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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 26.03.2003
Aktenzeichen: 5 B 638/02
Rechtsgebiete: VwGO, VwVfG, AO, SächsKAG
Vorschriften:
VwGO § 58 | |
VwGO § 70 | |
VwVfG § 41 | |
AO § 122 | |
SächsKAG § 9 Abs. 2 | |
SächsKAG § 17 Abs. 1 | |
SächsKAG § 17 Abs. 4 |
2. Zur Nichtigkeit einer Abwasserbeitragssatzung, in deren Gebiet die Abwasserbeseitigung als eine öffentliche Einrichtung betrieben wird, wenn rund 98 % der Fläche schmutz- und niederschlagswasserentsorgt werden.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil
Az.: 5 B 638/02
In der Verwaltungsrechtssache
wegen Abwasserbeitrags
hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schaffarzik
am 26. März 2003
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 14. Mai 2002 - 2 K 539/97 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Tatbestand:
Die Beklagte wendet sich mit ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung gegen die Aufhebung ihres Beitragsbescheides durch Urteil vom 14.5.2002.
Mit Bescheid vom 20.11.1995 zog die Beklagte den Kläger als Eigentümer des Flurstücks G1 der Gemarkung O. zu einem Abwasserbeitrag i.H.v. 4.412, 25 DM heran.
Der Beitragserhebung lag die Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung - Abwasserstammsatzung (AbwS) - vom 16.12.1993 zugrunde, welche in ihrer letzten Änderungsfassung vom 21.11.1996 u.a. folgende Regelungen enthielt:
"I. Allgemeine Bestimmungen
§ 1 Öffentliche Einrichtung, Anfall des Abwassers
(1) Die Stadt betreibt die Beseitigung des in ihrem Gebiet angefallenen Abwassers als eine öffentliche Einrichtung. . . .
(2) Als angefallen gilt Abwasser, das
1. über die Grundstücksentwässerungsanlage (§ 4) in die öffentlichen Abwasseranlagen gelangt (zentrale Abwasserbeseitigung);
2. in abflußlosen Gruben oder in Absetzbecken von Versickerungsanlagen gesammelt wird (dezentrale Abwasserbeseitigung).
...
V. Beiträge, Gebühren
§ 9 Verweisung auf Beitrags- und Gebührensatzungen und Entstehen der Beitragsschuld
(1) Zur Aufbringung des Betriebskapitals der Abwasserbeseitigung erhebt die Stadt Beiträge nach der Beitragssatzung.
...
VI. Haftung, Ordnungswidrigkeiten, Übergangsbestimmungen, Inkrafttreten
...
§ 13 Inkrafttreten
(1) Diese Satzung tritt am 1. Januar 1994 in Kraft.
(2) Die in der Stadtratssitzung am 21.11.1996 beschlossenen Novellierungen treten am 1. Dezember 1996, zeitigstens jedoch am Tage nach ihrer Bekanntmachung im Radebeuler Amtsblatt in Kraft.
(3) ...
Die Satzung über die Erhebung von Abwasseranschlussbeiträgen - Abwasserbeitragssatzung (AbwBS) - vom 28.4.1995, in der Fassung vom 21.11.1996, enthielt u.a. folgende Regelungen: § 1 Erhebungsgrundsatz
(1) Die Stadt erhebt zur angemessenen Ausstattung der öffentlichen Abwasserbeseitigung auf der Grundlage der Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung - Abwassersatzung - (AbwS) vom 16.12.1993 (Radebeuler Amtsblatt Nr. 1/1994) in der Fassung der Änderung vom 21.11.1996 als Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung - Abwasserstamm-satzung - (AbwS) und der Genehmigung der Globalberechnung Abwasserbeseitigung vom 28.4.1994 in der Fassung der Ergänzungen vom 21.11.1996 einen Abwasseranschlussbeitrag.
(2) Die Höhe des Betriebskapitals wird auf 52.694.190 DM festgesetzt.
...
§ 4 Beitragsmaßstab
Maßstab für die Bemessung des Abwasserbeitrags ist die Nutzungsfläche. Diese ergibt sich durch Vervielfachung der Grundstücksfläche (§ 5) mit dem Nutzungsfaktor (§ 6).
...
§ 7 Beitragssatz
Erhoben wird ein einmaliger Beitragssatz von 4,77 DM/qm Nutzungsfläche.
§ 11 Inkrafttreten
(1) Diese Satzung tritt am 1. Juni 1995, zeitigstens jedoch mit der öffentlichen Bekanntmachung in Kraft. Mit dem Inkrafttreten tritt die Satzung vom 28.04.1994 über die öffentliche Abwasserbeseitigung - Abwasserbeitragssatzung - außer Kraft.
(2) Die in der Stadtratssitzung am 21.11.1996 beschlossene Novellierungen treten am 1. Dezember 1996, zeitigstens jedoch am Tage nach ihrer Bekanntmachung im Radebeuler Amtsblatt in Kraft.
(3) Die Neufassung ist ortsüblich bekannt zu machen."
