit dürften jedoch der Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte enge Grenzen setzen, soweit nicht spezielle gesetzliche Regelungen dies erlauben. Das Verwaltungsgericht ist dabei zutreffend davon ausgegangen, dass der Vertretbarkeitsgrundsatz und das Rücksichtnahmegebot auf die Belastung der Gesamtheit der Abgabepflichtigen durch die Gesamtheit der Abgaben abstellen. Nur wenn die von der Mehrzahl der Bürger zu leistenden Abgaben insgesamt ein zumutbares Maß überschreiten und die Finanzkraft der Gemeinde es zulässt, könne Abgabensenkungen in Betracht kommen.

Ein solches Verständnis der Grundsätze der Einnahmebeschaffung verpflichtet die Gemeinden im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben spezielle Entgelte zu erheben und davon nur unter den in § 73 Abs. 2 - 4 SächsGemO geregelten Voraussetzungen abweichen zu dürfen.

Die in § 26 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG geregelte im Ermessen der Gemeinden stehende Möglichkeit der Erhebung von Ausbaubeiträgen ist jedoch durch diese Grundsätze der Einnahmebeschaffung nicht im Sinne einer grundsätzlichen Verpflichtung zur Erhebung von Ausbaubeiträgen eingeschränkt. Die Ermächtigung zur Erhebung von Ausbaubeiträgen trat zeitlich nach der Sächsischen Gemeindeordnung in Kraft; es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Gesetzgeber die Grundsätze der Einnahmebeschaffung des § 73 SächsGemO als dem in § 26 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG geregelten Grundsatz der Ermessensermächtigung vorgehend regeln wollte.

Die inhaltlichen Unterschiedlichkeiten der Regelungen in § 73 SächsGemO (Pflicht zur Erhebung von speziellen Entgelten bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen) und in § 26 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG (Ermessen bezüglich der Erhebung von Ausbaubeiträgen) führen zu einem Regelungskonflikt, der nach den allgemeinen Normenkollisionsregeln zu lösen ist. Hier handelt es sich um eine Kollision innerhalb derselben Rechtsebene, die deshalb nach den beiden Kollisionsregeln

lex posterior derogat legi priori

und

lex specialis derogat legi generali

zu lösen ist. Dabei geht die zweite Normenkollisionsregel der ersten vor, woraus sich die folgende allgemeinere Kollisionsregel ergibt:

lex specialis prior derogat legi generali posteriori.

Ausgehend von dieser Kollisionsregel geht die Ermessensermächtigung in § 26 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG als speziellere und spätere Regelung der allgemeinen und zeitlich vorhergehenden Regelung in § 73 SächsGemO grundsätzlich vor.

Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 23.3.2004 ausgeführt, dass er erhebliche Bedenken an dem Verständnis des § 26 Abs. 1 Satz 1 SächsKG als eine gegenüber dem § 73 SächsGemO speziellere Vorschrift habe. Der Senat hält an dieser Auffassung nicht mehr fest.

§ 73 Abs. 2 Nr. 1 SächsGemO bezieht sich auf Entgelte. Hierbei handelt es sich um einen Oberbegriff, der neben Gebühren usw. auch Beiträge erfasst. Ausbaubeiträge hat der sächsische Gesetzgeber gegenüber den sonstigen Beiträgen in § 17 SächsKAG einer selbstständigen Regelung unterworfen und ihre Erhebung im Gegensatz zu Regelungen in Kommunalabgabengesetzen anderer Bundesländer sehr differenziert ausgestaltet. Dass der Gesetzgeber auch eine gegenüber dem § 73 SächsGemO speziellere Regelung gewollt hat, wird durch die Begründung des Gesetzentwurfes zu § 26 SächsKAG bestätigt. Er sah einen besonderen Handlungsbedarf, der allein durch die Grundsätze der Einnahmebeschaffung nicht erfüllt werden konnte und hat deshalb die Regelungen in den §§ 26 ff. SächsKAG beschlossen. Ausweislich der Gesetzesbegründung war es ihm auch bewusst, dass die Möglichkeit der Regelung einer Erhebungsermächtigung als Erhebungspflicht bestand und hat sich ausdrücklich für eine in das Ermessen der Gemeinden gestellte Erhebungsermächtigung entschieden.

