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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 17.11.2005
Aktenzeichen: 5 B 553/04
Rechtsgebiete: UVG, BAföG, SGB X, BSHG


Vorschriften:

UVG § 5 Abs. 1 Nr. 1
UVG § 6 Abs. 4
UVG § 7
BAföG § 47a
SGB X § 45 Abs. 2
SGB X § 50
BSHG § 90
BSHG § 91
1. § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Unterhaltsvorschussgesetzes - UVG - lässt - im Gegensatz zu § 45 Abs. 2 i.V.m. § 50 SGB X - einen einfachen Fahrlässigkeitsvorwurf genügen.

2. Die Nichtbeachtung von in Merkblättern festgehaltenen Verpflichtungen begründet grundsätzlich einen Fahrlässigkeitsvorwurf nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG.

3. Der Mitteilungsverpflichtung nach § 6 Abs. 4 UVG wird grundsätzlich nur Genüge getan, wenn die Mitteilung gegenüber der für die Unterhaltsvorschussleistung zuständigen Stelle des Jugendamtes erfolgt.

4. § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG und § 7 UVG stehen in keinem Nachrangigkeitsverhältnis zueinander.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 5 B 553/04

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Erstattung von Unterhaltsvorschuss

hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schaffarzik und den Richter am Verwaltungsgericht Büchel auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17. November 2005

am 17. November 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 30. Oktober 2003 - 2 K 843/01 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Verpflichtung zur Erstattung von Unterhaltsvorschussleistungen an die Beklagte.

Sie ist die leibliche Mutter des 1990 geborenen Kindes M. . Nach der Scheidung der Klägerin vom Kindesvater im Jahr 1995 wurde ihr das alleinige Sorgerecht übertragen. Auf ihren Antrag hin gewährte das damals noch zuständige Jugendamt beim Landratsamt des Landkreises Leipziger Land ab 1.6.1996 dem Kind M. Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz - UVG - in Höhe von 280,00 DM/Monat. Am 6.7.1997 heiratete die Klägerin wieder, ohne dass sie dies dem Jugendamt mitteilte. Die Leistungen flossen bis zum 31.1.2000 weiter. Nachdem dem nunmehr zuständigen Jugendamt der Beklagten nach einer Postrücksendung bekannt geworden war, dass die Klägerin unbekannt verzogen sei, stellte es die Zahlungen zum 1.2.2000 ein. Daraufhin meldete sich die Klägerin beim Jugendamt, woraufhin diesem der vollständige Sachverhalt bekannt wurde. Mit Bescheid vom 10.4.2000 stellte das Jugendamt deshalb die Leistungen mit Wirkung vom 1.1.1998 ein und forderte die Klägerin unter Bezugnahme auf § 5 Abs. 1 UVG zur Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von 6.629,00 DM auf. Hiergegen legte die Klägerin am 5.5.2000 Widerspruch mit der Begründung ein, dass die Beklagte sich gemäß § 7 Abs. 1 UVG zunächst an den Kindesvater hätte wenden müssen. Der Übergang des Unterhaltsanspruches finde auch statt, wenn daneben ein Ersatzanspruch gegen den alleinerziehenden Elternteil nach § 5 Abs. 1 UVG bestehe. Die Klägerin wies ferner darauf hin, dass eine Rückzahlungsverpflichtung einen Fahrlässigkeitsvorwurf von einigem Gewicht voraussetze. Im Rahmen des Namensänderungsverfahrens des Kindes beim Landratsamt sei diesem die erneute Heirat der Klägerin bekannt geworden, zumal das Jugendamt dort selbst angehört worden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.5.2001 wies das Regierungspräsidium Leipzig den Widerspruch der Klägerin zurück, weil diese ihren Mitteilungspflichten aus dem Bewilligungsbescheid nicht nachgekommen sei und sie zudem gegenüber dem Kindesvater für die Dauer seines zwischenzeitlich als Zweitausbildung aufgenommenen Studiums Unterhaltsverzicht erklärt habe. Im Hinblick auf § 7 UVG bestehe allenfalls eine Anspruchskonkurrenz; es sei gerechtfertigt, die Klägerin in Anspruch zu nehmen, da es sich bei dem Anspruch nach § 5 UVG um einen eigenständigen Schadensersatzanspruch handele und zu befürchten stehe, dass bei einer Inanspruchnahme des Kindesvaters dessen Zahlungsmoral für den laufenden Unterhalt leiden könnte. Am 28.5.2001 erhob die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Leipzig, die sie im Wesentlichen damit begründete, dass die Argumentation der Widerspruchsbehörde nicht tragfähig sei. Im Falle einer Zahlungsverpflichtung der Klägerin wachse ihr ein Regressanspruch gegen den Kindesvater zu, der dessen Zahlungsmoral ebenso beeinträchtigen könne wie ein Anspruch des Jugendamtes. Mit Urteil vom 30.10.2003 wies das Verwaltungsgericht die Klage mit der Begründung ab, dass die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 UVG vorlägen. Mit der erneuten Heirat der Klägerin seien die Unterhaltsvorschussansprüche entfallen. Gleichzeitig sei die Anzeigepflicht nach § 6 Abs. 4 UVG ausgelöst worden. Der Klägerin sei auch ein erheblicher Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen. Denn jedenfalls nachdem sie auch nach der Heirat weiterhin Unterhaltsvorschussleistungen erhalten habe, habe ihr klar sein müssen, dass das Jugendamt von der Hochzeit keine Kenntnis erhalten habe. Im Übrigen lasse sich dem Gesetz keine Rangfolge der Ansprüche aus § 5 und § 7 UVG entnehmen, so dass die Klägerin habe in Anspruch genommen werden können. Das Urteil wurde der Klägerin am 18.11.2003 zugestellt.

