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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 20.03.2003
Aktenzeichen: Lw U 1238/02
Rechtsgebiete: LwAnpG, LwVG, ZPO, UmwG, BGB


Vorschriften:

LwAnpG § 3b
LwAnpG § 28 Abs. 2
LwAnpG § 36
LwAnpG § 37
LwAnpG § 44
LwAnpG § 44 Abs. 1
LwAnpG § 44 Abs. 1 Nr. 1
LwAnpG § 44 Abs. 1 Nr. 2
LwAnpG § 65 Abs. 2
LwVG § 22
LwVG § 31
ZPO § 270 Abs. 3
ZPO § 888
UmwG § 305
BGB § 209 Abs. 1 a. F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

Lw U 1238/02

In der Landwirtschaftssache

hat der Senat für Landwirtschaftssachen des Thüringer Oberlandesgerichtes in Jena durch

den Richter am Oberlandesgericht Bettin als Vorsitzenden, die Richter am Oberlandesgericht Mummert und Kramer sowie die ehrenamtlichen Richter Kircher und Wolfrum

auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 27.12.2002 gegen den Beschluss des Amtsgerichtes - Landwirtschaftsgericht - Erfurt vom 06.12.2002

am 20.03.2003

beschlossen:

Tenor:

1. Der Beschluss des Amtsgerichtes - Landwirtschaftsgericht - Erfurt vom 30.08.2002 wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft zu erteilen durch Übergabe von Fotokopien

a) einer Gesamtvermögenspersonifizierung zum 30.06.1991 welche sämtliche Namen der früheren Mitglieder der LPG (P) R. und deren jeweilige Rückforderungsansprüche, betreffend Inventarbeiträge, Ansprüche aus Bodenverzinsung sowie Inventarverzinsung und Wertschöpfung aus Arbeit beinhaltet unter Angabe der jeweils eingebrachten Grundfläche, der Bodenpunkte, der einzelnen Arbeitsjahre sowie unter der weiteren Angabe der Gesamtansprüche nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 LwAnpG und der Gesamtarbeitsjahre;

b) der DM-Eröffnungsbilanz der LPG (P) R. zum 01.07.1990 sowie der Abschlussbilanz dieser LPG zum 30.06.1991 jeweils einschließlich zugehöriger Prüfberichte und Inventarlisten, etwaiger Wertgutachten für die bilanzierten Grundstücke und Gebäude sowie der jeweiligen Begründungen und/oder vorhandenen Gutachten hinsichtlich der jeweiligen Rückstellungen.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegnerin hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und dem Antragsteller dessen notwendige außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

3. Der Beschwerdewert wird auf bis zu 1200,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um Abfindungsansprüche nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz.

Der Antragsteller war Mitglied der LPG (P) R., aus der durch formwechselnde Umwandlung die Antragsgegnerin hervorgegangen ist. Er hat seine Mitgliedschaft vor der Umwandlung und deren Eintragung im Register nicht gekündigt.

Mit seinem per Fax am 31.12.2001 auf der Übermittlungsstelle des Thüringer Landesarbeitsgerichtes und Arbeitsgerichtes Erfurt eingegangenen Antrag, auf dessen Inhalt in den Einzelheiten der Senat Bezug nimmt, hat der Antragsteller im Wege des Stufenantrages Auskunft und die sich aus der Auskunft ergebende Zahlung gegen die Antragsgegnerin geltend gemacht. Er hat seine Ansprüche auf § 44 LwAnpG, hilfsweise auf die §§ 28 Abs. 2, 36, 37 LwAnpG gestützt. Der Antrag ist sodann im Original ausweislich des Eingangsstempels am 02.01.2002 in der gemeinsamen Posteingangsstelle des Justizzentrums Erfurt eingegangen und wurde der Antragsgegnerin am 12.01.2002 zugestellt (vgl. Bl. 31a d. A.).

Die Antragsgegnerin hält die Ansprüche des Antragstellers für verjährt; sie beruft sich im Übrigen auf Verwirkung.

Das Landwirtschaftsgericht hat die Antragsgegnerin nach mündlicher Verhandlung, in der sie den Auskunftsanspruch anerkannt hatte, durch Teilbeschluss verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft durch Vorlage im Einzelnen bezeichneter Unterlagen zu erteilen; wegen der Einzelheiten nimmt der Senat Bezug auf die angefochtene Entscheidung des Landwirtschaftsgerichtes.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin, die beantragt, den Antrag unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des Landwirtschaftsgerichtes zurückzuweisen.

Sie hält an der Verjährungseinrede und dem Einwand der Verwirkung fest und meint im Übrigen, jedenfalls der hier allein in Betracht kommende Anspruch nach § 28 Abs. 2 LwAnpG könne ebenso wie derjenige auf Bestimmung der gerichtlichen Barabfindung nach den §§ 36, 37 LwAnpG nur binnen eines Monats nach Beschlussfassung zur Umwandlung bzw. nach Eintragung in das Register gerichtlich geltend gemacht werden. Die Antragsgegnerin hält schließlich den Auskunftsantrag und mithin die entsprechende Entscheidung des Landwirtschaftsgerichtes für nicht hinreichend bestimmt.

