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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 09.03.2005
Aktenzeichen: 5 BS 179/04
Rechtsgebiete: SächsKAG, GVG
Vorschriften:
SächsKAG § 17 Abs. 1 Satz 1 | |
SächsKAG § 21 Abs. 1 Satz 1 | |
SächsKAG § 22 Abs. 2 | |
GVG § 17 Abs. 2 Satz 1 |
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss
Az.: 5 BS 179/04
In der Verwaltungsrechtssache
wegen Wasserversorgungsbeitrags; Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
hier: Beschwerde
hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schaffarzik und den Richter am Verwaltungsgericht Müller
am 9. März 2005
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 30. März 2004 - 4 K 466/04 - wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.173,43 € festgesetzt.
Gründe:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 30.3.2004 ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerinnen gegen den Wasserversorgungsbeitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 14.5.2003 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheids vom 10.12.2003 im Ergebnis zu Recht angeordnet. Der Beitragsbescheid erscheint bei summarischer Prüfung als rechtswidrig. Die Antragsgegnerin durfte die Antragstellerinnen nicht zu dem Wasserversorgungsbeitrag in Höhe von 4.693,71 € heranziehen. Zwar war sie entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts durch die Indienstnahme der Versorgungsbetriebe Hoyerswerda GmbH für die Erfüllung der Aufgabe der Wasserversorgung grundsätzlich nicht an der Beitragserhebung auf der Grundlage des § 17 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG gehindert (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 24.9.2004, SächsVBl. 2005, 14). Sie hatte jedoch mit den Antragstellerinnen vertraglich einen Verzicht auf den Beitragsanspruch vereinbart.
1. Der Anspruchsverzicht beruht auf Nr. 11 Satz 1 des notariell beurkundeten Vertrages vom 14.12.1995, mit dem die Antragsgegnerin den Antragstellerinnen das streitbefangene Grundstück verkaufte. Diese Vertragsbestimmung lautet: "Die Kosten und Beiträge für die bis heute endgültig oder teilbetragsfähig hergestellten Erschließungsanlagen im weitesten Sinne (Versorgungs- und Abwasseranlagen sowie Erschließungsstraßen) einschließlich des umlagefähigen Investitionsaufwands trägt ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit der Verkäufer." Das Oberverwaltungsgericht darf diese Klausel unbeschadet ihres Charakters als Bestimmung eines zivilrechtlichen Vertrages seiner Entscheidung zugrunde legen, weil es den Rechtsstreit nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG unter allen in Betracht kommenden - auch originär rechtswegfremden - rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden hat.
2. Die in Nr. 11 Satz 1 des Grundstückskaufvertrages getroffene Festlegung ist auf den Wasserversorgungsbeitrag nach § 17 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG anwendbar. Sie umfasst nach der gewählten Formulierung Beiträge für Erschließungsanlagen im "weitesten Sinne", d. h. nicht nur den im Wesentlichen auf die Herstellung von Straßen bezogenen Erschließungsbeitrag nach § 127 Abs. 1 BauGB. Beispielhaft für Erschließungsanlagen in diesem weiten Sinne werden in der Vereinbarung Versorgungsanlagen ausdrücklich genannt. Zu diesen gehören zumal im Hinblick auf die in engem Zusammenhang mit ihnen aufgeführten Abwasseranlagen gerade die der Trinkwasserversorgung dienenden Anlagen.
3. Die Antragsgegnerin hat nach dem Wortlaut der Vertragsbestimmung die Verpflichtung übernommen, den Beitrag für die bis zum 14.12.1995 endgültig oder teilbetragsfähig hergestellten Anlagen ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu "tragen". Der Inhalt dieser "Beitragstragungspflicht" hängt von der Person des Beitragsgläubigers ab. Die Beteiligten mussten davon ausgehen, dass die Berechtigung zur Erhebung des Wasserversorgungsbeitrags dem im Jahr 1993 gegründeten Trinkwasser- und Abwasserzweckverband Hoyerswerda zustand, weil die Antragsgegnerin die Aufgabe der Wasserversorgung auf diesen übertragen und sich die betreffende Beitragszuständigkeit nicht vorbehalten hatte. Dass die Gründung des TAZ Hoyerswerda unwirksam war (vgl. SächsOVG, NK-Urt. v. 30.4.2000, JbSächsOVG 8, 94), ändert daran nichts; es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass den Beteiligten die Gründungsmängel im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages bekannt waren. Da der TAZ Hoyerswerda, der an den Kaufvertrag nicht gebunden war, nach Erwerb des Eigentums an dem Grundstück durch die Antragstellerinnen den Wasserversorgungsbeitragsbescheid voraussichtlich an diese richten würde (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG), war die Pflicht der Antragsgegnerin zur Tragung des Beitrags dahin zu verstehen, dass sie die Antragstellerinnen von der künftigen, durch den Beitragsbescheid begründeten Verbindlichkeit in dem von Nr. 11 Satz 1 des Vertrags geregelten Umfang durch Zahlung an den TAZ Hoyerswerda befreien musste.
