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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 24.05.2006
Aktenzeichen: 5 BS 52/06
Rechtsgebiete: SächsStrG


Vorschriften:

SächsStrG § 6
1. Die Verlängerung einer öffentlichen Straße bedarf der förmlichen Widmung nach § 6 Abs. 1 SächsStrG. Sie stellt keinen Anwendungsfall für eine Fiktion nach § 6 Abs. 5 SächsStrG dar.

2. Ein Bekanntmachungsfehler führt nicht zur Nichtigkeit einer Widmung.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 5 BS 52/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Rückbau eines Revisionsschachtes sowie eines Zaunes und die Entfernung von Anpflanzungen im Bereich eines Weges; Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schaffarzik, den Richter am Verwaltungsgericht Büchel und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Schmidt-Rottmann

am 24. Mai 2006

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 17. Januar 2006 - 3 K 1759/05 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 17.1.2006, mit dem dieses seinen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage - 3 K 1687/05 - gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 7.6.2004 in Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 29.6.2005 abgelehnt hat, ist unbegründet. Die von ihm mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf die nach § 146 Abs. 4 Satz 6 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - allein einzugehen ist, rechtfertigen keine Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers mit der Begründung abgelehnt, dass die Voraussetzungen für eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht vorlägen. Die Antragsgegnerin habe das öffentliche Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des angefochtenen Bescheids hinreichend begründet. Die Begründung sei einzelfallbezogen und nicht formelhaft erfolgt. Auf die Frage, ob die von der Behörde genannten Gründe inhaltlich zuträfen, komme es für das Erfordernis einer formalen Begründung nicht an. Die von der Antragsgegnerin verfügte Beendigung der unerlaubten Benutzung des Weges durch den Antragsteller sei nicht zu beanstanden. Sie finde ihre Rechtsgrundlage in § 20 Abs. 1 des Sächsischen Straßengesetzes - SächsStrG -. Bei dem betroffenen Streckenabschnitt des Weges handele es sich um eine öffentliche Straße i.S.d. § 3 Abs. 1 SächsStrG, die vom Antragsteller unerlaubt benutzt werde. Der Weg sei seit dem 12.6.1998 auch im maßgeblichen Abschnitt als Ortsstraße im Bestandsverzeichnis der Antragsgegnerin eingetragen. Zwar dürfte es sich bei der Verlängerung des Weges um mehr als die Hälfte seiner zuvor als öffentliche Straße gewidmeten Länge nicht um eine unerhebliche Ergänzung des Weges handeln, jedoch sei die Widmung bestandskräftig geworden. Der Revisionsschacht, die Einfriedung des Grundstücks, die Anpflanzungen und die Teichanlage würden nicht vom straßenrechtlichen Gemeingebrauch erfasst und stellten eine unerlaubte Sondernutzung durch den Antragsteller dar. Eine Erlaubnis sei nicht im Zuge der Ortsbegehung am 2.6.1997 erteilt worden. Das Notwegerecht, auf das der Antragsteller sich stütze, sei jedenfalls 1998 erloschen, nachdem das bis dahin schon im Eigentum der Antragsgegnerin stehende Flurstück F1 als öffentlicher Verkehrsraum gewidmet worden sei. Das Bestätigungsschreiben der Antragsgegnerin vom 13.6.1997 habe sich nur auf den Straßenzustand im Zusammenhang mit § 2 des Vertrages zwischen den Beteiligten bezogen. Die Errichtung des Revisionsschachts und des Teiches, die Einfriedung des Grundstücks und die Anpflanzungen habe der Antragsteller auch nicht in Ausübung seines Notwegerechts vorgenommen, zumal sich ein Teil der Anlagen auf dem nicht vom Notwegerecht erfassten Teil dieses Grundstücks befinde. Durch keine Erlaubnis gedeckte und den Gemeingebrauch überschreitende Benutzungen öffentlichen Verkehrsraums seien regelmäßig zu unterbinden, ohne dass es ins Einzelne gehender Ermessenserwägungen bedürfe. Es reiche das bloße Fehlen einer erforderlichen formellen Erlaubnis aus, um eine Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes anzuordnen.

