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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 16.05.2007
Aktenzeichen: 5 D 11/04
Rechtsgebiete: SächsGemO, SächsKomZG


Vorschriften:

SächsGemO § 36 Abs. 3 S. 1
SächsGemO § 39 Abs. 1 S. 1
SächsKomZG § 47 Abs. 2
SächsKomZG § 19 Abs. 1 S. 2
Den Verbandsräten bereits vorliegende Unterlagen müssen zur Vorbereitung der Verbandsversammlung grundsätzlich nicht erneut übersandt werden. In der Einladung oder Tagesordnung muss aber auf die bereits übersandten Unterlagen hingewiesen werden.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Normenkontroll-Urteil

Az.: 5 D 11/04

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Gültigkeit der Abwasserbeitragssatzung vom 30.5.2002

hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dehoust, die Richterin am Verwaltungsgericht Düvelshaupt, den Richter am Oberverwaltungsgericht Heinlein und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Schmidt-Rottmann aufgrund der mündlichen Verhandlung

am 16. Mai 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

§§ 20 bis 38 der Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung (Abwassersatzung - Abws) vom 30. Mai 2002 des Abwasserzweckverbandes Goldbach werden für unwirksam erklärt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung (Abwassersatzung - Abws) des Abwasserzweckverbandes (AZV) Goldbach, eines Rechtsvorgängers des Antragsgegners, vom 30.5.2002.

Der Antragsgegner hatte die Antragstellerin mit Bescheid vom 14.12.2001 für ihr Grundstück C. Straße 7, Flurstück 920/3, in B. zu einem Abwasserbeitrag in Höhe von 80.087,30 DM (40.947,99 €) herangezogen. Die dem Bescheid ursprünglich zugrunde liegende Satzung vom 9.11.2000 hat der Senat mit Normenkontroll-Urteil vom 28.4.2004 - 5 D 31/02 - für nichtig erklärt.

Die angegriffene Satzung wurde in der Verbandssitzung am 30.5.2002 einstimmig beschlossen. Zu der Sitzung waren die Verbandsräte mit Schreiben vom 13.5.2002, das die Tagesordnung enthielt, eingeladen worden. Dem Einladungsschreiben war ein Blatt beigefügt, in dem die Änderungen der Abwassersatzung dargestellt werden und darauf hingewiesen wird, dass die vorstehenden Änderungen in der Beschlussvorlage bereits eingearbeitet sind. Aus Gründen der Rechtssicherheit und wegen früher nicht aktuell vorliegender Gebührenkalkulationen, wie sie vom Rechnungsprüfungsamt Löbau gefordert worden seien, sei die Abwassersatzung im Ganzen neu zu beschließen. Zudem wird darauf hingewiesen, dass eine Neufassung der Abwassersatzung, in der die geänderten Passagen fett gedruckt sind, bereits in der vorangegangenen Verbandsversammlung, wo der Tagesordnungspunkt abgesetzt worden sei, vorgelegen habe. Es werde gebeten, den Satzungstext zur Sitzung mitzubringen. Einen Hinweis darauf, dass den Verbandsräten eine Globalkalkulation vorlag, enthält das Protokoll der Verbandsversammlung nicht. Im Protokoll der Sitzung vom 15.1.2004, in der eine neue Abwasserbeseitigungssatzung beschlossen wurde, wird ausgeführt: "Den Vertretern der Mitgliedsgemeinden in der Verbandsversammlung liegt die Globalberechnung vom 16.12.03, erstellt von der K. GmbH, vor."

Die angegriffene Satzung wurde im Mitteilungsblatt Woche 24/02 vom 15.6.2002 bekannt gemacht. Einen Hinweis auf § 4 Abs. 4 SächsGemO enthielt die Bekanntmachung nicht.

Die angegriffene Satzung trat mit Inkrafttreten der Abwassersatzung vom 15.1.2004 am 1.2.2004 außer Kraft. Nach § 54 Abs. 1 der Satzung vom 15.1.2004 bleibt für bereits entstandene Abgabenansprüche das bisherige Satzungsrecht maßgeblich. Entsprechende Regelungen finden sich auch in den folgenden Satzungen.

Die Antragstellerin hat am 11.6.2004 einen Normenkontrollantrag gestellt.

Der Antragsgegner hat mit Bescheid vom 12.12.2005 den Bescheid vom 14.12.2001 aufgehoben und mit dem nachfolgenden Bescheid vom 21.8.2006 Beiträge in Höhe von insgesamt 67.363,20 € festgesetzt. Abzüglich angerechneter Erschließungskosten ergab sich ein Zahlbetrag von 55.561,38 €. Als Rechtsgrundlage wird in diesem Bescheid die Abwassersatzung vom 19.7.2006 benannt.

Die Antragstellerin trägt zur Begründung ihres Antrages vor allem vor: Der Antrag sei zulässig. Da die nachfolgenden Satzungen aus den Jahren 2004 und 2006 keine Rückwirkung entfalten, sei auch der 2006 gegenüber der Antragstellerin ergangene Abgabenbescheid vorrangig am Maßstab der angegriffenen Satzung zu messen, sofern diese wirksam sei. Zudem lebte dann, wenn sich eine folgende Satzung als nichtig erweise, die vorhergehende Satzung wieder auf.

