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Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 17.05.2001
Aktenzeichen: 1 Sa 178/99
Rechtsgebiete: BAT, BGB, SGB VIII, ZPO


Vorschriften:

BAT § 22
BAT § 23
BAT § 22 Abs. 2
BGB § 1712
SGB VIII § 52 a
ZPO § 97
- Eine Sachbearbeiterin für Unterhaltssachen im Jugendamt ist zutreffend in die Vergütungsgruppe V c BAT-O (mit Bewährungsaufstieg in die Vergütungsgruppe V b BAT-O) eingruppiert.

- Darlegungs- und Beweislast für die korrigierende Rückgruppierung nach der Klarstellung der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16.02.2000 - 4 AZR 62/99.


Tenor:

1) Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 17.02.1999, Az.: 6 Ca 2681/97, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2) Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.

Die Klägerin ist seit 01.07.1991 beim Beklagten als Sachbearbeiterin für Unterhaltssachen im Jugendamt tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der Bundesangestelltentarifvertrag-Ost (BAT-O) Anwendung.

Nach der übereinstimmenden Auffassung der Parteien ist die Tätigkeit der Klägerin in der Stellenbeschreibung vom 28.04.1995 zutreffend bezeichnet. Dort sind vier Arbeitsvorgänge benannt, nämlich:

1) Die rechtliche Beratung und Unterstützung der sorgeberechtigten Mütter oder Väter sowie Volljähriger bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen;

2) Die Führung von Beistandsschaften und Pflegschaften für den Fall, daß keine Bereitschaft zur Unterhaltszahlung oder Titulierung des Unterhaltsanspruchs besteht und daher ein Schuldtitel auf gerichtlichem Wege beschafft werden muß;

3) Die Beratung und Unterstützung in Vaterschaftsangelegenheiten und Ehelichkeitsanfechtungen;

4) Das Führen von Ergänzungspflegschaften in Vaterschaftsfeststellungs- und Ehelichkeitsanfechtungsangelegenheiten.

Der Zeitanteil der Arbeitsvorgänge ist in der Stellenbeschreibung vom 28.04.1995 wie folgt angegeben:

1): 50 %;

2): 35 %;

3): 5 %;

4): 10 %.

Bezüglich der näheren Einzelheiten in der Beschreibung der Arbeitsvorgänge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin mit Schreiben vom 04.10.1995 mitgeteilt, daß sie auf der Grundlage der Stellenbeschreibung in die Vergütungsgruppe V b, Fallgruppe 1 b eingruppiert sei und ihr im Wege des Bewährungsaufstiegs Vergütung nach Vergütungsgruppe IV b, Fallgruppe 1 b gezahlt wird.

Der Beklagte hat im Jahre 1996 die von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten, insbesondere hinsichtlich der in der Tätigkeitsbeschreibung vom 28.04.1995 genannten Zeitanteile, überprüft. Als Ergebnis hat er der Klägerin mit Schreiben vom 13.12.1996 (Bl. 36 d. A.) mitgeteilt, daß die in Ziff. 1) der Tätigkeitsbeschreibung genannten Aufgaben einen Anteil von 70 - 75 % der Gesamtarbeitszeit betrügen, während die gerichtliche Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen minderjähriger Kinder sowie die Führung von Ergänzungspflegschaften in Vaterschaftsfeststellungs- und Ehelichkeitsanfechtungsangelegenheiten lediglich einen Zeitanteil von etwa 15 % beanspruchten. Mehr als die Hälfte der Arbeitszeit entfalle damit auf Tätigkeiten, die gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und zum überwiegenden Teil selbständige Leistungen i. S. des Tarifrechts erforderten. Der Beklagte hat der Klägerin mitgeteilt, daß er die Vergütungsgruppe V c, Fallgruppe 1 b für zutreffend hält und die Klägerin im Wege des Bewährungsaufstiegs in die Vergütungsgruppe V b, Fallgruppe 1 c eingruppiert.

