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Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 21.09.2004
Aktenzeichen: 7 Sa 62/00
Rechtsgebiete: EFZG, BGB, KSchG
Vorschriften:
EFZG § 3 Abs. 1 | |
BGB § 297 | |
BGB § 615 | |
BGB § 626 Abs. 2 | |
KSchG § 11 |
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 23.09.1999 - 6 Ca 787/99 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Zur Klarstellung wird der Urteilstenor neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.439,80 € brutto (= 4.771,84 DM) sowie 5,11 € (= 10,00 DM) nebst 12 % Zinsen aus dem sich aus 764,71 € (= 1.495,65 DM) brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 11.01.1999 und 12 % Zinsen aus dem sich auf 1.675,09 € (= 3.276,19 DM) brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 11.02.1998 zu zahlen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger verlangt Arbeitsentgelt, die Beklagte Schadensersatz.
Aus betrieblichen Gründen kündigte die Beklagte das mit dem Kläger seit 01.06.1996 bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 09.11.1998 zum 31.12.1998. Der erhob am 25.11.1998 vor dem Arbeitsgericht Erfurt Kündigungsschutzklage (Az.: 4 Ca 4428/98) und meldete sich unter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab 02.12.1998 krank. Die Krankschreibung dauerte bis 18.12.1998 und erfolgte wegen Verspannung der Rückenmuskulatur. Die Beklagte glaubte dem Kläger nicht und beauftragte eine Detektei, auf deren Bericht vom 10.12.1998 Bezug genommen wird (Bl. 67 - 71 d. A.). Danach ging der Kläger - was er einräumt - einer Nebenbeschäftigung als Hausmeister seiner Wohnanlage nach und erledigte im Arbeitsunfähigkeitszeitraum nach Schneefall den Winterdienst, was der Kläger ebenfalls einräumt. Streitig ist, welche Belastungen damit verbunden waren.
Die Beklagte kündigte daraufhin mit Schreiben vom 22.12.1998 - zugegangen am Folgetag - fristlos und erhob im Kündigungsrechtsstreit 4 Ca 4428/98 Widerklage auf Erstattung der Detektivkosten in Höhe von 3.331,52 DM.. Der Kläger erweiterte seine Kündigungsschutzklage auf die fristlose Kündigung. Im Gütetermin vom 15.01.1999 schlossen die anwaltlich vertretenen Parteien folgenden Vergleich:
1. Beide Parteien sind sich darüber einig, dass die außerordentlichen Kündigungen vom 21./22.12.1998 gegenstandslos sind und die Beklagte an den Gründen hierfür nicht mehr festhält.
2. Beide Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung vom 09.11.1998 nach Ablauf der einzelvertraglich vereinbarten Kündigungsfrist mit Ablauf des 14.02.1999 beendet werden wird.
3. Damit ist dieser Rechtsstreit erledigt.
4. Die Beklagte verpflichtet sich, an den Kläger ein qualifiziertes Zeugnis auszustellen.
5. Dieser Vergleich wird wirksam, wenn er nicht von einer der Parteien durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Arbeitsgericht Erfurt bis spätestens 22.01.1999 widerrufen wird.
Mit seiner Klage hier hat der Kläger Entgeltfortzahlung für den Zeitraum 02.12. bis 18.12.1998 in Höhe von 2.093,95 DM brutto sowie Annahmeverzugsvergütung ab 01.01. bis 22.01.1999 in Höhe von 3.276,19 DM brutto nebst Zinsen verlangt. Die Beklagte hat erneut Widerklage auf Erstattung der Detektivkosten erhoben. Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 23.09.1999 stattgegeben, in den Gründen allerdings ausgeführt, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nur in Höhe von 1.495,65 DM brutto begründet sei. Die Widerklage hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Auf die Urteilsgründe wird Bezug genommen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 07.01.2000 zugestellte Urteil am 07.02.2000 Berufung einlegen lassen, die nach Fristverlängerung zum 07.04.2000 am 07.04.2000 begründet wurde.
Der Kläger hat in der Berufungsverhandlung mit Zustimmung der Beklagten seine Klage in Höhe des nach der Urteilsbegründung zu viel ausgeurteilten Betrages von 598,30 DM brutto nebst Zinsen zurückgenommen.
Die Berufung meint, der Prozessvergleich vom 15.01.1999 habe für den vorliegenden Rechtsstreit keine Bedeutung. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall könne der Kläger nicht verlangen, da er nicht arbeitsunfähig gewesen sei. Er habe trotz seiner angeblichen Rückenbeschwerden in Nebentätigkeit Schnee räumen können. Damit sei er auch in der Lage gewesen, die geschuldete Bürotätigkeit auszuüben. Annahmeverzugsvergütung könne er nicht verlangen, weil er seine Arbeitswilligkeit nicht angezeigt habe. Die Detektivkosten müsse er wegen vertragswidrigen Verhaltens erstatten.
Die Berufung beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 23.09.1999, 6 Ca 787/99 abzuändern und
1. die Klage abzuweisen,
2. den Kläger auf die Widerklage zu verurteilen, an die Beklagte 1.468,43 € nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die angegriffene Entscheidung.
Entscheidungsgründe:
A. Soweit die Klage nicht teilweise zurückgenommen wurde (Entgeltfortzahlung in Höhe von 305,91 € = 598,30 DM brutto) und das angegriffene Urteil insoweit wirkungslos ist, hat die Berufung der Beklagten keinen Erfolg. Zur Klarstellung ist der erstinstanzliche Urteilstenor neu gefasst.