Der Stadtrat der Beklagten beschloss am 10.8.2000 eine im Radebeuler Amtsblatt Nr. 9/2000 vom 1.9.2000 veröffentlichte Neufassung seiner Abwasserbeitragssatzung. Mit dieser Neufassung änderte die Beklagte in Ansehung der Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. SächsOVG, NK-Urt. v. 29.11.2001, SächsVBl 2002, 116 m.w.N.) ihre bisherigen Regelungen zur Grundstücksfläche (§ 5) und zum Nutzungsfaktor (§ 6). Für deren In-Kraft-Treten traf sie folgende Regelung:
"§ 11 - Inkrafttreten
Diese Satzung tritt am Tage nach ihrer Bekanntmachung im Radebeuler Amtsblatt rückwirkend zum 2. Dezember 1996 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Abwasserbeitragssatzung (AbwBS) in der Fassung vom 21.11.1996 außer Kraft."
Auf eine Mahnung der Beklagten vom 10.12.1996 teilte ihr der Kläger mit Schreiben vom 20.12.1996 mit, sich bereits mit nicht in den Akten befindlichem Schreiben vom Dezember 1995 gegen die Veranlagung gewandt zu haben, soweit es Wiese und Gartenland seines Flurstückes betreffe. Die Beklagte teilte ihm unter dem 13.1.1997 mit, den Widerspruch nicht erhalten zu haben. Der Mahnbescheid betreffe den auf die Zahlung i.H.v. 2.912,25 DM im Februar 1996 noch offenen Restbeitrag i.H.v. 1.501,- DM. Nachfolgend verwies der Kläger darauf, den Teilbetrag für den bebauten Teil seines Flurstückes gezahlt zu haben, obwohl derzeit ein Anschluss aus tatsächlichen Gründen noch nicht möglich sei.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit am 4.2.1997 zugestelltem Widerspruchsbescheid vom 30.1.1997 wegen Verfristung zurück. Auf den am 20.11.1995 zur Post gegebenen Abwasserbeitragsbescheid sei erst am 20.12.1996 ein Widerspruch bei ihr eingegangen, wodurch die einmonatige Widerspruchsfrist verfehlt worden sei.
Am 27.2.1997 erhob der Kläger Klage, mit der er die Aufhebung des Beitragsbescheides begehrte. Zur Begründung führte er aus: Ungeachtet einer bei ihm nicht mehr vorhandenen Abschrift, ergebe sich aus seinem Schreiben vom 14.1.1996 an das Regierungspräsidium Dresden, dass er gegen den Beitragsbescheid vom 20.11.1995 Widerspruch eingelegt habe. Eine Verfristung liege auch wegen fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrung nicht vor.
Der Beitragsbescheid sei formell rechtswidrig, da er weder unterzeichnet noch mit einem Namenszeichen eines Behördenleiters versehen sei. Unzulässigerweise sei er allein an den Kläger adressiert worden, er sei lediglich mit seiner Ehefrau zusammen Miteigentümer. Materiell sei der Bescheid rechtswidrig, da das starke Grundstücksgefälle keinen Anschluss des Grundstücks an die Schmutzwasserkanalisation erlaube, weshalb der Kläger weiterhin seine Klein-kläranlage betreiben müsse. Ihm komme deshalb kein gleicher Vorteil wie den an die Schmutz-wasserkanalisation angeschlossenen Grundstücken zu. Gleichwohl werde er zu einem gleich hohen Beitragssatz herangezogen. Im Übrigen werde eine ordnungsgemäße Erstellung der Globalberechnung bestritten und die Einbeziehung seiner gesamten Grundstücksfläche in Abrede gestellt.
Die Beklagte trat dem entgegen. Sie vertrat die Auffassung, selbst im Fall einer fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung sei die Jahresfrist nicht gewahrt worden. Auch diese Frist werde gegenüber dem Beitragsbescheid vom 20.11.1995 durch das klägerische Schreiben vom 20.12. 1996 verfehlt. Sein unter dem 14.1.1996 an das Regierungspräsidium gerichtetes Schreiben habe ihr nicht vorgelegen. Der Bescheid sei formell rechtmäßig. Er bedürfte wegen seiner elektronischen Erstellung keiner Unterschrift. Durch sein Verhalten habe sich der Kläger mit einem allein an ihn gerichteten Beitragsbescheid konkludent einverstanden erklärt; eine Rüge stelle nunmehr eine unzulässige Rechtsausübung dar. In der Sache sei es tatsächlich so, dass das klägerische Grundstück zwischenzeitlich an die Schmutzwasserkanalisation angeschlossen worden sei. Eine Unterhaltung der Kleinkläranlage sei überflüssig. Auch den übrigen Einwänden trat die Beklagte entgegen.