Zwischen den Parteien ist im Berufungsrechtszug unstreitig geworden, daß die gerichtliche Tätigkeit der Klägerin weniger als ein Drittel der Gesamttätigkeit ausmacht.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe nicht hinreichend dargelegt, daß er sich bei der Ersteingruppierung in einem Irrtum befunden habe. Sie sei aber auch zutreffend in die Vergütungsgruppe IV b eingruppiert, da die von ihr ausgeübten Tätigkeiten gründliche, umfassende Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erforderten und besonders verantwortungsvoll seien.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der gestellten Anträgen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des Urteils (Bl. 311 - 325 d. A.) verwiesen.

Die Klägerin wendet sich gegen das ihr am 05.03.1999 zugestellte Urteil mit der am 01.04.1999 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und am 03.05.1999 begründeten Berufung.

Die Klägerin meint, das Arbeitsgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, daß der Beklagte die von ihm vorgenommene korrigierende Rückgruppierung nicht schlüssig begründet habe. Der Beklagte habe nicht dargelegt, welcher Fehler ihm bei der ursprünglichen Eingruppierung unterlaufen sei. Unabhängig davon trage der Beklagte die Darlegungs- und Beweislast, da die Vergütungsgruppe V b (ohne Bewährungsaufstieg) im Arbeitsvertrag vereinbart worden sei.

Sie erfülle mit ihrer Tätigkeit aber auch die Merkmale der Vergütungsgruppe IV b, Fallgruppe 1 b. Sie erbringe nicht nur, wie das Arbeitsgericht zutreffend angenommen habe, zu mehr als 50 % ihrer Tätigkeit selbständige Leistungen, die Tätigkeit erfordere auch gründliche, umfassende Fachkenntnisse. Sie habe eine Vielzahl von Rechtsvorschriften einschließlich derjenigen des Allgemeinen Teils des BGB und des Steuerrechts anzuwenden und sich mit der einschlägigen Rechtsprechung auseinanderzusetzen. Die gerichtliche Geltendmachung und Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen erfordere spezielle Kenntnisse im Zivilprozeßrecht und insbesondere im Zwangsvollstreckungsrecht. Schließlich müsse sie über viel Lebenserfahrung, Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit verfügen, mit häufig schwierigen Menschen in existenziell bedrohlichen Lebenslagen umzugehen. Im Prinzip seien neben den fachlich verwaltungstechnischen Kenntnissen die Fähigkeiten eines Sozialarbeiters zur ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung gefordert. Wegen der sehr häufig bedeutsamen Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf Sorge- und Unterhaltsberechtigte übe sie auch eine besonders verantwortungsvolle Tätigkeit aus. Ihre Tätigkeit sei vergleichbar mit derjenigen eines Amtspflegers. Für diese habe das Bundesarbeitsgericht die Vergütungsgruppe IV b für zutreffend erachtet.

Die Klägerin beantragt

das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern

und festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin seit dem 01.01.1997 ein Gehalt entsprechend der Vergütungsgruppe IV b BAT-O zu bezahlen zzgl. 4 % Zinsen aus dem Nettodifferenzbetrag zwischen der Vergütungsgruppe V b und der Vergütungsgruppe IV b vom 01.01.1997 bis zum 30.04.2000 sowie 5 % Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes vom 09.06.1998 aus dem vorgenannten Nettodifferenzbetrag seit dem 01.05.2000.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil mit den aus der Berufungsbeantwortung vom 06.07.1999 ersichtlichen Gründen. Er meint, mit der Nennung der Vergütungsgruppe im Arbeitsvertrag sei kein einzelvertraglicher Anspruch der Klägerin entstanden. Die korrigierende Rückgruppierung sei wirksam, weil die ursprüngliche Eingruppierung der Klägerin auf einem Irrtum beruht habe. Er - der Beklagte - habe die unzutreffenden Zeitangaben der Klägerin aus der Stellenbeschreibung vom 28.04.1995 seiner Bewertung zugrunde gelegt. Er sei davon ausgegangen, daß eine besonders verantwortungsvolle Tätigkeit der Klägerin mehr als 45 % der Arbeitszeit ausmache. Tatsächlich werde jedoch mit der gerichtlichen Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen sowie den Vaterschaftsfeststellungen und den Ehelichkeitsanfechtungen nur etwa 16 % der Arbeitszeit der Klägerin ausgefüllt.