Auf den Antrag der Klägerin vom 18.12.2003 hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom 17.6.2004 - 5 B 915/03 - wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Hinblick auf das Verhältnis von § 5 UVG zu § 7 UVG zugelassen und der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt.

Zur Begründung der Berufung führt die Klägerin aus, es treffe zu, dass es sich bei dem in § 5 Abs. 1 UVG normierten Anspruch um einen eigenständigen öffentlich-rechtlichen Schadensersatzanspruch handele. Das Verwaltungsgericht habe jedoch verkannt, dass für den maßgeblichen Zeitraum Unterhaltsansprüche des Kindes gegen seinen leiblichen Vater bestanden hätten, die auf die Beklagte übergegangen seien. Die Zweitausbildung des Vaters stehe dem nicht entgegen. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, vor einer Inanspruchnahme der Klägerin nach § 5 Abs. 1 UVG die Ansprüche nach § 7 UVG gegenüber dem Kindesvater geltend zu machen. Denn ein Schaden entstehe der Beklagten erst, wenn die Ansprüche gegen den Kindesvater nicht durchgesetzt werden könnten. Erst dann sei Raum für einen Schadensersatzanspruch. Das Verwaltungsgericht habe nicht geprüft, ob der Kindesvater im maßgeblichen Zeitraum in der Lage gewesen sei, die Ansprüche nach § 7 UVG gegenüber der Beklagten zu befriedigen. Ein ernsthafter Versuch der Beklagten, die Gelder vom Kindesvater zu erlangen, sei nicht belegt. Ein Rückzahlungsanspruch der Beklagten gegen die Klägerin nach § 5 Abs. 1 UVG sei auch deswegen nicht gegeben, weil die Klägerin keinen als erheblich einzustufenden Sorgfaltspflichtverstoß begangen habe. Im Rahmen des Namensänderungsverfahrens des Kindes sei der Beklagten die Heirat der Klägerin bekannt geworden. Das Verschulden der Klägerin, keine weitere Mitteilung an die Beklagte gemacht zu haben, sei daher als gering einzustufen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 30.10.2003 - 2 K 843/01 - zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 10.4.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Leipzig vom 18.5.2001 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat liegen die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts - 2 K 843/01 - und die Akten des Zulassungs- und Berufungsverfahrens vor.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage zu Recht abgewiesen.

