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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 08.06.2009
Aktenzeichen: 1 UF 424/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1361
BGB § 1577 Abs. 2
1. Nach der ab dem 01.01.2008 geltenden Rechtslage kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass das Einkommen aus Vollzeittätigkeit eines Ehegatten, der ein sieben Jahre altes Kind betreut, überobligatorisch ist.

2. Allerdings sind die Kinderbetreuungskosen abzugsfähig, die zur Ausübung einer Berufstätigkeit erforderlich sind und in angemessenem Rahmen geltend gemacht werden.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

1 UF 424/08

In der Familiensache

hat der 1. Familiensenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Parteina, Richterin am Oberlandesgericht Martin und Richter am Oberlandesgericht Knöchel

am 08.06.2009

beschlossen:

Tenor:

I. Dem Kläger wird ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin H. in E., bewilligt, soweit er beantragt, die Beklagte in Abänderung des am 18.11.2008 verkündeten Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Erfurt, Az. 35 F 123/08, zu verurteilen an ihn einen monatlichen Ehegattenunterhalt

1. vom 01.10. bis 30.11.2007 in Höhe von 364,- €,

2. vom 01.12.2007 bis 31.01.2008 in Höhe von 522,- €,

3. vom 01.02. bis 31.05.2008 in Höhe von 352,- €,

4. für Juni 2008 in Höhe von 219,- €,

5. vom 01.07. bis 31.12.2008 in Höhe von 389,- € und

6. ab dem 01.01.2009 in Höhe von 391,- € zu zahlen.

II. Im Übrigen wird dem Kläger Prozesskostenhilfe verweigert.

Gründe:

I.

Die Parteien haben am 14.03.2000 die Ehe geschlossen. Seit Oktober 2007 leben die Parteien getrennt. Aus der Ehe der Parteien ist der gemeinsamen Sohn T. L., geboren am 19.08.2000, hervorgegangen. Der Kläger ist gegenüber einem weiteren Kind, der am 30.06.1993 geborenen J. D., unterhaltspflichtig.

Der Kläger begehrt von der Beklagten Trennungsunterhalt für den Zeitraum ab Oktober 2007 sowie Rückzahlung eines Kautionsbetrages für die ehemalige Ehewohnung.

Der Kläger ist für den Textilvertrieb tätig; die Beklagte ist angestellte Architektin.

Das Amtsgericht hat durch Urteil vom 18.11.2008 den Kläger verurteilt, Trennungsunterhalt

für den Zeitraum von Oktober 2007 bis einschließlich Januar 2008 in Höhe von 908,- € zuzüglich Zinsen,

für den Zeitraum von Februar bis einschließlich Mai 2008 in Höhe von monatlich 179,- €,

für den Zeitraum ab Juli 2008 in Höhe von monatlich 105,- € und

weitere 377,22 € nebst Zinsen zu zahlen.

Das Amtsgericht hat zur Begründung ausgeführt, das für die Unterhaltsberechnung des Klägers relevante Nettoeinkommen betrage 834,- €. Zugrunde zu legen sei das von den Parteien unstreitig gestellte Nettoeinkommen in Höhe von 930,- €. Ein weitergehendes Einkommen des Klägers insbesondere aus Provisionseinkünften bestehe nicht. Der Kläger habe hierzu substantiiert durch Vorlage der Bescheinigung seines Arbeitgebers vom 05.09.2008 vorgetragen, dass er keine Provisionszahlungen erhalte.

Von dem Nettoeinkommen in Höhe von 930,- € sei die monatliche Kreditrate in Höhe von 96,30 € in Abzug zu bringen, die der Kläger zur Finanzierung seiner anlässlich der Trennung erworbenen Möbel eingegangen sei. Es handele sich um berücksichtigungswürdige Schulden, da bei der Neubegründung eines Haushaltes regelmäßig Anschaffungskosten anfielen und der vom Kläger investierte Betrag von 2159,- € nicht von vorn herein unangemessen erscheine.

Es ergebe sich ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 834,- €. Dabei seien die vom Kläger erbrachten Unterhaltsleistungen für seine Tochter J. D. in Höhe von 160,- € monatlich berücksichtigt.

Bei der Beklagten sei von einem Nettoeinkommen in Höhe von 2450,- € auszugehen. Die Steuerrückerstattungen vom 22.11.2007 und 25.01.2008 seien nicht einkommenserhöhend zur berücksichtigen. Maßgebend sei die von der Beklagten vorgelegte fiktive Steuerberechnung, da die darin berücksichtigten Änderungen für die Zukunft feststehen.

