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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 28.03.2007
Aktenzeichen: 5 B 955/04
Rechtsgebiete: SächsWG


Vorschriften:

SächsWG § 23 Abs. 1 Nr. 2
SächsWG § 23 Abs. 4 Nr. 8
1. Das Ableiten von aufsteigendem Flutungswasser aus einer ehemaligen Uranbergbaugrube zur Dekontamination unterfällt grundsätzlich der Wasserentnahmeabgabenpflicht.

2. § 23 Abs. 4 Nr. 8 SächsWG entfaltet keine Rückwirkung.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 5 B 955/04

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Wasserentnahmeabgabe

hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dehoust und die Richterin am Verwaltungsgericht Düvelshaupt aufgrund der mündlichen Verhandlung

am 28. März 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 2. Oktober 2003 - 2 K 1853/00 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung einer Wasserentnahmeabgabe für das Ableiten von Flutungswasser aus einer Uranbergbaugrube.

Seit dem Jahr 1979 betrieb die Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft (SDAG)...... in der Grube.................. Uranerzbergbau, wodurch ein Grubenhohlraum von insgesamt 1,5 Mio. m3 geschaffen wurde. Die Einstellung des Gewinnbetriebes erfolgte Ende 1990. Mit Artikel 2 § 1 Abs. 1 des Gesetzes zu dem Abkommen vom 16. Mai 1991 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Beendigung der Tätigkeit der Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft...... vom 12.12.1991 (BGBl. II S. 1138) wurde die SDAG...... in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandelt und besteht als solche - die Klägerin - weiter. Die Klägerin erarbeitete daraufhin einen bergrechtlichen Abschlussbetriebsplan, der vom Bergamt Chemnitz am 31.1.1992 zugelassen wurde. Inhalt dieses Abschlussbetriebsplanes ist die geordnete Flutung des Grubengebäudes mit zusitzendem Grundwasser, welches aufgrund von Auslaugungsprozessen mit Schadstoffen, insbesondere Uran, Radium und Arsen, kontaminiert ist. Wegen dieser Schadstoffbelastung wurde die Klägerin verpflichtet, entsprechende Wasserbehandlungsmöglichkeiten zu schaffen.

Mit Bescheid vom 5.9.1995 erteilte das Bergamt Chemnitz der Klägerin die Erlaubnis, Grubenwasser und Sickerwasser aus der Grube.................. abzuleiten und nach einer Wasserbehandlung in den L....bach bei Einhaltung gewisser Grenzwerte einzuleiten. Am 24.11.1995 erreichte das Grubenwasser die Höhenmarke 586,0 m über Höhennormal (HN) und damit den natürlichen Überlauf. Das Wasser, das auch ohne Pumpenhebung austreten würde, wird am Stollen P.... über eine Höhe von ungefähr 2 m mittels einer Motorpumpe gehoben und gelangt über eine Rohrleitung in die Wasserbehandlungsanlage P..... Nach der Behandlung wird es in den Vorfluter, den L....bach, eingeleitet. Eingeleitet wird zudem das auf Höhe der Stollensohle gefasste Oberflächenwasser, das nicht kontaminiert ist und nicht behandelt wird.

Mit Schreiben vom 22.5.2005 forderte das Regierungspräsidium Chemnitz die Klägerin auf, für den Zeitraum von 1996 bis 1999 eine Selbsterklärung zur Wasserentnahmeabgabe abzugeben. Nachdem die Klägerin die Abgabe einer solchen Erklärung mit der Begründung abgelehnt hatte, das bloße Einleiten von Grundwasser in den Vorfluter L....bach stelle keine Gewässerbenutzung nach § 23 SächsWG dar, setzte das Regierungspräsidium Chemnitz die Wasserentnahmeabgabe für das Gruben- und Sickerwasser und die Veranlagungsjahre 1996 bis 1998 mit Bescheid vom 2.8.2000 auf insgesamt 69.748,05 DM (35.661,61 €) fest. Das Oberflächenwasser wurde nicht mit einer Abgabe belegt. Der von der Klägerin gegen den Bescheid erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg, das Regierungspräsidium Chemnitz wies ihn mit Widerspruchsbescheid vom 6.9.2000 zurück.