Die Tätigkeit der Klägerin erfordere auch keine gründlichen, umfassenden Fachkenntnisse. Die Klägerin werde in der Regel zum Beistand für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen bestellt. Die Vorgehensweise bei der Berechnung und Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen sei schematisch geprägt. Gründliche, umfassende Fachkenntnisse seien nur für die Aufgaben erforderlich, in denen die Klägerin mit der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen befaßt sei. Die entsprechende Tätigkeit sei auch besonders verantwortungsvoll, jedoch für die Eingruppierung unbeachtlich, da sie nicht für mindestens die Hälfte der Arbeitszeit anfalle. Auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Eingruppierung eines Amtspflegers könne sich die Klägerin nicht berufen, da die Anforderungen an die Tätigkeit eines Amtspflegers über diejenigen eines Beistandes hinausgehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung nach Vergütungsgruppe IV b BAT-O/VKA.

Die Klage ist einschließlich der Nebenforderung zulässig. Es handelt sich um die im öffentlichen Dienst allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage, gegen deren Zulässigkeit nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung keine Bedenken bestehen.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

1) Der Klägerin steht die begehrte Eingruppierung nicht kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung zu. Die Mitteilung der Vergütungsgruppe in einem Arbeitsvertrag, der den BAT in Bezug nimmt, kann nicht dahin ausgelegt werden, daß dem Angestellten ein eigenständiger, von den tariflichen Bestimmungen unabhängiger arbeitsvertraglicher Anspruch auf eine bestimmte Vergütung zustehen soll (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, zuletzt BAG vom 16.02.2000, DB 2001, 596).

Nach § 22 BAT-O hängt der von der Klägerin erhobene Anspruch davon ab, ob mindestens die Hälfte der ihre Arbeitszeit ausfüllenden Arbeitsvorgänge den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsgruppe IV b, Fallgruppe 1 b entsprechen.

a) Für das Vorliegen der Voraussetzungen trägt die Klägerin die Darlegungslast. Entgegen ihrer Auffassung führen die Grundsätze für die korrigierende Rückgruppierung nicht zu einer Umkehr oder Erleichterung der Darlegungs- und Beweislast.

Der Arbeitgeber hat bei der korrigierenden Rückgruppierung zunächst darzulegen, inwieweit ihm bei der ursprünglichen Eingruppierung ein Irrtum unterlaufen ist. Er hat entweder einen Rechtsirrtum darzutun oder substantiiert die Tatsachen vorzutragen, die eine fehlerhafte Eingruppierung begründen (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, zuletzt BAG vom 18.02.1998, BAGE 88, 69). Diese Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 16.02.2000 (aaO) dahingehend klargestellt, daß es sich bei der Eingruppierung nach § 22 Abs. 2 BAT nicht um eine Willenserklärung des Arbeitgebers, sondern um eine bewertende Subsumtion handelt. Demzufolge habe der Arbeitgeber zur Begründung der korrigierenden Rückgruppierung lediglich die objektive Fehlerhaftigkeit der mitgeteilten Vergütungsgruppe, nämlich die fehlerhafte Bewertung der Tätigkeit und die der korrigierten Bewertung zugrundeliegenden Tatsachen darzulegen. Die objektive Fehlerhaftigkeit beinhalte, daß sich der Arbeitgeber insoweit bei der Rechtsanwendung "geirrt" hat, als er unzutreffende Tatsachen zugrunde gelegt und/oder eine objektiv unzutreffende rechtliche Bewertung vorgenommen hat. Dabei genüge es, wenn der Arbeitgeber auch nur eine der tariflichen Voraussetzungen der bisherigen Vergütung fehlerhaft als gegeben angesehen habe.

Der Beklagte hat insoweit seiner Darlegungslast genügt. Er hat behauptet, daß er aufgrund der von der Klägerin in der Stellenbeschreibung vom 28.04.1995 genannten Zeitanteile zunächst angenommen habe, daß die Klägerin zu insgesamt 45 % Aufgaben erledige, die ein Tätigwerden vor Gericht oder eine sonstige prozeßrechtliche Befassung zum Gegenstand hätten. Solche Tätigkeiten erforderten gründliche, umfassende Fachkenntnisse und seien auch besonders verantwortungsvoll, so daß die Voraussetzungen der Vergütungsgruppe V b, Fallgruppe 1 b als erfüllt angesehen worden seien. Eine Überprüfung habe jedoch ergeben, daß die gerichtliche Tätigkeit der Klägerin weniger als ein Drittel der Gesamttätigkeit ausmache. Mit diesen Darlegungen hat der Beklagte die behauptete Fehlerhaftigkeit der bisherigen Eingruppierung hinreichend begründet. Die Klägerin hat im übrigen im Berufungsrechtszug die Behauptung des Beklagten zum Umfang der gerichtlichen Tätigkeit als zutreffend eingeräumt.