Weiter in Abzug zu bringen sei ein Betrag in Höhe von 294,- € als von der Beklagten geleisteter Barunterhalt für T. L., da dem Kläger die Erfüllung seiner Unterhaltspflicht nicht ohne Gefährdung seines angemessenen Selbstbehalts möglich sei.

Von dem sich ergebenden Nettoeinkommen der Beklagten in Höhe von 2156,- € (2450,- € abzüglich 294,- €) sei ein Betreuungsbonus in Abzug zu bringen, da die Beklagte die Betreuung von T. L. neben ihrer vollschichtigen Erwerbstätigkeit leiste. Das Gericht erachte insoweit die Kürzung des Nettoeinkommens um insgesamt 50 % unter Wertungsgesichtspunkten nach den Umständen des Einzelfalles für angemessen.

Auf die vor der Unterhaltsreform maßgebende Abgrenzung, ob es sich bei einer Berufstätigkeit neben der Kinderbetreuung um eine überobligatorische Tätigkeit handele, komme es nach dem neuen Unterhaltsrecht nicht mehr maßgebend an. Der Betreuungsbonus diene dazu, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass bei der vom neuen Recht zugrunde gelegten Pflicht zur Erwerbstätigkeit trotz minderjähriger Kinder der betreuende Elternteil unter einer Doppelbelastung stehe. Der erhöhte Aufwand, der durch eine Berufstätigkeit neben der Kinderbetreuung gegenüber einer Berufstätigkeit ohne Kinderbetreuung entstehe, werde in den meisten Fällen nicht in vollem Umfange durch die Berücksichtigung der konkreten Betreuungskosten abgefangen. Er müsse deshalb auch im Interesse des Kindeswohls stärker als bisher berücksichtigt werden und sei mit 50 % zu bemessen.

Die Tätigkeit der Beklagten als Architektin erfordere ein hohes Maß an zeitlicher Flexibilität und Verfügbarkeit auch über übliche Hortzeiten hinaus. Die Beklagte habe zwar nur ein Kind zu betreuen, das aber in der Schuleingangsphase stehe und während der - im Übrigen sehr konfliktreich geführten - Trennungsphase der Eltern in besonderem Maße auf Stabilität und Zuwendung angemessen sei. Die Beklagte wäre aufgrund ihrer Einkommenssituation auch berechtigt gewesen, ihre Erwerbstätigkeit auf eine Halbtagstätigkeit zu reduzieren. Sie wäre auch mit der Hälfte ihres derzeitigen Einkommens in der Lage gewesen, ihren eigenen Lebensbedarf zu decken. Das Elternrecht habe Vorrang vor den Unterhaltsansprüchen des Klägers.

Bei Annahme eines Betreuungsbonus in Höhe von 50 % des Nettoeinkommens erachte es das Amtsgericht für angemessen, von der Ermittlung und Berechnung von konkreten Betreuungskosten abzusehen. Es ergebe sich ein in die Unterhaltsberechnung einzustellendes Nettoeinkommen der Beklagten in Höhe von 1078,- €. Bei einer Differenz von 1078,- € zu 834,- € in Höhe von 244,- € ergebe sich ein Unterhaltsanspruch des Klägers in Höhe von 3/7 = 105,- €.

Bei der konkreten Unterhaltsberechnung sei allerdings zu berücksichtigen, dass der Kläger in der Vergangenheit teilweise Barunterhalt für T. L. geleistet habe, obwohl er hierzu nach den obigen Ausführungen im Verhältnis zur Beklagten nicht verpflichtet gewesen sei. Die tatsächlichen Leistungen minderten das Einkommen des Klägers und erhöhten andererseits das Einkommen der Beklagten, da dadurch ihre Barunterhaltspflicht gegenüber T. L. gemindert wurde. Insoweit lege das Gericht zugrunde, dass der Kläger im Zeitraum Dezember 2007 bis Mai 2008 insgesamt 1713,- € Kindesunterhalt gezahlt habe und berücksichtige pro Monat den Durchschnittswert in Höhe von 286,- € pro Monat.

In dem Zeitraum Oktober bis November 2007 und ab Juni 2008 habe der Kläger keinen Kindesunterhalt gezahlt. Der Unterhaltsanspruch betrage monatlich 105,- €.

