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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 23.07.2007
Aktenzeichen: 5 BS 104/07
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 123
Der Streitgegenstand des Erledigungsrechtsstreits beschränkt sich in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf die Feststellung des erledigenden Ereignisses. Eine Überprüfung der früheren Zulässigkeit und Begründetheit findet nicht statt.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 5 BS 104/07

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Aufnahme in eine Kindertageseinrichtung; Antrag nach § 123 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dehoust und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Schmidt-Rottmann

am 23. Juli 2007

beschlossen:

Tenor:

Es wird festgestellt, dass sich die Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in der Hauptsache erledigt haben.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 30. März 2007 - 13 K 284/07 - wird für unwirksam erklärt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten der gerichtskostenfreien Verfahren in beiden Rechtszügen.

Gründe:

Auf die einseitige Erledigterklärung der Antragsteller hin ist festzustellen, dass sich der Rechtsstreit in den Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in der Hauptsache erledigt hat. In entsprechender Anwendung von § 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 ZPO ist der Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden für unwirksam zu erklären.

Die Antragsteller erstrebten ihre vorläufige Aufnahme in die Kindertageseinrichtung "P........." in D......, die vom D. K. betrieben wird. Hilfsweise begehrten sie die Aufnahme in andere, namentlich bezeichnete Kindertageseinrichtungen freier Träger sowie hilfsweise in eine andere Kindertageseinrichtung im Gebiet der Antragsgegnerin. Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 25.6.2007 haben sie Betreuungsverträge zwischen ihnen und dem Träger der Kindertagesstätte "P......." vorgelegt, nach denen sie mit Wirkung vom 1.7.2007 in die Kindertageseinrichtung aufgenommen werden. Gleichzeitig haben sie die Verfahren für erledigt erklärt. Die Antragsgegnerin ist der Erledigterklärung entgegengetreten. Zur Begründung verweist sie darauf, dass die Antragsteller keinen Anspruch auf Aufnahme in diese Einrichtung oder andere Kindertageseinrichtungen in D...... haben.

Nachdem die Antragsteller den Rechtsstreit im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in der Hauptsache für erledigt erklärt, die Antragsgegnerin jedoch der Erledigungserklärung entgegengetreten ist, hat sich der Streitgegenstand geändert. Der Rechtsstreit ist im Beschwerdeverfahren auf die Feststellung beschränkt, ob die Hauptsache erledigt ist (BVerwG, Urt. v. 27.2.1969 - VIII C 37.67, VIII C 38.67 - sowie Urt. v. 14.1.1965 - I C 68.61 -, zitiert nach juris).

Das von den Antragstellern vor dem Verwaltungsgericht beantragte Verfahren nach § 123 VwGO hat sich erledigt, weil sie in die Kindertageseinrichtung, in die sie vorläufig aufgenommen werden wollten, seit 1.7.2007 aufgenommen worden sind. Ihr Begehren auf vorläufige Aufnahme in diese Einrichtung und hilfsweise in andere Einrichtungen ist damit gegenstandslos geworden.

Die Antragsgegnerin kann mit ihrem Vortrag, wonach der Antrag vor dem Verwaltungsgericht ihrer Auffassung nach keinen Erfolg gehabt hätte, nicht gehört werden. Steht fest, dass sich der geltend gemachte Anspruch durch ein später eingetretenes objektives Ereignis erledigt hat, dann müssen der Grundgedanke und die Regelungen des § 91a ZPO bzw. § 161 Abs. 2 VwGO gelten. Der Antragsgegner verliert grundsätzlich seinen Anspruch auf eine Sachentscheidung, sodass die Erfolgsaussichten des ursprünglich geltend gemachten Anspruches nicht mehr zu prüfen sind (vgl. grundlegend BVerwG, Urt. v. 14.1.1965 - I C 68.81 -, zitiert nach juris). Zwar wird unter bestimmten Voraussetzungen in einem Hauptsacheverfahren in analoger Anwendung der Regelung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO auch dem Beklagten zugebilligt, durch die Aufrechterhaltung seines Klageabweisungsantrages eine Sachentscheidung gegen den Willen des Klägers zu erzwingen (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.1.1965 - I C 68.61 -, zitiert nach juris). In Verfahren wegen der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (§ 80 Abs. 5, § 123 Abs. 1 VwGO) kommen diese für das Klageverfahren entwickelten Rechtsgrundsätze aber wegen seines summarischen Charakters nicht zum Tragen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.1.1995, DVBl. 1995, 520; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 12.3.1996 - 1 S 2856/95 -, zitiert nach juris). Gegenstand des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens ist nicht das Bestehen des geltend gemachten Anspruches oder die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes, sondern allein eine vorläufige Sicherung oder Regelung oder der vorläufige Vollzug eines Verwaltungsaktes.