Die Sächsische Gemeindeordnung i.d.F. vom 23.4.1993 und mit ihr die Vorschrift des § 73 SächsGemO traten am 1.5.1993 in Kraft (§ 132 Abs. 1 Satz 1 SächsGemO). Das Sächsische Kommunalabgabengesetz i.d.F. vom 16.6.1993 und mit ihm die Vorschrift des § 26 SächsKAG traten am 1.9.1993 (§ 40 Abs. 1 SächsKAG) und damit zeitlich nach der Sächsischen Gemeindeordnung in Kraft.

Das Verständnis der Regelungen der §§ 26 ff. SächsKAG als gegenüber dem § 73 SächsGemO speziellere Regelungen sowie die zeitliche Reihenfolge des In-Kraft-Tretens der beiden Regelwerke schließen somit ein Verständnis des § 26 Abs. 1 Satz 1 SächsGemO im Sinne einer Erhebungsverpflichtung von Ausbaubeiträgen aus.

Eine Verpflichtung zur Erhebung von Ausbaubeiträgen folgt deshalb auch nicht aus dem Umstand, dass die in § 73 SächsGemO geregelten Grundsätze über die Rangfolge der Einnahmequellen verbindliches Haushaltsrecht für die Gemeinden sind. Ob die Gemeinden bei der Rangfestlegung, welche maßgeblich an den die Pflicht zur Erhebung von speziellen Entgelten einschränkenden unbestimmten Rechtsbegriffen "soweit vertretbar und geboten" im Sinne des § 73 Abs. 2 Nr. 1 SächsGemO auszurichten ist, einen weiten Beurteilungsspielraum haben (so VGH Bad.-Württ., Urt. v. 31.8.1989 - 2 S 2805/87 -) ist hier nicht näher zu prüfen. Aus den vorgenannten Gründen steht die Vorschrift des § 26 Abs. 1 SächsKAG und damit die Erhebung von Ausbaubeiträgen nämlich grundsätzlich nicht unter dem Regime des § 73 SächsGemO mit der Folge, dass die Gemeinden bei Ausbaumaßnahmen im Sinne der §§ 26 ff. SächsKAG grundsätzlich nicht an die Rangfolge der Einnahmequellen gebunden sind.

Eine andere rechtliche Beurteilung dieser Frage könnte allerdings dann angezeigt sein, wenn die Gemeinde die Ausbaumaßnahmen mit Krediten finanzieren will und die entsprechenden Kreditverpflichtungen die dauernde Leistungsfähigkeit der Gemeinde gefährden. Will eine Gemeinde Ausbaumaßnahmen mit Krediten (§ 73 Abs. 4 SächsGemO) finanzieren, so handelt es sich dabei um Kreditaufnahmen für Investitionen, die nach § 74 Abs. 2 Nr. 1 lit. b SächsGemO als Kreditermächtigungen in die Haushaltssatzung/en der oder des Haushaltsjahre/s einzustellen sind, in dem/denen die Ausbaumaßnahmen durchgeführt und die dafür erforderlichen Kredite aufgenommen werden sollen. § 82 Abs. 2 SächsGemO bestimmt, dass der Gesamtbetrag der vorgesehenen Kreditaufnahmen für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen im Rahmen der Haushaltssatzung der Genehmigung durch die Rechtsaufsichtsbehörde bedarf. Diese darf eine Kreditaufnahme grundsätzlich nur dann genehmigen, wenn die materiellen und formellen Kreditvoraussetzungen vorliegen. Formelle Voraussetzungen sind, dass die Kreditaufnahmen als vermögenswirksame Einnahmen im Vermögenshaushalt veranschlagt sind und der Gesamtbetrag der Kredite für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen in der Haushaltssatzung aufgeführt ist. Zu den materiellen Voraussetzungen zählt grundsätzlich die Beachtung des Subsidiaritätsgrundsatzes des § 73 Abs. 4 SächsGemO. Aus den oben dargestellten Gründen gilt dies jedoch grundsätzlich nicht für die Finanzierung von Ausbaumaßnahmen im Sinne der §§ 26 ff. SächsKAG.