In dem Zeitraum Dezember 2007 bis einschließlich Mai 2008 habe der Kläger durchschnittlich monatlich 286,- € Kindesunterhalt gezahlt. Um diesen Betrag sei sein Nettoeinkommen in Höhe von 834,- € zu reduzieren; es verblieben 549,- €. Bei der Beklagten reduziere sich die in Abzug zu bringende Barunterhaltspflicht in Höhe von 294,- € um 286,- €, d. h. auf 9,- €. Dies ergebe ein Nettoeinkommen in Höhe von 2442,- €. Abzüglich des mit 1078,- € bestimmten Betreuungsbonus ergebe sich ein einzustellendes Nettoeinkommen in Höhe von 1364,- €. Es bestehe eine Differenz zum Einkommen des Klägers in Höhe von 815,- €. 3/7 hiervon machten 349,- € aus.

Für den Zeitraum Februar bis einschließlich Juni 2008 könne der Kläger einen Unterhaltsanspruch gegenüber der Beklagten nur geltend machen, soweit sein Anspruch 170,- € monatlich übersteige. Bis zur Höhe von 170,- € monatlich sei sein Unterhaltsanspruch gemäß § 33 SGBII auf die ARGE SGBII Erfurt übergegangen. Insoweit sei der Kläger nicht mehr Inhaber der Unterhaltsansprüche und nicht berechtigt, Zahlungen an sich zu verlangen. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerseite sei für den Forderungsübergang nach § 33 SGBII keine Rechtswahrungsanzeige erforderlich. Der Forderungsübergang greife ab Februar 2008, da es sich nicht um Unterhalt für die Vergangenheit i. S. d. § 33 Abs. 3 SGBII handele.

Mithin bestehe folgender Unterhaltsanspruch des Klägers:

10/07 bis 1/08: 2 x 105,- €=) + (2 x 349,- €=) 908,- €,

2 - 5/08: 3 x (349,- € - 170,- € =) 179,- €,

6/08: vollständiger Übergang auf die ARGEII

ab 7/08: 105,- € monatlich.

Dem Kläger stehe der Kautionsanspruch in voller Höhe aus Bereicherungsrecht zu, da er unstreitig die gesamte Kaution aufgebracht habe und die Beklagte die Ehewohnung übernommen habe.

Der Kläger beabsichtigt, das Urteil I. Instanz in vollem Umfange mit der Berufung anzugreifen und ersucht hierfür um Prozesskostenhilfe.

Der Kläger rügt, die von den Parteien erhaltenen Steuererstattungsbeträge seien zu den Einkünften hinzuzurechnen. Da die Parteien sich erst Ende des Jahres 2007 voneinander räumlich getrennt hätten, hätte eine gemeinsame Veranlagung auch für das Jahr 2007 erfolgen können und müssen. Die Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt nachgewiesen, ob und in welcher Höhe sie eine Steuerstattung für das Jahr 2007 erhalten habe.

Nachdem Trennungsunterhalt nur bis zur Rechtskraft der Scheidung zu zahlen sei, die im Jahre 2009 eintreten werde, sei es sachgerecht, die Steuererstattungen für das Jahr 2006 vom 22.11.2007 in Höhe von 3917,- € Einkommensteuer und 164,99 € Solidaritätszuschlag sowie laut Einkommensteuerbescheid vom 25.06.2008 in Höhe von 208,- € Einkommensteuer und 10,67 € Solidaritätszuschlag dem Einkommen beider Parteien zuzurechnen. Bei der Beklagten errechneten sich zusätzliche 309,26 € (3522,25 € + 188,90 € : 12), die ihrem Einkommen zuzurechnen seien.

Hilfsweise seien die Steuerrückzahlungen dem Einkommen im Jahr des Anfalls zuzurechnen. Demzufolge errechne sich im streitgegenständlcihen Zeitraum Oktober 2006 bis September 2007 folgendes Nettoeinkommen:

Ohne die Steuerrückerstattung betrage das monatliche Nettoeinkommen der Beklagten 2450,- € und das - wie im Schriftsatz der Klägerseite vom 30.05.2008 ausgeführt - laut den Einkommensteuerbescheiden für 2006 bei der Beklagten hinzuzurechnende Einkommen 293,04 € und 15,74 € monatlich. Für die Monate Oktober bis Dezember 2006 errechne sich ein monatliches Einkommen in Höhe von 2758,78 €. Dieser Betrag mit drei Monaten multipliziert ergebe 8276,34 €.

