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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 15.08.2006
Aktenzeichen: 5 B 736/04
Rechtsgebiete: BAföG, EStG
Vorschriften:
BAföG § 21 | |
EStG § 2 | |
EStG § 15 |
2. Zu den positiven Einkünften zählen auch Gewinnanteile an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bei der der Auszubildende als Mitunternehmer anzusehen ist.
3. Mitunternehmerschaft liegt vor, wenn eine Beteiligung an Gewinn und Verlust der Gesellschaft gegeben ist. Eine laufende Gewinnauszahlung ist nicht erforderlich.
4. Ein Abzug von Verlusten der Gesellschaft aus vorangegangenen Veranlagungszeiträumen ist nach § 21 BAföG nicht zulässig.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss
Az.: 5 B 736/04
In der Verwaltungsrechtssache
wegen Rückforderung von Leistungen nach dem BAföG
hier: Antrag auf Zulassung der Berufung
hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schaffarzik und den Richter am Verwaltungsgericht Büchel
am 15. August 2006
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 10. Juni 2004 - 2 K 760/03 - zuzulassen, wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens. Der Gegenstandswert für das Zulassungsverfahren wird auf 25.496,07 € festgesetzt.
Gründe:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 10.6.2004 kann keinen Erfolg haben. Der Kläger hat nicht gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - dargelegt, dass ein Zulassungsgrund im Sinne von § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Teilrückforderung der dem Kläger gewährten Ausbildungsförderung rechtmäßig erfolgt sei. Ermächtigungsgrundlage für die angefochtenen Bescheide sei § 20Abs. 1 Nr. 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes - BAföG -. Denn der Kläger habe im maßgeblichen Zeitraum Einkommen im Sinne von § 21 BAföG erzielt, welches bei der ursprünglichen Bewilligung von Ausbildungsförderung nicht berücksichtigt worden sei. Als Einkommen gelte die Summe der positiven Einkünfte nach § 2 Abs. 1 des Einkommenssteuergesetzes - EStG -. Hierzu zählten auch die Einkünfte des Klägers aus der Gesellschaft bürgerlichen Rechts - GbR -, selbst wenn diese aus der Gesellschaft nicht hätten entnommen werden können. Dies unterscheide eine Personengesellschaft von einer Kapitalgesellschaft. Auch eine Anrechnung von Verlusten über § 10d EStG scheide aus. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht auf die Begründung der angefochtenen Bescheide und des Widerspruchsbescheides verwiesen, aus denen sich unter anderem ergibt, dass sich die Behörde an die Festsetzungen der Steuerbescheide gebunden gesehen habe.
Dem hält der Kläger mit seiner Beschwerde entgegen, dass er kein Einkommen nach § 21 BAföG erzielt habe. Sein steuerlich ausgewiesener Gewinnanteil an der GbR nach § 15 Abs. 2 EStG stelle einen Vermögensanspruch gegen die GbR dar, der als Vermögen nach §§ 26 ff. BAföG anzurechnen sei. Sein Wert bestimme sich nach dem Zeitwert, der jeweils unter dem gesetzlichen Mindestbedarf gelegen habe. Die Bewertung dieses Anspruches als Einkommen verstoße gegen § 1 BAföG. Zwar erfolge eine Versteuerung des auf die jeweiligen Gesellschafter entfallenden Gesellschaftsgewinns nach § 15 EStG, doch geschehe dies nur deshalb, weil die GbR, anders als Kapitalgesellschaften, nicht körperschaftssteuerpflichtig sei. Eine Bindung an die Festsetzungen der Steuerbescheide sei hier irrelevant, da eine solche sich nicht auf den Begriff des Einkommens und des Förderungsrechts beziehen könne.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Zulassung der Berufung zu rechtfertigen. Denn das Darlegungserfordernis aus § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO verlangt nicht nur, dass der Antragsteller des Zulassungsverfahrens zum einen zumindest einen Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 VwGO bezeichnet, sondern auch, dass er herausarbeitet, aus welchen Gründen die Voraussetzungen des bezeichneten Zulassungsgrundes erfüllt sein sollen. Das Oberverwaltungsgericht ist bei seiner Entscheidung über die Zulassung der Berufung darauf beschränkt, das Vorliegen der von dem Antragsteller bezeichneten Zulassungsgründe anhand der von ihm vorgetragenen Gesichtspunkte zu prüfen.