Materielle Voraussetzung für die auch der Finanzierung von Ausbaumaßnahmen dienende Kreditaufnahme und damit ihrer Genehmigungsfähigkeit ist dagegen der Grundsatz einer geordneten Haushaltswirtschaft im Sinne des § 82 Abs. 2 Satz 2 SächsGemO. Nach dieser Vorschrift soll die Genehmigung des Gesamtbetrags der vorgesehenen Kreditaufnahmen für u.a. Investitionen im Rahmen der Haushaltssatzung unter dem Gesichtspunkt einer geordneten Haushaltswirtschaft erteilt oder versagt werden. § 82 Abs. 2 Satz 3 SächsGemO präzisiert diese Genehmigungsvoraussetzung dahin, dass die Genehmigung in der Regel zu versagen ist, wenn die Kreditverpflichtungen die dauernde Leistungsfähigkeit gefährden. Zwar sind diese Vorschriften nicht als Muss- sondern als Soll- bzw. Regelvorschriften ausgestaltet. Dies bedeutet jedoch, dass die Genehmigung grundsätzlich zu versagen ist, wenn die Voraussetzungen für die Kreditermächtigungen nicht vorliegen und nur in Ausnahmefällen die Genehmigung trotz Nichtvorliegens dieser Voraussetzungen erteilt werden darf.

Liegen die Voraussetzungen für eine Genehmigung der Kreditermächtigungen nicht vor und enthalten diese auch Ausbaumaßnahmen im Sinne der §§ 26 ff. SächsKAG betreffende Investitionen, könnte dies ausnahmsweise das Ermessen der Gemeinde auf eine Erhebungspflicht reduzieren. Die in diesem Zusammenhang aufzuwerfenden Fragen nach dem Vorliegen der Voraussetzungen für eine fehlende Genehmigungsfähigkeit der in einem Haushaltsplan enthaltenen Kreditermächtigung, den rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten der Gemeinden zur Herbeiführung der Genehmigungsfähigkeit gerade auch im Hinblick auf beabsichtigte Ausbaumaßnahmen im Sinne der §§ 26 ff. SächsKAG sowie die rechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten der Rechtsaufsicht bedürfen hier jedoch keiner weiteren Erörterung. Die Beanstandungsverfügung wurde ausschließlich damit begründet, dass aus § 26 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG i. V. mit den Einnahmebeschaffungsgrundsätzen des § 73 SächsGemO eine Pflicht zur Erhebung von Ausbaubeiträgen bestehe. Der Beklagte ging selbst nicht von einer haushaltsrechtlichen "Schieflage" im Sinne des § 82 Abs. 2 SächsGemO aus. Es ist nichts dafür vorgetragen und auch nicht ersichtlich, dass Kreditverpflichtungen die dauernde Leistungsfähigkeit der Klägerin gefährden. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren und auch nochmals in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen auf eine seit Jahren bestehende positive Nettoinvestitionsrate hingewiesen. Die Nettoinvestitionsrate gibt an, welcher Betrag von der allgemeinen Zuführung an den Vermögenshaushalt nach Abzug der ordentlichen Kredittilgung, der Kreditbeschaffungskosten, der Belastungen der aus dem Vermögenshaushalt zu veranschlagenden kreditähnlichen Rechtsgeschäften und gegebenenfalls der Deckung von Haushaltsfehlbeträgen noch für Investitionen zur Verfügung stehen. Eine positive Nettoinvestitionsrate schließt eine Gefährdung der dauernden Leistungsfähigkeit der Gemeinde aus.