Hiergegen richtet sich die von der Klägerin am 27.9.2000 erhobene Klage. Sie trägt vor, wegen der im Wasser enthaltenen Schadstoffe sei es in keiner Weise nutzbar. Sie ist der Auffassung, dass keine der in § 23 Abs. 1 Nr. 2 SächsWG bezeichneten Handlungen von ihr vorgenommen würde. Insbesondere liege kein Zutageleiten vor, da es an einem zielgerichteten Freilegen des Grundwassers fehle. Es fehle auch an einem Ableiten, das zusätzlich vorliegen müsse. § 23 Abs. 1 SächsWG müsse darüber hinaus verfassungsgemäß dahin ausgelegt werden, dass mit den dort genannten Handlungen ein Vorteil verbunden sein müsse, der mit der Abgabe abgeschöpft werde. Bestehe keine Nutzungsmöglichkeit und mithin auch kein Sondervorteil, könne keine Abgabe erhoben werden. Der Klägerin komme zudem § 23 Abs. 4 Nr. 8 SächsWG in der am 1.1.1999 in Kraft getretenen neuen Fassung des Sächsischen Wassergesetzes zugute. Diese Regelung gelte auch für Sachverhalte, die vor dem Inkrafttreten der Neufassung verwirklicht worden seien.

Der Beklagte trat der Klage entgegen. Er trug vor, durch das Heben des Wassers mittels Pumpen und das Ableiten über eine Rohrleitung sei der Tatbestand des "Zutageförderns" erfüllt. Selbst wenn jedoch das Grubenwasser ohne besondere Förderungsanlagen einen natürlichen Überlauf erreiche und aufgrund des Gefälles sowie der eigenen Schwerkraft aus der Grube ablaufe, sei der Tatbestand des "Zutageleitens" erfüllt. Das Entnehmen, Zutageleiten, Zutagefördern sei immer auch mit einem "Ableiten" verbunden. Die Tatbestände des § 23 Abs. 1 Nr. 2 SächsWG müssten nicht kumulativ vorliegen. Die Entstehung der Abgabepflicht knüpfe ausschließlich an den objektiven Gewässerbenutzungstatbestand an, eine Nutzungsmöglichkeit oder -absicht sei nicht erforderlich. Das Sächsische Wassergesetz sei in seiner alten Fassung vom 23.2.1993 heranzuziehen, da diese Fassung im Zeitraum der Veranlagungsjahre 1996 bis 1998 gegolten habe. Damit sei § 23 Abs. 4 Nr. 8 SächsWG n. F. nicht anwendbar. Hilfsweise wies der Beklagte darauf hin, dass der Tatbestand der Ausnahmenvorschrift auch nicht erfüllt sei, da die Klägerin sowohl Handlungs- als auch Zustandsstörerin sei. Die Gegenleistung für die Abgabe liege darin, dass ihre Rechtsvorgängerin Bergbau hätte betreiben können. Die Klägerin müsse sich die Tätigkeit der SDAG...... als Rechtsnachfolgerin zurechnen lassen. Die Wasserentnahmeabgabe habe Lenkungsfunktion. Diese könne sie auch entfalten. So könne die Klägerin Oberflächenwasser gesondert ableiten oder aber es mit dem Grubenwasser mischen.

Mit Urteil vom 2.10.2003 gab das Verwaltungsgericht Chemnitz der Klage statt. Der angefochtene Bescheid und der Widerspruchsbescheid seien rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten. Zwar spreche vieles dafür, dass die Klägerin einen Abgabentatbestand i.S.v. § 23 Abs. 1 Nr. 2 SächsWG verwirklicht habe. Der Erhebung der streitigen Wasserentnahmeabgabe stehe aber die Befreiungsvorschrift des § 23 Abs. 4 Nr. 8 SächsWG n. F. entgegen. Die Gewässerbenutzung sei durch die zuständige Behörde angeordnet oder zugelassen worden. Die Klägerin sei nicht "Verursacherin" der durch das Grubenwasser ausgehenden Gefahr, da sie diese nicht als Handlungsstörer selbst verursacht habe. Eine Polizeipflichtigkeit ihrer Rechtsvorgängerin, der SDAG......, müsse sie sich nicht zurechnen lassen. Zudem sei nicht davon auszugehen, dass § 23 Abs. 4 Nr. 8 SächsWG n. F. Verursachungstatbestände rückwirkend erfassen wolle. Der Zustandsstörer sei nicht "Verursacher" i.S.v. § 23 Abs. 4 Nr. 8 SächsWG n. F. Der Anwendung der Ausnahmevorschrift stehe auch nicht entgegen, dass sie erst am 1.1.1999 in Kraft getreten sei. Zwar gelte grundsätzlich das im Veranlagungszeitraum geltende Recht. Hier liege aber ein Ausnahmefall vor. Ein Wasserentnahmeentgelt sei nur wegen der mit ihm verbundenen Lenkungsfunktion zulässig. Könne die Erhebung eines Entgeltes keine Lenkungswirkung entfalten, weil der Wassernutzer keinen Vorteil aus der Wassernutzung ziehe, wie dies in den Fällen des § 23 Abs. 4 Nr. 8 SächsWG n. F. der Fall sei, könne von Verfassungs wegen keine Abgabe erhoben werden. Es sei deshalb davon auszugehen, dass vom Gesetzgeber rückwirkend ein nicht hinnehmbarer Gesetzeszustand durch die Einfügung der Ausnahmevorschrift beseitigt werden sollte.