Der Bescheid der Beklagten vom 10.4.2000 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beklagten steht gegen die Klägerin ein Anspruch auf Ersatz der seit dem 1.1.1998 als Unterhaltsvorschuss an deren Sohn M. geleisteten Beträge zu. Die angefochtenen Bescheide finden in § 5 Abs. 1 UVG eine ausreichende Rechtsgrundlage (dazu unter 1.). Der Anspruch ist auch nicht nachrangig gegenüber § 7 UVG (dazu unter 2.).

1. Der Zahlungsanspruch des Beklagten ergibt sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG.

Es kann dahinstehen, ob die Fassung des § 5 UVG vom 19.1.1994 hier einschlägig ist, weil es um Sachverhalte aus den Jahren 1998 bis 2000 geht (so NdsOVG, Beschl. v. 11.11.2003 - 12 LA 400/03 -, JA 2004, 103), oder ob auf seine Neufassung vom 16.1.2001 (rückwirkend in Kraft getreten am 1.1.2000) abzustellen ist, weil der angefochtene Bescheid am 10.4.2000 erlassen wurde. Denn die Gesetzesänderung hat den Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 UVG nur insoweit erweitert, als eine Erstattung nunmehr auch in Betracht kommt, wenn die Leistungsvoraussetzungen in einem Kalendermonat nicht durchgehend gegeben sind. Diese Frage stellt sich hier jedoch nicht.

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG ist der Elternteil, bei dem der Unterhaltsvorschussberechtigte lebt, u.a. ersatzpflichtig, wenn die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung in dem Kalendermonat, für den sie gezahlt worden ist, nicht vorgelegen haben und er die Zahlung dieser Unterhaltsleistung dadurch herbeigeführt hat, dass er vorsätzlich oder fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht oder eine Anzeige nach § 6 UVG unterlassen hat. Letzteres ist hier der Fall. Denn gemäß § 6 Abs. 4 UVG ist der Elternteil, bei dem der Unterhaltsvorschussberechtigte lebt, verpflichtet, der zuständigen Stelle die Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind, unverzüglich mitzuteilen.

Die Klägerin hat der für die Bewilligung des Unterhaltsvorschusses zuständigen Stelle im Jugendamt der Beklagten nicht mitgeteilt, dass sie sich wieder verheiratet hat. Dies war jedenfalls fahrlässig. Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren geltend macht, § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG verlange einen Fahrlässigkeitsvorwurf von einigem Gewicht, folgt dem der Senat nicht. Zunächst stützt schon der Wortlaut der Norm ("vorsätzlich oder fahrlässig") die Auffassung der Klägerin nicht. Insbesondere enthält die Norm auch keine besondere Qualifizierung der Fahrlässigkeit, wie dies in anderen Normen der Fall ist. Namentlich § 45 Abs. 2 (i.V.m. § 50) SGB X, der auch auf die von der Klägerin beispielhaft angeführten Kindergeldfälle Anwendung findet, enthält ausdrücklich die Formulierung "grob fahrlässig". Hingegen entspricht die ebenfalls von der Klägerin herangezogene Regelung des § 47a des Berufsausbildungsförderungsgesetzes - BAföG - derjenigen des § 5 Abs. 1 UVG. Auch dort genügt jedoch eine einfache Fahrlässigkeit, um die Ersatzpflicht auszulösen (vgl. Ramsauer/Stallbaum/Sternal, BAföG, 4. Aufl., 2005, § 47a RdNr. 2; Reifers, in: Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., Stand: November 2005, § 47a RdNr. 6.2).