Die der Klägerin somit eingeräumte Entscheidungsfreiheit über das "Ob" bezieht jedoch nicht im gleichen Umfang das "Wie" der Beitragserhebung ein. Schafft nämlich eine Gemeinde durch eine Straßenausbaubeitragssatzung die Voraussetzungen für die Erhebung von Ausbaubeiträgen, so ist sie hinsichtlich der Ausgestaltung der Satzung und damit auch der Anteile der Allgemeinheit und der Anlieger am beitragsfähigen Aufwand den rechtlichen Bindungen des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes unterworfen. Die von den Gemeinden zu erhebenden Beiträge müssen im richtigen Verhältnis zu den Vorteilen stehen, die den in § 21 i.V.m. § 31 SächsKAG bezeichneten Beitragsschuldnern durch die Inanspruchnahme der Verkehrsanlagen geboten werden.

§ 26 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG bestimmt, dass die Gemeinden für die Deckung des Aufwands für in dieser Vorschrift näher bezeichnete Maßnahmen Beiträge für Grundstücke erheben können, denen durch die Verkehrsanlage Vorteile zuwachsen. Die Beiträge sind gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG nach den Vorteilen zu bemessen. Soweit Verkehrsanlagen neben den Beitragspflichtigen auch der Allgemeinheit zugute kommen, hat der Beitragsberechtigte - die Gemeinde - einen angemessenen, dem Vorteil der Allgemeinheit entsprechenden Anteil (öffentliches Interesse) des beitragsfähigen Aufwands selbst zu tragen. Hinsichtlich des Umfangs des öffentlichen Interesses und damit des öffentlichen Anteils am beitragsfähigen Aufwand bestimmt § 28 Abs. 2 Satz SächsKAG, dass der Anteil des öffentlichen Interesses bei Verkehrsanlagen, die überwiegend dem Anliegerverkehr dienen, mindestens 25 vom Hundert, bei Verkehrsanlagen, die überwiegend dem innerörtlichen Durchgangsverkehr dienen, mindestens 50 vom Hundert und bei Verkehrsanlagen, die überwiegend dem überörtlichen Durchgangsverkehr dienen, mindestens 75 vom Hundert des beitragsfähigen Aufwands beträgt.

Der Wortlaut des § 28 Abs. 1 Satz 2 SächsKAG legt ein Verständnis der Norm in dem Sinne nahe, die von der Gemeinde vorzunehmende Bestimmung des Anteils des öffentlichen Interesses sei ausschließlich nach dem Grundsatz vorzunehmen, dass der Gemeindeanteil den Vorteil widerspiegeln müsse, der der Allgemeinheit im Verhältnis zur Gruppe der Beitragspflichtigen durch die Inanspruchnahme der ausgebauten Verkehrsanlage geboten werde. Ein solches Verständnis, das zwar den Gemeinden bei der Bestimmung des öffentlichen Anteils einen ortsgesetzgeberischen Ermessensspielraum einräumt, seine Ausübung aber unter den Grundsatz der vorteilsgerechten Bestimmung stellt, widerspricht der Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG, die die Erhebung von Ausbaubeiträgen in das weite Ermessen der Gemeinde stellt. Dies lässt ein wie vom Verwaltungsgericht vertretenes Verständnis der Regelungen über die Bestimmung der öffentlichen Anteile am ausbaubeitragsfähigen Aufwand nicht zu. Entscheidet sich eine Gemeinde, Ausbaubeiträge zu erheben, so muss das ihr zustehende weite Ermessen bei ihrer Entscheidung über die Regelung einer Beitragserhebung folgerichtig auch für die Bestimmung des öffentlichen Anteils am beitragsfähigen Aufwand gelten. Eine Einschränkung erfährt dieses weite Ermessen durch die Regelung, dass die Beiträge vorteilsgerecht zu bestimmen sind und damit der öffentliche Anteil am beitragsfähigen Aufwand nicht in einem Umfang bestimmt werden darf, der zu einem nicht mehr vorteilsgerechten Anliegeranteil und damit Ausbaubeitrag führt. Der Vorteilsgrundsatz bedeutet somit bei der Festsetzung des Anteils des öffentlichen Interesses eine von der Gemeinde zu beachtende Untergrenze, nicht aber auch eine wie vom Verwaltungsgericht angenommene Obergrenze. Die Bestimmung über die vorteilsgerechte Festsetzung des öffentlichen Anteils dient ausschließlich dem Schutz der Beitragspflichtigen und begrenzt deren Beitragspflicht. Sie hindert dagegen die Gemeinde nicht, den öffentlichen Anteil über den Vorteil der Allgemeinheit hinausgehend und damit im Ergebnis zugunsten der Beitragpflichtigen sich auswirkend festzusetzen.