Das unstreitige Nettoeinkommen in Höhe von 2450,- € multipliziert mit neun Monaten (Januar bis September 2007) ergebe 22050,- €.

Die gesamten 30326,34 € (Oktober 2006 bis September 2007) auf den Monat verteilt ergeben 2527,20 €.

Der Kläger verfüge über ein Nettoeinkommen in Höhe von 930,- €. Ziehe man hiervon den Kredit in Höhe von 96,30 € ab, so verblieben 833,70 €. Addiere man 49,12 €, errechneten sich 882,82 €, gerundet 884,- €.

Hilfsweise sei auszuführen, dass dem Betrag in Höhe von 833,70 € für die Monate Oktober bis Dezember 2006 die Steuerrückerstattung in Höhe von monatlich 49,12 € hinzuzurechnen sei, so das 885,30 € verblieben. Für die Monate Oktober bis Dezember 2006 errechneten sich 2655,90 € und für die Monate Januar 2007 bis September 2007 833,70 € x 9 Monate, mithin 7503,30 €. Teile man die Summe von 10159,20 € durch 12 Monate verblieben 846,60 €.

Die Beklagte werde unabhängig von ihrer Schadensersatzpflicht aufgrund getrennter Veranlagung wegen der erst im Dezember 2008 feststehender Änderung, Einkommensteuererstattung aufgrund der geänderten Regelungen zur Kilometerpauschale, weitere Einnahmen haben.

Eine Kürzung des Betreuungsbonus um 50 % sei nicht nachvollziehbar. Die Beklagte habe vom Beginn der Ehe - mit Ausnahme des Mutterschutzes - durchgängig bei der TLG Immobilien gearbeitet. Das Kind T. L. sei mittlerweile 8 Jahre alt und besuche die 2. Klasse. Die Beklagte wäre nicht ohne weiteres berechtigt, ihre Erwerbstätigkeit auf eine Halbtagstätigkeit zu reduzieren. Sie müsse sich dann fiktive Einkünfte anrechnen lassen.

Das Einkommen der Beklagten sei mit 2450,- € unstreitig gestellt worden. Die Steuerrückerstattung in Höhe von 309,26 € hinzuaddiert, errechne sich ein Gesamtnettoeinkommen in Höhe von 2759,26 €. In dem Betrag von 2450,- € seien bereits die Gebühren für die Sportschule von T. L. in Höhe von 21,- € und die Hortgebühr in Höhe von 66,- €, d.h. konkrete monatliche Betreuungskosten, enthalten. Von dem unstreitigen Nettoeinkommen in Höhe von 2759,26 €, aufgerundet 2760,- €, sei der Kindesunterhaltsbetrag in Höhe von 294,- € abzusetzen. Es ergebe sich eine Summe in Höhe von 2456,- €.

Von dem unstreitigen Nettoeinkommen des Klägers in Höhe von 930,- € sei die monatliche Belastung des Kredites für Wohnungseinrichtung in Höhe von 96,30 € in Abzug zu bringen. Es errechne sich ein monatliches Nettoeinkommen des Klägers in Höhe von 834,- €.

Der Kläger sei aufgrund seiner finanziellen Verhältnisse gegenüber T. L. nicht unterhaltsverpflichtet. Dem Nettogehalt des Klägers seien [(559,74 € + 29,77 € =) 589,21 € : 12 =] 49,12 € an Steuererstattung hinzuzurechnen. Es errechne sich eine Gesamtsumme von 883,12 €, gerundet 884,- €. Werde diese vom Nettoeinkommen der Beklagten abgezogen, verblieben 1572,- €. 3/7 hiervon machten 674,- € aus.

Bei der Höhe des anrechnungsfreien Einkommens der Beklagten sei auf den Einzelfall abzustellen und der Umfang der Erwerbstätigkeit (Teilzeit-, Halbtags- oder Ganztagstätigkeit), Zahl und Alter der zu betreuenden Kinder und der Arbeitsaufwand (Nachtdienst, Schicht-, Heimarbeit) zu berücksichtigen. Bei einer ganztätigen Arbeit im Schichtdienst und Betreuung von zwei Kindern im Alter von sieben und zehn Jahren habe der BGH einen anrechnungsfreien Betrag in Höhe der Hälfte des Einkommens gebilligt (FamRZ 2005, 967).