Nach Hinweis des Verwaltungsgerichts auf den Einrichtungsbegriff des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts verwies die Beklagte darauf, bis zur Satzungsänderung vom 25.11.1996 zwei unterschiedliche Beitragssätze für zwei öffentliche Einrichtungen gebildet gehabt zu haben. Für die Vollentsorgung sei ein Betrag von 4,77 DM/qm und für die Teilentsorgung ein Betrag von 3,27 DM/qm ausgewiesen gewesen. Nach Beanstandung durch die Aufsichtsbehörde sei die Satzung geändert und für eine öffentliche Einrichtung nur noch ein einheitlicher Beitrag von 4,77 DM/qm erhoben worden. Mit Stadtratsbeschluss vom 25.11.1996 sei festgelegt worden, dass für lediglich schmutzwasserentsorgte Grundstücke ein Abschlag zu gewähren sei und weiterhin lediglich ein Beitrag von 3,27 DM/qm erhoben würde.
Ergänzend führte die Beklagte mit Schriftsatz vom 17.4.2002 aus, die Abwasserbeitragssatzung in der Fassung vom 10.8.2000 mit einem einheitlichen Beitragssatz von 4,77 DM/qm begegne auch unter Berücksichtigung der neuesten Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts keinen Bedenken. Eine Differenzierung zwischen voll- und teilentsorgten Grundstücken sei nicht veranlasst, da fast flächendeckend eine Vollentsorgung geboten werde. Lediglich im Bereich von zwei Straßen der Gemeinde W. und einer Teilfläche an der N. Straße werde lediglich eine Teilentsorgung vorgehalten. Hierbei handele es sich um 15,50 ha. Bei einem Beitragsgebiet von 698,50 ha sei dies ein Anteil von 2,07 %. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts handele es sich bei diesem Prozentsatz in Ansehung der Verwaltungspraktikabilität und der Typengerechtigkeit um eine unbeachtliche Größe. Die dezentralen Abwasserbeseitigungsanlagen unterfielen nicht der Abwasserbeitragssatzung. Diese seien nach der Satzung über die Entsorgung von Kleinkläranlagen und abflusslosen Gruben nur gebühren-, nicht aber beitragspflichtig.
Mit Urteil vom 14.5.2002 hob das Verwaltungsgericht den Abwasserbeitragsbescheid der Beklagten vom 20.11.1995 in Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 30.11.1997 auf. Die Klage sei zulässig, da der angefochtene Beitragsbescheid eine unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung enthalte. Die deshalb maßgebliche Jahresfrist sei durch das klägerische Schreiben vom 20.12.1996 gewahrt, da die Beklagte keinen Nachweis erbracht habe, dass der Kläger den Bescheid vor dem 20.12.1995 erhalten habe. Ein Zeitpunkt für dessen Aufgabe zur Post sei nicht belegt, so dass es genüge, wenn der Zeitpunkt eines früheren Zugangs bestritten werde.
In der Sache sei die Klage begründet, da der Abwasserbeitragsbescheid auf fehlerhaften Satzungsbestimmungen beruhe. Die Festsetzung eines einheitlichen Beitragssatzes sei mit der Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts als unzulässig anzusehen, wenn den Grundstücken im Beitragsgebiet - wie hier - unterschiedliche Vorteile geboten würden. Dass lediglich 2,07 % der beitragspflichtigen Fläche nicht den Vorteil der Niederschlagswasserentsorgung im Prognosezeitraum geboten werden, ändere hieran nichts. Auch bei Anwendung des Grundsatzes der Typengerechtigkeit dürften nach der Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts solche Unterschiede bei der Bemessung des Beitrages nicht außer Acht bleiben, die nicht nur in Einzelfällen, sondern typischerweise innerhalb bestimmter Gruppen bestehen, auch wenn diese zahlenmäßig begrenzt seien. Vieles spreche dafür, dass die Beklagte bereits nach dieser Rechtsprechung zur Ausweisung eines gesonderten Beitrags für die teilentsorgten Flächen verpflichtet gewesen wäre. Selbst wenn es sich aber bei diesen Flächen um unbeachtliche Einzelfälle handele, könne diese Rechtsprechung nicht auf divergierende Vorteilssituationen im Beitragsgebiet übertragen werden. Sie betreffe die Frage, inwieweit es zulässig ist, die Mehrheit der Beitragspflichtigen zu Beiträgen für erhöhte Vorteile heranzuziehen, die einer Minderheit zukommen, ohne dass diese dafür entsprechend höher veranlagt würden. Die Unbeachtlichkeit beruhe hier auf dem Gedanken der Solidarität. Bezogen auf die Minderheit derjenigen Beitragspflichtigen, denen im Beitragsgebiet der Beklagten lediglich der Vorteil Schmutzwasserentsorgung vermittelt werde, verhalte es sich jedoch gerade entgegengesetzt. Hier habe der Einzelne die Lasten für erhöhte Vorteile zu tragen, die nicht ihm, sondern der Mehrheit verschafft würden. Auch die angeführte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beziehe sich auf die "umgekehrte" Situation, dass im Fall einer reinen Gebührenfinanzierung eine Minderheit von Eigentümern unbebauter Grundstücke mangels Gebührenpflicht nicht zu den Lasten der Einrichtung herangezogen würde. Letztlich würde die Einführung einer Unbeachtlichkeitsklausel zu einer Repauschalisierung des Vorteilsbegriffs führen, die mit der Auslegung des Vorteilsbegriffs durch das Sächsische Oberverwaltungsgericht unvereinbar sei.