Für den Fall einer Beitragsberechtigung der Antragsgegnerin selbst ist die Befreiung von einer im Verhältnis zu einem Dritten bestehenden Beitragsverbindlichkeit demgegenüber konstruktiv nicht denkbar. Der (öffentlich-rechtliche) Beitragsanspruch kann dann auch nicht unmittelbar durch Nr. 11 Satz 1 des Vertrags erlöschen, weil eine zivilrechtlich einzuordnende Regelung keine unmittelbaren Wirkungen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts auszulösen vermag und es einen rechtskreisübergreifenden Erlöschensgrund nicht gibt. Vielmehr hat sich die Antragsgegnerin für den Fall eigener Beitragszuständigkeit durch die Vertragsklausel zivilrechtlich zum Verzicht auf die Erhebung eines grundsätzlich von ihr zu beanspruchenden Beitrags verpflichtet. Diese Auslegung greift nicht nur für eine von den Beteiligten - etwa hinsichtlich eines Erschließungsbeitrags nach § 127 Abs. 1 BauGB - tatsächlich erkannte Beitragsberechtigung der Antragsgegnerin selbst, sondern auch für die von ihnen (wohl) nicht erwogene Fallgestaltung der Zuständigkeit der Antragsgegnerin anstelle des TAZ Hoyerswerda zur Erhebung des Wasserversorgungsbeitrags ein. Denn es ging den Beteiligten nach der allgemeinen Formulierung der "Tragung" des Beitrags darum, die Beitragszahlung durch die Antragstellerinnen in dem vereinbarten Umfang überhaupt auszuschließen.
Der betreffende Anspruchsverzicht begründet eine Einwendung, die vom Oberverwaltungsgericht nach dem im Verwaltungsprozess geltenden Untersuchungsgrundsatz von Amts wegen zu beachten ist. Im Übrigen haben sich die Antragstellerinnen auf den Anspruchsverzicht auch der Sache nach berufen. Die von der Antragsgegnerin zur Frage einer Aufrechnung angestellten Überlegungen gehen hingegen fehl. Den Antragstellerinnen steht in Gestalt des durch die Antragsgegnerin in der Vertragsklausel erklärten Verzichts auf die Beitragserhebung ein Gegenrecht, nicht aber ihrerseits ein Zahlungsanspruch zu.
4. Der Anspruchsverzicht erstreckt sich nach der vertraglichen Regelung auf den Beitrag für die bis zum 14.12.1995 endgültig hergestellten Versorgungsanlagen. Zwar wird ein Wasserversorgungsbeitrag nach § 17 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG generell nicht für die Herstellung bestimmter Anlagen, sondern als Gegenleistung für die Möglichkeit des Anschlusses eines Grundstücks an die öffentliche Einrichtung der Wasserversorgung als solche erhoben. Die Beteiligten haben jedoch eine Differenzierung nach einzelnen Anlagen getroffen. Diese Vereinbarung ist so zu verstehen, dass bei der Berechnung des Wasserversorgungsbeitrags derjenige Anteil auszunehmen ist, der dem Verhältnis der von der Klausel erfassten Versorgungsanlagen zu den gesamten aus der Globalberechnung ersichtlichen beitragspflichtigen, d.h. bei der Festsetzung des Betriebskapitals einbezogenen Versorgungsanlagen entspricht. Daran muss sich die Antragsgegnerin ungeachtet dessen festhalten lassen, dass diese Unterscheidung nach dem System der Vorschriften über die Erhebung von Anschlussbeiträgen nach den §§ 17 ff. SächsKAG nicht sonderlich sinnvoll erscheint und im Fall der Antragstellerinnen eine konkrete Aufstellung der jeweiligen Anlagen erfordert, die mit einer aufwendigen Sachverhaltsermittlung verbunden sein dürfte. Der Antragsgegnerin mussten die praktischen Konsequenzen der vertraglichen Bestimmung in ihrer Funktion als nach § 17 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG ursprünglich beitragsberechtigte Körperschaft bekannt sein.
