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Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 24.08.1999
Aktenzeichen: 8 Ta 114/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 121
1. Soweit eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht vorgeschrieben ist und soweit der Gegner nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten ist, kann einem als Insolvenzverwalter eingesetzten Rechtsanwalt auch vor den Gerichten für Arbeitssachen im Rahmen der gewährten Prozesskostenhilfe nur dann ein Rechtsanwalt nach § 121 Abs. 2 ZPO beigeordnet werden, wenn es erforderlich erscheint.

2. Die Erforderlichkeit der Beiordnung richtet sich danach, ob die konkrete Tätigkeit auch von einem Nichtjuristen im Rahmen seines Amtes ohne Anwaltshilfe erledigt werden würde und müsste.

3. Unter Berücksichtigung der Anlegung eines strengen Maßstabes ist die Erforderlichkeit zu verneinen, wenn im zugrundeliegenden Klageverfahren auf Zahlung von Vergütung nur die insolvenzrechtliche Einordnung der Forderung und die Geltendmachung des Einwands der Masseunzulänglichkeit in Frage steht.


Tenor:

wird die Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Gera vom 03.05.1999 als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe:

I.

In dem zugrundeliegenden Verfahren machte der bei der Fa. G. M. GmbH bis zum 28.02.1998 beschäftigte Arbeitnehmer W. einen Pauschalvergütungsanspruch gegen den Beklagten und Beschwerdeführer geltend, der mit Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Beschäftigungsunternehmen am 02.06.1997 zum Gesamtvollstreckungsverwalter (künftig: Insolvenzverwalter) ernannt worden war.

Der Beschwerdeführer hatte die Klageforderung als Masseforderung nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 GesO anerkannt, ihre Erfüllung aber im arbeitsgerichtlichen Prozessverfahren unter Hinweis auf die öffentlich bekanntgemachte Massearmut abgelehnt.

Aus diesem rechtlichen Gesichtspunkt hat das Arbeitsgericht die Klage mit inzwischen rechtskräftigem Urteil vom 14.04.1999 als derzeit unbegründet abgewiesen.

Für den Beschwerdeführer beantragte sein Prozessbevollmächtigter die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung.

Mit dem angefochtenen Beschluss bewilligte das Arbeitsgericht Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung, lehnte aber die Beiordnung von Rechtsanwalt W. ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Vertretung des Beklagten erschien im vorliegenden Verfahren nicht erforderlich. Ein sachliches und persönliches Bedürfnis nach anwaltlicher Unterstützung sei nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. Er sei selbst Rechtsanwalt und somit grundsätzlich zur Prozessführung befähigt. Der vorliegende Rechtsstreit sei auch nicht mit schwierigeren Rechtsfragen verbunden als denjenigen, welche der Beklagte als Verwalter bei einer Forderungsanmeldung ohnehin zu prüfen habe. Denn in dem Rechtsstreit ginge es lediglich um die richtige, auch rangrichtige Einordnung der Klageforderung als Masseforderung und die daraus herzuleitenden Folgen; Rechtsfragen aus anderen Rechtsgebietes als denen des Insolvenzrechtes seien nicht betroffen gewesen. Die Ablehnung der Rechtsanwaltsbeiordnung besage nicht, dass kein Gebührenanspruch des hinzugezogenen Rechtsanwalts bestehe. Dieser sei aber nicht von der Staatskasse im Rahmen der Prozesskostenhilfe zu befriedigen, sondern aus dem Insolvenzvermögen als Kosten der Verwaltung.

Gegen diesen Beschluss legte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 19.05.1999, der am gleichen Tag beim Arbeitsgericht einging - und zwar beschränkt auf die Ablehnung der Beiordnung -, Beschwerde ein und begründete sie mit dem Hinweis auf seine Belastung mit zahlreichen Prozessen und der daraus folgenden Sachgerechtigkeit, die Führung dieser Prozesse einem Rechtsanwalt zu übertragen, sowie mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit der Erstattung seiner Anwaltsgebühren aus der Staatskasse unabhänig davon, ob er selber oder für ihn ein beauftragter Rechtsanwalt den jeweiligen Prozess führe.

Mit begründetem Beschluss vom 16.07.1999 hat das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Beschwerdegericht vorgelegt.

II.

Die nach § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und damit insgesamt zulässige Beschwerde ist unbegründet, weil das Arbeitsgericht mit wohlerwogenen und nachvollziehbaren Erwägungen den Antrag des Beschwerdeführers auf Beiordnung von Rechtsanwalt W. zu Recht zurückgewiesen hat.

1.

Auszugehen ist von dem Grundsatz, dass eine Partei kraft Amtes wie der Insolvenzverwalter im Rahmen der Gewährung von Prozesskostenhilfe keine Sonderbehandlung erfährt, sondern dass für sie auch die allgemeinen in diesem Bereich gesetzlich festgelegten und von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze Geltung beanspruchen (vgl. BGH, Urteil vom 24.03.1998, XI ZR 4/98, Rechtspfleger 98, 301 = NJW 98, 1868).

2.

