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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 19.12.2006
Aktenzeichen: 5 BS 242/06
Rechtsgebiete: EG-Richtlinie 77/388/EWG, VwGO
Vorschriften:
EG-Richtlinie 77/388/EWG Art. 33 | |
VwGO § 146 Abs. 4 |
2. Eine Mindestvergnügungssteuer ist zur Verfolgung des Lenkungszwecks der Eindämmung der Spielsucht zulässig.
3. Eine herkömmliche Vergnügungssteuer auf Grundlage des Einspielergebnisses stellt sich nicht als Automatenumsatzsteuer dar und verstößt grundsätzlich nicht gegen Art. 33 der EG-Richtlinie 77/388/EWG.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss
Az.: 5 BS 242/06
In der Verwaltungsrechtssache
wegen Vergnügungssteuer; Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
hier: Beschwerde
hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und den Richter am Verwaltungsgericht Büchel
am 19. Dezember 2006
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 25. August 2006 - 4 K 1299/05 - wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.963,00 € festgesetzt.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 25.8.2006, mit dem ihr Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche vom 22.6.2005, vom 16.7.2005 und vom 16.8.2005 gegen die Vergnügungssteuerbescheide der Antragsgegnerin vom 17.6.2005, vom 7.7.2005 und vom 12.8.2005 abgelehnt worden ist, ist unbegründet. Die von ihr dargelegten Gründe, auf die nach § 146 Abs. 4 Satz 6 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - allein einzugehen ist, rechtfertigen keine Änderung des Beschlusses.
Das Verwaltungsgericht hat die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche der Antragstellerin mit der Begründung abgelehnt, dass ein Erfolg der Widersprüche nicht wahrscheinlicher sei als ein Misserfolg. Nach zulässiger rückwirkender Änderung der den Bescheiden zugrunde liegenden Satzung orientiere sich die Besteuerung von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit am realen Einspielergebnis. Dem stehe nicht entgegen, dass es noch zu keiner Anpassung der angefochtenen Bescheide an die neue Satzung gekommen sei. Denn die Antragstellerin sei insoweit ihrer Mitwirkungspflicht bislang nicht nachgekommen, obwohl die Antragsgegnerin sie hierzu aufgefordert habe.
Zur Begründung ihrer Beschwerde führt die Antragstellerin aus, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass nach § 4 Abs. 1 der Satzung der Antragsgegnerin in der Fassung vom 6.12.2005 sonstige Fehlbeträge neben den ausgezahlten Gewinnen unberücksichtigt blieben. Die Bemessungsgrundlage sei daher unwirksam. Die Mindeststeuerregelung führe im Übrigen im Falle eines negativen oder neutralen Einspielergebnisses zu einer unzulässigen Substanzbesteuerung. Die Satzung bewege sich auch nicht in dem von § 105 Abs. 2 a des Grundgesetzes - GG - vorgegebenen Rahmen. Bei einer Veranlagung in Höhe von 15 % handele es sich nicht mehr um eine Bagatellsteuer, sondern sie stelle sich als (Automaten-) Umsatzsteuererhebung dar. Insoweit verstoße die Satzung der Antragsgegnerin auch gegen europäisches Gemeinschaftsrecht, da sie den Waren- und Dienstleistungsverkehr in einer der Mehrwertsteuer vergleichbaren Weise belaste. Zudem komme der Satzungsregelung erdrosselnde Wirkung zu; sie verstoße gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Der Stadtrat der Antragsgegnerin habe den Steuersatz nicht unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Grundlagen und unter Einbeziehung und Abwägung der Interessen der Steuerpflichtigen festgesetzt.
Die innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO von der Antragstellerin dargelegten Gründe führen nicht zu einem Erfolg der Beschwerde. Sie geben zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung keinen Anlass.
Der Senat teilt nicht die Auffassung der Antragstellerin zur Unbestimmtheit der Steuerbemessungsgrundlage in § 4 Abs. 1 der Satzung der Antragsgegnerin. § 4 Abs. 1 Satz 2 definiert das Einspielergebnis als Gesamtbetrag der eingesetzten Spielbeträge und stellt heraus, dass es sich dabei um den Spieleinsatz handelt. Damit ist schon dem Wortlaut nach offensichtlich, dass die in der von der Antragstellerin zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf (Urt. v. 7.4.2006 - 25 K 1327/05 -, juris) bei wortidentischer Satzungsregelung als unberücksichtigt geblieben angesehenen Geldbeträge für die Röhrenauffüllung (= Wechsel- und Auszahlgeld) und Prüftestgeld nicht erfasst werden, denn bei ihnen handelt es sich gerade nicht um eingesetzte Spielbeträge. Auch Falschgeld und sonstige Fehlbeträge werden hiervon nicht erfasst, denn ein Spieleinsatz dient nur der ordnungsgemäßen Benutzung des Spielautomaten. Dass dieses Normverständnis auch dem Willen des Satzungsgebers entspricht, wird durch die in § 6 Abs. 6 Satz 2 der Satzung in der Fassung vom 6.12.2005 getroffene Regelung belegt. Danach hat der Automatenaufsteller als Steuerschuldner seiner Anmeldung der Einspielergebnisse nach § 4 Abs. 1 die Zählwerkausdrucke beizufügen, die u.a. die Geldbilanz einschließlich nachgefüllter Beträge, Falschgeld, Fehlgeld etc. ausweisen müssen. Diese Beifügung dient der Ermöglichung einer Kontrolle der korrekten Ermittlung des angezeigten Einspielergebnisses und soll seine Berechnung, nämlich auch den insoweit bereits erfolgten Abzug der genannten Beträge nachvollziehbar machen. Vom Einspielergebnis sind dann nur noch die ausgezahlten Gewinne in Abzug zu bringen.