Mit Telefax vom 21.11.2003 beantragte der Beklagte die Zulassung der Berufung gegen das ihm am 22.10.2003 zugestellte Urteil. Zur Begründung führte er an, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, weil der Befreiungstatbestand des § 23 Abs. 4 Nr. 8 SächsWG nicht auf Tatbestände angewendet werden könne, die vor dessen Inkrafttreten verwirklicht worden seien, der Befreiungstatbestand zudem auch den Zustandsstörer erfasse und die Klägerin sowohl Handlungs- als auch Zustandsstörerin sei. Ihr obliege nach der Einstellung des aktiven Bergbaubetriebes die Einhaltung des Abschlussbetriebsplanes und der Schutz Dritter. Sie träfe deshalb eine polizeirechtliche Verantwortlichkeit. Durch das Abschalten der Pumpen habe sie bei wertender Betrachtung unmittelbar die Gefahrenschwelle überschritten. Zudem komme der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu, da die gesamte bisherige Verwaltungspraxis davon ausgehe, dass der Befreiungstatbestand keine Rückwirkung habe. Von grundsätzlicher Bedeutung sei auch, ob der Befreiungstatbestand nur bei Handlungsstörern oder auch bei Zustandsstörern ausgeschlossen sei. Die Gesetzesmaterialien und der Sinn und Zweck der Vorschrift sprächen dafür, dass nur der Nichtstörer in den Genuss des Befreiungstatbestandes komme. Die Belastung der Klägerin mit einer Wasserentnahmeabgabe sei auch nicht verfassungswidrig. Der Wasserentnahmeabgabe komme sowohl eine Lenkungs-, eine Vorteilsausgleichs- als auch eine Finanzierungsfunktion zu. Die Lenkungswirkung sei auch im vorliegenden Fall gegeben, da die Klägerin Einfluss auf die Entnahmemenge nehme, indem sie das Oberflächenwasser von der Grube fernhalte.

Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 9.11.2005 die Berufung gegen das Urteil wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zugelassen.

Zur Begründung seiner Berufung wiederholt der Beklagte den bisherigen Vortrag. Er ist der Auffassung, dass es für die Entstehung des Abgabentatbestandes auf eine spätere Nutzung des Grundwassers nicht ankomme. Die Klägerin sei auch Handlungsstörerin, da sie als Gesamtrechtsnachfolgerin in die Rechte und Pflichten der SDAG...... eingetreten sei.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 2.10.2003 - 2 K 1853/00 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen. Sie führt ergänzend aus, für die Wasserentnahmeabgabe habe der Freistaat nur dann eine Gesetzgebungskompetenz, wenn sie einen Vorteil abschöpfe. Für gegenleistungsunabhängige Verbrauchssteuern sei der Bund zuständig. Die Klägerin habe jedoch keinen Vermögensvorteil aus der Ableitung des Grundwassers. Sie wickle vielmehr ohne Gewinnerzielungsabsicht den Uranerzbergbau der SDAG...... ab. Sie sei auch nicht deren Rechtsnachfolgerin, da die SDAG durch völkerrechtliche Vereinbarung beendet worden sei. Eine Abgabenerhebung sei nur dann gerechtfertigt, wenn das Wasser nicht nur entnommen werde, sondern auch ein abzuschöpfender Vorteil durch die Nutzung des Wassers gegeben sei. Ungewollt anfallendes Wasser, das abgeleitet werde, unterfalle nicht § 23 Abs. 1 SächsWG.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verfahrensakten sowohl des Zulassungs- als auch des Berufungsverfahrens, die Akte des Verwaltungsgerichts Chemnitz und den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht Chemnitz hat der Klage gegen den Wasserentnahmeabgabenbescheid zu Unrecht stattgegeben. Der Bescheid des Beklagten vom 2.8.2000 und der Widerspruchsbescheid vom 6.9.2000 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Der angegriffene Bescheid und Widerspruchsbescheid sind formell rechtmäßig. Die Zuständigkeit des Regierungspräsidiums Chemnitz ergab sich aus § 23 Abs. 6 Satz 2, § 118 Abs. 1 Nr. 2 Sächsisches Wassergesetz (SächsWG) vom 23.2.1993 (SächsGVBl. S. 201), geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 4.7.1994 (SächsGVBl. S. 1261, 1276) - in der Folge: SächsWG a. F. - sowie § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO.