Ein anderes Verständnis des § 28 Abs. 1 Satz 2 SächsKAG würde zu einem Regelungswiderspruch/Wertungswiderspruch führen. Eine Gemeinde ist jedenfalls dann, wenn eine Haushaltsschieflage im Sinne des § 82 Abs. 2 SächsGemO nicht besteht, berechtigt, ohne nähere Begründung von der Erhebung von Ausbaubeiträgen abzusehen. Verpflichtet man sie für den Fall, dass sie von der Möglichkeit der Erhebung von Ausbaubeiträgen Gebrauch macht, den öffentlichen Anteil am beitragsfähigen Aufwand in dem Sinne am Vorteilsgrundsatz auszurichten, dass sie im Rahmen des ihr zustehenden ortsgesetzgeberischen Ermessens nur in einem eingeschränkten Umfang über das Interesse der Allgemeinheit hinausgehen und den öffentlichen Anteil entsprechend und damit zugunsten der Beitragspflichtigen festsetzen darf, würde dies im Ergebnis zu einer Einschränkung der Entscheidungsfreiheit der Gemeinden hinsichtlich der Erhebung von Ausbaubeiträgen führen. Sie müsste sich nämlich bereits bei der Frage über das "Ob" einer Beitragserhebung mit der Frage befassen, ob sie eine Belastung der Beitragspflichtigen in Kauf nehmen will, die deren Vorteil durch die Inanspruchnahme der ausgebauten Verkehrsanlage im Wesentlichen abbildet. Will sie eine derartige Belastung der Beitragspflichtigen nicht hinnehmen, sähe sie sich gezwungen, auf eine Erhebung von Ausbaubeiträgen gänzlich zu verzichten. Dies wäre jedoch mit den oben entwickelten Grundsätzen zur Frage der Erhebungspflicht nicht vereinbar, da eine solche Auffassung die Entscheidungsfreiheit der Gemeinden in einem nicht unerheblichen Umfang einschränken würde.