b) Die Klägerin beruft sich für eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast auch zu Unrecht auf die Nachweisrichtlinien vom 14.10.1991 bzw. das Nachweisgesetz vom 20.07.1995.

Das Bundesarbeitsgericht hat mit seiner bereits zitierten Entscheidung vom 16.02.2000 (aaO) zu den genannten Rechtsvorschriften sowie zur Entscheidung des EuGH vom 04.12.1997 Stellung genommen. Es kam zu dem Ergebnis, daß die Auswirkungen des Nachweisrechts für die Darlegungslast des Arbeitgebers bei der korrigierenden Rückgruppierung im öffentlichen Dienst ohne Bedeutung sei. Da der Mitteilung über die Eingruppierung nur deklaratorische Bedeutung zukomme und ihr daher nicht entnommen werden könne, ob die Vergütung zutreffend oder gar vertraglich vereinbart sei, werde durch die Eingruppierungsmitteilung auch keine Beweislage geschaffen, nach der es dem Arbeitgeber obläge, die Unrichtigkeit der mitgeteilten Vergütungsgruppe zu beweisen.

Die Klägerin kann sich nach allem nicht auf die vom Beklagten mitgeteilte Eingruppierung in die Vergütungsgruppe IV b BAT-O berufen. Sie trägt die Darlegungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen der von ihr begehrten Vergütungsgruppe. Dabei besteht über die von der Klägerin auszuübende Tätigkeit zwischen den Parteien kein Streit. Auch hinsichtlich der Zeitanteile ist der Dissens zwischen den Parteien, soweit er entscheidungserheblich war, im Berufungsrechtszug unstreitig geworden. Die Subsumtion der Klägerin des insoweit unstreitigen Sachverhaltes unter die Eingruppierungsmerkmale der begehrten Vergütungsgruppe ist jedoch unzutreffend.

2) Für die Eingruppierung der Klägerin sind die allgemeinen Vergütungsgruppen der Anlage 1 a zum BAT-O maßgebend. Soweit für den Rechtsstreit von Bedeutung, haben sie folgenden Wortlaut:

Vergütungsgruppe V c

1. b) Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordert.

Vergütungsgruppe V b

1. a) Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche, umfassende Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordert.

(Gründliche, umfassende Fachkenntnisse bedeuten gegenüber den in der Fallgruppe 1 b der Vergütungsgruppe VII und in den Fallgruppen 1 a der Vergütungsgruppen VI b und V c geforderten gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen eine Steigerung der Tiefe und der Breite nach.)

b) Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit sich dadurch aus Buchstabe a) heraushebt, daß sie mindestens zu einem Drittel besonders verantwortungsvoll ist.

c) Angestellte im Büro., Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordert,

nach 3-jähriger Bewährung in Vergütungsgruppe V c, Fallgruppe 1 b.

Vergütungsgruppe IV b

1. a) Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit sich dadurch aus der Vergütungsgruppe V b, Fallgruppe 1 a heraushebt, daß sie besonders verantwortungsvoll ist.

b) Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit sich dadurch aus der Vergütungsgruppe V b, Fallgruppe 1 a heraushebt, daß sie mindestens zu einem Drittel besonders verantwortungsvoll ist,

nach vierjähriger Bejährung in Vergütungsgruppe V b, Fallgruppe 1 b.

a) Die von der Klägerin in Anspruch genommene Vergütungsgruppe IV b, Fallgruppe 1 b gewährt den Bewährungsaufstieg bei Vorliegen der Merkmale der Vergütungsgruppe V b, Fallgruppe 1 b, die ihrerseits voraussetzt, daß die Merkmale der Vergütungsgruppe V b, Fallgruppe 1 a erfüllt sind. In Vergütungsgruppe V b, Fallgruppe 1 a sind die dort geforderten gründlichen, umfassenden Fachkenntnisse im Klammerzusatz wiederum gegenüber den gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen der Fallgruppe 1 a u. a. der Vergütungsgruppe V c dadurch hervorgehoben, daß sie eine Steigerung der Tiefe und der Breite nach bedeuten.