2. Der Bescheid und der Widerspruchsbescheid sind auch inhaltlich nicht zu beanstanden.

Der Bescheid findet seine Grundlagen in § 23 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 6 Satz 1 SächsWG. Diese Vorschrift unterliegt grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Grundwasserentnahmeabgabe ist eine nichtsteuerliche, den Sondervorteil der Benutzung des Grundwassers abgeltende Geldleistung, und somit keine gegenleistungsunabhängige Steuer. Der Landesgesetzgeber hat deshalb nach Artikel 70 GG die Gesetzgebungskompetenz. Die grundgesetzlichen Bestimmungen über die Steuerverteilung und damit die Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung werden nicht beeinträchtigt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.11.1995, BVerfGE 93, 319 [342 ff.]; SächsOVG, Urt. v. 25.3.2004 - 5 B 402/03 -).

a) Der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 2 SächsWG (a. F. und n. F.) ist jedenfalls in Form des Zutageleitens von Grundwasser sowie in seiner übergreifenden Voraussetzung der Benutzung eines Gewässers erfüllt.

Hier könnte zwar der Einsatz von Pumpen dafür sprechen, dass ein Zutagefördern von Grundwasser vorliegt. Zutagefördern ist ein planmäßiges Emporheben des Wassers mit besonderen dazu bestimmten oder geeigneten Einrichtungen, z. B. durch Pumpen (Czychowski/Reinhardt, WHG § 3 RdNr. 55; Knopp in: Sieder/Zeitler/Dahme, WHG und AbwAG, § 3 WHG RdNr. 22, jeweils zum insoweit wortgleichen § 3 Abs. 1 Nr. 6 WHG). Da das Wasser aber auch ohne Pumpenunterstützung nach oben steigen sowie überfließen würde und der Pumpeneinsatz nur zur leichteren Erfassung und wegen Schwankungen der Wassermenge erfolgt, liegt ein Zutageleiten vor. Beim Zutageleiten sind keine besonderen Förderanlagen notwendig; das zu erfassende Grundwasser gelangt durch artesischen Druck oder natürliches Gefälle ans Tageslicht, z. B. durch den Austritt des Wassers aus einer gefassten Quelle (Knopp, aaO, § 3 RdNr. 22).

Ob zum Zutageleiten kumulativ ein Ableiten treten muss, kann der Senat letztlich offen lassen. Dies hängt von der Definition des "Ableitens" ab. Versteht man unter "Ableiten" jegliches Wegleiten, können die Tatbestände des Entnehmens, Zutageförderns, Zutageleitens einerseits und des Ableitens andererseits kumulativ vorliegen. Für das Erfordernis eines kumulativen Vorliegens spräche dann die Verknüpfung mit dem Wort "und". Ein Wegleiten wäre hier durch das Pressen in eine Rohrleitung und die zunächst unterirdische und anschließend oberirdische Weiterleitung gegeben. Sieht man indes in einem "Ableiten" nur das unterirdische Lösen und Fortleiten des Grundwassers aus seinem natürlichem Zusammenhang, z. B. durch Kiespackungen als Straßenunterbau (so Czychowski/Reinhardt und Knopp, aaO), würden sich die Tatbestände "Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten" und "Ableiten" ausschließen. Ein kumulatives Vorliegen wäre nicht denkbar; das Wort "und" wäre dann als "oder" zu verstehen.