Zur Begründung seiner Beschwerde führt der Antragsteller aus, der Beschluss des Verwaltungsgerichts sei schon rechtswidrig, weil die formellen Begründungsvoraussetzungen für eine Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nicht vorlägen. Die im Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin enthaltene Begründung lasse eine Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses für eine nur ausnahmsweise anzuordnende sofortige Vollziehbarkeit nicht erkennen. Die Antragsgegnerin hätte weitere Gründe darlegen müssen, welche es erforderlich erscheinen ließen, eine rechtskräftige Entscheidung in der Hauptsache nicht abzuwarten. Es fehle an einer besonderen Dringlichkeit. Der Umstand, dass durch die angegriffene Verfügung der rechtswidrige Zustand beendet und die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs wieder gewährleistet werde, liege in der Natur der Sache, begründe jedoch keine besondere Dringlichkeit. Im Übrigen seien die von der Antragsgegnerin angeführten Gründe schon nicht geeignet, um ein besonderes öffentliches Interesse an einer sofortigen Vollziehbarkeit zu bejahen. Das Verwaltungsgericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Abschnitt des Weges um eine öffentliche Straße handele. Es fehle jedoch an der erforderlichen öffentlichen Bekanntmachung der Widmung, so dass keine öffentliche Straße i.S.v. § 3 SächsStrG vorliege. Damit scheide § 20 Abs. 1 Satz 1 SächsStrG als Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid aus. Wenn man eine wirksame Widmung annehme, sei diese in dem Zustand erfolgt, wie sich die Straße jetzt darstelle, d. h. mitsamt dem Revisionsschacht, der Einfriedung, der Teichanlage und den Anpflanzungen. Somit fehle es an einer rechtswidrigen Nutzung durch den Antragsteller. Die Benutzung des Flurstücks F2 als Teil des vormaligen Flurstücks F1 durch den Antragsteller stelle auch im Übrigen keine unerlaubte Nutzung dar. Mit dem Schreiben vom 13.6.1997 habe die Antragsgegnerin diese Nutzung insgesamt abgenommen. Maßgeblich sei der Empfängerhorizont. Der Antragsteller habe das Schreiben vom 13.6.1997 nicht anders verstehen können, als sich die von ihm errichteten Anlagen auf seinem eigenen Grund und Boden befänden und dies von der Antragsgegnerin bestätigt werden sollte. Entsprechend den Vereinbarungen zum Notwegerecht habe er nach Beendigung seiner Baumaßnahmen den vertragsmäßigen Zustand des Weges einschließlich der seitlichen Einfriedung wiederhergestellt. Schließlich habe die Standortbestimmung für den Revisionsschacht auf einem Fehler der Antragsgegnerin beruht. Deswegen sei auch nicht nachvollziehbar, wenn das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit auch hinsichtlich des Rückbaus des Revisionsschachts auf Kosten des Antragstellers für rechtens erachtet habe. Es sei dem Antragsteller nicht zuzumuten, den Revisionsschacht zu beseitigen, um sodann eine Erstattung der Kosten im Wege eines Schadensersatzanspruchs gegenüber der Antragsgegnerin durchzusetzen. Die Anlagen des Antragstellers beeinträchtigten schließlich auch nicht die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, nachdem die Antragsgegnerin angekündigt habe, die bei Durchsetzung ihrer Verfügung frei werdenden Flächen mit Solitärstauden bepflanzen zu wollen. Eine Beeinträchtigung sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt fehlender Wendemöglichkeiten zu sehen, da der vorhandene Platz für das Wenden von PKW ohne weiteres ausreiche. Auch im Falle eines Rückbaus sei hingegen im Gegenzug ein Wenden von LKW nicht möglich. Der Antragsteller habe sich keine ihm nicht zustehende Rechtsposition angemaßt. Das Dilemma liege allein im Verantwortungsbereich der Antragsgegnerin, die den fehlerhaften Standort des Revisionsschachts durch ihre Fehlberechnung verursacht habe.