Der Rechtsvorgänger des Antragsgegners, der Abwasserzweckverband Goldbach, sei nicht wirksam gegründet worden. Zudem sei die Abwassersatzung vom 30.5.2002 in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft und nichtig: Sie sei verfahrensfehlerhaft beschlossen worden. Den Verbandsratsmitgliedern sei mit der Ladung und der Übersendung der Tagesordnung die Globalberechnung nicht übersandt worden. Bei der Ermessensausübung habe der Verbandsrat zudem übersehen, dass die Kosten der Anlage nicht nur über Erschließungsbeiträge, sondern auch über die ökologisch wegen ihrer Lenkungswirkung vorzugswürdigen Benutzungsgebühren gedeckt werden könnten. Die der Satzung zugrunde liegende Globalkalkulation vom Februar 1997 sei nicht aktuell genug und auch inhaltlich fehlerhaft.

Die Antragstellerin beantragt,

die §§ 20 bis 38 der Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung (Abwassersatzung) vom 30.5.2002 für unwirksam zu erklären.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er ist der Auffassung, der Normenkontrollantrag sei bereits unzulässig, da der Antragstellerin wegen der Aufhebung des Beitragsbescheides vom 14.12.2001 die Antragsbefugnis und das Rechtsschutzbedürfnis fehlten. Der neu erlassene Beitragsbescheid könne auf eine außer Kraft getretene Satzung nicht mehr gestützt werden.

Die Gründung und Bekanntmachung des Abwasserzweckverbandes Goldbach sei wirksam erfolgt. Der Satzungsbeschluss sei in Kenntnis der Globalberechnung, die den Mitgliedern bereits früher ausgehändigt worden sei, gefasst worden.

Die in der Globalberechnung zugrunde gelegten Flächen und Kosten seien richtig erfasst. Die Antragstellerin verkenne, dass eine Beitragskalkulation zwangsläufig prognostische Elemente enthalte. Gemäß § 39a Satz 3, § 2 Abs. 2 SächsKAG sei zudem eine möglicherweise fehlerhafte oder fehlende Ermittlung des Betriebskapitals oder eines Beitragssatzes unbeachtlich, da die zulässige Höchstgrenze des Beitragssatzes hier nicht überschritten werde. Dies zeige die im Jahr 2003 durchgeführte genauere Globalkalkulation, nach der sich höhere Beitragssätze ergäben.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die in diesem Verfahren vorgelegten Verwaltungsvorgänge (2 Ordner und 1 Heftung) sowie den im Verfahren mit dem Aktenzeichen 5 D 5/06 vorgelegten Verwaltungsvorgang.

Entscheidungsgründe:

Der zulässige Normenkontrollantrag hat Erfolg.

1. Der Normenkontrollantrag ist zulässig.

Der Antragstellerin fehlt es insbesondere nicht an der Antragsbefugnis. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Normenkontrollantrag jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Zwar wurde der die Antragstellerin belastende Abgabenbescheid vom 14.12.2001 zwischenzeitlich aufgehoben. Die Antragstellerin ist aber gleichwohl möglicherweise deshalb in ihren Rechten verletzt, weil die angegriffene Satzung - ihre Wirksamkeit unterstellt - eine taugliche Rechtsgrundlage für den nachfolgenden Bescheid vom 21.8.2006 bildet. Dieser Bescheid wäre auch vorrangig an der angegriffenen Abgabensatzung zu messen, weil die Beitragsschuld nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG bei Einrichtungen mit Anschluss- und Benutzungszwang entsteht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens mit Inkrafttreten der Satzung. Wäre die angegriffene Satzung wirksam, wäre somit mit ihrem Inkrafttreten eine Beitragsschuld entstanden. Es gilt der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung; spätere Satzungen würden an der einmal wirksam entstandenen Abgabenschuld nichts mehr ändern. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin kann deshalb der Beitragsbescheid auf die am 1.2.2004 außer Kraft getretene Satzung - ihre Wirksamkeit unterstellt - gestützt werden.

Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn die nachfolgenden Beitragssatzungen rückwirkend in Kraft gesetzt worden wären. Dann wäre zu fragen, ob die rückwirkende Aufhebung einer Beitragssatzung auch dann wirksam bleibt, wenn die neue Beitragssatzung fehlerhaft ist (bei lediglich materiellen Fehlern der neuen Satzung bejahend: OVG Rh.-Pf. Urt. v. 29.3.1976, KStZ 1976, 155). Hier wurde indes die neue Abgabensatzung vom 15.1.2004 am Tage nach der Veröffentlichung, d. h. am 1.2.2004, in Kraft gesetzt. Nach § 54 Abs. 1 der Abwassersatzung vom 15.1.2004 bleibt für bereits entstandene Abgabenansprüche das bisherige Satzungsrecht maßgeblich.