Es liegt auch eine "Benutzung" vor. Eine solche liegt in der unmittelbaren zweckbestimmten Einwirkung auf ein Gewässer (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.11.1973 - IV C 44.69 - zitiert nach juris; SächsOVG, Urt. v. 25.3.2004 - 5 B 402/03 -; Knopp, aaO, § 3 RdNr. 3; Czychowski/Reinhardt, aaO, § 3 RdNr. 5 m.w.N.). Hier bestand die Einwirkung darin, dass die Klägerin das Grundwasser mittels Pumpen und Rohren weiterleitete.

Diese Einwirkung erfolgte auch zweckgerichtet, weil die Klägerin sie absichtsvoll herbeiführte, um das Grundwasser anschließend einer Dekontamination unterziehen und es in den Vorfluter einleiten zu können. Dass der Eingriff in das Grundwasser nicht dessen Nutzung selbst zum Ziel hatte, sondern lediglich eine Begleiterscheinung zu einer anderen Zwecken dienenden Maßnahme war, führt zu keiner anderen Beurteilung. Voraussetzung einer Benutzung ist nicht, dass das Gewässer selbst wirtschaftlich genutzt wird. Es reicht aus, wenn die Einwirkung ein notwendiges Zwischenziel auf dem Weg zu dem angestrebten Endziel bildet. Selbst wenn die Wassernutzung nur eine lästige Begleiterscheinung darstellt, liegt eine Benutzung vor (SächsOVG, Urt. v. 25.3.2004 - 5 B 402/03 -; Czychowski/Reinhardt, WHG, § 3 RdNr. 5).

Eine Benutzung läge nur dann nicht vor, wenn aus dem stillgelegten Bergwerk Wasser lediglich zu Tage träte (Czychowski/Reinhardt, WHG, § 3 RdNr. 58). Auch die erfolgte Einstellung der Sümpfung (Heben und Ableiten von Grundwasser zur Trockenhaltung des Tagebaues) allein wäre keine Benutzung (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, § 3 RdNr. 5). Hier tritt das Wasser aber durch das Abschalten der Pumpen nicht lediglich zu Tage und versickert dann, sondern es wird mittels Pumpen erfasst und durch die Weiterleitung in Rohren sowie seine Behandlung dem natürlichen Wasserkreislauf zeitweise zweckgerichtet entzogen und somit auch genutzt.

b) Eine einschränkende Auslegung dahingehend, dass das Wasser selbst genutzt werden muss oder zumindest im konkreten Fall eine Nutzungsmöglichkeit oder ein mit der Wassernutzung verbundener Sondervorteil bestehen muss, ist von Verfassungs wegen nicht geboten. Eine solche Auslegung entspräche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers.

Zwar ist Voraussetzung einer nichtsteuerlichen Abgabe, die auf den Kompetenztitel des Art. 70 GG gestützt wird, dass eine über die Einnahmeerzielung hinausgehende besondere sachliche Rechtfertigung vorliegt. Es ist sehr fraglich, ob Lenkungsziele allein hierfür ausreichen. Lenkungsziele können nämlich sowohl mit Steuern als auch mit sonstigen Abgaben verfolgt werden. Eine klare Abgrenzung zwischen der Finanzverfassung für Steuern (vgl. Art. 104a ff. GG) und den auf die Sachkompetenztitel der Art. 70 ff. GG gestützten sonstigen Abgaben wäre kaum möglich. Eine sachliche Rechtfertigung bietet allerdings insbesondere die Vorteilsabschöpfung im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Nutzungsregelung. Wird Einzelnen die Nutzung an einer knappen öffentlichen Ressource wie dem Wasser eröffnet, wird ihnen die Teilhabe an einem Gut der Allgemeinheit verschafft. Die Teilhabenden erhalten einen Sondervorteil gegenüber all denen, die das betreffende Gut nicht oder nicht in gleichem Umfang nutzen dürfen. Es ist sachlich gerechtfertigt, diesen Vorteil ganz oder teilweise abzuschöpfen (vgl. BVerfG, aaO, S. 346).

