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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 13.10.2005
Aktenzeichen: 4 W 565/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, VVG


Vorschriften:

ZPO § 93
ZPO § 99 Abs. 2
BGB § 249
BGB § 251
VVG § 158 d
Fehlt es zunächst an einer schlüssigen Klage, kann der (die) Beklagte noch nach Behebung dieses Mangels den Anspruch "sofort" anerkennen mit der Folge, dass dann dem Kläger die Kosten des Rechtsstrfeits aufzuerlegen sind.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

4 W 565/05

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichtes in Jena durch Richter am Landgericht Tietjen als Einzelrichter

am 13.10.2005

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen die Kostenentscheidung im Teilanerkenntnis- und Schlussurteil des Landgerichtes Gera vom 14.09.2005, Az.. 2 O 455/05, die Kosten des Teilanerkenntnisses betreffend wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 3.316,20 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin hat beim Landgericht Gera Klage gegen die Beklagte erhoben mit dem Begehren, Schadensersatz in Höhe von 16.432,36 € zu erlangen. Diesen Betrag errechnet sie dadurch, dass sie fiktiv auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens Reparaturkosten für eine Zugmaschine in Höhe von 58.882,36 € abzüglich des vorgerichtlich von der Beklagten gezahlten Betrages in Höhe von 42.450,00 € abrechnet. Die Beklagte hat demgegenüber eingewandt, die Klägerin habe die verunfallte Zugmaschine unrepariert veräußert. Deshalb könne sie nicht fiktiv auf Reparaturkostenbasis abrechnen, sondern nur den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes verlangen; dazu müsse sie sich den erzielten Restwert anrechnen lassen. Im Laufe des Rechtsstreites hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 20.07.2005 die Rechnung für den Verkauf der verunfallten Zugmaschine mit einem Rechnungsbetrag in Höhe von 30.000,00 € vorgelegt. Daraufhin hat die Klägerin diesen Betrag akzeptiert, den Schaden in Höhe des Wiederbeschaffungswertes in Höhe von 85.000,00 € abzüglich des Restwertes in Höhe von 30.000,00 € mit 55.000,00 € berechnet, davon den bereits gezahlten Betrag in Höhe von 42.450,00 € abgezogen und den verbleibenden Betrag in Höhe von 12.550,00 € anerkannt. Die Beklagte ist der Auffassung, dass es sich hierbei um ein sofortiges Anerkenntnis i.S.d. § 93 ZPO handele.

Das Landgericht Gera hat im Teilanerkenntnis- und Schlussurteil vom 14.09.2005 zu dem anerkannten Teil eine Kostenentscheidung gemäß § 93 ZPO getroffen und die Kosten insoweit der Klägerin auferlegt, weil es der Auffassung ist, dass es sich um ein sofortiges Anerkenntnis handele. Dieses Urteil ist der Klägerin am 22.09.2005 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 04.10.2005, am selben Tag beim Landgericht Gera eingegangen, hat die Klägerin gegen die Kostenentscheidung das Anerkenntnis betreffend sofortige Beschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass die Beklagte nicht sofort i.S.d. § 93 ZPO anerkannt habe. Insbesondere habe sich die Klägerin nicht auf das von der Beklagten vorgelegte Restwertangebot in Höhe von 42.550,00 € einlassen müssen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist gemäß §§ 99 Abs. 2, 567, 569 ZPO zulässig, soweit damit die Kostenentscheidung im Teilanerkenntnis- und Schlussurteil nur hinsichtlich des Teilanerkenntnisses angefochten wird (vgl. OLG Bamberg, JurBüro 1989, 1740; OLG Karlsruhe, FamRZ 1997, 221; OLG Köln, NJW-RR 1994, 767; OLG Köln, OLG-Report 2002, 384).

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist jedoch unbegründet. Denn sie hat ihre Klage erst durch Angabe des erzielten Restwertes in Höhe von 30.000,00 € schlüssig gemacht. Auf diese Angabe hin hat die Beklagte den Schadensbetrag in Höhe von 12.550,00 € sofort i.S.d. § 93 ZPO anerkannt.