Auf die Zustellung des Urteils am 26.6.2002 hat die Beklagte am 22.7.2002 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Diese begründete sie am 22.8.2002 wie folgt:
Die Klage sei unzulässig. Der Beitragsbescheid sei am 20.11.1995 zur Post gegeben worden. In seiner Klagschrift habe der Kläger ausgeführt, den Bescheid am 25.11.1995 erhalten zu haben. Allein dass der Kläger sodann bestritten habe, den Bescheid vor dem 20.12.1995 erhalten zu haben, genüge nicht, um Zweifel im Sinn der Zugangsfiktion des § 41 Abs. 2 VwVfG zu begründen.
Materiell gehe sie davon aus, für ihre einheitliche Aufgabe der Abwasserbeseitigung einheitliche Beiträge nach einem einheitlichen Maßstab erheben zu müssen. Die Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts zur Bildung mehrerer Einrichtungen sei hier nicht einschlägig, da ihr vollkommen andere Sachverhalte zugrunde gelegen hätten. Hinsichtlich der lediglich schmutzwasserentsorgten Grundstücke gehe sie davon aus, dass die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelte Unbeachtlichkeitsgrenze in Ansatz zu bringen sei. Demzufolge müsse bei einer Abweichung von 2,07 % lediglich teilentsorgter Grundstücke ihre Einbeziehung nach dem Grundsatz der Typengerechtigkeit in die eine öffentliche Einrichtung zulässig sein. Hierfür spreche auch § 18 Abs. 2 SächsKAG, der eine Fortschreibung der Globalberechnung bei einer Änderung von 5 % vorsehe. Diese Grenze lasse das dem Satzungsgeber eingeräumte Ermessen erkennen, wie auch die bewusste Inkaufnahme von Ungenauigkeiten auf der Flächenseite. Auch das Sächsische Oberverwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 21.10.1999 ausgeführt, dass der Grundsatz der Typengerechtigkeit es gestatte, bei der Gestaltung des Beitragsmaßstabes an die Regelfälle im Geltungsbereich einer Satzung anzuknüpfen und dabei die Besonderheiten von Einzelfällen außer Betracht zu lassen. Bei den teilentsorgten Grundstücken handele es sich um Einzelfälle.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 14. Mai 2002 - 2 K 539/97 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Schriftsätzlich hat er sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.
Dem Senat liegen ein Ordner und eine Heftung zu den Satzungsverfahren der Beklagten und eine Heftung zur vorliegenden Beitragserhebung vor, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Auf diese und die gewechselten Schriftsätze wird für die näheren Einzelheiten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - vom Verwaltungsgericht zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung ist ohne Erfolg. Mit seinem Urteil vom 14.5.2002 hat das Verwaltungsgericht Dresden zu Recht den streitgegenständlichen Abwasserbeitragsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben, da dieser rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Mit dem Verwaltungsgericht ist der Senat der Überzeugung, dass es dem Abwasserbeitragsbescheid an einer wirksamen satzungsrechtlichen Grundlage fehlt.
1. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht als zulässig angesehen. Der Kläger hat rechtzeitig gegen den Abwasserbeitragsbescheid vom 20.11.1995 Widerspruch eingelegt.
a) Gemäß § 58 Abs. 2 VwGO war die Einlegung des Widerspruchs binnen eines Jahres ab Bekanntgabe des Beitragsbescheides zulässig. Die ihm beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung war im Sinne von § 58 Abs. 1 VwGO fehlerhaft. Hiervon ist stets für den Fall auszugehen, dass sie nicht die in § 58 Abs. 1 VwGO zwingend vorgesehenen Mindestangaben enthält oder wenn diesen Angaben ein irreführender oder unzutreffender Zusatz beigefügt ist, der sich generell eignet, die Einlegung des Rechtsbehelfs zu erschweren (BVerwG, Urt. v. 27.4.1990, NJW 1991, 508; SächsOVG, Beschl. v. 26.11.2002 - 3 BS 136/02).