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Vergütungsgruppe IV b, Fallgruppe 1 b, die sie im Wege des Bewährungsaufstiegs aus der Vergütungsgruppe V b, Fallgruppe 1 b erreichen kann, sei zutreffend. Danach würde es genügen, wenn sich die von ihr auszuübenden Tätigkeiten dadurch aus der Vergütungsgruppe V b, Fallgruppe 1 a herausheben, daß sie zu wenigstens einem Drittel besonders verantwortungsvoll sind. Die Klägerin hat jedoch die von ihr auszuübenden Tätigkeiten dahingehend bewertet, daß sie mindestens zur Hälfte gründliche, umfassende Fachkenntnisse erforderten und zugleich besonders verantwortungsvoll seien. Damit ist die Klägerin im Ergebnis der Auffassung, daß die Merkmale der Vergütungsgruppe IV b, Fallgruppe 1 a erfüllt seien. Der Beklagte meint umgekehrt, daß die Klägerin für den überwiegenden Zeitanteil ihrer Tätigkeiten nur gründliche und vielseitige Fachkenntnisse benötige. Hinsichtlich des Eingruppierungsmerkmals der selbständigen Leistungen stimmen beide Parteien dahin überein, daß die Klägerin mindestens zur Hälfte der Arbeitszeit solche erbringt.

b) Die Klägerin hat die von ihr auszuübenden Tätigkeiten in vier Arbeitsvorgänge unterteilt. Der Arbeitsvorgang ist eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten. Dabei ist es rechtlich möglich, daß die gesamte Tätigkeit des Angestellten nur einen Arbeitsvorgang bildet, wenn der Aufgabenkreis nicht weiter aufteilbar und nur einer einheitlichen rechtlichen Bewertung zugänglich ist. Tatsächlich trennbare Tätigkeiten mit unterschiedlicher Wertigkeit können jedoch nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefaßt werden (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, zuletzt BAG vom 20.03.1996, AP Nr. 22 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter).

Das Arbeitsgericht hat aus den Tätigkeiten der Klägerin drei Arbeitsvorgänge gebildet, nämlich 1. die Beratung der Sorgeberechtigten, 2. die außergerichtliche und gerichtliche Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen und 3. die Zwangsvollstreckung. Die erkennende Kammer ist demgegenüber der Auffassung, daß die Tätigkeit der Klägerin als Sachbearbeiterin für Unterhaltssachen im Jugendamt als ein Arbeitsvorgang anzusehen ist. Die von ihr einzeln aufgeführten Tätigkeiten dienen nämlich allein der Erfüllung der gesetzlich vorgegebenen Aufgaben. Dies gilt für den vor und den nach dem 01.07.1998 maßgeblichen Rechtszustand gleichermaßen. Am genannten Datum ist sowohl das Kindschaftsreformgesetz vom 16.12.1997 als auch das Beistandsschaftsgesetz vom 04.12.1997 in Kraft getreten. Durch das Kindschaftsreformgesetz sind die Vorschriften des BGB über die Ehelichkeitsanfechtung ersatzlos gestrichen worden. Das Beistandsschaftsgesetz hat durch den neu eingeführten § 1712 BGB und durch die Änderungen im 4. Abschnitt des SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe) eine einheitliche Rechtslage für die Aufgaben des Jugendamtes in Unterhaltssachen geschaffen. Bis auf den Wegfall der Ehelichkeitsanfechtung sind die Aufgaben des Jugendamtes auch nach der Rechtsänderung gleichgeblieben. Die Beratungspflicht ergibt sich nunmehr aus § 52 a SGB VIII. Sie knüpft an die Aufgaben des Jugendamtes als Beistand gem. § 1712 BGB n. F. an. Damit hat das Jugendamt auf Antrag die Aufgabe, 1. die Vaterschaft festzustellen und 2. Unterhaltsansprüche geltend zu machen.