Aus der Begründung des Gesetzentwurfes (BT-Drs 8/1952) und der Beschlussempfehlung des Bundestagsausschusses (BT-Drs 8/2774) ergibt sich hierzu nichts anderes, da insoweit nur darauf verwiesen wird, dass § 5 UVG und weitere Vorschriften an "ähnliche Regelungen des Sozialleistungsrechts anknüpfen". Helmbrecht vertritt in seinem Kommentar (Unterhaltsvorschussgesetz, 5. Aufl. 2004, § 5 RdNr. 7) - wie auch Scholz in der Vorauflage - die Auffassung, dass der Begriff der Fahrlässigkeit so "auszulegen" sei wie beim Kindergeld, wo grobe Fahrlässigkeit vorliegen müsse. Es könne für den Grad des eine Ersatz- und Rückzahlungspflicht auslösenden Verschuldens bei (objektiv) zu Unrecht erfolgtem Bezug von ausschließlich kindbezogenen Sozialleistungen keine Unterschiede geben. Angesichts dessen, dass es sich bei der Formulierung "vorsätzlich und fahrlässig" um eine in unterschiedlichsten Gesetzen verwendete Klausel handelt, stellt sich schon die Frage, ob sie einer "Auslegung" überhaupt zugänglich ist. Dies gilt insbesondere, da auch die Qualifikation der "groben Fahrlässigkeit" überaus gebräuchlich ist. Auch enthält § 276 Abs. 2 BGB eine Legaldefinition der Fahrlässigkeit ("außer acht lassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt"), die gesetzesübergreifende Bedeutung hat und auch auf § 5 UVG angewendet wird (vgl. VG Stuttgart, Urt. v. 23.2.2001 - 19 K 1829/00 -, JAmt 2001, 375 [376]).

Letztlich kann aber dahinstehen, ob der Auffassung von Helmbrecht gefolgt werden kann, denn auch dieser geht davon aus, dass jede Nichtbeachtung von in einschlägigen Merkblättern festgehaltenen Verpflichtungen den Fahrlässigkeitsvorwurf nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG rechtfertigt (a.a.O., § 5 RdNrn. 7 und 9; so auch NdsOVG, Beschl. v. 11.11.2003 - 12 LA 400/03 -, JA 2004, 103; OVG NRW, Beschl. v. 22.4.1987 - 8 B 556/87 -, NJW 1988, 508 [509]). Hier hat die Klägerin trotz der ihr - unstreitig - erteilten Belehrung die notwendige Mitteilung über die Wiederheirat an die zuständige Stelle unterlassen, so dass Fahrlässigkeit i.S.v. § 5 UVG gegeben ist.

Dem steht nicht entgegen, dass das vormals zuständige Jugendamt im Rahmen des Namensänderungsverfahrens des Kindes, an dem es beteiligt war, Kenntnis von der neuerlichen Heirat der Klägerin zumindest hätte bekommen können. Denn hierdurch wurde die Klägerin nicht von ihrer Mitteilungspflicht entbunden, da es sich bei dem dort zuständigen Mitarbeiter des Jugendamtes nicht um die zuständige Stelle für den Unterhaltsvorschuss gehandelt hat. Die Bekanntgabe eines so erheblichen Umstandes wie die Wiederverheiratung in einem anderen, wenn auch dasselbe Jugendamt betreffenden Verfahren, also quasi bei Gelegenheit kann allenfalls ausnahmsweise genügen, der Mitteilungsverpflichtung aus § 6 Abs. 4 UVG zu entsprechen. In einem solchen Fall besteht dann aber eine erhöhte Sorgfaltspflicht im Hinblick darauf, dass auch die zuständige Stelle tatsächlich Kenntnis von dem Umstand erhält, also die Mitteilung an sie weitergeleitet wird. Jedenfalls nachdem die Unterhaltsvorschussleistungen an das Kind auch nach dem 1.1.1998 weiterhin erfolgten, hätte es sich der Klägerin daher aufdrängen müssen, sich diesbezüglich noch einmal direkt an die zuständige Stelle im Jugendamt zu wenden. Denn auf Grund dieser Sachlage konnte es ihr nicht zweifelhaft sein, dass dem Kind die Leistungen nach ihrer Eheschließung nicht mehr zustehen. Von einem nur geringen Fahrlässigkeitsvorwurf kann daher keine Rede sein.