2. Der Normenkontrollantrag ist auch begründet.

Der angegriffene beitragsrechtliche Teil der Abwassersatzung ist formell rechtswidrig. Insoweit fehlt es an der Ordnungsgemäßheit der Beschlussfassung.

Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SächsGemO i.V.m. § 47 Abs. 2, § 19 Abs. 1 Satz 2 SächsKomZG kann die Verbandsversammlung nur in einer ordnungsgemäß einberufenen und geleiteten Sitzung beraten und beschließen. Der Verbandsvorsitzende beruft die Verbandsversammlung schriftlich mit angemessener Frist ein und teilt rechtzeitig die Verhandlungsgegenstände mit; dabei sind die für die Beratung erforderlichen Unterlagen beizufügen, soweit nicht das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner entgegenstehen (§ 36 Abs. 3 Satz 1 SächsGemO).

Nach der Rechtsprechung des Senates verlangt es § 36 Abs. 3 Satz 1 SächsGemO, dass den Verbandsräten mit den Versammlungsunterlagen auch die Globalberechnung oder zumindest eine Kalkulation übermittelt wird, damit sie sich ihre Meinung über den Erlass und den Inhalt der Abwasserbeitrags- und Gebührensatzung bilden können (vgl. die vorangegangene Entscheidung vom 28.4.2004 - 5 D 31/02 -; st. Rspr.). Hieran fehlt es nach den vorgelegten Unterlagen. Danach waren der Einladung nur die Tagesordnung und die geplanten Änderungen der Abwassersatzung beigefügt. Auch in der vorangegangenen Sitzung hatte nur die Satzung vorgelegen. Dies ergibt sich aus dem Sitzungsprotokoll. In diesem findet sich keinerlei Hinweis darauf, dass den Verbandsräten die Globalberechnung übersandt wurde und vorlag. Dagegen wird z. B. im Protokoll der Sitzung vom 15.1.2004 ausgeführt, dass den Vertretern der Mitgliedsgemeinden die Globalberechnung vorlag.

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass den Verbandsräten nach dem Vortrag des Antragsgegners die Globalberechnung früher - wohl nach ihrer Erstellung im Jahr 1997 - bereits übersandt worden war. Zwar ist es bei personeller Identität des Gremiums grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn Unterlagen, die den Verbandsräten bereits übersandt worden sind, der übersandten Tagesordnung nicht mehr erneut beigefügt werden. § 36 Abs. 3 Satz 1 SächsGemO verlangt nur die Übersendung der "erforderlichen Unterlagen". Bereits vorlie-gende Unterlagen erneut zu übersenden, ist aber regelmäßig nicht notwendig. In einem sol-chen Fall muss aber in der Einladung zur Sitzung auf die bereits übersandten Unterlagen hingewiesen werden, wie dies die Antragsgegnerin z. B. im Hinblick auf den Satzungstext, der bereits zur vorangegangen Sitzung übersandt worden war, auch getan hat. Dies gilt umso mehr, je länger die Übersendung der Unterlagen zurückliegt. An einem solchen Hinweis fehlt es hier. Der Frage, wann genau die Übersendung der Globalberechnung erfolgte und ob die Verbandsversammlung zum Zeitpunkt der Beschlussfassung noch personell identisch besetzt war, muss deshalb nicht nachgegangen werden.

Der Rechtsverstoß ist hier auch nicht gem. § 4 Abs. 4 Satz 1 SächsGemO unbeachtlich, weil bei der öffentlichen Bekanntmachung der Satzung auf die Regelung des § 4 Abs. 4 SächsGemO nicht hingewiesen worden war.

Der festgestellte Mangel der Beschlussfassung ergreift den gesamten beitragsrechtlichen Teil der Satzung, sodass die §§ 20 bis 38 der Abwassersatzung für unwirksam zu erklären sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründen vorliegt.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 40.947,99 € festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a. F., der hier gemäß § 72 Nr. 1 GKG n. F. anwendbar ist. In Normenkontrollen gegen Beitragssatzungen legt der Senat nach seiner ständigen Rechtsprechung den gegenüber der Antragstellerin auf Grundlage der angegriffenen Satzung festgesetzten Abwasserbeitrag zugrunde. Maßgeblich für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der die Instanz einleitenden Antragstellung (§ 15 GKG a. F.). Abzustellen ist deshalb für den Streitwert auf den ursprünglich festgesetzten Abwasserbeitrag in Höhe von 80.087,30 DM (40.947,99 €). Werterhöhungen oder Wertminderungen während der Instanz sind nicht zu berücksichtigen, sofern sich der Streitgegenstand selbst nicht ändert (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 28. Aufl. 1999, § 15 GKG, RdNr. 2 f.) Die Tatsache, dass später gegen den Antragsteller ein Bescheid mit einem höheren Betrag ergangen ist, bleibt deshalb für die Bestimmung des Streitwertes außer Betracht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG a. F.).

Ende der Entscheidung

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