Vorliegend durfte die Klägerin ihren Schaden gemäß § 249 Abs. 2 BGB nicht fiktiv auf Reparaturkostenbasis abrechnen. Vielmehr war sie, da sie das verunfallte Fahrzeug unrepariert verkaufte, verpflichtet, die Restwertangabe zu machen, da ihr Schaden in Höhe des Wiederbeschaffungswertes abzüglich des Restwertes nur so berechnet werden konnte.

Der Geschädigte hat bei der Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 2 BGB zwar grundsätzlich ein Wahlrecht zwischen einer Reparatur des Unfallfahrzeuges und einer Ersatzbeschaffung. Die Reparaturkosten zuzüglich des merkantilen Minderwertes kann er auch grundsätzlich fiktiv auf Gutachtenbasis abrechnen (BGHZ 66, 239). Allerdings ist dieses Wahlrecht des Geschädigten gemäß § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB ausgeschlossen, wenn die Wahl des Geschädigten zu unverhältnismäßigen Aufwendungen führt. Insoweit ist eine Vergleichsrechnung anzustellen. Dabei sind bei der Veräußerung des Unfallfahrzeuges - anders als bei einer durchgeführten Reparatur, weil dem Geschädigten bei der Veräußerung das Integritätsinteresse fehlt - die Reparaturkosten zuzüglich des merkantilen Minderwertes mit den Wiederbeschaffungskosten abzüglich des Restwertes zu vergleichen. Sofern es sich bei dem Schaden um einen wirtschaftlichen Totalschaden handelt, d. h. die Reparaturkosten zuzüglich des merkantilern Minderwertes den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes übersteigen, kann der Geschädigte, der das Fahrzeug nicht repariert, sondern seinen Schaden durch Beschaffung eines Ersatzfahrzeuges behebt, als Schaden nur den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes verlangen (BGH, Urteil vom 12.07.2005, Az.: IV ZR 132/04, zitiert nach Juris; BGH, NJW 2005, 2541; NJW 2005, 357; NJW 1993, 1849; BGHZ 115, 364 (373); BGH, NJW 1985, 2469).

Um die für die Schadensberechnung erforderliche Vergleichsrechnung durchführen zu können, war es erforderlich, dass die Klägerin zum erzielten Restwert der verkauften Zugmaschine vorträgt. Erst durch diese Angabe im Schriftsatz vom 20.07.2005 hat sie ihre Klage schlüssig begründet.

Auf das von der Beklagten der Klägerin vorgelegte Restwertangebot in Höhe von 42.550,00 € kommt es nicht an, da die Beklagte letztendlich nach Vorlage der Rechnung für das verkaufte Fahrzeug den tatsächlich erzielten niedrigeren Restwert in Höhe von 30.000,00 € akzeptiert hat.

Die Beklagte hat den berechtigten Anspruch der Klägerin auch "sofort" i.S.d. § 93 ZPO anerkannt. Ein solches Anerkenntnis konnte sie vorliegend auch noch im laufenden Rechtsstreit erklären.

Ein sofortiges Anerkenntnis des Beklagten i.S.d. § 93 ZPO mit der Kostentragungspflicht des Klägers ist gegeben, wenn der Beklagte nicht durch sein Verhalten Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben hat. Veranlassung zur Klageerhebung gibt der Beklagte durch sein Verhalten, das vernünftigerweise den Schluss auf die Notwendigkeit eines Prozesses rechtfertigt (BGH, NJW-RR 2005, 1005).

Lange Zeit umstritten gewesen ist, ob nach einem Anerkenntnis des Beklagten bei der Kostenentscheidung die materiell-rechtliche Begründetheit des Anspruches nachgeprüft wird.

Nach einer Meinung wird nach einem Anerkenntnis die Begründetheit des Klagebegehrens der Prüfung durch das Gericht entzogen (OLG München, NJW 1969, 1815; OLG Schleswig, JurBüro 1982, 1570; OLG Hamm, JurBüro 1990, 915; OLG Düsseldorf, MDR 1999, 1349).