Soweit die Antragstellerin geltend macht, dass es über die Mindeststeuerregelung in § 4 Abs. 1 Satz 1 der Satzung zu einer Substanzbesteuerung ihres Unternehmens kommen könne, wenn einzelne Automaten keine über dem Mindeststeuersatz liegenden Einspielergebnisse erzielten, führt dies nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide. Denn es ist legitim, mit der Spielautomatensteuer auch eine Eindämmung der Spielsucht als Lenkungszweck zu verfolgen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 1.3.1997 - 2 BvR 1599/89 -, NVwZ 1997, 573; ThürOVG, Beschl. v. 19.12.2002 - 4 EO 489/02 -, KStZ 2004, 71). Hierzu kommt neben einer Pauschalsteuer als Auffangsteuer (vgl. BVerwG, Urt. v. 3.3.2004 - 9 C 3.03 -, BVerwGE 120, 175 [184 ff.]) auch eine stückzahlbezogene, spieleinsatzunabhängige Mindeststeuer in Betracht (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.4.2005 - 10 C 5.04 -, BVerwGE 123, 218). Anhaltspunkte dafür, dass der von der Antragsgegnerin gewählte Ersatzmaßstab für die Mindeststeuer dazu führt, den primären, den Vergnügungsaufwand der Spieler angemessen abbildenden Maßstab in seiner tatsächlichen Besteuerungswirkung in Frage zu stellen, sind nach summarischer Prüfung nicht feststellbar.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin mit ihrer Satzung ihre Normsetzungskompetenz überschritten hat. Der Antragstellerin ist zuzugeben, dass Art. 105 Abs. 2 a GG den kommunalen Satzungsgeber auf Bagatellsteuern mit örtlich begrenztem Wirkungskreis beschränkt und die Steuer deswegen aufkommensgering und nicht ausgleichsrelevant zu konzipieren ist. Der hier in der Satzung festgesetzte Steuersatz in Höhe von 15 % begegnet auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragstellerin keinen rechtlichen Bedenken. Ob eine als Vergnügungssteuer erhobene Abgabe als im Einklang mit Art. 105 Abs. 2 a GG stehend zu qualifizieren ist, bestimmt sich nach ihrem Steuertatbestand, ihrem Steuermaßstab und ihrer wirtschaftlichen Auswirkung (vgl. BVerfG, Teil-Urt. v. 10.5.1962 - 1 BvL 31/58 -, BVerfGE 14, 76 [91]). Hinsichtlich des Steuersatzes ist es Aufgabe des Satzungsgebers, die tatsächlichen Grundlagen der Besteuerung sorgfältig zu ermitteln und unter Beachtung der Bruttoeinnahmen und Abwägung der Interessen aller betroffenen angemessene Steuersätze zu finden. Dass der Stadtrat der Antragstellerin den Steuersatz in Höhe von 15 % unter Außerachtlassung dieser Grundsätze festgelegt hat, ist von der Antragstellerin nicht vorgetragen worden. Vielmehr geht sie davon aus, dass eine Veranlagung von 15 % des Einspielergebnisses generell unzulässig sei. Dem folgt der Senat nicht.
Die prozentuale Besteuerung des Einspielergebnisses lässt nach summarischer Prüfung auch keinen Rechtsverstoß erkennen. Insbesondere stellt sich eine in dieser Form erhobene Vergnügungssteuer nicht von vornherein als Automatenumsatzsteuer dar. Denn der Umstand, dass das Einspielergebnis lediglich als Bemessungsgrundlage verwendet wird, ändert nichts am Charakter der Steuer als Vergnügungssteuer. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 3.5.2001 (- 1 BvR 624/00 -, NVwZ 2001, 1264) sinngemäß ausgeführt, die Frage, ob die Besteuerung von Spielautomaten an dem individuellen wirklichen Vergnügungsaufwand als sachgerechtem Maßstab ausgerichtet werden müsse, der sich wiederum in dem mit dem jeweiligen Gerät konkret erzielten Umsatz widerspiegele, werde der Satzungsgeber für die künftige Besteuerung einer erneuten Prüfung zu unterziehen haben. Daraus folgt, dass das Einspielergebnis grundsätzlich als zulässiger Maßstab für die Vergnügungssteuer in Betracht kommen kann.