Der Senat sieht sich in seiner Auffassung nicht durch die Motive des Gesetzgebers gehindert. In der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 26 (LT-Drucks.1/2843, S. 31) heißt es, dass der Regierungsentwurf es den Gemeinden überlasse, ob und in welchem Umfang sie von der Erhebungsmöglichkeit von Ausbaubeiträgen Gebrauch machen wollen. Ob der Hinweis auf den in die Entscheidungsfreiheit der Gemeinden gestellten Umfang in dem Sinne zu verstehen ist, dass der Gesetzgeber den Gemeinden nicht nur Entscheidungsfreiheit über das "Ob" sondern im gleichen Umfang auch für das gesamte "Wie" der Beitragserhebung gewähren will, kann dieser Begründung nicht zweifelsfrei entnommen werden. Als die Entscheidungsfreiheit auch hinsichtlich des Umfangs der Erhebung von Ausbaubeiträgen veranschaulichendes Beispiel wird nämlich ausgeführt, dass "z. B. durchaus auch auf Ausbaubeiträge für bestimmte Verkehrsanlagen, z. B. Wirtschaftswege, verzichtet werden" könne. Diese Begründung schließt die Annahme nicht aus, der Gesetzgeber habe den Gemeinden nur eine Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Einbeziehung bestimmter Verkehrsanlagen eingeräumt, nicht dagegen auch eine Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Bestimmung des öffentliches Interesses und damit des Allgemeinanteils am beitragsfähigen Aufwand, die sich zugunsten der Beitragspflichtigen auswirkt. Insoweit gelten auch hier die vom Senat oben gemachten Ausführungen zu dieser Problemstellung im Zusammenhang mit der Entscheidungsfreiheit, Ausbaubeiträge zu erheben oder nicht.

Die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 28 Abs. 1 und 2, der inhaltsgleich durch den Landtag beschlossen wurde, enthält keine Hinweise zu den hier aufgeworfenen Fragen. Hier heißt es lediglich:

"In § 28 Absatz 2 Satz 1 werden, entsprechend den Bestimmungen in den anderen Ländern, Mindestanteile für die Vorteile der Allgemeinheit festgelegt, die der Straßenbaulastträger selbst zu tragen hat, soweit sie nicht durch Zuweisungen und Zuschüsse Dritter gedeckt sind."

Die Regelung in § 28 Abs. 2 SächsKAG steht der Annahme einer sich nicht zu Lasten der Beitragspflichtigen auswirkenden Entscheidungsfreiheit der Gemeinden bei der Bestimmung des Anteils des öffentlichen Interesses am beitragsfähigen Aufwand nicht entgegen. Die Vorschrift regelt nur Mindestsätze des Anteils des öffentlichen Interesses. Sie untersagt damit den Gemeinden, die Anteile des öffentlichen Interesses am beitragsfähigen Aufwand niedriger als die in dieser Vorschrift bestimmten Anteilssätze festzusetzen. Die Norm hindert die Gemeinden jedoch nicht daran, die Anteile des öffentlichen Interesses höher festzusetzen.

Eine Verpflichtung der Gemeinden, die Anteile des öffentlichen Interesses innerhalb des einem Satzungsgeber zustehenden ortsgesetzgeberischen Ermessens entsprechend dem Vorteil der Allgemeinheit zu bestimmen und nicht zugunsten der Beitragspflichtigen höher als diesem Vorteil entsprechend festzusetzen, besteht somit nicht. Eine solche Verpflichtung kann grundsätzlich auch nicht aus den haushaltsrechtlichen Grundsätzen der Einnahmebeschaffung des § 73 SächsGemO hergeleitet werden. Insoweit gelten die zur Erhebungspflicht von Ausbaubeiträgen entwickelten Maßstäbe. Hieraus folgt, dass die Gemeinden grundsätzlich nicht verpflichtet sind, wegen des in § 73 Abs. 2 Nr. 1 SächsGemO geregelten Vorrangs spezieller Entgelte den durch § 28 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 SächsKAG geregelten Rahmen bei der Vorteilsbemessung in möglichst vollem Umfang auszuschöpfen. Etwas anderes könnte aus den bereits oben angesprochenen Gründen nur dann gelten, wenn die Voraussetzungen für das Versagen der Genehmigung von Kreditermächtigungen im Haushaltsplan durch die Rechtsaufsichtsbehörde nach § 82 Abs. 2 SächsGemO vorliegen. Dieser Frage braucht der Senat aber hier nicht nachzugehen, da im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung als dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Beanstandungsverfügung maßgeblichen Zeitpunkt eine solche haushaltsrechtliche "Schieflage" bei der Klägerin aus den oben dargelegten Gründen nicht gegeben war.

Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass grundsätzlich der in § 73 Abs. 2 SächsGemO geregelte Vorrang der Finanzierung von kommunalen Leistungen durch spezielle Entgelte es den Gemeinden nicht versagt, den Anteil des öffentlichen Interesses unter Beachtung der zugunsten der Beitragpflichtigen geltenden Beschränkung des Anliegeranteils durch das Vorteilsprinzip frei zu wählen.

Ob, wie das Verwaltungsgericht meint, § 28 Abs. 2 Satz 1 SächsKAG durch seine Bestimmung des Mindestanteils des öffentlichen Interesses zugleich die Verkehrsanlagen in ein bei der Vorteilsbemessung zu berücksichtigendes Verhältnis zueinander gesetzt hat und die Gemeinden dieses Verhältnis bei einer von den Mindestsätzen des § 28 Abs. 2 Satz 1 SächsKAG abweichenden Regelung der öffentlichen Anteile beachten müssen, bedarf hier keiner Entscheidung. Mit der Differenzierung der Anteile des öffentlichen Interesses zwischen 90 bis 94 vom Hundert hat die Klägerin zwar nicht das möglicherweise durch § 28 Abs. 2 Satz 1 SächsKAG vorgegebene Verhältnis deckungsgleich umgesetzt. Es bewegt sich jedoch noch in einem Rahmen, der von dem in § 28 Abs. 2 Satz 1 SächsKAG geregelten Verhältnis in einem vertretbaren Umfang abweicht. Im Hinblick auf die in der Straßenausbaubeitragssatzung der Klägerin vorgenommenen Differenzierung des Anteils des öffentlichen Interesses nach den in § 28 Abs. 2 Satz 1 SächsKAG bestimmten Arten von Verkehrsanlagen, bedarf es auch nicht eines Eingehens auf die Behauptung der Klägerin, die Festsetzung eines für alle Kategorien der Verkehrsanlagen des § 28 Abs. 2 Satz 2 SächsKAG gleichen Anteils des öffentlichen Interesses wäre mit der vorgenannten Vorschrift vereinbar.

Keiner Entscheidung bedarf auch die vom Senat in der mündlichen Verhandlung aufgeworfene Frage, ob bei Verkehrsanlagen, die keine Anliegerstraßen sind, eine Differenzierung des Anteils des öffentlichen Interesses hinsichtlich der Teileinrichtungen dieser Verkehrsanlagen vorzunehmen ist. Diese Frage stellt sich in dem vorliegenden Verfahren nicht, weil der Beklagte seine Beanstandungsverfügung nicht auf eine entsprechende fehlende Differenzierung gestützt hat. Sollte der z. B. vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht (vgl. Urt. v. 6.6.2001 - 9 LA 907/01 -, zitiert nach juris) und vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (vgl. Urt. v. 16.8.2001 - 6 B 97.111 -) vertretenen Auffassung zur Notwendigkeit einer entsprechenden Differenzierung zu folgen sein, hätte dies zwar die Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Satzung zur Folge. Die Beanstandungsverfügung wäre deshalb jedoch nicht rechtmäßig, weil es sich hierbei um eine Ermessensentscheidung handelt und nichts dafür ersichtlich ist, dass der Beklagte in diesem Falle sein Ermessen im Sinne einer Beanstandung ausgeübt hätte. Die Vertreter des Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht, dass eine solchermaßen fehlende Differenzierung bislang nicht durch die Rechtsaufsicht beanstandet worden sei. Dem Senat ist auch nicht bekannt, dass andere Rechtsaufsichtsbehörden eine solche Differenzierung verlangen.

Der Berufung ist deshalb stattzugeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegen.

Beschluss vom 31. Januar 2006

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 15.000,- € festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 GKG, § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 22.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 7./8.7.2004 beschlossenen Änderungen, NVwZ 2004, 3127).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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