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Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 30.08.1999
Aktenzeichen: 8 Ta 108/99
Rechtsgebiete: BRAGO
Vorschriften:
BRAGO § 10 |
Die dennoch eingelegte Beschwerde gegen die Wertfestsetzung ist mangels Beschwer als unzulässig zu verwerfen.
Tenor:
wird die Beschwerde gegen den Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Eisenach, Außenkammern Mühlhausen vom 22.03.1999 (4 Ca 1006/98) - soweit sie nach Erlass des Abänderungsbeschlusses vom 22.06.1999 aufrecht erhalten worden ist - als unzulässig verworfen.
Gründe:
I
In dem zugrundeliegenden Feststellungsverfahren schlossen die Parteien einen gerichtlichen Vergleich, in dem sich der klagende Arbeitgeber u. a. verpflichtete, die Arbeitspapiere des Beklagten ausgefüllt herauszugeben und ihm ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen.
Auf Antrag des Beschwerdeführers setzte das Arbeitsgericht nach Anhörung den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren und den Vergleich gem. § 10 BRAGO mit dem angefochtenen Beschluss fest.
Gegen diesen ihm am 26.03.1999 zugestellten Beschluss legte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 06.04.1999, der am gleichen Tag beim Arbeitsgericht einging, Beschwerde ein und monierte - soweit hier von Interesse -, dass der Bruttolohn des Beklagten höher gewesen sei, als das Arbeitsgericht bei Festsetzung des Wertes für den Feststellungsantrag angenommen habe, und dass der Vergleichswert wegen der vom Arbeitgeber übernommenen Verpflichtungen höher als der Verfahrenswert liegen müsse.
Mit Schreiben vom 25.05.1999 wies der Kammervorsitzende u. a. darauf hin, dass die vom Beschwerdeführer vorgelegte Lohnabrechnung wegen einiger Besonderheiten nicht als Grundlage für die Wertfestsetzung dienen könne, dass aber eine Erhöhung des Verfahrens und damit auch des Vergleichswertes bei Berücksichtigung eines um DM 1,00 höheren Stundenlohnes in Betracht käme. Er wies weiter darauf hin, dass bei dem im Vergleich übernommenen unstreitigen Verpflichtungen nur die Berücksichtigung eines sog. Titularinteresses in Betracht käme, was den Ansatz eines Wertes in Höhe von 10 % des Normalwertes nahelege.
Abschließend wurde darauf hingewiesen, dass das Gericht nach Maßgabe der gegebenen Erläuterungen eine Abhilfeentscheidung erlassen würde, falls der Beklagte dagegen binnen drei Wochen nichts vorbringe; der Beschwerdeführer wurde mit Fristsetzung bis zum 18.06.1999 um Mitteilung gebeten, ob die Beschwerde darüber hinaus auch unter Maßgabe der Erläuterungen aufrechterhalten bleibe.
Mit Schriftsatz vom 09.06.1999, der am 14.06.1999 beim Arbeitsgericht einging, erklärte der Beschwerdeführer, es bestehe mit den Ausführungen des Gerichts vom 25.05.1999 Einverständnis.
Daraufhin erließ das Arbeitsgericht am 22.06.1999 einen Beschluss, worin der Festsetzungsbeschluss vom 22.03.1999 dahin abgeändert wurde, dass der Wert für Klage und Vergleich unter Berücksichtigung des höheren Stundenlohnes des Beklagten erhöht wurde; im Übrigen wurde die Beschwerde zurückgewiesen. Wegen der Gründe wies das Arbeitsgericht auf den gerichtlichen Hinweis vom 25.05. und die entsprechende Einverständniserklärung des Beschwerdeführers vom 09.09.1999 hin. Weiter wurde eine Rechtsmittelbelehrung im Hinblick auf die Einlegung einer sofortigen Beschwerde "gegen diesen Beschluss" nach § 10 Abs. 3 BRAGO gegeben.