Die Tätigkeiten der Klägerin richten sich auf die Erfüllung eines einheitlichen Arbeitsergebnisses, nämlich die Erledigung der ihr übertragenen gesetzlichen Aufgaben als Beistand (vgl. zur Tätigkeit des Amtspflegers bei der Besorgung der Angelegenheiten der ihm zugewiesenen Personen: BAG vom 04.09.1996, AP Nr. 217 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

Unerheblich für die Bildung eines einheitlichen Arbeitsvorganges ist, daß die einzelnen Tätigkeiten, insbesondere die außergerichtliche und gerichtliche Tätigkeit, unterschiedlich zu bewerten sind. Ein Arbeitsvorgang kann Tätigkeiten verschiedener Anforderung in sich vereinen. Zwar dürfen tatsächlich trennbare Tätigkeiten mit unterschiedlichen Wertigkeiten nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefaßt werden. Tatsächlich trennbar sind die Tätigkeiten jedoch nur dann, wenn sie sich verschiedenen bestimmten Arbeitsergebnissen zuordnen lassen. Arbeitsergebnis ist aber nicht die Besorgung einer einzelnen - schwierigen oder weniger schwierigen - Angelegenheit. Ziel der Tätigkeit der Klägerin ist vielmehr die Durchsetzung eines Unterhaltsanspruchs zugunsten des Unterhaltsberechtigten. Für dieses Ergebnis ist es unerheblich, ob der Anspruch freiwillig anerkannt wird oder gerichtlich durchgesetzt und dann ggf. auch vollstreckt werden muß (vgl. zur Tätigkeit eines Behördenbetreuers: BAG vom 20.03.1996, aaO).

3) Die von der Klägerin auszuübenden Tätigkeiten erfordern keine gründlichen, umfassenden Fachkenntnisse.

a) Das Merkmal der gründlichen, umfassenden Fachkenntnisse bedeutet nach dem Klammerzusatz zur Vergütungsgruppe V b, Fallgruppe 1 a gegenüber den gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen eine Steigerung der Tiefe und der Breite nach. Die Merkmale gründlich, umfassend dürfen nicht je für sich bewertet werden, sondern müssen insgesamt eine quantitative und qualitative Steigerung aufweisen, also hinsichtlich Breite und Gründlichkeit gesteigert sein. Umfassende Fachkenntnisse werden für einen Aufgabenkreis jedenfalls dann nicht benötigt, wenn dieser zum Aufgabengebiet der beschäftigenden Verwaltung nur einen relativ geringen Ausschnitt darstellt (vgl. zu allem Clemens u. a., BAT-VergO VKA, Anm. 61 m. w. Nachw.).

aa) Das von der Klägerin anzuwendende Fachwissen ist nicht nach Tiefe und Breite im aufgezeigten Sinne umfassend. Die Klägerin muß für die Feststellung der Vaterschaft und die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen über Kenntnisse der einschlägigen Bestimmungen des BGB verfügen. Soweit eine gerichtliche Anerkennung der Vaterschaft beantragt oder das Unterhaltsklageverfahren betrieben wird, sind ebenso wie bei der Durchführung der Zwangsvollstreckung prozeßrechtliche Kenntnisse erforderlich. Die Anwendung aller insoweit in Betracht kommenden Vorschriften stellt immer noch einen kleinen Ausschnitt aus der gesamten Verwaltungstätigkeit der Beschäftigungsbehörde der Klägerin dar. Die Rechtsanwendung prägt auch nicht die Tätigkeit der Klägerin. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt in der Beratung und Unterstützung von Müttern gem. § 52 a SGB VIII. Auch für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen muß die Klägerin im Regelfall nicht auf vertiefte Rechtskenntnisse der einschlägigen Vorschriften zurückgreifen. Die Vorgehensweise sowohl für die Berechnung als auch für die Durchsetzung der Unterhaltsansprüche ist weitgehend schematisch. Die insgesamt zu einem geringen Teil anfallenden Zwangsvollstreckungen (Beklagte: 3,1 %) bestehen im wesentlichen in Forderungspfändungen.