I. Der Klaganspruch auf Entgeltfortzahlung (07. bis 18.12.1998) in Höhe von unstreitig 1.495,65 € (= 764,71 DM) brutto ist aus § 3 Abs.1 EFZG begründet. Der Kläger war arbeitsunfähig.
Zwar hat die Berufung damit recht, dass der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert ist, wenn der Kläger wegen Rückenbeschwerden krank geschrieben war und in Nebentätigkeit dennoch schwere körperliche Arbeiten ausgeführt hat. Ob es so war, kann aber offen bleiben. Dieser Sachverhalt kann dem Klaganspruch nämlich nicht mehr entgegengehalten werden. Er war Anlass für die außerordentliche Kündigung vom 21.12.1998. Vor dem Arbeitsgericht Erfurt haben sich die Parteien mit Vergleich vom 15.01.1999 darauf geeinigt, dass diese Kündigung gegenstandslos ist, und zudem vereinbart, dass die Beklagte an den Gründen hierfür nicht mehr festhält. Dieser Zusatz ist nicht nur eine rechtsunerhebliche Floskel, wie die Berufung meint, sondern präkludiert den der Kündigung zugrundeliegenden Sachverhalt. Genau diesen Sachverhalt wendet die Beklagte aber jetzt wieder gegen den Entgeltfortzahlungsanspruch ein. Die Vereinbarung kann auch nicht so verstanden werden, dass die Beklagte wegen dieses Sachverhaltes nicht erneut kündigen wird. Diese Auslegung der Berufung ist weder mit dem Wortlaut vereinbar, da nicht auf eine erneute Kündigung aus den gleichen Gründen, sondern auf die Gründe für die schon ausgesprochene Kündigung verzichtet wird, noch ergibt sie einen Sinn. Eine erneute außerordentliche Kündigung war schon wegen § 626 Abs.2 BGB nicht möglich, eine ordentliche Kündigung ginge ins Leere, da das Arbeitsverhältnis schon aufgrund der ordentlichen betriebsbedingten Kündigung vom 09.11.1998 zum 14.02.1999 beendet wurde.
II. Der Klaganspruch auf Annahmeverzugsvergütung (01.01. bis 22.01.1999) in ebenfalls unstreitiger Höhe von 3.276,19 DM (= 1675,09 €) brutto ist aus den §§ 11 KSchG, 615 BGB begründet.
Die Berufung weiß, dass der Arbeitgeber mit Ausspruch einer (unwirksamen) außerordentlichen Kündigung den Arbeitnehmer zur Arbeit auffordern muss, um nicht in Annahmeverzug zu geraten (§ 296 BGB; seit BAG vom 09.08.1984 AP Nr. 34 zu § 615 BGB), und die Verzugsfolgen unabhängig davon eintreten, ob der arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer seine wiedergewonnene Arbeitsfähigkeit angezeigt hat (BAG vom 24.11.1994 AP Nr.60 zu § 615 BGB). Sie will deshalb auf § 297 BGB ausweichen und meint, der Kläger sei eben nicht arbeitsunfähig, sondern arbeitsunwillig gewesen, so dass eine Arbeitsaufforderung reine Förmelei gewesen wäre. Wie dargelegt, ist der Einwand des Krankfeierns aufgrund des Prozessvergleiches vom 15.01.1999 präkludiert. Mit seiner Kündigungsschutzklage hat der Kläger seine Leistungsbereitschaft gerade angezeigt.
III. Die eingeklagten Zinsen und Stornierungskosten (10,00 DM = 5,11 €) sind als Verzugsschaden begründet. Auf die Begründung des Arbeitsgerichts wird verwiesen.
IV. Die Widerklage auf Erstattung der Detektivkosten i. H. von 2.872,00 DM (= 1.468,43 €) ist unbegründet. Und zwar in doppelter Hinsicht: materiell hat die Beklagte im Prozessvergleich zugestanden, dass sie an den Gründen für die fristlose Kündigung nicht mehr festhält. Dann kann sie auch nicht die Kosten verlangen, die sie zur Ermittlung dieser Gründe aufgewendet hat. Prozessual war der Widerklageanspruch Streitgegenstand im Ausgangsrechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Erfurt 4 Ca 4428/98. Mit dem Vergleich vom 15.01.1999 wurde der Rechtsstreit erledigt.
Was erledigt ist, kann - was eigentlich keiner Hervorhebung bedürfen sollte - nicht wieder eingeklagt werden. Der Vergleich ist bestandskräftig.
V. In der Berufungsverhandlung hat sich der Geschäftsführer der Beklagten bitter darüber beklagt, dass die Arbeitsgerichte das Verhalten des Klägers nicht beanstanden. Er vergisst, dass er selbst dieses Verhalten mit Vergleich vom 15.01.1999 nicht mehr beanstandete und damit den gerichtlichen Prüfungsrahmen jetzt bestimmt hat. Er sollte auch nicht vergessen, dass der Kläger die ordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Abfindung akzeptiert hat. Die Gegenleistung war, dass das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abgewickelt wird.
B. Die Kosten ihrer erfolglosen Berufung hat die Beklagte nach § 97 Abs.1 ZPO zu tragen.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Ende der Entscheidung
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