Im Normalfall seien Kürzungen von 20 bis 30 % unter Berücksichtigung der konkreten Betreuungskosten angemessen. Es sei ein Unterschied, ob ein Kind noch vor der Arbeit in den Kindergarten gebracht und dort wieder pünktlich abgeholt werden müsse oder ob es als Schüler den Schulweg alleine bewältigen und nach Schulende unter Umständen sogar eine kurze Zeit unbeaufsichtigt bleiben könne, ferner ob ein Kind oder mehrere Kinder betreut werden.

Von der Schule bis nach Hause müsse T. ca. 300 m zurücklegen. T. L. seit acht Jahre alt und besuche die 2. Klasse. Er gehe nach der Schule in den Hort.

Lediglich hilfsweise werde der Betreuungsbonus in Höhe von 1/4 berücksichtigt.

Der Kläger beantragt Prozesskostenhilfe für folgende Anträge:

Die Beklagte wird in Abänderung des am 18.11.2008 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Erfurt, Az. 35 F 123/08 verurteilt,

1) weitere 1788,- € für den Zeitraum Oktober 2007 bis Januar 2008 nebst 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.12.2007,

2) monatlich weitere 495,- € für den Zeitraum Februar bis Mai 2008 nebst 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus je 495,- € seit dem 03.02.2008, 03.03.2008, 03.04.2008 und 03.05.2008,

3) weitere 504,- € für den Monat Juni 2008 nebst 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 03.07.2008,

4) für den Zeitraum Juli bis Dezember 2008 monatlich weitere 569,- € nebst 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus aus je 569,- € seit dem 03.07.2008, 03.08.2008, 03.09.2008, 03.10.2008, 03.11.2008 und 03.12.2008 und

5) weitere 569,- € monatlich im Voraus zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, den Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil I. Instanz. Sie führt an, gegen sie sei ausweislich des Steuerbescheides für 2007 vom 20.08.2008 eine Nachzahlung in Höhe von 1532,84 € festgesetzt worden. Sie habe einen Vorwegabzug vom versteuerten Einkommen wegen der Fahrtkosten von Erfurt nach Dresden beantragt. Insoweit sei ein Betrag in Höhe von 5020,- € nicht versteuert worden. Sodann habe aber der Arbeitgeber der Beklagten die tatsächlich entstandenen Fahrtkosten erstattet bzw. einen Dienstwagen gestellt.

2006 seien noch erhebliche Beträge für Fahrtkosten und doppelte Hauhaltsführung in Abzug gebracht worden, die 2007 nicht angefallen seien.

Der Kläger habe für 2007 keine gemeinsame steuerliche Veranlagung angestrebt.

Der Schulweg betrage 500 Meter. In den Wintermonaten sei es noch oder schon dunkel, wenn das Kind den Weg zur Schule bzw. vom Hort nach Hause gehen müsse. Zudem sei bei der Hausaufgabenerledigung noch Nacharbeit erforderlich. Die Hausaufgabenbetreuung, die Beschäftigung mit dem Kind, die Erziehung und Führung des Haushaltes seien neben einer vollschichtigen beruflichen Tätigkeit nicht zumutbar, insbesondere wenn der andere Ehegatte für solche Tätigkeiten nicht zur Verfügung stehe. Die Wahrnehmung der Betreuung und Erziehungsaufgaben sei Teil der Tagesarbeit. Mit einer Halbtagstätigkeit befinde sich die Beklagte im normalen Rahmen und entspreche den Anforderungen, wenn Ehegattentrennungsunterhaltsansprüche geltend gemacht würden.

Die Unterhaltsreform führe dazu, dass Betreuungsunterhalt nur unter begrenzten Voraussetzungen über einen längeren Zeitraum geltend gemacht werden könne und darüber hinaus Unterhalt nur bei Erleiden beruflicher Nachteile. Diese strengeren Anforderungen müssten umso mehr für den Partner gelten, der Unterhalt fordere, obwohl der andere Partner das minderjährige Kind betreue. Durch die Reform solle die Eigenverantwortlichkeit der Eheleute in den Vordergrund gestellt werden und diese sei keinesfalls dafür gedacht, eine Auslegung dahingehend zuzulassen, dass eine betreuende Kindesmutter vollschichtig tätig sein müsse, um einem nicht betreuenden Elternteil, welcher gesund und arbeitsfähig sei und zudem auch einer Arbeitstätigkeit entsprechend seiner vorehelichen Ausbildung nachgehe, Unterhalt zu leisten. In diesem Zusammenhang sei noch darauf hinzuweisen, dass mit zunehmender Trennungszeit bzw. bei endgültigem Scheitern der Ehe auch beim Trennungsunterhalt die Grundsätze des nachehelichen Unterhalts anzuwenden seien. Raum für einen Aufstockungsunterhalt wäre nicht gegeben, da keinerlei ehebedingte Nachteile für den Kläger entstanden seien.