Die Fehlerhaftigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung beruht hier schon auf dem Umstand, dass sie darauf belehrt, dass der Widerspruch u.a. beim Regierungspräsidium eingelegt werden könne. Gemäß § 70 Abs. 1 Satz 2 VwGO wäre dies nur zutreffend, wenn das Regierungspräsidium den Widerspruchsbescheid zu erlassen gehabt hätte. Hieran fehlte es hingegen. Bei der Erhebung von Abwasserbeiträgen handelt es sich um eine Selbstverwaltungsangelegenheit (vgl. §§ 4 Abs. 1, 14 Abs. 1 Sächsische Gemeindeordnung - SächsGemO -, §§ 1 Abs. 1, 17 Abs. 1 SächsKAG). In solchen Angelegenheiten erlässt die Ausgangsbehörde den Widerspruchsbescheid, sofern nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist (§ 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO). Für Selbstverwaltungsangelegenheiten war jedoch weder durch § 17 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Ausführung von Verfahrensgesetzen (Sächsisches Verfahrensausführungsgesetz - SächsVerfAG) vom 24.5.1994 (SächsGVBl. S. 1013) noch durch § 21 Abs. 1 Satz 1 Sächsisches Gesetz zur Ausführung verfahrensrechtlicher und grundstücksrechtlicher Vorschriften im Geschäftsbereich des Staatsministeriums der Justiz (Justizausführungsgesetz - JustAG) vom 12.12.1997 (SächsGVBl. S. 638) eine Zuständigkeit der Regierungspräsidien zum Erlass von Widerspruchsbescheiden in Selbstverwaltungsangelegenheiten der Gemeinden begründet worden. Vielmehr wird in beiden Regelungen jeweils das Landratsamt zum Erlass von Widerspruchsbescheiden in den Fällen für zuständig erklärt, in denen sich der Widerspruch gegen einen in einer Selbstverwaltungsangelegenheit erlassenen Bescheid einer Gemeinde richtet, die der Rechtsaufsicht des Landratsamtes unterliegt. Die fehlerhafte Erwähnung des Regierungspräsidiums in der Rechtsbehelfsbelehrung des angefochtenen Bescheids beruhte möglicherweise auf dem Umstand, dass es gemäß § 112 Abs. 1 Satz 1 SächsGemO in der bis zum Gesetz zur Änderung von Rechtsvorschriften über Große Kreisstädte vom 20.2.1997 (SächsGVBl. S. 105) geltenden Fassung Rechtsaufsichtsbehörde u.a. für Große Kreisstädte - wie die Beklagte - war.
Fehlerhaft ist die Rechtsbehelfsbelehrung zudem, da sie auf die Möglichkeit des Widerspruchs binnen eines Monats "vom Tage der Zustellung an gerechnet" belehrt. Die Fehlerhaftigkeit ergibt sich aus dem Umstand, dass die Frist zur Einlegung des Widerspruchs mit der Bekanntgabe beginnt (vgl. § 57 VwGO), da für Abwasserbeitragsbescheide eine Zustellung als formalisierte Art der Bekanntgabe - anders als bei dem zu ihm ergehenden Widerspruchsbescheid (vgl. § 73 Abs. 3 Satz 1 VwGO) -, nicht vorgeschrieben ist. Da der Bescheid hier auch tatsächlich nicht zugestellt wurde, war dieser Fehler zudem konkret geeignet, einen Irrtum über den Beginn des Fristenlaufs zu begründen. Im Übrigen wird im Fall der Zustellung der Tag der Zustellung für die Berechnung des Fristenlaufs - entgegen dem durch die Belehrung erzeugten Anschein - nicht mitgezählt (vgl. § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Zivilprozessordnung - ZPO -, §§ 188 Satz 2, 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB).
b) Für den anzunehmenden Zeitpunkt der Bekanntgabe kann sich die Beklagte nicht auf § 41 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - berufen. Dies schon deshalb, weil der Zeitpunkt der Bekanntgabe hier gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 b) SächsKAG auf Grundlage des § 122 Abgabenordnung - AO - zu bestimmen ist. Nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, bei einer Übermittlung im Geltungsbereich dieses Gesetzes am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.
Bei der Bestimmung, dass ein schriftlicher Verwaltungsakt am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben gilt, handelt es sich um eine gesetzliche Fiktion des Zeitpunkts der Bekanntgabe (für § 4 Abs. 1 Verwaltungszustellungsgesetz - VwZG -: BVerwG, Urt. v. 23.7.1965, BVerwGE 22, 11 [12f.]). Der Gesetzgeber ist im Hinblick auf diese Fiktion von der allgemeinen Lebenserfahrung ausgegangen, dass innerhalb einer Frist von drei Tagen nach der Aufgabe zur Post ein einfacher Brief dem Empfänger regelmäßig zugegangen sein wird. Auf diese Fiktion kann sich die Beklagte hingegen nicht berufen, da es an einem feststellbaren Zeitpunkt für die Aufgabe des Abwasserbeitragsbescheides zur Post fehlt. Ein Anscheinsbeweis oder allgemeiner Erfahrungssatz, dass ein Bescheid am Tag seiner Herstellung bzw. seiner Datierung auch zur Post gegeben wird, besteht nicht (vgl. Brockmeyer, in: Klein, Abgabenordnung, 6. Aufl., § 122 Ziff. 4. a) m.w.N. und für die Parallelvorschrift des VwVfG: Kopp/ Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 41 RdNr. 54). Ein Beleg über den Zeitpunkt der Aufgabe zur Post lässt sich weder der Verwaltungsakte noch einem Postausgangsbuch der Beklagten entnehmen.
