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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 08.04.2003
Aktenzeichen: 5 BS 365/02
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB


Vorschriften:

VwGO § 42 Abs. 2
VwGO § 80 Abs. 5
BauGB § 154 Abs. 1 Satz 1
BauGB § 169 Abs. 1 Nr. 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 5 BS 365/02

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Ausgleichsbeitrags für städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen, Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schaffarzik

am 8. April 2003

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 15. August 2002 - 6 K 1927/01 - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 555.775,- Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 15.8.2002 ist zulässig, aber sachlich nicht begründet. Die mit der Beschwerde dargelegten Grunde rechtfertigen keine Änderung des Beschlusses, mit dem das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 18.9.2001 über die Erhebung eines Ausgleichsbeitrags für städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen im Sinne von § 154 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 169 Abs. 1 Nr. 7 BauGB in Höhe von 4.348.020,- DM abgelehnt hat.

Die Antragstellerin führt die Firma mbH & Co KG und hat ihren Sitz in Eigentümerin des streitbefangenen Grundstücks ist die Firma "mbH & Co KG" mit Sitz in. Persönlich haftende Gesellschafterin beider Kommanditgesellschaften ist die Firma "mbH" mit Sitz in, deren Geschäftsführer Herr Dr. ist. Der angegriffene Beitragsbescheid bezeichnet im Adressfeld als Empfängerin mbH & Co KG, vertreten durch die mbH, diese vertreten durch Herrn Geschäftsführer Dr. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, der Antrag sei mangels Antragsbefugnis unzulässig, da der Bescheid an die Firma mbH & Co. KG mit Sitz in, nicht hingegen an die Antragstellerin, die Firma mbH & Co. KG mit Sitz in gerichtet sei.

Die Antragstellerin wendet dagegen ein, die Antragsgegnerin habe in dem Bescheid nicht klargestellt, welche der beiden ihr bekannten Gesellschaften Adressatin des Verwaltungsakts sein solle. Diese Unklarheit müsse sich zu Lasten der Antragsgegnerin auswirken. In dem Beschluss des Verwaltungsgerichts liege eine den Verfassungsgrundsatz des fairen Verfahrens verletzende Überraschungsentscheidung, weil die Antragsbefugnis zwischen den Beteiligten nicht streitig und auch nicht Gegenstand der "mündlichen Verhandlung" gewesen sei. Das Verwaltungsgericht hätte auf etwaige Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit hinweisen müssen. Ferner äußert sich die Antragstellerin zur Begründetheit des Antrags.

Diese Darlegungen lassen keine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht erkennen. Auch der Senat kommt bei summarischer Prüfung zu dem Ergebnis, dass der Antrag unzulässig ist, weil der Antragstellerin die entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Antragsbefugnis fehlt. Sie kann durch den Bescheid der Antragsgegnerin vom 18.9.2001 nicht in ihren Rechten verletzt sein, weil dieser nicht an sie, sondern an die Firma mbH & Co. KG mit Sitz in gerichtet ist.

Nur bei isolierter Betrachtung der Angaben im Adressfeld des Bescheids könnten Zweifel darüber bestehen, für welche der beiden dieselbe Firma führenden Gesellschaften - die allerdings als Kommanditgesellschaften entgegen der Qualifizierung durch das Verwaltungsgericht keine juristischen Personen sind (vgl. § 14 Abs. 1 BGB und dazu Vollkommer in: Zöller, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 50 RdNr. 17 a) - er bestimmt ist. Dies ergibt sich jedoch eindeutig aus der Begründung, die ebenso wie die anderen Teile des Bescheids ein geeigneter Anknüpfungspunkt für die Ermittlung seines Inhalts, hier der Verpflichtungsadressatin der Beitragserhebung, sein kann (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 37 RdNr. 12). Gleich zu Beginn der Sachverhaltsschilderung, des ersten Teils der Begründung, stellt die Antragsgegnerin klar, dass der Bescheid an die im Grundbuch als Eigentümerin eingetragene - und damit grundsätzlich als Beitragsschuldnerin heranzuziehende (vgl. § 154 Abs. 1 Satz 1 BauGB) - Firma mbH & Co KG mit Sitz in gerichtet ist. Außerdem stand die Antragsgegnerin bzw. die von ihr beauftragte GmbH zuvor ausschließlich zu dieser Gesellschaft in Verbindung. Das war der Antragstellerin aufgrund der Identität der sie vertretenden persönlich haftenden Gesellschafterin mit derjenigen der Firma mbH & Co. KG mit Sitz in auch bekannt.