Sie sei eigentlich von einer Trennung im August 2007 ausgegangen. Der Kläger bestätige aber erst Oktober 2007 als Trennungszeitpunkt.

Hilfsweise werde auf die erstinstanzlich angeführten tatsächlichen Betreuungskosten verwiesen, wonach neben den Hortkosten auch der monatlich mit den Eltern der Beklagten vereinbarte Betrag von 400,- € abzusetzen wäre.

II.

Die Rechtsverfolgung des Klägers in der Berufungsinstanz hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange Aussicht auf Erfolg; insoweit war dem Kläger daher Prozesskostenhilfe zu bewilligen (§ 114 ZPO).

Nach § 1361 Abs. 1 S. 1 BGB kann bei Trennung ein Ehegatte von dem anderen den nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt verlangen.

Das Amtsgericht ist in seiner Entscheidung bei dem Kläger von einem unstreitigen Nettoeinkommen des Klägers in Höhe von 930,- € ausgegangen, das um die monatliche Kreditbelastung in Höhe von 96,30 € zu bereinigen sei, so dass 834,- € verbleiben. Bei der Beklagten hat das Amtsgericht das unstreitige Nettoeinkommen in Höhe von 2450,- € in die Unterhaltsberechnung eingestellt.

Der Senat folgt im Ergebnis dem Amtsgericht, das die Steuererstattungen der Parteien für 2006 gemäß den Steuerbescheiden vom 22.11.2007 und 25.01.2008 als nicht einkommenserhöhend berücksichtigt hat. Die Parteien haben gemäß Steuerbescheid vom 22.11.2007 eine Erstattung in Höhe von 3917,- € (Einkommensteuer) und 164,99 € (Solidaritätszuschlag) und vom 25.01.2008 in Höhe von 208,- € (Einkommensteuer) und 10,67 € (Solidaritätszuschlag) erhalten. Hiervon haben der Kläger 559,74 € und 29,77 € und die Beklagte 3522,25 € und 188,90 € erhalten.

Steuererstattungen erhöhen nach ständiger Rechtsprechung des BGH (FamRZ 1980, 984) das Einkommen im Jahre des Anfalls, Steuernachzahlungen mindern es. Der BGH hält im Grundsatz am "In-Prinzip" fest, wonach bei der Ermittlung des unterhaltsrechtlichen Einkommens auf den Prüfungszeitraum, d.h. bei nichtselbständig Tätigen auf die letzten zwölf Monate abzustellen ist (FamRZ 1990, 981). Da die Parteien zur Grundlage ihrer Unterhaltsberechnung auf der Basis der vorgelegten Gehaltsabrechnungen den Zeitraum vom 01.11.2006 bis 31.10.2007 gemacht haben, liegen die ausgezahlten Steuerbeträge offensichtlich außerhalb des Berechnungszeitraumes.

Auf die weitere Frage, ob die Beklagte in Zukunft Steuererstattungen in der bisherigen Höhe weiter zu erwarten hat, was das Amtsgericht verneint hat, kommt es daher nicht mehr an. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 06.01.2008 ihren Steuerbescheid für 2007 vom 20.08.2008 vorgelegt, aus dem sich eine Nachzahlung in Höhe von 1532,84 € ergibt.

Der Senat teilt nicht die Auffassung des Amtsgerichts, wonach das Einkommen des Klägers um den von ihm bar geleisteten Kindesunterhalt zu bereinigen ist, weil dann die Beklagte mittelbar den Kindesunterhalt mit finanzieren würde. Die Frage, ob ein Vorwegabzug des Kindesunterhalts bei der Berechnung des Aufstockungsunterhalts nach § 1573 Abs. 2 BGB, der auch für den Trennungsunterhalt entsprechend gilt, wenn dadurch der Ehegattenunterhaltsanspruch erst ausgelöst oder erhöht wird, wird in der Rechtsprechung kontrovers beurteilt.