Das Prinzip der Vorteilsabschöpfung verlangt aber nicht, dass der Vorteil jeweils konkret und aufwandsabhängig festgestellt werden müsste. Er ist nicht konkret einzelfallbezogen. Es reicht, dass mit der Benutzung des Wassers generell Vorteile verbunden sind. Missverhältnissen der Gebührenerhebung im Einzelfall muss nicht bereits auf Tatbestandsebene bei der Auslegung der Benutzungstatbestände Rechnung getragen werden, sondern es ist ausreichend, wenn nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dem Äquivalenzprinzip, bei der Bestimmung der Gebührenhöhe im Einzelfall eine Berücksichtigung erfolgt (vgl. NdsOVG, Urt. v. 29.6.2006 - 13 LB 75/03 -, zitiert nach juris). Gegebenenfalls ist deshalb eine Ermäßigung nach § 23 Abs. 9 Satz 3 SächsWG a. F. zu gewähren. Die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kann als sonstiger öffentlicher Belang angesehen werden. Eine derartige Ermäßigung kann auch zu einer Ermäßigung auf null Euro führen.

Eine einschränkende Auslegung dahingehend, dass nur "freiwillige", nicht aber behördlich angeordnete Benutzungen dem Tatbestand unterfallen, scheidet angesichts von § 23 Abs. 4 Nr. 8 SächsWG n. F. aus. Mit dieser Ausnahmeregelung, mit der u. a. behördlich angeordnete Nutzungen unter gewissen Voraussetzungen ausgenommen werden, hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass diese grundsätzlich vom Tatbestand umfasst wurden und werden.

Dasselbe gilt für eine Auslegung, die als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal fordert, dass mit der Nutzung eine Beeinträchtigung der Ressource Wasser verbunden ist (die Beeinträchtigung wird erwähnt im Urt. d. NdsOVG v. 29.6.2006, aaO). Bei einem Zutagefördern und Zutageleiten von Grundwasser liegt regelmäßig eine Beeinträchtigung bereits darin, dass das Grundwasser zu der weniger schützenswerten Ressource eines Oberflächenwassers wird, das vielfältigen negativen Beeinflussungen der Umwelt ausgesetzt ist und nur zum Teil wieder dem Grundwasser zugeführt wird. Hier wird aber das Wasser dadurch, dass es zu Tage gefördert und gereinigt wird, in seiner Qualität verbessert. Das kontaminierte Grundwasser ist zudem nicht schutzwürdig. Gegen eine solche Auslegung spricht aber ebenfalls § 23 Abs. 4 Nr. 8 SächsWG n. F., in dem der Gesetzgeber zum Ausdruck bringt, dass auch in den Fällen, in denen das Lenkungsziel der Abgabe gerade durch die Nutzung verwirklicht wird (Ordnung des Wasserhaushalts), der Tatbestand erfüllt ist und nur der Nichtstörer befreit sein soll. Auch die Verrechnungsmöglichkeit für Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerbeschaffenheit (§ 23 Abs. 10 SächsWG n. F.) nach der neuen Fassung spricht gegen eine derart einschränkende Auslegung. Mit diesem Tatbestand hat der Gesetzgeber klargestellt, dass auch Maßnahmen zur Gewässerverbesserung den Abgabentatbestand erfüllen konnten und können.

c) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts Chemnitz kommt der Klägerin der Befreiungstatbestand des § 23 Abs. 4 Nr. 8 SächsWG n. F. schon deshalb nicht zugute, weil dieser Befreiungstatbestand in den Veranlagungsjahren 1996 bis 1998 noch nicht in Kraft war.

Es entspricht allgemeinen Rechtsgrundsätzen, dass außer Kraft getretene Rechtsnormen auf Sachverhalte anwendbar bleiben, die während ihrer Geltung verwirklicht worden sind. Die Rückwirkung eines Gesetzes ist die Ausnahme von der Regel, wonach Gesetze nur für die Zeit nach ihrer Verkündung gelten (vgl. z. B. BVerwG, Urt. v. 29.10.1992 - 2 C 24.90 -, zitiert nach juris). Soweit ein Gesetz davon abweichend seine zeitliche Geltung auch auf einen Zeitpunkt vor seinem Inkrafttreten erstrecken will, muss sich das deutlich aus seinem Wortlaut oder schlüssig aus seinem Zweck ergeben (BSG, Urt. v. 31.3.1992 - 4 RA 25/91 -, zitiert nach juris). Hier spricht bereits gegen eine Rückwirkung, dass die Regelungen über die Wasserentnahmeabgabe erst ab dem 1.1.1999 galten und nicht wie die sonstigen Änderungen bereits ab dem Tag nach der Verkündung des Gesetzes am 12.8.1998 in Kraft gesetzt wurden (vgl. Artikel 5 Abs. 1, 2 des Gesetzes zur Änderung des Sächsischen Wassergesetzes vom 23.7.1998 [SächsGVBl. S. 373]). Damit hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass die Änderung erstmals im Veranlagungsjahr 1999 zur Anwendung kommen sollte. Hätte er eine rückwirkende Inkraftsetzung beabsichtigt, hätte er dies ausdrücklich bestimmt. Der 1. Senat hat dementsprechend festgestellt, dass § 23 SächsWG n. F. keine Rückwirkung entfaltet (SächsOVG, Beschl. v. 18.10.2000 - 1 BS 238/00, 1 BS 239/00 und 1 BS 240/00 -). Dem schließt sich der 5. Senat an.