2. Der von der Beklagten geltend gemachte Anspruch aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG ist auch nicht gegenüber dem gemäß § 7 UVG übergegangenen Anspruch gegen den Kindesvater nachrangig.

Zunächst ist festzuhalten, dass sich die beiden Ansprüche - aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG gegen die Klägerin sowie aus §§ 1601 ff. BGB i.V.m. § 7 UVG gegen den leiblichen Vater des Kindes - nicht ausschließen, sondern nebeneinander bestehen können. Dies folgt schon aus ihrem unterschiedlichen Charakter. Während es sich bei dem auf die Beklagte nach § 7 UVG übergegangenen Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seinen Vater weiterhin um einen zivilrechtlichen Anspruch handelt (vgl. Helmbrecht, a.a.O., § 7 RdNrn. 5 und 8), stellt § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG einen eigenständigen Schadensersatzanspruch des öffentlichen Rechts gegen denjenigen Elternteil dar, der durch die falschen oder unvollständigen Angaben gegenüber dem Jugendamt die ungerechtfertigte Vorausleistung an das Kind bewirkt hat (vgl. BayVGH, Urt. v. 24.7.2003 - 12 B 99.2155 -, FEVS 55, 138; VG Stuttgart, Urt. v. 23.2.2001 - 19 K 1829/00 -, JAmt 2001, 375 [376]; VG Karlsruhe, Urt. v. 9.10.1998 - 8 K 1047/98 -, juris RdNr. 29). Zwischen beiden Ansprüchen besteht kein Rangverhältnis. Zum einen ist der erste Anspruch zivilrechtlicher und der zweite öffentlich-rechtlicher Natur. Zudem handelt es sich bei dem zivilrechtlichen Anspruch originär um einen solchen des Kindes, dem auch die Vorausleistung nach dem UVG zugeflossen ist. Demgegenüber nimmt § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG die Klägerin als Dritte in die Pflicht. Beide Anspruchsgrundlagen befinden sich somit nicht in demselben Rechtsbezug. Einerseits ist das Dreiecksverhältnis Kind, Vater und Jugendamt und im anderen Fall das zweiseitige Verhältnis zwischen fahrlässig unterlassendem Elternteil und Jugendamt betroffen.

Die Ausführungen der Klägerin unter Bezugnahme auf Helmbrecht, der den Anspruch nach § 5 UVG erst bei Erfolglosigkeit der Durchsetzung des nach § 7 UVG übergegangenen Unterhaltsanspruches zulassen will (vgl. a.a.O., § 7 RdNr. 7), insbesondere aber der Verweis auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 18.6.1986 - Ivb ZR 43/85 -, NJW 1986, 3082) vermögen nicht zu überzeugen. In dieser Entscheidung hat der BGH ausgeführt, dass nach § 7 UVG Unterhaltsansprüche auch dann auf die Behörde übergehen, wenn sie Leistungen nach dem UVG erbracht hat, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht vorgelegen haben. Hieraus lässt sich jedoch kein Rangverhältnis zwischen § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG - zu dem sich der BGH in dieser Entscheidung gar nicht verhält - und dem gemäß § 7 UVG übergegangenen Anspruch ableiten. Da sich die Klage in dem vom BGH entschiedenen Fall gegen den Unterhaltsverpflichteten richtete, bestand für ihn auch kein Anlass, § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG in seine Prüfung mit einzubeziehen.