Der Kläger hat zwar keinen Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ausdrücklich bezeichnet. Aus der Begründung seines Antrags ergibt sich jedoch, dass er ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils und damit den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr.1 VwGO geltend macht. Er hat jedoch keine Gründe herausgearbeitet, aus denen sich das Vorliegen der Voraussetzungen dieses Zulassungsgrundes ergibt. Hingegen ist der fristgerecht vorgelegten Antragsbegründung nicht zu entnehmen, dass der Kläger sein Begehren auch auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO bzw. besonderen rechtlichen Schwierigkeiten nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO stützt. Soweit er sich darauf erstmals in seinem Schreiben vom 6.10.2004 bezieht, hat er die Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht gewahrt, so dass der Senat diesen Vortrag nicht berücksichtigen darf.
Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel in § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO dient der Gewährleistung der materiellen Richtigkeit der Entscheidung des jeweiligen Einzelfalls, sprich der Verwirklichung von Einzelfallgerechtigkeit. Er soll eine berufungsgerichtliche Nachprüfung des Urteils des Verwaltungsgerichts erst ermöglichen, wenn sich aus der Begründung des Zulassungsantrages ergibt, dass hierzu wegen des vom Verwaltungsgericht gefundenen Ergebnisses Veranlassung besteht. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne sind deshalb anzunehmen, wenn der Antragsteller des Zulassungsverfahrens tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage stellt, dass der Ausgang des Berufungsverfahrens als ungewiss erscheint (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1164). Die Gründe, aus denen heraus bei einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Entscheidung bestehen, können auch aus einer unzureichenden Ermittlung und Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts resultieren (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1164; SächsOVG, Beschl. v. 25.9.2000 - 3 BS 72/00 -, NVwZ-RR 2001, 486).
Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist vom Kläger nicht dargelegt worden. Der Kläger wiederholt im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren. Der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass die in den Einkommenssteuerbescheiden dem Kläger als Einkommen zugerechten Einnahmen aus Gewerbebetrieb auch nach § 21 BAföG zu berücksichtigen seien, hat der Kläger nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in einer Weise in Frage gestellt, dass der Ausgang des Berufungsverfahrens als offen erscheint. Denn das Verwaltungsgericht hat die steuerrechtlich als Einkünfte des Klägers aus Gewerbetrieb gemäß § 15 EStG qualifizierten Gewinne aus der GbR zutreffend als Einkommen und nicht als Vermögen gewertet.
Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 BAföG gilt für die ausbildungsförderungsrechtliche Einkommensanrechnung der Einkommensbegriff des § 2 Abs. 1 und 2 EStG, somit die Summe der positiven Einkünfte. Diese werden durch die Einkommenssteuerbescheide rechtlich bindend festgestellt (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 15.9.1986 - 1 BvR 363/86 -, FamRZ 1987, 901; BVerwGE, Urt. v. 10.5.1990 - 5 C 55/85 -, BVerwGE 85, 124 [127]; Urt. v. 12.5.1993 - 11 C 9/92 -, BVerwGE 92, 272 [276]). In den Steuerbescheiden sind deshalb ggf. auch einzelne positive Einkünfte in voller Höhe ausgewiesen, obwohl sie zur Hälfte steuerfrei gestellt sind (vgl. § 2 Abs. 5a EStG). Für die Einkommensermittlung nach § 21 Abs. 1 BAföG ist dann an die differenzierten Feststellungen in den Einkommenssteuerbescheiden anzuknüpfen (vgl. Ramsauer/Stallbaum/Sternal, BAföG, 4. Auflage 