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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 18.03.2003
Aktenzeichen: 6 W 63/03
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 12
WEG § 23
WEG § 24
WEG § 26
1. Die durch einen der Wohnungseigentümer allein getätigte Verwalterbestellung ist als Nicht-Beschluss völlig unwirksam. Sie bleibt auch dann nichtig, wenn der Schein-Verwalter über einige Zeit Verwaltungsaufgaben wahrgenommen hat.

2. Bedarf die Veräußerung von Sondereigentumseinheiten nach der Gemeinschaftsordnung der Zustimmung des Verwalters, so sind jedenfalls diejenigen Sondereigentumsrechte wirksam erworben, welche der ursprüngliche Eigentümer aller Sondereigentumsrecht veräußert hat.


6 W 63/03

THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

In dem Verfahren

betreffend die Abberufung eines Verwalters für die Wohnungseigentumsanlage

hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichtes in Jena durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. h. c. Bauer und die Richter am Oberlandesgericht Kramer und Pippert auf die sofortige weitere Beschwerde vom 29. Januar 2003 gegen den Beschluss des Landgerichtes Mühlhausen vom 02. Dezember 2002

am 18. März 2003

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde hat der Beteiligte

zu 13) zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.222,83 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1) bis 12) sind Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft Straße des Friedens ........ in M.. Diese Liegenschaft mit insgesamt 17 Wohnungen stand ursprünglich im Alleineigentum der Gemeinde M..

Mit notarieller Teilungserklärung vom 08. Mai 1995 erfolgte die Teilung des Grundbesitzes in Wohnungseigentum. Die Teilungserklärung enthielt als Anlage 1 eine Gemeinschaftsordnung. Nach § 5 dieser Gemeinschaftsordnung bedarf der Wohnungseigentümer zur Veräußerung seines Wohnungseigentums der schriftlichen Zustimmung des Verwalters. Diese Veräußerungsbeschränkung ist mit ihrer Eintragung in das Grundbuch Inhalt des Sondereigentums geworden. Wegen des weiteren Inhaltes der Gemeinschaftsordnung wird auf Bl. 30 f. d. A. Bezug genommen.

In der Folgezeit hat die Gemeinde M. die einzelnen Sondereigentumseinheiten veräußert. Eine der Wohnung kauften die Beteiligten zu 7), die am 13. November 1996 als hälftige Miteigentümer mit einem 55,55/1000stel Anteil ins Grundbuch eingetragen wurden. Die restlichen Wohnungen erwarb der Beteiligte zu 12), der diese in der Folgezeit teilweise weiterverkaufte.

Am 09. September 1997 fand im Dortmunder Büro des Beteiligten zu 13) ohne Kenntnis der Beteiligten zu 7) eine 30-minütige "Versammlung der Eigentümer des Objektes Straße des Friedens .... in M. " statt. Anwesend waren lediglich der Beteiligte zu 13) und der Beteiligte zu 12), dem zu diesem Zeitpunkt bis auf die Wohnung der Beteiligten zu 7) alle Wohnungen des Objektes gehörten. Nachdem unter TOP 1 festgestellt wurde, dass "1000/1000stel Miteigentumsanteile persönlich oder durch Vollmacht vertreten sind", wurde die Beschlussfähigkeit festgestellt. Weiter wurde unter TOP 2 der Beteiligte zu 13) "einstimmig" zum Hausverwalter für die Dauer von 5 Jahren, beginnend am 01. Oktober 1997, bestellt. Das von der Beschlussfassung erstellte Protokoll unterzeichneten der Beteiligte zu 12) mit der Bezeichnung "Eigentümer" und der Beteiligte zu 13) mit der Bezeichnung "Verwalter". Die Beteiligten zu 7) wurden weder über die Beschlussfassung informiert, noch von dieser Zusammenkunft in Kenntnis gesetzt.

In der Folgezeit führte der Beteiligte zu 13) die Verwaltung durch. Aufgrund von Unstimmigkeiten zwischen dem Beteiligte zu 13) und den meisten der Wohnungseigentümer fand ohne vorangegangene schriftliche Einladung am 21. April 2001 eine Eigentümerversammlung in Menteroda statt, bei der ausweislich des Protokolls nur 499,95/1000stel Miteigentumsanteile anwesend waren. Nachdem der als Versammlungsleiter benannte - jetzige Verwalter - P.C. die Beschlussunfähigkeit festgestellt hatte, berief er für den gleichen Tag eine Folgeversammlung ein, in der er bei gleicher Anzahl anwesender Miteigentumsanteile die Beschlussfähigkeit feststellte. Unter TOP 6 wurde der Beschluss gefasst, den Beteiligten zu 13) mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund zum 21. April 2001 als Verwalter abzuberufen.