Der Antragsteller hat - offenbar als Reaktion auf die Erklärung der Antragsgegnerin in dem Parallelverfahren LwU 1067/02 zu den Zeitpunkten, zu denen die LPG (P) R. Bilanzen erstellt hat - seinen Antrag dahin präzisiert, dass die Vorlage der Bilanzen nebst Inventarlisten und den weiteren in der angefochtenen Entscheidung aufgeführten Unterlagen jeweils zu den Stichtagen 01.07.1990 und 30.06 1991 sowie die Gesamtvermögenseinzelpersonifizierung ebenfalls zum 30.06.1991 beantragt wird.

Der Antragsteller verteidigt im Übrigen die angefochtene Entscheidung des Landwirtschaftsgerichtes.

II.

Die nach den §§ 65 Abs. 2 LwAnpG, 22 LwVG an sich statthafte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin bleibt in der Sache selbst im Wesentlichen ohne Erfolg.

1. Nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten, wonach der Antragsteller Mitglied der LPG (P) R. war, vor der Umwandlung aus dieser LPG nicht ausgeschieden ist und mithin zunächst Mitglied der Antragsgegnerin wurde, ist nicht auszuschließen, dass er gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf bare Zuzahlung nach § 28 Abs. 2 LwAnpG hat (vgl. BGHZ 131, 260, 262 ff.; Wenzel, AgrarR 2000, 349, 350 f.). Bei der Umwandlung einer LPG in ein Unternehmen neuer Rechtsform muss jedes zuvor nicht ausgeschiedene Mitglied proportional zu dem Wert seiner Beteiligung an der LPG auch an dem neuen Unternehmen beteiligt sein. Ist das nicht der Fall, besteht grundsätzlich ein Anspruch auf bare Zuzahlung nach § 28 Abs. 2 LwAnpG. Zur Feststellung, ob eine quotale Benachteiligung in diesem Sinne vorliegt - nicht erst zur Bezifferung des späteren Zahlungsanspruches - kann das Mitglied des Nachfolgeunternehmens Auskunft verlangen, weil das Mitglied erst dann prüfen kann, ob es einen Zahlungsanspruch hat, wenn es das Eigenkapital der LPG und den Wert seiner Beteiligung an dem Nachfolgeunternehmen kennt (vgl. OLG Naumburg NL-BzAR 2003, 131, 134).

2. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin sind sowohl der Antrag des Antragstellers hinsichtlich der begehrten Auskunft als auch der Tenor der angefochtenen Entscheidung des Landwirtschaftsgerichtes hinreichend bestimmt. Die von der Antragsgegnerin vorzulegenden Unterlagen waren bereits in I. Instanz im Einzelnen genannt und so konkret bezeichnet, dass die Entscheidung gegebenenfalls einer Vollstreckung nach den §§ 31 LwVG, 888 ZPO zugänglich gewesen wäre. Soweit ein konkretes Datum hinsichtlich der Bilanzen und der Gesamtvermögenseinzelpersonifizierung nicht genannt war, sondern die DM-Eröffnungsbilanz, die Umwandlungsbilanz und die Personifizierung auf den Zeitpunkt der Umwandlung gefordert wurden, ist das unschädlich. Hinsichtlich der Bilanzen bestand eine Verwechslungsgefahr nicht, weil davon auszugehen ist, dass jeweils nur eine DM-Eröffnungsbilanz und eine Umwandlungsbilanz erstellt wurde. Der Umwandlungszeitpunkt ergibt sich aus einem öffentlichen Register und ist damit jedenfalls bestimmbar. Auch das - im rechtstechnischen Sinne im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit unbeachtliche - Anerkenntnis der anwaltlich vertretenen Antragsgegnerin deutet darauf hin, dass ihr klar war, welche Unterlagen sie vorzulegen hatte. Die geänderte Antragsformulierung im Beschwerdeverfahren wäre mithin nicht erforderlich gewesen und stellt lediglich eine Präzisierung ohne inhaltliche Änderung dar.

3. Der Auskunftsanspruch des Antragstellers, der der Vorbereitung eines Zahlungsanspruches nach § 28 Abs. 2 LwAnpG dient, ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil ein Zahlungsanspruch aus anderen, außerhalb der Auskunft liegenden Gründe unzweifelhaft nicht bestünde (vgl. BGHZ 108, 399 m.w.N.). Dem Zahlungsanspruch aus § 28 Abs. 2 LwAnpG steht insbesondere keine vom Antragsteller versäumte Frist zur gerichtlichen Geltendmachung entgegen; er ist auch weder verjährt noch verwirkt.