Auch die Anlehnung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG an die Formulierung in § 47a BAföG oder die mit § 90 und § 91 BSHG vergleichbare Regelung des § 7 UVG lässt nicht auf ein solches Rangverhältnis schließen.

§ 47a BAföG enthält eine § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG vergleichbare Regelung, wonach Eltern dem Amt für Ausbildungsförderung gegenüber schadensersatzpflichtig sind (vgl. BT-Drs 7/2098 S. 34), wenn Leistungen an den Auszubildenden erbracht wurden, obwohl sie diesem nicht zugestanden haben, und die zu Unrecht erfolgten Leistungen auf vorsätzlich oder fehlerhaft gemachte falsche oder unvollständige Angaben der Eltern zurückzuführen sind. Daneben enthält das BAföG in §§ 37 f. der Vorschrift des § 7 UVG im Wesentlichen entsprechende Übergangsvorschriften. Der Unterschied zu den Vorschriften des UVG liegt aber darin, dass die Adressaten der übergegangenen Ansprüche identisch sind mit denen des Schadensersatzanspruches, so dass es auf ein Rangverhältnis der Ansprüche gar nicht ankommt. Demzufolge lässt die dortige Gesetzeskonstruktion keine Rückschlüsse auf das Verhältnis von § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG zu § 7 UVG zu. Soweit neben den übergegangenen Ansprüchen und dem Schadensersatzanspruch auch noch Ansprüche des Amtes für Ausbildungsförderung gegen den Auszubildenden selbst - etwa aus § 20 BAföG - bestehen, ist ein Nebeneinander dieser Ansprüche aus dem BAföG in gesamtschuldnerischer Haftung anerkannt. Eine Nachrangigkeit eines der Ansprüche wird hier einhellig verneint (vgl. nur Ramsauer/Stallbaum/Sternal, BAföG, 4. Aufl., 2005, § 47a RdNr. 4; Reifers, in: Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., Stand: November 2005, § 47a RdNr. 11).

Sinn und Zweck der §§ 90 f. BSHG ist die Durchsetzung des Nachrangs der Sozialhilfe (vgl. § 2 BSHG), d.h., dass ein Sozialhilfeträger auch gegenüber Drittverpflichteten Ansprüche geltend machen kann, selbst wenn die Sozialhilfeleistung zu Unrecht erfolgt ist. Denn in diesem Fall erfolgt keine Rückabwicklung, sondern eine Inanspruchnahme Dritter. Es kommt nicht darauf an, ob die Behörde auch einen Anspruch gegen den Unterhaltsberechtigten selbst hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 4.6.1992 - 5 C 57/88 -, NJW 1992, 3313). Diese Situation unterscheidet sich jedoch von der vorliegenden dadurch, dass ein § 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG entsprechender Anspruch im BSHG nicht normiert ist.

Unter dem Gesichtspunkt einer gesamtschuldnerischen Haftung der Klägerin und des Kindesvaters spricht hier nichts dagegen, dass die Beklagte die Klägerin nach § 5 Abs. 1 UVG in Anspruch nehmen kann. Denn der gegen sie gerichtete Schadensersatzanspruch ist ohne weiteres durchsetzbar, während der gleichzeitig gegenüber dem Kindesvater bestehende Unterhaltsanspruch ungleich riskanter ist. Gegebenenfalls ist erst in einem Gerichtsverfahren zu klären, ob der Vater des Kindes nach seinen persönlichen Verhältnissen tatsächlich unterhaltspflichtig ist. Zum anderen ist mit der quasi deliktischen Inanspruchnahme der Klägerin nach § 5 UVG eine Sanktionierung ihres fehlerhaften Verhaltens verbunden.

Die Kostenentscheidung für das gemäß § 188 VwGO gerichtskostenfreie Verfahren folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Ende der Entscheidung

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