Dieser Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am 29.06.1999 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 23.06.1999, der am 25.06.1999 beim Arbeitsgericht einging, erklärte der Beschwerdeführer, mit der beabsichtigten Erhöhung des Verfahrens und Vergleichswertes bestünde Einverständnis; die Beschwerde werde in Bezug auf den Vergleichswert nur insoweit aufrechterhalten, als das Arbeitsgericht nur ein Titularinteresse für die übernommenen Verpflichtungen des Beklagten in Ansatz gebracht habe.
Mit ausführlich begründetem Beschluss vom 06.07.1999 half das Arbeitsgericht der Beschwerde vom 23.06.1999, die es als neue Beschwerde ansah, nicht ab und legte sie dem Beschwerdegericht vor.
II
Soweit der Beschwerdeführer die nach § 10 Abs. 3 BRAGO statthafte und form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde vom 22.03.1999 aufrechterhalten hat, ist sie mangels Rechtsschutzinteresses als unzulässig zu verwerfen.
Im Einzelnen gilt folgendes:
1.
Das Beschwerdegericht teilt nicht die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass der Beschwerdeführer mit seinem Schriftsatz vom 23.06.1999 eine neue Beschwerde gegen den Beschluss vom 22.06.1999 eingelegt habe.
Gegen diese Auffassung spricht nämlich der aus dem eindeutigen Wortlaut des Schreibens ersichtliche Wille des Beschwerdeführers, die bereits vorher eingelegte Beschwerde teilweise aufrechtzuerhalten; von einer "neuen" Beschwerde gegen den Abänderungsbeschluss ist in diesem Schriftsatz auch nicht andeutungsweise die Rede, so daß das Arbeitsgericht die Ausführungen des Beschwerdeführers nicht so verstehen konnte, als wolle er ein neues Rechtsmittel entsprechend der dem Abänderungsbeschluss beigefügten Rechtsmittelbelehrung einlegen.
Dies konnte auch schon deshalb schwerlich gewollt sein, weil dem Beschwerdeführer der Abänderungsbeschluss bei Abfassung seines Schriftsatzes inhaltlich noch gar nicht bekannt sein konnte, weil er ihm zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht zugestellt war. Es kann aber allgemein nicht unterstellt werden, dass Beteiligte gegen ihnen inhaltlich noch nicht bekanntgewordene gerichtliche Entscheidungen Rechtsmittel einlegen wollen, mögen Entscheidungen wie die vorliegende auch schon vor Zustellung, nämlich mit Hinausgabe aus dem inneren Geschäftsbetrieb existent und damit beschwerdefähig sein (vgl. Thomas-Putzo ZPO 18. Aufl. § 329 Rz. 5).
2.
Das Arbeitsgericht ist zu dieser Auffassung, der Beschwerdeführer habe eine neue Beschwerde eingelegt, auch nur durch eine versehentlich verfahrensfehlerhafte Behandlung der Beschwerde vom 06.04.1999 gelangt.
Da es auch bei Beschwerden nach § 19 BRAGO entsprechend der Rechtsprechung der Beschwerdekammer (vgl. Beschluss vom 23.06.1998 - 8 Ta 79/98 - LAGE § 10 BRAGO, Entscheidung 7) einer Abhilfeentscheidung des Ausgangsgerichts bedarf, hätte es die von ihm mit Erhöhung des Verfahrens- und Vergleichswertes tatsächlich vorgenommene teilweise Abhilfe als solche kennzeichnen sollen und das Verfahren im Übrigen - also soweit keine Abhilfe entsprechend den deutlich gewordenen Vorstellungen des Beschwerdeführers vorgenommen wurde - an das Beschwerdegericht abgeben müssen. Die Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen und die Belehrung über die Möglichkeit der Einlegung einer neuen Beschwerde gegen den (Teil)Abhilfebeschluss war nicht verfahrensrichtig.
3.
Das Beschwerdegericht geht deshalb davon aus, dass der Beschwerdeführer die (ursprüngliche) Beschwerde vom 06.04.1999 teilweise weiterverfolgt und dass diese Beschwerde insoweit dem Beschwerdegericht zur Entscheidung angefallen ist.