Der Kläger war deshalb nicht gehalten, den Zeitpunkt des Zugangs aufgrund einer anzunehmenden Zugangsfiktion über ein bloßes Bestreiten hinaus in einer Art Gegenbeweis zu entkräften (vgl. SächsOVG, Urt. v. 7.2.2002 - 5 B 445/99). Der Beklagten kann auch nicht bezüglich ihrer Behauptung gefolgt werden, der Kläger habe in seiner Klageschrift einen Zugang des Abwasserbeitragsbescheides am 25.11.1995 zugegeben. Bei diesem im Rahmen eines Beweisangebotes genannten Datum handelt es sich offenkundig um einen Schreibfehler. Tatsächlich ist der 20.11.1995 gemeint und bezeichnet lediglich das Datum des angefochtenen Bescheides.
Es genügt deshalb die schlichte Behauptung des Klägers, den Bescheid erst im Verlaufe des Dezember 1995 erhalten zu haben, so dass jedenfalls sein als Widerspruch aufzufassendes Schreiben vom 20.12.1996 die einjährige Widerspruchsfrist wahrte. Im Übrigen spricht nach Auffassung des Senats auch einiges für die Annahme, dass sein bereits unter dem 14.1.1996 an das - nach der Rechtsbehelfsbelehrung als für einen Widerspruch zuständig bezeichnete - Regierungspräsidium als Widerspruchsschreiben auszulegen ist und auch aufgrund dieses Umstandes die einjährige Widerspruchsfrist gewahrt wurde.
2. Die hiernach zulässige Klage hat das Verwaltungsgericht zutreffend als begründet angesehen. Die mit der Berufung vorgetragenen Gesichtspunkte rechtfertigen keine andere Sichtweise, da es auch nach Auffassung des Senats an einer ordnungsgemäßen Satzungsgrundlage für den angefochtenen Beitragsbescheid fehlt. Fehlt es an einer satzungsrechtlichen Grundlage, kann der Erfolg des Rechtsschutzbegehrens des Betroffenen entgegen der Auffassung der Beklagten nicht aus der Erwägung heraus, der zur Nichtigkeit der Satzungsregelung führende Mangel verletzte ihn als solcher nicht in seinen Rechten, versagt werden.
Als Rechtsgrundlage für den Abwasserbeitragsbescheid vom 23.5.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.5.1997 kommt zunächst die vom Stadtrat der Beklagten in seiner Sitzung vom 10.8.2000 beschlossene Satzung über die Erhebung von Abwasseranschlussbeiträgen - Abwasserbeitragssatzung (AbwBS) - in Betracht. Gemäß ihrem § 11 tritt sie am Tage nach ihrer am 1.9.2000 im Amtsblatt der Beklagten erfolgten öffentlichen Bekanntmachung mit Rückwirkung zum 2.12.1996 in Kraft und die Abwasserbeitragssatzung vom 21.11.1996 außer Kraft.
Diese Satzung stellt hingegen keine wirksame Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung dar. Sie beruht nach ihrem § 1 Abs. 1 u.a. auf § 1 Abs. 1 Satz 1 der Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung - Abwasserstammsatzung - (AbwS) vom 16.12.1996 in der Fassung vom 21.11.1996. Hiernach betreibt die Beklagte die Beseitigung des in ihrem Gebiet angefallenen Abwassers als eine öffentliche Einrichtung, obwohl sie den beitragspflichtigen Grundstücken in ihrem Satzungsgebiet unterschiedliche Vorteile vermittelt, ohne dass es hinreichende Gründe für eine Unbeachtlichkeit dieses Mangels gibt. Infolgedessen ist auch die Abwasserbeitragssatzung fehlerhaft, da sie ungeachtet der Vermittlung von unterschiedlichen Vorteilen in ihrem § 7 die Erhebung eines einheitlichen Beitragssatzes vorsieht.
a) Die von der Beklagten getroffene Regelung, die Beseitigung des Abwassers - mithin des Schmutz- und Niederschlagswassers (vgl. § 62 Abs. 1 Satz 1 Sächsisches Wassergesetz - SächsWG) - als eine öffentliche Einrichtung zu betreiben (§ 1 Abs. 1 AbwS), ist rechtswidrig. Denn die Beklagte nimmt die Aufgabe der Abwasserbeseitigung in ihrem Satzungsgebiet in unterschiedlichem Umfang wahr, indem sie einen Teil der Grundstücke schmutz- und niederschlagswasserentsorgt und einen anderen Teil der Grundstücke nur schmutzwasserentsorgt. Mit der Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 1 AbwS verstößt die Abwassersatzung der Beklagten deshalb gegen § 17 Abs. 1 und 4 und § 9 Abs. 2 Satz 1 Sächsisches Kommunalabgabengesetz - SächsKAG -.
Mit Urteil vom 8.8.2002 (5 D 47/01) hat der Senat ausgeführt, dass er auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.4.2002 (SächsVBl 2002, 213) an seiner Rechtsprechung zum Einrichtungsbegriff festhält (vgl. NK-Urt. v. 22.2.2001 - 5 D 720/98, SächsVBl 2001, 186 = NVwZ-RR 2002, 367; NK-Urt. v. 3.4.2001 - 5 D 665/99, SächsVBl 2001, 189). Aus dieser folgt, dass der Satzungsgeber unterschiedliche öffentliche Einrichtungen der Abwasserbeseitigung bilden muss, wenn er im Satzungsgebiet in unterschiedlichem Umfang die Abwasserbeseitigung wahrnimmt.