Über die Adressatin des Bescheids konnte bei der Antragstellerin mithin keine Unklarheit entstehen.

Im Übrigen gab es angesichts der Firmenidentität der beiden Gesellschaften für die Antragsgegnerin auch keine andere Möglichkeit, als die nähere Konkretisierung der Adressatin an anderer Stelle in dem Bescheid vorzunehmen. Denn das einzige Unterscheidungskriterium, der Sitz der Gesellschaft in, ist nicht Bestandteil der Firma der Adressatin. Ihre Bezeichnung im Adressfeld des Bescheids ist somit völlig korrekt. Die Antragsgegnerin war auch nicht gehalten, statt der Anschrift in eine Adresse anzugeben, weil nach den - von der Antragstellerin nicht angegriffenen - Feststellungen des Verwaltungsgerichts bei den vorherigen Vereinbarungen und im Schriftverkehr zwischen ihr bzw. der GmbH und der Firma mbH & Co. KG mit Sitz in stets nur die Adresse in verwendet wurde, wo die persönlich haftende Gesellschafterin der Adressatin des Bescheids ihren Sitz hat.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts stellt keine mit den verfassungsrechtlichen Garantien des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 78 Abs. 2 SächsVerf) und eines fairen gerichtlichen Verfahrens (Art. 78 Abs. 3 Satz 1 SächsVerf) unvereinbare Überraschungsentscheidung dar. Insbesondere in einem in besonderem Maße dem Beschleunigungsgrundsatz verpflichteten Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes muss das Verwaltungsgericht die Beteiligten grundsätzlich nicht eigens von den rechtlichen Gesichtspunkten, auf die es seine Entscheidung zu stützen beabsichtigt, in Kenntnis setzen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme geben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 5.11.1986, BVerfGE 74, 1 [5]). Ob das auch dann gilt, wenn in einem Eilverfahren eine mündliche Verhandlung stattfindet, kann hier auf sich beruhen, weil der Beschluss ohne vorherige mündliche Verhandlung ergangen ist (vgl. § 101 Abs. 3 VwGO). Die im Termin vom 19.6.2002 erfolgte Erörterung des Sach- und Streitstands (vgl. § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO) steht einer mündlichen Verhandlung nicht gleich, weil sie regelmäßig nur vorbereitenden Charakter hat und der Sach- und Streitstand insoweit nicht zwingend vollständig durchdrungen werden muss. Außerdem ist der Erörterungstermin allein von der Berichterstatterin durchgeführt worden. Die - mangels Übertragung des Rechtsstreits auf die Einzelrichterin (§ 6 VwGO) - für die Entscheidung zuständige Kammer - missverständlich ist daher die Angabe in der Niederschrift, mit der die Berichterstatterin als Einzelrichterin bezeichnet wird - war bei ihrer Beschlussfassung nicht auf die in dem Termin erörterten Gesichtspunkte beschränkt. Eine Überraschungsentscheidung liegt überdies schon deshalb nicht vor, weil die Antragstellerin in ihrer Antragsschrift vorgetragen hat, dass der Bescheid nicht an sie, sondern an die Firma mbH & Co. KG mit Sitz in als Eigentümerin des Grundstücks zu richten gewesen wäre. Auf diese Weise hat sie die durch die Firmenidentität hervorgerufene Problematik der Adressatin des Bescheids selbst in das Verfahren eingeführt. Deshalb musste sie damit rechnen, dass das Verwaltungsgericht diesen Aspekt aufgreifen und eigenständig rechtlich würdigen würde, zumal die Antragsgegnerin auf das betreffende Vorbringen erwidert hat.

Auf das Beschwerdevorbringen zur Begründetheit des Antrags ist nicht einzugehen, weil die betreffenden Darlegungen angesichts der Unzulässigkeit des Antrags nicht entscheidungserheblich sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 14 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 3 und § 25 Abs. 2 Satz 1 GKG. Der Senat legt in Abgaben betreffenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ein Viertel des jeweiligen Betrags zugrunde.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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