Dieses Vorbringen greift nicht durch. Zunächst hat der Senat keine Bedenken im Hinblick auf das Vorliegen der formalen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit im Widerspruchsbescheid vom 29.6.2005.

Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Hierbei handelt es sich um eine spezialgesetzliche Ausprägung der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Verpflichtung, behördliche Eingriffsakte zu begründen (vgl. BVerfG, Urt. v. 16.1.1957 - 1 BvR 253/56 -, BVerfGE 6, 32 [44]). Erforderlich ist eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses dafür, dass ausnahmsweise die sofortige Vollziehbarkeit notwendig ist und hinter dieses erhebliche öffentliche Interesse das Interesse des Betroffenen zurücktreten muss, zunächst von dem von ihm angefochtenen Verwaltungsakt verschont zu bleiben. Darzulegen sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe, die im konkreten Fall ein Vollziehungsinteresse ergeben. Maßgeblich ist das, was die Behörde in ihrer Begründung zur Anordnung der Vollziehbarkeit anführt; es ist nicht Sache des Gerichts, eigene Erwägungen anzustellen, die das Vollzugsinteresse rechtfertigen könnten. Als Begründung genügt nicht eine formularmäßig verwandte allgemeine Begründung (vgl. HessVGH, Beschl. v. 22.10.1982 - IV TH 36/82 -, DÖV 1983, 386), die Verwendung stereotyper, formelhafter, allgemeiner und daher nichts sagender Wendungen oder Hinweise darauf, dass bei Verwaltungsakten wie dem vorliegenden stets die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet werde (vgl. OVG NW, Beschl. v. 5.9.1983 - 14 B 1436/83 -, ZMR 1984, 143), die Berufung auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes (vgl. HessVGH, Beschl. v. 29.3.1985 - 5 TH 1217/84 -, NVwZ 1985, 918) oder die für ihn gegebene Begründung (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 80 RdNr. 85), die Wiederholung des Textes des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO oder der Verweis auf allgemeine Verwaltungsvorschriften (Finkelnburg, in: Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren, 4. Aufl. 1998, RdNr. 756). Abstriche beim Begründungserfordernis sind zulässig, wenn eine Deckungsgleichheit der Gründe des Grundverwaltungsaktes und der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit vorliegt (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 23.2.1993 - 3 S 2/93 -, SächsVBl. 1993, 277). Insoweit reduziert sich jedoch nicht das Begründungserfordernis zum besonderen öffentlichen Interesse, sondern die Gründe für den Erlass des Grundverwaltungsakts tragen dieses bereits in sich (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.9.1986 - 2 BvR 744/86 -, NVwZ 1987, 403).

Die Antragsgegnerin hat in ihrem Widerspruchsbescheid zur Begründung ausgeführt, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Beendigung des rechtswidrigen Zustandes und an der Wiederherstellung von Sicherheit und Ordnung und rechtmäßiger Zustände zur Gewährleistung von Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf dem Weg das private Interesse des Antragstellers an einem vorläufigen Verschontbleiben von den Folgen des Verwaltungsakts überwiege. Diese Begründung entspricht noch den genannten formalen Anforderungen. Die Antragsgegnerin stellt auf den konkreten Einzelfall ab und legt wesentliche tatsächliche und rechtliche Gründe dar, aus denen sich ein überwiegendes öffentliches Interesse ergeben kann. Zwar ist die Begründung sehr knapp gehalten; dennoch beschränkt sich die Antragsgegnerin nicht auf stereotype, formelhafte, allgemeine und daher nichts sagende Wendungen u. ä., sondern stellt insbesondere auf die Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs im Weg ab.