Dementsprechend hätte die Beklagte hier unterschiedliche Einrichtungen bilden müssen, da sie in einem Teil ihres Satzungsgebiets den Grundstücken den Vorteil der Schmutz- und Niederschlagswasserentsorgung bietet und in einem anderen Teil lediglich den Vorteil der Schmutzwasserentsorgung. Sie hat es hingegen bei einer öffentlichen Einrichtung mit einem einheitlichen Betriebskapital und Beitragssatz belassen, was zur Fehlerhaftigkeit der Satzungen führt.
b) Dieser Mangel ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht unerheblich. Sie kann nicht mit Erfolg darauf verweisen, ihr Beitragsgebiet umfasse eine Fläche von 698,50 ha, innerhalb dessen lediglich gegenüber einer Fläche von 15,50 ha ein auf die Schmutzwasserentsorgung beschränkter Vorteil geboten werde. Dies entspricht 2,23 % - und nicht wie vorgetragen 2,07 % - der in Rede stehenden Fläche. Der von der Beklagten für ihre Auffassung angeführten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.9.1981 (8 C 48/81, NVwZ 1982, 622 = DVBl 1982, 76 = DÖV 1982, 154) lässt sich keine Rechtfertigung für einen einheitlichen Beitragssatz für den hier vorliegenden Fall entnehmen, dass lediglich für 2,23 % der beitragsfähigen Fläche ein auf die Schmutzwasserbeseitigung beschränkter Vorteil geboten wird.
Der vorgenannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts lag die Situation zugrunde, dass der Satzungsgeber von einer Beitragserhebung für eine Abwasseranlage abgesehen hatte und eine Refinanzierung allein über Gebühren vollzog. Dies hatte zur Folge, dass beitragspflichtige - weil bebaubare - Grundstücke gebührenfrei blieben, da sie mangels vorhandener Bebauung keiner Gebührenpflicht unterlagen, obwohl auch sie von der Herstellung der Abwasseranlage Vorteile erfuhren. Eine derartige Ungleichbehandlung sah das Bundesverwaltungsgericht nach den Grundsätzen der Verwaltungspraktikabilität und der Typengerechtigkeit solange als sachlich gerechtfertigt an, wie der Anteil der nicht angeschlossenen unbebauten, aber bebaubaren Grundstücke an den Grundstücken, die einen abgabenrechtlichen Vorteil von der Abwasseranlage erführen, nicht mehr als 20 % betrage. Dies begründete es mit dem Umstand, dass in dem entschiedenen Fall der Grenzwert von 20 % zu einer im Rahmen des Grundsatzes der Typengerechtigkeit zu tragenden Gebührenmehrbelastung von 10 % geführt hätte. Eine Überschreitung der 20 % Grenze sah es ausnahmsweise für gerechtfertigt an, wenn dies zu keiner den Wert von 10 % übersteigenden Gebührenmehrbelastung führe.
Hiervon ausgehend kommt die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität und der Typengerechtigkeit bei einem - wie hier - 20 % nicht übersteigenden Flächenanteil in Betracht, sofern die durch sie bewirkte (Gebühren-) Mehrbelastung sich im Bereich von 10 % bewegt. So hat auch der Senat in seinem Urteil vom 8.8.2001 (aaO) ungeachtet einer fehlerhaft unterlassenen Bildung mehrerer Einrichtungen eine Gebührenmehrbelastung als unbeachtlich - weil geringfügig - angesehen, wenn und weil ihr Anteil an den gesamten Kosten der Entwässerung nicht mehr als 12 vom Hundert betrug. Liegt hingegen die festzustellende Mehrbelastung oberhalb dieser Grenzwerte, ist auch nach Auffassung der angeführten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.9.1981 (aaO) - ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG - festzustellen, da insoweit eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung durch die Gesichtspunkte der Verwaltungspraktikabilität und Typengerechtigkeit nicht mehr möglich ist. Hier findet auch der von der Beklagten - dem Grunde nach zu Recht - für sich in Anspruch genommene weite - normgeberische - Ermessensspielraum seine Grenze (vgl. SächsOVG, Urt. v. 8.8.2002, aaO).