Da Nr. 11 Satz 1 des Vertrages auf die einzelnen Versorgungsanlagen abstellt, kommt es mithin nicht darauf an, ob im maßgebenden Zeitpunkt das gesamte Anlagesystem endgültig hergestellt war. Ebenso wenig ist nach dem Wortlaut der Klausel von Belang, ob speziell das Grundstück der Antragstellerinnen am 14.12.1995 bereits über eine Anschlussmöglichkeit verfügte. Die Regelungsalternative der "teilbetragsfähigen" Herstellung ist jedoch bezogen auf den Wasserversorgungsbeitrag nicht anwendbar. Eine solche Situation kann nur im Zusammenhang mit einem Erschließungsbeitrag Bedeutung erlangen (vgl. § 133 Abs. 2 BauGB).
5. Der Annahme der Antragsgegnerin, die mit Nr. 11 Satz 1 des Vertrages getroffene Bestimmung erkläre nur den Zeitpunkt der Fälligkeit des Beitrags, nicht aber den Zeitpunkt der Entstehung der Beitragsschuld für unbeachtlich, so dass sie mangels einer vor dem 14.12.1995 erlassenen gültigen Beitragssatzung des - nicht wirksam gegründeten - TAZ Hoyerswerda nicht zur Anwendung komme (so auch LG Bautzen, Urt. v. 17.12.2004 - 2 O 605/04 -), vermag der Senat nicht zu folgen. Der Aspekt der Entstehung der Beitragsschuld wird in der Bestimmung überhaupt nicht angesprochen. Diese knüpft die Pflicht der Antragsgegnerin zur Tragung des Beitrags ausdrücklich nur an die endgültige oder teilbetragsfähige Herstellung der Anlagen. Zudem liegt der Gedanke mehr als fern, die Beteiligten hätten die kommunalabgabenrechtliche Unterscheidung zwischen der Entstehung und der Fälligkeit der Schuld (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 SächsKAG) aufgreifen wollen und die Entstehung der Beitragsschuld und damit die Gültigkeit der Beitragssatzung (vgl. zu diesem Zusammenhang SächsOVG, Beschl. v. 16.12.2003 - 5 BS 117/03 -) im Gegensatz zur Fälligkeit der Schuld als selbstverständliche Voraussetzung für die Anwendung der vertraglichen Bestimmung angesehen. Zum einen gab es für sie keinen Anlass, für den Fall einer - sich unter Umständen erst Jahre später erweisenden - Ungültigkeit des einschlägigen Satzungsrechts von der mit der Vertragsklausel festgelegten beitragsrechtlichen Entlastung der Antragstellerinnen Abstand zu nehmen, zumal diese zur Zahlung des - im Hinblick auf die Beitragsentlastung vermutlich dementsprechend angehobenen - vollen Kaufpreises definitiv verpflichtet blieben. Zum anderen haben sich die Beteiligten bei der Abfassung der vertraglichen Regelung - wie unter 4. dargelegt wurde - auch in sonstiger Hinsicht nicht an den (anschluss-)beitragsrechtlichen Grundsätzen orientiert. Vor diesem Hintergrund kann ihnen nicht unterstellt werden, sie hätten ausgerechnet die kommunalabgabenrechtliche Differenzierung zwischen Entstehung und Fälligkeit der Schuld zugrunde legen und die beiden Gesichtspunkte überdies in ihren Wirkungen unterschiedlich behandeln wollen.
6. Dem vertraglichen (Teil-)Verzicht auf den Beitragsanspruch stehen keine zwingenden gesetzlichen Vorschriften entgegen. Den Antragstellerinnen wird mit dem Anspruchsverzicht nicht etwa eine ungerechtfertigte Bevorzugung vor den anderen Beitragsschuldnern zuteil. Nach der vereinbarten Regelung sollen für die beitragsrechtlichen Beziehungen im Innenverhältnis zwischen den Antragstellerinnen und der Antragsgegnerin die bisherigen Eigentumsverhältnisse - mit der geschilderten Folge für den Kaufpreis - maßgebend sein. Danach war jedoch die Antragsgegnerin beitragspflichtig bzw. im Sinne des § 22 Abs. 2 SächsKAG verrechnungspflichtig.
7. Der Senat sieht sich in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht zu einer eigenen Prüfung veranlasst, in welchem - von Nr. 11 Satz 1 des Vertrages vorgegebenen - Umfang der Anspruchsverzicht zum Tragen kommt, d.h. die Beitragsforderung zu reduzieren ist. Diese Berechnung fällt in die Verantwortungssphäre der Antragsgegnerin, die über die insoweit relevanten Daten verfügt. Der Aussetzungsantrag ist deshalb in vollem Umfang begründet.
8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 14 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 3 und § 25 Abs. 2 Satz 1 GKG a.F. in Verbindung mit § 72 Nr. 1 GKG n.F.. Der Senat legt in Abgaben betreffenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ein Viertel des jeweiligen Betrags zugrunde.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG a.F.).
Ende der Entscheidung
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