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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 25.09.2007
Aktenzeichen: A 1 B 232/07
Rechtsgebiete: Richtlinie 2004/83/EG, AufenthG


Vorschriften:

Richtlinie 2004/83/EG Art. 15 c
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: A 1 B 232/07

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Abschiebungsschutz

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch die Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Dahlke-Piel, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Schmidt-Rottmann

am 25. September 2007

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Kläger zu 1 und 2, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 7. Februar 2007 - A 12 K 30095/06 - zuzulassen, wird abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Antragsverfahrens.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist abzulehnen. Die Kläger haben nicht gemäß § 78 Abs. 4 Satz 4 Asylverfahrensgesetz - AsylVfG - dargelegt, dass der von ihnen geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache vorliegt.

Das Darlegungsgebot des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG verlangt, dass der Antragsteller zum einen zumindest einen Zulassungsgrund gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 AsylVfG bezeichnet und zum anderen herausarbeitet, warum die Voraussetzungen des bezeichneten Zulassungsgrundes vorliegen sollen. Das Oberverwaltungsgericht ist bei seiner Entscheidung über die Zulassung der Berufung darauf beschränkt, die vom Antragsteller bezeichneten Zulassungsgründe aufgrund der von ihm vorgetragenen Gesichtspunkte zu prüfen.

Diesen Anforderungen genügt die Antragsschrift der Kläger nicht.

Die Berufung kann nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zugelassen werden.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Asylsache nur, wenn mit ihr eine grundsätzliche, bisher höchstrichterlich und obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellungen bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufgeworfen wird, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Die Darlegung dieser Voraussetzungen erfordert wenigstens die Bezeichnung einer konkreten Frage, die sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für das Berufungsverfahren erheblich sein würde. Darüber hinaus muss die Antragsschrift zumindest einen Hinweis auf den Grund enthalten, der die Anerkennung der grundsätzlichen, d. h. über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung der Sache rechtfertigen soll. Eine verallgemeinerungsfähige Frage tatsächlicher Natur ist als grundsätzlich bedeutsam anzusehen, wenn sich nach Auswertung der zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel klärungsbedürftige Gesichtspunkte ergeben, weil diese Erkenntnismittel in ihrer Gesamtheit keine klare und eindeutige Aussage zu der Tatsachenfrage zulassen. Insoweit verlangt das Darlegungserfordernis gemäß § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG, dass die tatsächliche Frage nicht nur aufgeworfen wird, sondern im Wege der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Ausführungen in dem angefochtenen Urteil und mit den wichtigsten Erkenntnismitteln, etwa aktuellen Lageberichten des Auswärtigen Amtes, herausgearbeitet wird, warum ein allgemeiner Klärungsbedarf bestehen soll.

Die Kläger haben nicht dargelegt, dass die von ihnen aufgeworfenen Fragen:

1. "Ist der Begriff der "ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne des Art. 15 c der Richtlinie 2004/83/EG gleichzusetzen mit dem Begriff der individuellen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des Art. 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG?"

2. "Besteht für afghanische Staatsangehörige, insbesondere Familien mit Kindern, aber auch kinderlosen Ehepaaren, unter Berücksichtigung der derzeitigen Sicherheits- und Versorgungslage bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine ernsthafte individuelle Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Sinne des Art. 15 c der Richtlinie 2004/83/EG und haben diese infolge dessen einen Anspruch auf subsidiären Schutz gem. Art. 15 c der Richtlinie 2004/83/EG ?"

3. "Ist Erwägungsgrund 26 der Richtlinie 2004/83/EG gleichzusetzen mit der Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, wonach Gefahren in diesem Staat, dem die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Entscheidungen nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG keine Berücksichtigung finden sollen ?"

von entscheidungserheblicher Bedeutung sind.

Art. 15 c der Richtlinie 2004/83/EG ist in seinem Anwendungsbereich auf solche ernsthaften Schäden beschränkt, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten und kriegsähnlichen Zuständen stehen, welche eine Intensität und Dauer aufweisen, wie sie etwa landesweite Bürgerkriegskonflikte kennzeichnet. Nicht erfasst werden von dieser Bestimmung die aus solchen Konflikten allgemein für die Bevölkerung resultierenden mittelbaren Folgen, wie etwa eine schlechte Sicherheits- und Versorgungslage (HessVGH, Beschl. v. 26.6.2007, 8 UZ 452/06.A, RdNr. 48 bei juris; OVG NW, Beschl. v. 21.3.2007, 20 A 5164/04.A, RdNr. 25 bei juris). Für Afghanistan kann derzeit nicht von einer landesweiten Gefahrenlage aufgrund willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts gemäß Art. 15 c der Richtlinie 2004/83/EG ausgegangen werden. Die bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen mit den Taliban und anderen bewaffneten Gruppierungen beschränken sich nach wie vor auf einzelne Landesteile. Sie betreffen vor allem nicht die Hauptstadt Kabul, deren Situation im Hinblick auf eine Rückkehr in erster Linie ins Auge zu fassen ist. Die Kläger behaupten auch keine bürgerkriegsähnlichen Zustände in Kabul. Sie sind lediglich der Auffassung, dass "ein Vormarsch der Taleban nach Kabul nicht auszuschließen" sei. Damit ist der Anwendungsbereich des Art. 15 c der Richtlinie 2004/83/EG nicht eröffnet, da es an einer "ernsthaften Bedrohung" durch einen "internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikt" im Sinne dieser Vorschrift fehlt (so auch HessVGH, aaO; OVG NW aaO). Die von den Klägern aufgeworfenen weiteren Fragen zur Anwendung dieser Vorschrift stellen sich deshalb nicht. Ihnen kommt keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Wegen der allgemein schlechten Versorgungs- und Sicherheitslage bleibt es bei der Anwendbarkeit von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG.

Der Erwägungsgrund 26 vor Art. 1 der Richtlinie 2004/83/EU führt nicht zur Berücksichtigung von allgemeinen Gefahren, vielmehr verdeutlicht er, dass im Rahmen von Art. 15 c der Richtlinie 2004/83/EU eine individuelle Bedrohung vorausgesetzt wird (BVerwG, Beschl. v. 15.5.2007, 1 B 217.06, Asylmagazin 9/2007, S. 21).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

Ende der Entscheidung

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