Sind danach die Rechtsstreite in der Hauptsache erledigt, so ist auf den Antrag der Antragsteller festzustellen, dass die Rechtsstreite erledigt sind, ohne dass der Senat in der Sache selbst zu befinden hat.

Der Senat weist indes darauf hin, dass die Hauptanträge und die gestellten Hilfsanträge, mit denen die Antragsteller ihre vorläufige Aufnahme in eine bestimmte Kindertageseinrichtung eines freien Trägers begehrten, ohne Erfolg geblieben wären. Die Aufnahmeansprüche wären gegen den jeweiligen freien Träger, nicht aber gegen die Antragsgegnerin zu richten gewesen. Auch eine Änderung der Anträge dahingehend, dass eine vorläufige Zustimmung der Antragsgegnerin zur Aufnahme in die entsprechende Kindertageseinrichtung freier Träger beantragt wird, hätte voraussichtlich nicht zum Erfolg geführt. Ein solcher Anspruch könnte wohl nicht selbstständig geltend gemacht werden. Zudem dürfte für ihn das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, weil es nach § 5 Abs. 2 Satz 3 der zwischen der Antragsgegnerin und den freien Trägern abgeschlossenen vertraglichen Vereinbarung zur Betriebsführung und Betriebskostenfinanzierung einer Zustimmung der Antragsgegnerin nicht bedarf. Dort ist geregelt, dass die Aufnahme eines Kindes, das seinen Wohnsitz nicht im Gemeindegebiet hat, "in Abstimmung" mit der Kommune erfolgt. Hierbei handelt es sich wohl nur um ein Benehmens-, nicht um ein Einvernehmens- oder Zustimmungserfordernis. Hätten die Vertragsparteien eine Einvernehmensregelung treffen wollen, hätte dies einer eindeutigen Regelung in der geschlossenen Vereinbarung bedurft. Die Formulierung "in Abstimmung" legt indes nur nahe, dass ein Abstimmungsverfahren durchzuführen ist, bringt aber nicht zum Ausdruck, dass sich beim Scheitern einer Einigung der Wille der Antragsgegnerin zwingend durchsetzen soll.

Dagegen wären die Hilfsanträge, gerichtet auf die vorläufige Aufnahme in eine beliebige Kindertageseinrichtung, vor Eintritt des erledigenden Ereignisses erfolgreich gewesen, soweit sie sich auf von der Antragsgegnerin betriebene Kinderkrippen beziehen. Insoweit ist die Antragsgegnerin als örtliche Trägerin der öffentlichen Jugendhilfe (§ 1 Abs. 1 SächsLaJuHiG) und Betreiberin der Einrichtungen richtiger Antragsgegner. Ein Anspruch auf Aufnahme im Rahmen der vorhandene Kapazität ergibt sich aus dem verfassungsrechtlichen Gebot, Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Familientätigkeit und Berufstätigkeit aufeinander abgestimmt werden können, sowie aus dem Sozialstaatsgebot und dem Gleichheitssatz. Eine Kapazitätserschöpfung konnte von der Antragsgegnerin nicht glaubhaft gemacht oder substanziiert dargelegt werden. Entscheidend sind insoweit nicht die von der Antragsgegnerin angesprochenen Voranmeldungen, da sie nichts über die tatsächliche Belegung aussagen, sondern nur die tatsächliche Belegung. Will sich die Antragsgegnerin erfolgreich auf eine Kapazitätserschöpfung berufen, obliegt es ihr, durch ein effizientes Anmelde- und Besetzungsverfahren sicherzustellen, dass alle vorhandenen Plätze belegt und freie Plätze unverzüglich nachbesetzt werden. Hiervon kann gegenwärtig nicht ausgegangen werden. Zudem steht es nicht im Einklang mit § 4 Satz 1 SächsKitaG, wenn die Antragsgegnerin von einem generellen Vorrang für Kinder mit Wohnsitz in Dresden ausgeht, weil die Vorschrift das Wahlrecht der Eltern für eine Einrichtung gerade nicht auf das Gemeindegebiet begrenzt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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