Die Anordnung der Vollziehbarkeit begegnet auch keinen materiell-rechtlichen Bedenken. Sie erfordert ein besonderes Vollzugsinteresse, das über jenes hinausgeht, welches den Verwaltungsakt selbst trägt. Zu berücksichtigen sind nicht nur das spezielle Interesse der anordnenden Behörde, sondern auch die Interessen des Betroffenen und darüber hinaus auch alle sonstigen betroffenen öffentlichen oder privaten Interessen, sofern sie in untrennbarem Zusammenhang mit der Vollziehungsanordnung stehen. Insbesondere die Dringlichkeit des Vollzugs ist von Bedeutung. Besondere öffentliche Interessen sind daher anzunehmen, wenn besondere Gefahrensituationen bestehen, denen durch den Verwaltungsakt begegnet werden soll. Zwar haben Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs nicht allein schon wegen ihrer Zielsetzung Vorrang vor sonstigen Interessen, doch kann eine entsprechende Gefahr zu einer Gewährleistungspflicht führen.

Auch diesen Anforderungen genügt die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Antragsgegnerin. Ausgehend davon, dass die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs im Weg nicht mehr gewährleistet war, hat die Antragsgegnerin die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit ausgesprochen; somit nicht nur, um eine Verbesserung herbeizuführen, sondern um sie überhaupt wieder zu gewährleisten. Jedenfalls stellt die (Wieder-) Herstellung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs einen Ordnungs- und Gefährdungsaspekt dar, der ein unter Dringlichkeitsaspekten besonderes öffentliches Interesse begründen und eine Vollziehbarkeitentscheidung ohne weiteres tragen kann. Dem ist hier Genüge getan. Darüber hinaus überwiegt das Vollziehungsinteresse das Aussetzungsinteresse, weil der angefochtene Bescheid nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht rechtswidrig erscheint.

Rechtsgrundlage für die Verfügung der Antragsgegnerin ist § 20 Abs. 1 Satz 1 SächsStrG. Danach kann die Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung einer unerlaubten Nutzung einer öffentlichen Straße anordnen. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei dem Weg in seiner gesamten Länge um eine öffentliche Straße handelt. Zwar ist dem Antragsteller zuzugeben, dass es sich bei der im Jahr 1997 erfolgten Verlängerung des Weges wohl nicht um einen Bagatellfall von unerheblicher Bedeutung gehandelt hat (vgl. Marschall/Schroeter/Kastner, Bundesfernstraßengesetz, 5. Aufl. 1998 § 2 RdNr. 34 m.w.N.), so dass es einer öffentlichen Bekanntmachung der Widmung bedurft hätte. Die Antragsgegnerin ist hingegen von einer Fiktion nach § 6 Abs. 5 SächsStrG ausgegangen. Der Bekanntmachungsfehler führt jedoch nicht zur Nichtigkeit der Widmung. Die fingierte Widmung eines unerheblichen Straßenteils ist grundsätzlich einer förmlichen Widmung gleichzustellen. Indes wird der Verwaltungsakt mangels ordnungsgemäßer öffentlicher Bekanntmachung erst wirksam, wenn der Betroffene von ihm tatsächlich Kenntnis erlangt oder hätte erlangen können, was sich letztlich aus § 43 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG - i.V.m. § 1 SächsVwVfG ergibt (vgl. Marschall/Schroeter/Kastner, Bundesfernstraßengesetz, 5. Aufl. 1998, § 2 RdNr. 40 m.w.N.). Es ist davon auszugehen, dass ein Betroffener sich nicht darauf berufen kann, die fiktive Widmung sei ihm nicht bekannt gegeben worden, wenn er auf andere Weise sichere Kenntnis von der sie auslösenden Verkehrsübergabe erlangt hat oder hätte erlangen können. Nichts anderes kann bei der hier gegebenen Fallkonstellation gelten. Spätestens mit der "Abnahme" am 2.6.1997 und dem im Nachgang unter dem 13.6.1997 erstellten Schreiben der Antragsgegnerin musste dem Antragsteller klar sein, dass es sich auch bei der Verlängerung des Weges um eine öffentliche Straße handelt. Selbst wenn man wegen der fehlenden öffentlichen Bekanntmachung von einer Rechtswidrigkeit der Widmung ausgehen würde, bleibt ihre Wirksamkeit unberührt.