Hier ist festzustellen, dass die mangelnde Beachtung des Gleichheitssatzes in Gestalt seines Verbots zur Gleichbehandlung von im Wesentlichen Ungleichem zu einer erheblichen und ein Vielfaches des vorgenannten Betrages von etwa 10 % betragenden Gebührenmehrbelastung der lediglich teilentsorgten Beitragsschuldner führt. Hierfür sprechen zunächst die von der Beklagten selbst getroffenen Kalkulationen zu den Beiträgen bei voll- und teilentsorgten Grundstücken. Gemäß der Ratsvorlage SR 104/95- 94/99 - ausgefertigt am 22.5.1995 - belief sich bis dahin der Beitragssatz auf 9,54 DM/qm für vollentsorgte und auf 6,54 DM/qm für teilentsorgte Grundstücke. Die Beitragssteigerung für die Verschaffung des Vorteils der Niederschlagswasserentsorgung belief sich damit auf 46 %. Die sodann ausweislich dieser Ratsvorlage beabsichtigte Neufassung der Beitragssätze - welche eine beabsichtigte Halbierung des festgesetzten Betriebskapitals zum Hintergrund hatte - sollte den Betrag für vollentsorgte Grundstücke auf 4,77 DM/qm und auf 3,27 DM/qm für teilentsorgte Grundstücke festsetzen. Auch dies entspricht einer Beitragssteigerung von 46 % für die Verschaffung des Vorteils der Niederschlagswasserentsorgung.
Die in der mündlichen Verhandlung von der Beklagten vorgetragene Behauptung, diese Beträge bildeten keine reale Kostenstruktur ab, ist von ihr weder belegt worden, noch ist sie anhand der vorgelegten Verwaltungsvorgänge nachvollziehbar. Die - auch heute noch maßgebliche - Globalberechnung 1994 spricht vielmehr dafür, dass die vorgenannten Beitragsunterschiede einer realen Kostenstruktur entsprechen. Insbesondere spricht nichts für die Annahme, die Verschaffung des Vorteils der Niederschlagswasserentsorgung könnte lediglich zu einer Beitragssteigerung im Bereich von 10 % führen. Bei der Berechnung des höchstzulässigen Beitragssatzes weist diese Globalberechnung für den Fall der Verschaffung einer Anschlussmöglichkeit an die Niederschlagswasserentsorgung einen zum Schmutzwasserbeitrag von 4,90 DM/qm hinzutretenden Beitrag von 3,01 DM/qm im Fall der Anwendung des Nutzungsflächenmaßstabes bzw. von 6,67 DM/qm gegenüber zusätzlichen 4,01 DM/qm bei Anwendung eines Geschossflächenmaßstabes. Hier bewegt sich die hinzutretende Steigerung des Beitrages durch die Verschaffung des Vorteils der Niederschlagswasserentwässerung im Bereich einer Beitragssteigerung von 60 % gegenüber dem Beitrag im Fall einer reinen Schmutzwasserentsorgung. Durch die im Weiteren noch ausgewiesene "Rate Kläranlage" i.H.v. 0,66 DM/qm bzw. 0,90 DM/qm und einer "Rate Sammler, Becken, Sonderbauwerke" von 0,97 DM/qm bzw. 1,32 DM/qm verändert sich das Gefüge der Beitragssätze nur unwesentlich. Auch bei ihrer Berücksichtigung ist es ausgeschlossen, von einer sich lediglich im Bereich von 10 % befindlichen Beitragssteigerung auszugehen.
Die aufgrund der unterlassenen Bildung mehrerer Einrichtungen und Beitragssätze bedingte Gleichbehandlung wesentlich ungleicher Sachverhalte überschreitet damit die maßgebliche Quantitätsgrenze deutlich. Eine Rechtfertigung dieses Mangels aus den Grundsätzen der Verwaltungspraktikabilität wie auch der Typengerechtigkeit ist damit ausgeschlossen.
Über den erörterten Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität hinaus ist der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat für ihre Vorgehensweise herangezogene Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht geeignet, einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz zu rechtfertigen. Bei ihm handelt es sich um einen aus den Einzelgrundrechten, dem Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz - GG - und dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Grundsatz (vgl. nur: Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 9. Aufl., 1994, § 4 RdNr. 28), welcher die Befugnisse eines Trägers hoheitlicher Gewalt limitiert und ungeeignet ist, diese zu erweitern. Die Beklagte war deshalb verpflichtet, unterschiedliche Einrichtungen zu bilden und Beiträge nach unterschiedlichen Sätzen zu erheben.
Die Abwasserbeitragssatzung vom 10.8.2000 ist infolgedessen nicht geeignet, für den angefochtenen Bescheid eine hinreichende Rechtsgrundlage zu bilden.
3. Ein Rückgriff auf die Abwasserbeitragssatzung vom 28.4.1995 in der Fassung vom 21.11.1996 ergibt nichts anderes. Denn auch in ihr ist in § 7 ein einheitlicher Beitragssatz vorgesehen. Zudem bezieht sich auch diese Satzung auf § 1 Abs. 1 Satz 1 AbwS, der lediglich die Bildung einer öffentlichen Einrichtung zur Erfüllung der Aufgabe der Abwasserbeseitigung vorsieht. Infolgedessen kann auch die Ausgangsfassung der Beitragssatzung vom 28.4.1995 ungeachtet unterschiedlicher Beitragssätze keine hinreichende Rechtsgrundlage bilden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
Beschluss Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.255,94 € festgesetzt.
Gründe
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 25 Abs. 1, 13 Abs. 2 Gerichtskostengesetz - GKG -. Sie entspricht der Höhe des mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzten Abwasserbeitrags in Euro.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
Ende der Entscheidung
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