Nach anderer Ansicht kann die Beklagte, wenn der Kläger seinen Klageanspruch erst im Laufe des Rechtsstreites in schlüssiger Weise begründet, noch sofort i.S.d. § 93 ZPO anerkennen (OLG Frankfurt, NJW-RR 1993, 126 [128]; OLG Schleswig, JurBüro 2000, 657).

Speziell zum Kfz-Haftpflichtprozess wird letztgenannte Auffassung in dem Sinne vertreten, dass für den Fall, dass der Geschädigte selbst im Besitz von Auskünften und Unterlagen ist, die er gemäß § 3 Ziffer 7 Satz 2 PflVG i.V.m. § 158 d Abs. 3 VVG dem Versicherer zur Feststellung des Schadensereignisses und der Schadenshöhe zur Verfügung stellen muss, der Versicherer dem Geschädigten noch keinen Anlass zur Erhebung der Klage gibt, solange der Geschädigte seinen Obliegenheiten aus § 158 d Abs. 3 VVG nicht nachgekommen ist (OLG Karlsruhe, VersR 1965, 722; OLG Köln, VersR 1974, 268; Prölss/Martin-Knappmann, VVG, 27. Aufl., § 158d Rn. 10; Zöller-Herget, ZPO, 25. Aufl., § 93 Rn. 6, Stichwort: "Haftpflichtversicherung").

Der BGH hat die Frage, ob nach einem Anerkenntnis bei der Kostenentscheidung noch die Begründetheit des Klageanspruches geprüft werden darf, bejaht (BGH, NJW-RR 2004, 1021; NJW-RR 2005, 1005). Die Partei ist danach nicht gehalten, einen erst im weiteren Verlauf des Rechtsstreites substantiiert vorgetragenen Klageanspruch schon zuvor - gleichsam auf Verdacht - als begründet anzuerkennen, nur um sich der Kostentragungspflicht entziehen zu können. Fehlt es zunächst an einer schlüssigen Klage, kann die Beklagte nach Behebung dieses Mangels den Anspruch noch "sofort" anerkennen (BGH, NJW-RR 2004, 1021).

Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet das, dass die Klägerin, die ihr geschädigtes Fahrzeug unstreitig unrepariert verkauft hat, ihren Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz erst mit Schriftsatz vom 20.07.2005 schlüssig begründet hat, indem sie in diesem Schriftsatz den Verkaufspreis für das verunfallte Fahrzeug vorgetragen hat. Erst im Anschluss daran war, da es sich vorliegend um einen wirtschaftlichen Totalschaden handelt, die Schadensberechnung in Höhe des Wiederbeschaffungswertes abzüglich des Restwertes möglich. Die Klägerin hatte gemäß § 3 Ziffer 7 Satz 2 PflVG i.V.m. § 158 d Abs. 3 VVG die Obliegenheit, der Beklagten Auskunft über den Umfang des Schadens zu erteilen, damit diese den zur Schadensbeseitigung erforderlichen Betrag errechnen konnte. Erst als die Klägerin dieser Obliegenheit mit der Restwertangabe im Schriftsatz vom 20.07.2005 nachkam, konnte die Beklagte als Haftpflichtversicherung ihre Zahlungsverpflichtung der Höhe nach prüfen. Vor Erfüllung dieser Obliegenheit durch die Klägerin hatte die Beklagte keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben, so dass sie im Anschluss an den Schriftsatz der Klägerin vom 20.07.2005 noch "sofort" mit der Folge der Kostentragungspflicht bei der Klägerin anerkennen konnte.

Da die sofortige Beschwerde der Klägerin unbegründet ist, hat sie gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 ZPO ist nicht zuzulassen, da der BGH in den oben zitierten Entscheidungen die bis dahin streitige Frage, ob bei der Kostenentscheidung nach einem Anerkenntnis die Begründetheit des Klageanspruches noch geprüft werden darf, entschieden hat.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes errechnet sich gemäß § 47 Abs. 1 GKG, 3 ZPO nach dem Betrag der Kosten, den die Klägerin voraussichtlich bei einer Kostenentscheidung zu ihren Lasten bei einem Gegenstandwert in Höhe von 12.550,00 € zu tragen hat.

Ende der Entscheidung

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