Der Antragsteller muss diese rechtswidrige Widmung auch gegen sich gelten lassen, denn sie ist jedenfalls ihm gegenüber bestandskräftig geworden. Auf Grund der prozessualen Gleichbehandlung mit der öffentlich bekannt gemachten Widmung nach § 6 Abs. 1 SächsStrG finden die Vorschriften über die Anfechtung von Verwaltungsakten auf die fiktive Widmung nach § 6 Abs. 5 SächsStrG entsprechend Anwendung. Dies gilt auch hinsichtlich der Fristen nach § 70 VwGO bzw. § 74 VwGO. Dabei kann dahinstehen, ob § 58 Abs. 2 VwGO, wonach im Falle einer unterbliebenen oder unrichtig erteilten Rechtsbehelfsbelehrung anstelle der Monatsfrist eine Jahresfrist gilt, auch in Fällen Anwendung findet, in denen einem Betroffenen die Entscheidung nicht oder nicht in der vorgegebenen Weise bekannt gegeben wurde, (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 58 RdNr. 17 m.w.N.). Denn auch wenn man § 58 Abs. 2 VwGO für nicht anwendbar hielte, wäre spätestens nach Ablauf eines Jahres vom Zeitpunkt der zuverlässigen Verschaffung der Möglichkeit der Kenntnisnahme von der Widmung an gerechnet die Anfechtungsmöglichkeit verwirkt (vgl. Schulze, Die fiktive Widmung durch Verkehrsübergabe, Diss. 1994, S. 164). Der Antragsteller hätte daher spätestens ein Jahr nach Erhalt des Schreibens vom 13.6.1997 ein Rechtsmittel gegen die Widmung einlegen müssen. Diese Frist hat er versäumt, so dass er sich auf eine Rechtswidrigkeit der Widmung nicht mehr berufen kann.

Der Senat folgt weiter nicht der Auffassung des Antragstellers, die Widmung des Weges als öffentliche Straße sei in dem bestehenden Umfang erfolgt, also einschließlich des Revisionsschachts, der Einfriedung, der Teichanlage und der Anpflanzungen. Denn der Inhalt der Widmung beschränkt sich auf die Eigenschaft einer öffentlichen Straße im Sinne des Wegerechts, ihre Einstufung in eine der gesetzlich vorgesehenen Straßenklassen, die Art der zulässigen Benutzung sowie die Bestimmung des zuständigen Straßenbaulastträgers (vgl. Herber, in: Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6. Aufl. 1999, Kap. 7 RdNr. 2). Maßgeblich ist insoweit, welche Grundstücksflächen der Träger der Straßenbaulast unterwerfen will. Soll nur ein Teil eines Grundstücks der Widmung unterfallen, so müssen die Grenzen eindeutig festgelegt sein. Fehlt es an einer solchen Festlegung, ist im Zweifel davon auszugehen, dass das gesamte Grundstück als öffentliche Straße gewidmet werden soll. Hier hatte die Antragsgegnerin zunächst verkannt, dass die mit dem Revisionsschacht, der Einfriedung, der Teichanlage und den Anpflanzungen des Antragstellers belegten Flächen Teil des Flurstücks F2 (vormals F3 ) sind. Sie hat jedoch in Ermangelung einer besonderen Festlegung der Grenzen des öffentlichen Verkehrsraumes das gesamte Flurstück der Fiktionswirkung des § 6 Abs. 5 Abs. 1 SächsStrG unterwerfen wollen. Damit sind auch der Revisionsschacht, die Einfriedung und die Anpflanzungen nunmehr in der öffentlichen Straße belegen. Hierdurch sind sie jedoch nicht selbst zur öffentlichen Sache geworden. Vielmehr erfasst die Widmung neben dem der Straße dienenden Grundstück nur die Bestandteile, das Zubehör und die Rechtsbeziehungen, die zur Erhaltung und Benutzung der Straße erforderlich sind (vgl. Herber, in: Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6. Aufl. 1999, Kap. 7 RdNr. 3). Hierzu zählen weder der Revisionsschacht, noch die Einfriedung, die Teichanlage oder die Anpflanzungen des Antragstellers.

Entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers stellen der Revisionsschacht, die Einfriedung und die Anpflanzungen eine unerlaubte Sondernutzung öffentlichen Verkehrsraumes dar. Selbst wenn man bei dem Schreiben vom 13.6.1997 auf den Empfängerhorizont abstellt - wie dies der Antragsteller für richtig erachtet -, ist nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin ihm hiermit eine Gestattung der Straßen(sonder)nutzung erteilt hat. Das Schreiben enthält unter Bezugnahme auf den am 3.6.1997 durchgeführten Ortstermin die Bestätigung, dass sich der Weg in einem befestigten und ordnungsgemäßen Zustand befinde und aus dem Wegerechtsvertrag sowie der Baugenehmigung keine Forderungen mehr erhoben würden. Damit knüpft das Schreiben nicht an den Bau des Revisionsschachts, der Einfriedung, der Teichanlage und den Anpflanzungen an. Insbesondere sah der Notwegerechtsvertrag aus 1994 nicht die Wiederherstellung des Weges auch der Gestalt vor, dass Einfriedungen errichtet und Anpflanzungen vorgenommen wurden. Denn zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses verlief der Weg gerade noch nicht an der Grundstücksgrenze des Antragstellers entlang, so dass insoweit kein Wiederherstellungserfordernis bestand. Zudem hat der Antragsteller auch nicht nur die ihm durch das Wegerecht zur Benutzung als Weg zur Verfügung gestellte Teilfläche des damaligen Flurstücks F1 benutzt, sondern eine darüber hinausgehende Fläche. Schließlich war zu den Zeitpunkten der Ortsbegehung und des nachfolgenden Schreibens jedenfalls der Antragsgegnerin, möglicherweise aber auch dem Antragsteller nicht gegenwärtig, dass sich der Revisionsschacht, die Einfriedung, der Teich und die Anpflanzungen nicht auf dem Grundstück des Antragstellers, sondern auf dem nunmehrigen Straßengrundstück, Flurstück F2 , befanden. Denn die Baumaßnahme war auf Grund der Fehlberechnung der Antragsgegnerin zum Revisionsschacht erfolgt. Damit konnte aber weder am 2.6.1997 noch mit dem Schreiben vom 13.6.1997 eine Ordnungsgemäßheit in Bezug auf diese Anlagen festgestellt werden. Der Antragsteller kann sich insoweit auch nicht auf das damals eingeräumte Notwegerecht berufen, da ihn dieses nicht zum Bau des Revisionsschachtes, des Teiches und der Einfriedung und nicht zur Vornahme der Anpflanzung berechtigt hat. Insbesondere ist der Antragsteller entgegen seinem Vorbringen damit nicht einer Verpflichtung aus der Vereinbarung mit der Antragsgegnerin nachgekommen, den Weg in seinen ursprünglichen Zustand nach Abschluss der Baumaßnahmen zurückzuführen. Abgesehen davon, dass vorher auf dem Grundstück der Antragsgegnerin zuvor weder der Revisionsschacht, noch die Einfriedung, ein Teich oder die Anpflanzungen vorhanden waren, enthält die Vereinbarung eine solche Verpflichtung des Antragstellers nicht. § 2 und § 8 sehen lediglich vor, dass die Wegbefestigung nach Vorgabe des Straßen- und Tiefbauamtes zu erfolgen hatte, und jegliche Veränderung (insbesondere Zaun und Anpflanzungen) vom Eigentümer - ausdrücklich - zu genehmigen sind. Eine solche Genehmigung ist hier nicht ersichtlich. Selbst wenn aber eine solche Genehmigung erteilt worden wäre, wäre diese mit dem Wegfall des Notwegerechts nach Verlängerung der öffentlichen Straße in sich zusammengefallen. Denn alle in der Vereinbarung von 1994 enthaltenen Formulierungen knüpfen an Bestand und Dauer des Notwegerechts an.