Die Klägerin muß folglich zwar über ein gründliches und vielseitiges, nicht aber über ein breites und tiefes Fachwissen verfügen.

bb) Der von der Klägerin angezogene Vergleich mit der Tätigkeit eines Amtspflegers, für den das Bundesarbeitsgericht (BAG vom 04.09.1996, aaO) die Vergütungsgruppe IV b BAT für zutreffend hielt, führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach dem dort mitgeteilten Sachverhalt hatte der Amtspfleger ein weitaus umfachreicheres Aufgabengebiet zu betreuen als die Klägerin. Neben den Vaterschaftsfeststellungen (dort 12 %) und der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen einschließlich der Unterhaltseinziehung (dort insgesamt 33 %) hatte der Amtspfleger Aufgaben als Vormund und in Erbschaftsangelegenheiten zu erfüllen. Das Spektrum des von ihm verlangten Fachwissens war deutlich größer als bei der Klägerin.

In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß die Klägerin zu Unrecht meint, zumindest durch das seit 01.07.1998 geltende Recht sei der Beistand i. S. des § 1712 BGB n. F. dem Amtspfleger gleichgestellt. Die Beistandsschaft neuen Rechts ist vielmehr auf die Kernbereiche der Vaterschaftsfeststellung und der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen beschränkt (Palandt, BGB, 58. Aufl., § 117 Anm. 8). Die Befugnisse eines Pflegers bzw. Vormundes (§ 1915 BGB) sind umfassender.

b) Selbst wenn für die Tätigkeit der Klägerin bejaht werden sollte, daß gründliche, umfassende Fachkenntnisse erforderlich sind, scheitert die begehrte Eingruppierung daran, daß das Hervorhebungsmerkmal der besonders verantwortungsvollen Tätigkeit nicht im entscheidungserheblichen Umfang (mindestens ein Drittel) gegeben ist. Soweit die Klägerin darauf abstellt, daß beim Umgang mit dem betroffenen Personenkreis einschließlich der Unterhaltsverpflichteten besonders viel Einfühlungsvermögen erwartet wird und im Prinzip die Fähigkeiten eines Sozialarbeiters gefordert sind, kann dies noch nicht zur Annahme einer besonders verantwortungsvollen Tätigkeit i. S. des Tarifmerkmals führen. Eine Tätigkeit ist dann besonders verantwortungsvoll, wenn dies seinen Grund im Behördenapparat, in den Auswirkungen der Tätigkeit für die Lebensverhältnisse Dritter und in sonstigen vergleichbaren Konsequenzen haben kann. Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 04.09.1996 (aaO) für den Amtspfleger das Merkmal der besonderen Verantwortung deshalb bejaht, weil sich dessen Tätigwerden unmittelbar auf das Mündel oder den Pflegling und auf dessen soziale und emotionale Beziehung zur Mutter, zum Vater, zu Verwandten und sonstigen betreuenden Personen auswirkt. Das Bundesarbeitsgericht hat folglich auf die besonderen persönlichen Beziehungen zwischen dem Pfleger und dem schutzbedürftigen Kind abgestellt. Dieser Gesichtspunkt kann nicht gleichermaßen für das Aufgabengebiet der Klägerin herangezogen werden. Im Vorddergrund ihrer Tätigkeit steht nicht der persönliche Umgang mit dem Kind, sondern die Beratung der Mutter und die Kontaktaufnahme mit dem in der Regel zahlungsunwilligen oder selbst vermögenslosen Vater.

Dabei ist zwar auch Behutsamkeit und Einfühlungsvermögen gefordert. Die Kammer vermag darin jedoch noch keine besonders verantwortungsvolle Tätigkeit im Tarifsinne zu sehen.

Mit dieser Bewertung soll der Klägerin nicht abgesprochen werden, daß sie ihre Aufgaben sehr verantwortungsbewußt erfüllt. Das Gericht ist nach dem Eindruck, den ihm die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vermittelt hat, der Überzeugung, daß die Klägerin mit Umsicht und großem Einsatz im Interesse der Beteiligten tätig wird. Es ist zu begrüßen, daß die Klägerin ihre Aufgabe auch darin sieht, bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen auf das heikle emotionale Beziehungsgeflecht zwischen den betroffenen Personen zu achten.

Die Klägerin hat gem. § 97 ZPO die Kosten des ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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