Das OLG Zweibrücken (FamRZ 2002, 1565) geht davon aus, dass der Grundsatz der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt lediglich Bedeutung für die Befreiung des betreuenden Elternteils von der Barunterhaltspflicht beim Kindesunterhalt, aber keine Auswirkung auf den Ehegattenunterhalt habe. Bei dem Kindesunterhalt handele es sich vielmehr um eine eheprägende Verbindlichkeit. Soweit ein Elternteil - insbesondere wegen des Alters des Kindes - Betreuungsleistungen zu erbringen habe, werde dem durch eine Einschränkung seiner Erwerbsobliegenheit Rechnung getragen. Damit geht das OLG Zweibrücken davon aus, dass bei dem betreuenden Ehegatten ein Betreuungsbonus zu berücksichtigen ist oder bei einer Einschränkung der Erwerbsobliegenheit die Einkünfte des betreuenden Ehegatten nur teilweise in Ansatz zu bringen sind.

Der Senat (FamRZ 2004, 1207) folgt der in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht, die einen Unterhaltsanspruch des Ehegatten verneint, wenn der Vorwegabzug des Kindesunterhalts den Ehegattentrennungsunterhaltsanspruch erst auslösen (oder erhöhen) würde. In Doppelverdienerehen würde ansonsten der die Kinder betreuende, gleichwohl aber erwerbstätige und auch erwerbsoblegene Ehegatte bei einem Vorwegabzug entgegen § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB den Kindesunterhalt mitfinanzieren, obwohl er seinen eigenen Unterhaltsbeitrag durch die Kindesbetreuung erbringt (OLG Köln, NJW - RR 2001, 1371; OLG Hamburg; FamRZ 1986, 1001).

Da der Kläger in dem Zeitraum Oktober bis November 2007 und ab Juni 2008 keinen Kindesunterhalt an die Beklagte gezahlt hat, war das Einkommen um den Kindesunterhalt zu bereinigen und zwar bis zum 30.11.2007 um den Tabellenbetrag und ab dem 01.06.2008 um den Zahlbetrag (vgl. BGH, FamRZ 2008, 963).

Bei einem einzusetzenden Einkommen der Beklagten in Höhe von 2450,- € und einer Höherstufung um eine Einkommensgruppe bei nur zwei Unterhaltspflichten beträgt der geschuldete Kindesunterhalt in der 2. Altersstufe vom 01.10. bis 30.11.2007 in der der Einkommensgruppe 8: 368,- €, und ab dem 01.06.2008 in der Einkommensgruppe 5: 387,- €.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichtes geht der Senat nicht davon aus, dass der Beklagten die Hälfte des von ihr erzielten Einkommens anrechnungsfrei zu verbleiben hat.

§ 1577 Abs. 2 BGB beinhaltet eine Spezialregelung für die Anrechnung von Einkünften aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit des Bedürftigen beim nachehelichen Unterhalt. § 1577 Abs. 2 BGB wird auch auf den Trennungsunterhalt angewendet (BGH, FamRZ 1983, 146).

Bei der rechtlichen Bewertung der Tätigkeit der Beklagten ist zu berücksichtigen, dass seit dem 01.01.2008 eine Änderung im Unterhaltsrecht eingetreten ist, welche die Eigenverantwortung der Ehegatten betont. Dem geschiedenen und Kinder betreuenden Ehegatten wird gemäß §§ 1569, 1570 BGB ein uneingeschränkter Anspruch auf Unterhalt nur zugestanden, solange ein Kind unter drei Jahren betreut wird. Für die Verlängerung eines Unterhaltsanspruchs ist eine Billigkeitsabwägung aufgrund aller Umstände des Einzelfalles zu treffen, wozu insbesondere die konkreten Belange der Kinder gehören, aber auch die Verteilung der Aufgaben in der Ehe und die Erwerbsbiografien der Partner. Hierzu muss der Kinder betreuende Ehepartner alle maßgeblichen Umstände darlegen und ggf. beweisen. Entsprechendes gilt im umgekehrten Fall, wenn - wie hier - in Frage steht, ob der auf Unterhalt in Anspruch genommene Ehegatte neben der Kinderbetreuung überobligationsmäßige Einkünfte erzielt. Hierzu fehlt es an substantiiertem Vortrag der Beklagten.