Es ist auch ist nicht ersichtlich, dass eine auf der Bemessungsgrundlage des Einspielergebnisses erhobene Vergnügungssteuer europarechtswidrig wäre, insbesondere gegen Art. 33 der Richtlinie 77/388/EWG (6. EG-Richtlinie) verstoßen würde. Nach dieser Norm hindern die Bestimmungen dieser Richtlinie unbeschadet anderer Gemeinschaftsbestimmungen einen Mitgliedstaat zunächst nicht daran, Abgaben auf Versicherungsverträge, auf Spiele und Wetten, Verbrauchssteuern, Grunderwerbssteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen. Die von der Antragsgegnerin erhobene Steuer erfüllt nicht die Merkmale einer Umsatzsteuer insoweit, als sie nicht allgemein für alle Gegenstände und Dienstleistungen, sondern nur für bestimmte Spielgeräte bzw. ihre Nutzung erhoben wird. Gerade die allgemeine Ausrichtung der Steuer setzt aber Art. 33 der genannten Richtlinie voraus. Des Weiteren wird die Vergnügungssteuer nicht auf jeder Stufe der Erzeugung und des Vertriebs erhoben. Die Vergnügungssteuer knüpft ausschließlich an die Benutzung der Automaten, nicht aber an ihre Herstellung oder ihren Verkauf an. Die "Allgemeinheit" der europäischen Umsatzsteuer besteht jedoch gerade darin, dass der gesamte Waren- und Dienstleistungsverkehr von ihr betroffen wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.12.1999 - 11 CN 3.99 -, NVwZ 2000, 933; ThürOVG, Beschl. v. 19.12.2002 - 4 EO 489/02 -, KStZ 2004, 71; a.A. NiedersOVG, Beschl. v. 1.3.2006 - 13 ME 480/05 -, NVwZ 2006, 1316). Diese Sichtweise kommt auch in den von der Antragstellerin zitierten Entscheidungen des EuGH (vgl. nur Urt. v. 9.3.2000 - Rs C 437/97, Slg 2000 I-157[I-1200]) zum Ausdruck.
Schließlich ist auch eine zu einem Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG führende Erdrosselungswirkung der von der Antragsgegnerin erhobenen Vergnügungssteuer nach summarischer Prüfung nicht feststellbar. Sie greift nicht in unzulässiger Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit ein. Das wäre erst der Fall, wenn die Vergnügungssteuer dazu führe, dass die betroffenen Automatenaufsteller in aller Regel und nicht nur in Ausnahmefällen wirtschaftlich nicht mehr in der Lage sind, ihren Beruf als Spielautomatenaufsteller zur Grundlage ihrer Lebensführung zu machen. Zwar ist der Automatenaufsteller Steuerschuldner, doch wird mit der Steuer der Aufwand der Spieler als Indiz seiner wirtschaftlichen Leistungskraft besteuert (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.4.2005 - 10 C 5.04 -, BVerwGE 123, 218 [227]; Urt. v. 22.12.1999 - 11 CN 3/99 -, NVwZ 2000, 933; Urt. v. 24.3.1998 - 3 C 48/86 -, Buchholz 451.512 MGVO Nr. 4, 22 [30]). Daraus folgt, dass die Steuer vom Steuerschuldner über den Spieleinsatz auf den Spieler abgewälzt werden soll. Die Gemeinde bewegt sich nur dann außerhalb der ihr für die Erhebung der Vergnügungssteuer gesetzten Grenzen, wenn im Regelfall, das heißt in Ansehung aller Steuerpflichtigen, eine Abwälzung der Steuer auf die Spieler nicht durchführbar ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 7.1.1998 - 8 B 228.97 -, NVwZ-RR 1998, 672). Hierzu hat die Antragstellerin jedoch nichts vorgetragen. Es ist nach summarischer Prüfung auch sonst nicht erkennbar, dass die Vergnügungssteuer der Antragsgegnerin in ihrem Stadtgebiet zu einem Verschwinden oder nennenswerten Rückgang der Spielautomaten geführt hat. Ob die von der Antragstellerin betriebenen Automaten rentabel geführt werden können, spielt dagegen keine Rolle. Auch insoweit ist ihr Vorbringen zudem jedenfalls unsubstanziiert geblieben.
Im Hinblick auf eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide im Einzelnen hat die Antragstellerin nichts vorgetragen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 3 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG -. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, in Anlehnung an Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 7./8.7.2004 den Streitwert in abgabenrechtlichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mit einem Viertel des in der Hauptsache nach § 52 Abs. 3 GKG festzusetzenden Streitwertes zu bemessen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Ende der Entscheidung
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