a) Die von der sofortigen Beschwerde befürwortete Ausschlussfrist zur gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs auf bare Zuzahlung existiert nicht. Eine ausdrückliche Regelung hierzu fehlt im Landwirtschaftsanpassungsgesetz. Die entsprechende Anwendung von § 305 UmwG scheidet aus, weil das Landwirtschaftsanpassungsgesetz ein Spruchstellenverfahren wie im Umwandlungsgesetz mit einer Entscheidung, die Wirkung für und gegen alle entfaltet (§ 311 UmwG) nicht kennt. Der Gesetzgeber hat den Anspruch daher nur der Verjährungsfrist des § 3b LwAnpG unterworfen. Daran ändert der Umstand nichts, dass der Anspruch auf bare Zuzahlung für das neue Unternehmen unter Umständen weitreichende wirtschaftliche Konsequenzen hat, weil er sowohl zu einer Vermögensminderung führen als auch Ertragseinbußen nach sich ziehen kann. Dieses Ergebnis ist nämlich Folge der von dem Unternehmen selbst zu verantwortenden Kürzung des Wertes der Beteiligung an dem Unternehmen; er unterscheidet sich insoweit nicht von den Fällen, in denen das Unternehmen Abfindungsansprüche nach § 44 Abs. 1 LwAnpG falsch berechnet hat und deshalb Nachzahlungen ausgesetzt ist (vgl. BGH AgrarR 1997, 48, 49 f.; BGH AgrarR 1999, 293, 295 f.). Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 09.11.2001 zur Ausschlussfrist bei Anträgen auf gerichtliche Bestimmung der Barabfindung nach den §§ 36, 37 LwAnpG (vgl. AgrarR 2002, 297) ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil der Bundesgerichtshof seine insoweit geänderte Rechtsprechung in erster Linie damit begründet hat, dass ohne eine solche Ausschlussfrist die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung dazu führen würde, die Frist zur Disposition über die Mitgliedschaft auf unbestimmte Zeit zu verlängern. Diese Gefahr besteht bei dem Antrag auf bare Zuzahlung gerade nicht.

b) Der Anspruch auf bare Zuzahlung ist auch nicht nach § 3b LwAnpG verjährt. Der Senat nimmt zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die zutreffenden Erwägungen des Landwirtschaftsgerichtes. Allerdings ist der Antrag per Fax am letzten Tag der Verjährungsfrist, dem 31.12.2001, nicht bei dem örtlich und sachlich zuständigen Amtsgericht Erfurt, sondern vielmehr bei der Übermittlungsstelle des Thüringer Landesarbeitsgerichtes und Arbeitsgerichtes Erfurt eingegangen. Indessen bewirkte auch die Erhebung einer unzulässigen Klage - nichts anderes kann für den Antrag im streitigen Verfahren nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz gelten - nach dem hier maßgebenden § 209 Abs. 1 BGB a. F. die Unterbrechung der Verjährung. Das gilt nach einhelliger Auffassung auch bei örtlicher oder sachlicher Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes jedenfalls dann, wenn die Klage bzw. der Antrag wie hier demnächst im Sinne des § 270 Abs. 3 ZPO zugestellt wurde (vgl. BGH NJW 1978, 1058 m.w.N.; Palandt-Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 209 Rn. 4, 5 m.w.N.). Mängel, die die Wirksamkeit des Antrages beeinträchtigen würden, sind nicht vorhanden. Insbesondere sind auch die handschriftlichen Einfügungen in dem Antrag entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin lesbar.

c) Der Anspruch auf bare Zuzahlung ist schließlich auch nicht verwirkt. Ob das hierfür erforderliche Zeitmoment erfüllt ist, kann offen bleiben, weil jedenfalls keine Umstände vorliegen, die die verspätete Geltendmachung des Rechtes als eine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte erscheinen ließen. Sind die Beteiligungswerte bei der Umwandlung verringert worden, muss das Unternehmen mit einer Ausgleichsforderung grundsätzlich auch dann noch rechnen, wenn das Mitglied inzwischen ausgeschieden ist, es sei denn, dieses hätte hierauf ausdrücklich oder konkludent verzichtet. Ein solcher Verzicht ergibt sich ohne das Hinzutreten weiterer Umstände auch nicht daraus, dass der Antragsteller nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin im Zusammenhang mit der Beendigung der Mitgliedschaft eine in den Einzelheiten nicht dargelegte Zahlung widerspruchslos entgegengenommen hat. Dass die Antragsgegnerin durch die bare Zuzahlung wirtschaftlich in eine Krise geraten könnte, hat sie nicht vorgetragen (vgl. BGH AgrarR 1999, a.a.O.).

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 44, 45 LwVG.

Den Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren hat der Senat auf der Grundlage des geschätzten Aufwands an Zeit und Kosten festgesetzt, der für die Antragsgegnerin mit der geschuldeten Auskunft verbunden ist (vgl. Zöller/Herget, ZPO. 23. Aufl., § 3 Rn. 16, Stichwort Auskunft m.w.N.).

Die angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst, weil sämtliche von der Antragsgegnerin als grundsätzlich angenommene Rechtsfragen bereits durch die höchstrichterliche Rechtsprechung entschieden sind und der Senat hiervon auch nicht abweicht.

Ende der Entscheidung

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