Nach der ab dem 01.01.2008 geltenden Rechtslage wird man regelmäßig bei Berufstätigkeit und Kinderbetreuung von einer überobligatorischen Tätigkeit ausgehen, wenn das Kind das 3. Lebensjahr noch nicht vollendet hat; dies gilt auch bei Ansprüchen nach § 1615 l BGB (Wendl/Staudigl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familiengerichtlichen Praxis, 7. Auflage, § 1, Rdnr. 547). Die Vorverlagerung des Beginns der Berufstätigkeit entspricht den geänderten realen Verhältnissen mit dem ab Vollendung des 3. Lebensjahres eines Kindes garantierten Kindergartenplatz (§ 24 Abs. 1 SGB VIII) und den in letzten Jahrzehnten erfolgten gesellschaftlichen Veränderungen mit einem früheren Einstieg in das Berufsleben trotz Kinderbetreuung (BT-Drs. 16/6980 vom 07.11.2007, S. 8).

Für die Zeit vor dem 01.01.2008 geht der Senat davon aus, dass die Tatsache der vollen Berufstätigkeit neben der Betreuung eines Kindes (7 Jahre alt) zwar dafür spricht, dass ein guter Teil der Tätigkeit der Beklagten überobligationsmäßig sein könnte. Andererseits deutet im vorliegenden Fall die Fortsetzung einer bereits während intakter Ehe im selben Umfang ausgeübten Tätigkeit darauf hin, dass diese als zumutbar anzusehen ist (BGHZ 162, 384; BGH, FamRZ 1998, 145; OLG Stuttgart, FamRZ 2007, 150; OLG Brandenburg, 9 WF 356/08, Quelle: www.juris.de).

Allerdings sind die Kinderbetreuungskosten abzugsfähig, die zur Ausübung einer Berufstätigkeit erforderlich sind und in angemessenem Rahmen geltend gemacht werden (Wendl/Staudigl/Gerhardt, a.a.O., § 1, Rdnr. 605). Die Beklagte führt insoweit einen Betrag in Höhe von 400,- € an, den sie zusätzlich zu der Hortbetreuung mit ihren Eltern vereinbart hat.

Demnach ergibt sich folgende Unterhaltsberechnung:

Der anzusetzende Kindesunterhalt beträgt vom 01.10. bis 30.11.2007 in der der Einkommensgruppe 8: 368,- €, und ab dem 01.06.2008 in der Einkommensgruppe 5: 387,- €.

Der Zahlbetrag beträgt

ab dem 01.06.2008 (387,- € - 77,- € =) 310,- € und ab dem 01.01.2009 (387,- € - 82,- € =) 305,- €.

01.10.2007 bis 30.11.2007:

 Einkommen Beklagte: 2450,- €
Abzug Kindesunterhalt 368,- €,
Abzug Betreuungskosten 400,- €,
verbleiben 1682,- €,
Abzug Einkommen Kläger: 834,- €,
Differenz: 848,- €,
3/7 Quote: 363,42 €,
Unterhaltsanspruch 364,- €

01.12.2007- 31.05.2008:

 Einkommen Beklagte: 2450,- €
Abzug Betreuungskosten 400,- €,
verbleiben 2050,- €,
Abzug Einkommen Kläger: 834,- €,
Differenz: 1216,- €,
3/7 Unterhaltsanspruch: 521,14 €,
aufgerundet 522,- €

01.06. bis 31.12.2008:

 Einkommen Beklagte:2450,- €
Abzug Kindesunterhalt310,- €,
Abzug Betreuungskosten 400,- €,
verbleiben 1740,- €,
Abzug Einkommen Kläger: 834,- €,
Differenz: 906,- €,
3/7 Quote: 388,28 €,
Unterhaltsanspruch 389,- €

Ab dem 01.01.2009:

 Einkommen Beklagte: 2450,- €
Abzug Kindesunterhalt 305,- €,
Abzug Betreuungskosten 400,- €,
verbleiben 1745,- €,
Abzug Einkommen Kläger: 834,- €,
Differenz: 911,- €,
3/7 Quote: 390,42 €,
Unterhaltsanspruch 391,- €

In dem Zeitraum Februar bis Juni 2008 ermäßigt sich der Unterhaltsanspruch des Klägers noch um 170,- € monatlich, da insoweit ein Forderungsübergang auf die ARGEII Erfurt eingetreten ist.

Der geschuldete Unterhalt beträgt von Februar bis Mai 2008 (522,- € - 170,- €=) 352,- € und für Juni 2008 (389,- € - 170,- € =) 219,- €.

Das weitergehende Prozesskostenhilfegesuch des Klägers war mangels Erfolgsaussicht zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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