Es spricht sehr viel dafür, dass die Beschwerde in diesem Rahmen schon deshalb unzulässig geworden ist, weil der Beschwerdeführer sie vollständig zurückgenommen hat und es deshalb an einer Grundlage für eine Entscheidung des Beschwerdegerichts mangelt.
Der Schriftsatz vom 09.06.1999 ist nämlich bei richtiger und praxisorientierter Würdigung als Rücknahme der Beschwerde unter der Bedingung, dass das Arbeitsgericht nach Maßgabe seiner Erläuterungen vom 25.05. einen Abänderungsbeschluss erlassen würde, anzusehen. Eine solche Bedingung ist zulässig, denn ihr Gegenstand ist kein ungewisses künftiges Ereignis, sondern ein innerprozessualer Vorgang (vgl. Thomas-Putzo Einleitung III Rz. 14).
Die Bedingung ist mit Erlass des Abänderungsbeschlusses eingetreten, die mit Schriftsatz vom 23.06.1999 erklärte teilweise Aufrechterhaltung der Beschwerde gegen den Beschluss vom 22.03.1999 geht deshalb ins Leere, weil die Beschwerde bei Eingang des Schriftsatzes am 25.06.1999 durch den Erlass des Abänderungsbeschlusses vom 22.06.1999 auf Grund der antizipierten Rücknahme dieser Beschwerde nicht mehr anhängig war. Im Übrigen wäre der Widerruf der erklärten Beschwerderücknahme prozessual unbeachtlich; in Betracht wäre nur eine Neuvornahme der Beschwerde gekommen, die hier aber - wie oben dargelegt - nicht vorliegt (vgl. zu allem Thomas-Putzo a. a. O. Einleitung IV Rz. 22).
4.
Einer abschließenden Entscheidung bedarf diese Frage allerdings nicht. Denn auch bei einer anderen Sichtweise der prozessualen Gestaltung wäre die Beschwerde in ihrem dem Beschwerdegericht zur Entscheidung angefallenen Teil ebenfalls unzulässig.
Denn in der Erklärung des Rechtsanwaltes, er sei mit der Festsetzung eines Wertes in einer bestimmten Höhe einverstanden, liegt nach richtiger Auffassung entweder ein Verzicht auf die Beschwerdebefugnis bzw. - wie hier - der Verzicht auf die Aufrechterhaltung einer bereits eingelegten Beschwerde (vgl. Stein-Jonas-Grunzky ZPO 21. Aufl., § 567 Rz. 24; Münchener Kommentar ZPO - Braun § 567 Rz. 13) oder - noch einleuchtender - der Wegfall der Beschwer.
Denn wer sich als Prozessbeteiligter im Rahmen seiner Anhörung über die beabsichtigte Vorgehensweise des Gerichts damit einverstanden erklärt, dass das Gericht in einer bestimmten Art und Weise vorgeht, etwa einen Streitwert in konkreter Höhe festsetzt, kann schlechterdings nicht in seinen Rechten betroffen sein, wenn das Gericht sich an die vorgeschlagene und als Absicht bekanntgegebene Maßgabe hält und so dem deutlich gewordenen Interesse des Betroffenen Rechnung trägt. Durch eine solche Entscheidung ist der betroffene nicht beschwert, so daß seine Beschwerde mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist (vgl. allgemein Thomas-Putzo a. a. O. § 567 Rz. 1 sowie § 574 Rz. 6; sowie Vorbemerkung vor § 511 Rz. 16 ff).
Die Sachlage ist im Grunde keine andere, als wenn der Betroffene die Festsetzung eines Streitwertes in bestimmter Höhe beantragt hätte und wenn das Gericht dem gefolgt wäre.