Am 18. Mai 2001 hat Beteiligte zu 13) beantragt, diesen Beschluss für ungültig zu erklären. Während des laufenden Verfahrens fand am 25. September 2001 eine erneute Eigentümerversammlung statt, zu der ordnungsgemäß geladen wurde. Ausweislich des vom Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 13) mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2001 dem Amtsgericht Mühlhausen vorgelegten Protokoll der Eigentümerversammlung mit Datum 16. September 2001 waren bei der Eigentümerversammlung am 15. September 2001 705,23stel Miteigentumsanteile anwesend oder durch gültige Vollmacht vertreten. Die Beschlussfähigkeit der Versammlung wurde im Protokoll festgestellt. In dieser Versammlung erfolgte unter TOP 3 der einstimmige Beschluss über die Abberufung des Beteiligte zu 13) als Verwalter mit Wirkung ab 15. September 2001 aus wichtigem Grund gemäß § 26 Nr. 3 c WEG. Hinsichtlich der Gründe der Abberufung wird auf die Anlage zu TOP 3 des Protokolls der Eigentümerversammlung vom 15. September 2001 (Bl. 73 ff. d. a.) verwiesen. Mit am 15. Oktober 2001 beim Amtsgericht Mühlhausen eingegangenem Anwaltschreiben vom 11. Oktober 2001 beantragte der Beteiligte zu 13), auch diesen Beschluss für ungültig zu erklären.

Das Amtsgericht entsprach mit Beschluss vom 30. Januar 2002 den Anträgen des Beteiligten zu 13) und stellte die Ungültigkeit der angefochtenen Beschlüsse der Eigentümerversammlungen vom 24. April 2001 (TOP 6) und vom 15. September 2001 (TOP 3) fest.

Auf die gegen diesen Beschluss eingelegte sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis 11) hat das Landgericht Mühlhausen mit Beschluss vom 02. September 2002 den Beschluss des Amtsgerichtes dahingehend geändert, dass der Antrag, den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 15. September 2001 zu TOP 3 für ungültig zu erklären, abgelehnt wird. Im Übrigen hat es die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung hat der Beteiligte zu 13) rechtzeitig am 29. Januar 2003 sofortige weitere Beschwerde eingelegt und begehrt, den Beschluss des Landgerichtes insoweit aufzuheben, als dadurch der Beschluss des Amtsgerichtes Mühlhausen vom 30. Januar 2002 abgeändert worden ist. Hinsichtlich der Begründung der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf den Schriftsatz vom 29. Januar 2003 (Bl. 260 ff. d. A.) Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 45 Abs. 1, 43 WEG, 27 Abs. 1, 28 Abs. 1, 29, 21, 22 FGG an sich statthafte und auch sonst zulässige weitere Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg, da die angefochtene Entscheidung des Landgerichtes nicht auf einer Gesetzesverletzung beruht (§§ 45 Abs. 1 WEG, 27 Abs. 1 FGG, 546, 547 ZPO).

Soweit der Beteiligte zu 13), der ausweislich der Begründung der sofortigen weiteren Beschwerde bislang von der formellen Rechtmäßigkeit des Beschlusses vom 15. September 2002 ausgegangen ist, nunmehr auf Grund zwischenzeitlich gewonnener tatsächlicher Erkenntnisse Bedenken gegen die Ordnungsmäßigkeit der Beschlussfassung äußert, kann er mit diesen nicht mehr gehört werden. Die sofortige weitere Beschwerde ist, wie der Verweis in § 27 Abs. 1 FGG auf §§ 546, 547, 559, 561 ZPO zum Ausdruck bringt, eine reine Rechtsbeschwerde. Das Gericht der sofortigen weiteren Beschwerde kann deswegen lediglich Rechtsfragen überprüfen, Tatfragen sind dagegen von einer Überprüfung ausgeschlossen. Neu vorgebrachte Tatsachen können - von wenigen Ausnahmen abgesehen, die jedoch hier nicht vorliegen - keine Berücksichtigung finden (Bub/Kreuzer, Rapp/Spiegelberger/Sturmann/Wenzel, Kommentar zum WEG, Bd. II zu § 45, Rn. 43 ff.). Daher ist es dem Beteiligten zu 13) nunmehr verwehrt, die Beschlussfassung der Eigentümerversammlung vom 15. September 2001 nachträglich anzuzweifeln und mit Nichtwissen zu bestreiten sowie im Nachhinein die Gegenseite aufzufordern, zu belegen, dass tatsächlich eine beschlussfähige Mehrheit anwesend war.

Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht den TOP 3 der Eigentümerversammlung vom 15. September 2001 als materiell rechtmäßig zustande gekommen angesehen und den Antrag auf Ungültigerklärung der Beschlussfassung in Abänderung des amtsgerichtlichen Beschlusses abgelehnt. Dabei ist das Landgericht richtigerweise von der Nichtigkeit des Beschlusses vom 09. September 1997 betreffend die Verwalterbestellung ausgegangen, denn die Bestellung des Verwalters erfolgt gemäß §§ 23 Abs. 1, 24, 26 WEG grundsätzlich durch Mehrheitsbeschluss in einer Wohnungseigentümerversammlung. Eine Wohnungseigentümerversammlung, welche zu einer solchen Beschlussfassung befugt wäre, liegt jedoch nach herrschender Meinung nicht vor, wenn sich ein bzw. mehrere Wohnungseigentümer ohne vorherige Einladung zusammenfinden, um sich über eine Angelegenheit der Wohnungseigentümergemeinschaft eine Meinung zu bilden. Eine anlässlich einer solchen Zusammenkunft getroffene Entscheidung bindet - unabhängig davon, wie sie zwischen den Einigungspartnern wirkt - die anderen Eigentümer in keinem Fall. Als Wohnungseigentümerbeschluss ist sie nichtig und entfaltet rechtlich keine Wirksamkeit. Deswegen muss eine solche Absprache nicht gemäß § 23 Abs. 4 WEG angefochten werden (Staudinger/Bub, Kommentar zum WEG, zu § 24, Rn. 150 m.w.N.).

Entgegen der Ansicht des Landgerichtes stellte sich die Frage nicht, ob der Beteiligte zu 13) konkludent durch sein Tätigwerden zum Verwalter bestellt worden ist - was vom Landgericht im Ergebnis verneint wurde - , da eine Heilung der Nichtigkeit auch dann, wenn der Rechtsgedanke des § 141 BGB in Anspruch genommen wird, jedenfalls daran scheitert, dass die Beschlussformalitäten des § 24 WEG nicht gewahrt wurden (vgl. Bärmann/Pick/Merle, Kommentar zum WEG, zu § 23, Rn. 130). Ein stillschweigendes Verhalten - etwa die Aufnahme oder Fortsetzung der Verwaltertätigkeit im schlüssigen Einverständnis der Wohnungseigentümer oder gar nur der Mehrheit der Wohnungseigentümer kann nur zum konkludenten Abschluss eines Verwaltervertrages führen, nicht aber zur Erlangung der Verwalterstellung erforderlichen Bestellungsbeschluss ersetzen (Staudinger/Bub, a.a.O. zu § 26, Rn. 147).

Aufgrund der Nichtigkeit der Verwalterbestellung konnte in der Wohnungseigentümerversammlung am 15. September 2001 die "Abberufung" des Verwalters beschlussförmig festgestellt werden, ohne dass die Voraussetzungen des § 26 WEG vorlagen und ohne dass es auf die Anwesenheit einer beschlussfähigen Mehrheit der Wohnungseigentümer ankam, denn der Abberufungsbeschluss enthielt nichts anderes als die Feststellung, dass der Beteiligte zu 13) niemals wirksam zum Verwalter bestellt worden ist. Die deklaratorische Abberufung eines nicht bestellten Verwalters ist aus Gründen der Rechtsklarheit ohne weitere Voraussetzungen jederzeit ebenso möglich, wie ein Antrag an das zuständige Gericht, dass ein Beschluss nicht zustande gekommen ist (Staudinger/Bub, a.a.O. zu § 24, Rn. 150). Das Erfordernis von Mehrheitsbeschlüssen dient dem Minderheitenschutz im Wohnungseigentumsgesetz (Bärmann/Pick/Merle, a.a.O. zu § 23, Rn. 2), diesem Schutzzweck muss jedoch bei einem Beschluss über die Feststellung der Nichtigkeit einer Entscheidung keine Rechnung getragen werden, da ein solcher Beschluss lediglich die Feststellung einer ohnehin gegebenen rechtlichen Folge beinhaltet.

Da jedenfalls die Beteiligten zu 7) und zu 12) aufgrund der Veräußerung durch die Ersteigentümerin der Wohnanlage vor einer Verwalterbestellung wirksam Wohnungseigentum erworben hatten, war die Eigentümergemeinschaft mit den Beteiligten zu 7) und 12) entstanden. Hat sie den Beteiligten zu 13) nicht zum Verwalter bestellt, kommt es für die Feststellungszuständigkeit der Versammlung nicht darauf an, ob am 15. September 2001 eine beschlussfähige Mehrheit die Abberufung des Verwalters getragen hat. Deswegen war auch nicht darüber zu entscheiden, wie sich die Zustimmung eines unwirksam bestellten Schein-Verwalters auf die Wirksamkeit des Eigentumserwerbes gemäß § 12 WEG i.V.m. § 4 der Gemeinschaftsordnung und damit auf den Erwerb des Stimmrechtes in der Eigentümerversammlung auswirkt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Tragung der Gerichtskosten auf § 47 WEG. Eine Kostenerstattungsanordnung zugunsten der Beteiligten zu 1) bis 12) kam für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde mangels aktiver Teilnahme an diesem Verfahren nicht in Betracht.

Den Wert des Beschwerdegegenstandes hat der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht gemäß § 48 Abs. 3 WEG auf 5.222,83 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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