2005, § 21 RdNr 2, § 24 RdNr 4). Die in den Einkommenssteuerbescheiden des Klägers festgestellten positiven Einkünfte umfassen auch seine Einkünfte aus der GbR nach § 15 Abs. 1 EStG. Abgesehen davon, dass der Beklagte an diese Feststellungen wie dargelegt gebunden ist, stellen diese auch tatsächlich zu berücksichtigendes Einkommen und nicht Vermögen dar. Denn entgegen der vom Antragsteller vertretenen Rechtsauffassung fingiert § 15 Abs. 1 EStG nicht den Gewinnanteil als Einkommen, sondern regelt abschließend, was zu den Einkünften aus dem Gewerbebetrieb gehört. Er grenzt diese Einkünfte zudem von Vermögensmehrungen ab. Zu den Einkünften zählen danach auch die Gewinnanteile der Gesellschafter einer anderen Gesellschaft, bei der der (steuerpflichtige) Gesellschafter als Unternehmer anzusehen ist. Hierzu zählt auch die GbR. Abgesehen davon, dass die Einkommenssteuerbescheide dem Kläger eine Mitunternehmerschaft an der GbR zuschreiben, liegt diese auch tatsächlich vor. Denn selbst wenn der Kläger an der Unternehmensführung nicht beteiligt gewesen ist, ist seine Mitunternehmerschaft schon deswegen zu bejahen, da er nach eigenem Vortrag an Gewinn und Verlust der GbR teilgenommen hat und im Falle ihrer Auflösung auch einen Anteil an den Wertsteigerungen einschließlich des Geschäftswertes erhalten soll. Eine laufende Gewinnauszahlung ist hingegen nicht erforderlich (vgl. Schmidt, Einkommenssteuergesetz, 18. Auflage 1999, § 15 RdNr. 343 m.w.N.). Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger von einer Gewinnbeteiligung der GbR ausgeschlossen ist. In diesem Fall hätte der Kläger ohnehin gegen die dann fehlerhaften Einkommenssteuerbescheide vorgehen müssen. Mit Eintritt ihrer Bestandskraft muss er sich die Einkünfte aus Gewerbebetrieb jedenfalls auch über § 21 BAföG i.V.m. § 2 Abs. 1 EStG zurechnen lassen (vgl. BFH, Urt. v. 20.12.1994 - IX R 124/92 -, BFHE 176, 409). Soweit der Kläger dem entgegenhält, dass es sich um zu versteuernde Gewinnanteile an der GbR handele, die als Vermögen anzusehen seien, verkennt er, dass er gerade nicht an einer Kapitalgesellschaft, deren Gesellschafter nicht ohne Weiteres deswegen einkommenssteuerpflichtig sind, sondern die selbst körperschaftssteuerpflichtig ist, beteiligt ist.
Nach § 21 Abs. 1 Satz 2 BAföG ist ein Ausgleich mit Verlusten aus anderen Einkommensarten nicht zulässig. Dieser Ausschluss ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.1.1985 - 3 C 6/83 -, BVerwGE 71, 1 [6]). Darüber hinaus trifft § 21 Abs. 2 BAföG eine vom Einkommenssteuerrecht abweichende Regelung zur Berück-sichtigung von Verlusten. Ein Abzug von Verlusten der vorangegangenen Veranla-gungszeiträume aus Gewerbetrieb ist nicht vorgesehen und daher unzulässig (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.7.1979 - 5 C 7/78 -, BVerwGE 58, 200 [209]). Hierin ist insbesondere keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes oder des Sozialstaatsprinzips zu sehen (vgl. HessVGH, Urt. v. 4.8.1992 - 9 UE 3149/87 -, juris m.w.N.).
Hierin ist auch kein Verstoß gegen § 1 BAföG zu sehen. Danach besteht ein Anspruch auf individuelle Ausbildungsförderung nur nach Maßgabe des BAföG, wenn die für die Ausbildung erforderlichen Mittel nicht zur Verfügung stehen. Das ist hier wie dargelegt jedoch nicht der Fall gewesen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 188 Satz 2 VwGO.
Die Gegenstandwertfestsetzung beruht auf § 33 Abs. 1, § 23 Abs.1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes i.V.m. Nr. 7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt etwa bei Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., 2005, Anh. § 164 RdNr. 14).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.
Ende der Entscheidung
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