Diese Rechtslage unterscheidet sich also nicht von einem Prozess um die Zahlung von Schmerzensgeld oder um Zahlung einer Abfindung im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses. Gibt der Kläger im Rechtsstreit zu erkennen, welche ganz konkreten Vorstellungen er von der Höhe des Schmerzensgeldes oder der Abfindung hat, dann wird er durch ein Urteil, das seinen Vorstellungen voll und ganz entspricht, nicht beschwert, kann also durch Einlegung der Berufung nicht mit Erfolg versuchen, ein höheres Schmerzensgeld oder eine höhere Abfindung zu erstreiten. Seine Berufung ist nämlich mangels Beschwer unzulässig (vgl. zum Schmerzensgeld nur BGH Urteil vom 02.02.1999 - VI ZB 25/98 - MDR 99, 545 - auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; zur Abfindung vgl. Hessisches Landesarbeitsgericht Urteil vom 22.04.1997 - 9 Sa 2125/96 - LAGE § 64 ArbGG Entscheidung 33).
Die Auffassung des LAG Köln (Beschluss vom 04.07.1982 EzA § 10 BRAGO Entscheidung 1; ihm ohne Begründung folgend Wenzel in GK-ArbGG § 78 Rz. 63), die Erklärung des Einverständnisses mit einer vom Gericht angekündigten Streitwertfestsetzung enthalte keinen Verzicht auf das Beschwerderecht nach § 10 Abs. 3 BRAGO, vermag nicht einzuleuchten. Dass dieses Einverständnis deshalb nicht als Verzicht anzusehen sei, weil das Gericht den Wert unabhängig von den Vorstellungen der Parteien entsprechend der Sach- und Rechtslage festsetzen müsse; ist kein tragfähiges Argument, denn um eine - natürlich nicht vorhandene - Bindung an die Vorstellungen der Parteien geht es gar nicht, sondern um die rechtliche Wertung der Tatsache, dass sich die Parteien oder die Verfahrensbevollmächtigten mit der Absichtserklärung des Gerichts einverstanden und ihr inhaltliches Einverständnis erklärten haben. Eine Bindung des Gerichts erfolgt durch diese Erklärung nicht; nach erneuter Anhörung mag es auf Grund besserer Rechtseinsicht einen anderen Wert festsetzen.
Es erscheint auch unerheblich, ob die Wertfestsetzung auf tatsächlichen Angaben der Parteien beruhte, denen das Gericht gefolgt ist. Abgesehen davon, dass tatsächliche Angaben der Parteien bei einer Reihe von Wertfestsetzungen überflüssig ist, weil das Gericht das im Klageantrag zum Ausdruck gekommene Interesse des Klägers zu berücksichtigen hat, erfolgen etwa in Kündigungsschutzprozessen Wertfestsetzungen bei ordnungsgemäßen Vorgehen stets auf der Grundlage der von den Parteien vorgetragenen Tatsachen, etwa über die Höhe des monatlichen Einkommens. Ob das Eine oder das Andere vorliegt, hat für eine rechtliche Würdigung der Einverständniserklärung keine Bedeutung.
Das LAG Köln hat auch zu Unrecht darauf abgestellt, dass der Streitwertbeschluss in keiner Weise begründet worden sei. Denn eine Begründung der Wertfestsetzung bei Erklärung des Einverständnisses durch alle konkret Betroffenen ist verzichtbar und wäre bloß überflüssige Schreibarbeit.
5.
Da sich also der Beschwerdeführer mit der Abänderung des ursprünglichen Wertfestsetzungsbeschlusses vom 22.03.1999 einverstanden erklärt hat, und da er an diese Prozesserklärung gebunden war und sie nicht durch seinen späteren Schriftsatz zurücknehmen konnte, ist er durch den Wertfestsetzungsbeschluss in der Fassung der Abänderungsentscheidung vom 22.06.1999 nicht (mehr) beschwert. Seine Beschwerde ist deshalb als unzulässig zu verwerfen.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden gem. § 8 GKG nicht erhoben.
Einer Festsetzung des Wertes des Beschwerdeverfahrens bedarf es deshalb nicht.
Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 10 Abs. 3 S. 2 BRAGO).
Ende der Entscheidung
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