Der Antragsteller kann auch nicht mit seiner Argumentation durchdringen, ihm sei ein "Rückbau des Revisionsschachts auf das eigene Grundstück" auf eigene Kosten nicht zuzumuten, nachdem dessen Lage auf einer Fehlberechnung der Antragsgegnerin beruhe. Zunächst hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller den Abschluss eines Gestattungsvertrages angeboten, um ihm insoweit ein unbefristetes Benutzungsrecht der öffentlichen Straße einzuräumen. Darauf hat sich der Antragsteller aus von ihm nur unsubstanziiert dargelegten Gründen nicht eingelassen. In diesem Fall ist es seine Sache, den Revisionsschacht auf sein Grundstück zu verlegen. Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, ob ihm wegen der Fehlberechnung der Antragsgegnerin ein Schadensersatzanspruch in Bezug auf die von ihm dann unnütz aufgewendeten Kosten für den zunächst im öffentlichen Verkehrsraum errichteten Schacht gegen die Antragsgegnerin zusteht. Auf den Beseitigungsanspruch nach § 20 Abs. 1 SächsStrG wirkt sich ein solcher Anspruch nicht aus.

Es mag dahinstehen, ob dem Antragsteller zumindest für einen Teil der von ihm errichteten Einfriedung und vorgenommenen Anpflanzungen eine Sondernutzungserlaubnis erteilt werden kann. Jedenfalls hat der Antragsteller schon keinen entsprechenden Antrag bei der Antragsgegnerin gestellt.

Gegen das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis spricht zudem, dass die Ausübung des straßenrechtlichen Gemeingebrauchs durch die Nachbarn des Antragstellers derzeit nicht uneingeschränkt möglich ist. Denn es bestehen ausweislich in der Verwaltungsakte befindlicher Unterlagen zu den gegenüber dem Grundstück des Antragstellers liegenden Grundstücken zum Teil erhebliche Einschränkungen der Zufahrtsmöglichkeiten. Die erfolgte Verlängerung des Weges diente unter anderem dazu, einem Teil der Grundstückseigentümer des Neubaugebietes "S. " Zufahrten zu ihren Grundstücken zu vermitteln. Zufahrten und Zugänge innerhalb von Ortslagen (vgl. § 22 Abs. 1 SächsStrG) sind Teil des gesteigerten Gemeingebrauchs der Anlieger (vgl. Grote, in: Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6. Aufl. 1999, Kap. 25, RdNrn. 13.4 ff., 21 ff., 32 ff.). Zwar hat die Antragsgegnerin in ihrem Bescheid vom 7.6.2004 und im Widerspruchsbescheid vom 29.6.2005 mit der "Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs" einen ordnungsrechtlichen Begriff verwendet. Hiermit ist in der Regel der fließende Verkehr auf öffentlichen Straßen gemeint, nicht jedoch der Zugangsverkehr zu den an die Straße anliegenden Grundstücken. Auch haben die Anlieger keinen Anspruch auf eine optimale Zuwegung zu ihren Grundstücken. Gleichwohl ergibt sich aus dem gesteigerten Gemeingebrauch heraus ein Anspruch auf eine zumutbare Zuwegung. Diese ist den Nachbarn des Antragstellers unter Ausnutzung der gesamten Straßenfläche auch ohne weiteres verschaffbar, wenn die Einfriedung und Anpflanzungen des Antragstellers entfernt werden. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin stattdessen die Anpflanzung von Solitärstauden angekündigt hat. Es versteht sich von selbst, dass diese nur dort angepflanzt werden, wo sie sich nicht störend auf den sonstigen Gemeingebrauch auswirken können.

Da es hier um die Gewährleistung ordnungsgemäßer Zuwegungen zu den Nachbargrundstücken des Antragstellers geht, kommt es nicht darauf an, ob im Falle einer Beräumung der vom Antragsteller in Anspruch genommenen öffentlichen Verkehrsflächen ein Wenden von LKW möglich wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 3 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG -. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, in Anlehnung an Nr. 1.5, 1.6.2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 7./8.7.2004, den Streitwert in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mit der Hälfte des in der Hauptsache festzusetzenden Streitwertes zu bemessen. In Ermangelung besonderer Anhaltspunkte ist hier vom Auffangwert (§ 52 Abs. 2 GKG) auszugehen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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