Auch die Entstehungsgeschichte führt zu keiner anderen Einschätzung. Nach der Begründung der Staatsregierung zum Gesetz zur Änderung des Sächsischen Wassergesetzes aus dem Jahr 1998 (LT-Drs. 2/7974) sollte mit der Änderung von § 23 SächsWG die Anreizwirkung der Abgabe noch verstärkt werden. Dafür, dass der Gesetzgeber die Neuregelungen als verfassungsrechtlich zwingend ansah, wie das Verwaltungsgericht meint, enthält die Gesetzesbegründung keinen Hinweis. Dort wird bereits im Vorblatt auf Seite 3 ausgeführt:

"Es wird daran festgehalten, dass die Wasserentnahmeabgabe ein wertvolles Instrument ist, das unterhalb der Schwelle ordnungsbehördlicher Eingriffe die Gewässerbenutzer zu einer ressourcenschonenden Gewässerbenutzung anreizen kann. Die vorgesehenen Änderungen des § 23 werden diese Anreizwirkung noch verstärken."

Auf Seite 21 der Begründung wird ausgeführt, dass die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum "Wasserpfennig" zu keiner grundsätzlichen Überprüfung der Abgabe zwingen:

"Die Wasserentnahmeabgabe dient nicht der Einnahmeerzielung, sondern ist eine Abgabe mit Lenkungsfunktion. Mit den Entscheidungen vom 7. November 1995 zum Entnahmeentgelt nach dem Baden-Württembergischen Wassergesetz (2 BvR 413/88) und zum Hessischen Grundwasserabgabengesetz (2 BvR 1300/93) hat das Bundesverfassungsgericht einer langen rechtlichen Diskussion über die Zulässigkeit derartiger landesrechtlicher Abgaben über die Wasserentnahme ein Ende gesetzt und gleichzeitig festgestellt, dass den Ländern ein erheblicher Spielraum zusteht. Die Entscheidungen geben keine Veranlassung zur grundsätzlichen Überprüfung der sächsischen Regelung."

Für eine verfassungsrechtlich zwingende rückwirkende Korrektur durch den Gesetzgeber bestand auch kein Bedürfnis, weil etwaige verfassungswidrige Ergebnisse auch nach der alten Gesetzesfassung durch einen Billigkeitserlass nach § 23 Abs. 9 SächsWG a. F. hätten vermieden werden können.

d) Gegen die Höhe der Abgabe wurden weder Einwendungen erhoben noch sind solche sonst erkennbar.

e) Ob die Klägerin einen Anspruch auf Ermäßigung der Wasserentnahmeabgabe nach § 23 Abs. 9 Satz 3 SächsWG a. F. hat, ist im Rahmen der vorliegenden Anfechtungsklage nicht zu prüfen. Ein etwaiger Erlassanspruch machte den angegriffenen Bescheid nicht rechtswidrig. Er wäre vielmehr von der Klägerin in einem gesonderten Verfahren im Wege des Antrages, ggf. Widerspruches und der Verpflichtungsklage durchzusetzen. Zwar enthält § 23 Abs. 9 SächsWG a. F. im Gegensatz zu § 23 Abs. 11 SächsWG n. F. kein ausdrückliches Antragserfordernis. In der Sache handelt es sich aber um einen Billigkeitserlass, ein Verpflichtungsbegehren (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.6.1994 - 8 C 22/92 - zu § 135 Abs. 5 Satz 1 BauGB, zitiert nach juris; Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand: Nov. 2006, § 227 AO RdNr. 145 für das Eilverfahren). Eine Ermäßigung wäre zudem nicht vom hier den Freistaat vertretenden Regierungspräsidium, sondern von der obersten Wasserbehörde, dem Staatsministerium des Innern, zu gewähren. Sie steht in dessen Ermessen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Ende der Entscheidung

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