In Anwendung dieses Grundsatzes kann der Insolvenzverwalter im Prozess vor den Arbeitsgerichten, in denen eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben ist, nach § 121 Abs. 2 ZPO eine Anwaltsbeiordnung nur dann erlangen, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder wenn der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.

Da vorliegend der Kläger des Ausgangsverfahrens durch einen Mitarbeiter der DGB-Rechtsschutz GmbH vertreten war und da dieser kein zugelassener Anwalt war, greift hier nur die erste Alternative ein.

Sinn des § 121 Abs. 2 ZPO ist, einer rechtsunkundigen Partei auf Staatskosten rechtskundigen Beistand zu gewähren, wobei angesichts der Unübersichtlichkeit der ggf. zur Anwendung kommenden Rechtsregeln und angesichts der ggf. schwierigen und ungewohnten Problemgestaltungen bei der gerichtlichen Durchsetzung von Forderungen in einem förmlichen Verfahren keine kleinliche Handhabung am Platz sein sollte.

Andererseits ist es aber auch nicht angängig, quasi automatisch bei jeder Bewilligung von Prozesskostenhilfe gleichzeitig auf Antrag einen Rechtsanwalt beizuordnen. Denn bei dieser Vorgehensweise würden die vom Gesetzgeber für die Beiordnung nun einmal aufgestellten Voraussetzungen missachtet, was unter dem Aspekt der Bindung des Richters an Recht und Gesetz nach Art. 20 Abs. 3 GG untragbar wäre.

3.

Da § 121 ZPO also auf die Gewährleistung einer Prozessführung durch einen Rechtskundigen abzielt, mag es auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen, wenn im Schrifttum und in der Rechtsprechung das Problem, ob ein Anwalt sich selbst beigeordnet werden kann (etwa Scheidungssachen, an denen er selbst als Partei beteiligt ist, vgl. Zimmermann, PKH in Familiensachen, Rz 376) oder ob einem als Testamentsvollstrecker, Pfleger, Insolvenzverwalter oder in ähnlicher Funktion tätigen Anwalt ein anderer Anwalt beigeordnet werden muss, um in seinem Auftrag einen Rechtsstreit zu führen, ausgiebig diskutiert wird.

Dies ist beim Insolvenzverwalter um so ungewöhnlicher, als es zu seinen Aufgaben selbstverständlich dazugehört, notwendige Prozesse zur Anreicherung und Erhaltung der Masse zu führen und als er genau und auch für diese Tätigkeit seine Verwaltervergütung erhält (vgl. BGH, Beschluss vom 15.01.1998, VIIII ZB 122/97, Rpfl 98, 311).

Andererseits - und dies ist der entscheidende Gesichtspunkt - kann es nicht zu Lasten des mittellosen Betreuten oder des massearmen Vermögensbestandes gehen, dass ein Pfleger oder ein Insolvenzverwalter, der "zufällig" auch als Rechtsanwalt zugelassen ist, Tätigkeiten ausübt, die über die normale Tätigkeit eines Pflegers oder eines Insolvenzverwalters hinausgehen und für die eine Partei kraft Amtes, die nicht als Rechtsanwalt zugelassen ist, einen Rechtsanwalt einschalten würde. Denn in diesem Falle entsteht für ihn ein besonderer Vergütungsanspruch nach der BRAGO, für die etwa die vertretene Person oder die vertretene Masse haften müsste oder der angesichts von Mittellosigkeit und Masseunzulänglichkeit nicht ausgeglichen werden könnte.

Da ein solcher Ausfall schon nach dem von Art. 12 Abs. 1 GG vorgegebenen Grundsatz, dass nämlich dem Freiberufler, der seine Arbeitskraft zur Erledigung einer solchen Aufgabe einsetzt, für die Tätigkeiten, die seine speziellen beruflichen Fähigkeiten und Kenntnisse erfordern, auch eine angemessene Vergütung zustehen muss (vgl. BVerfGE 88, 145, 159; BGHZ 116, 233, 238), nicht angängig ist, greift in diesen Fällen die Selbstbeiordnung oder die Beiordnung eines anderen Anwalts nach § 121 ZPO ein.

4.

Soweit ein Rechtsanwalt als Insolvenzverwalter tätig ist, hängt die Beiordnung also davon ab, ob die nicht anwaltliche Tätigkeit den Beiordnungsfall abdeckt oder nicht. Anders ausgedrückt: Maßgebend ist, ob die konkrete Tätigkeit auch von einem Nichtjuristen im Rahmen seines Amtes ohne Anwaltshilfe erledigt werden würde und müsste (so zu Recht: Zöller-Schneider, ZPO, 16. Aufl., § 121 Rz 1).

Diese Auffassung deckt sich mit den Anforderungen an die Entstehung eines Gebührentatbestandes nach der BRAGO. Nach § 1 Abs. 2 BRAGO gilt dieses Gesetz nicht, wenn ein Rechtsanwalt als Vormund, Betreuer, Insolvenzverwalter etc. tätig ist. Denn dann richtet sich seine Vergütung nach den entsprechenden Sätzen und Staffeln in speziellen Vergütungsregelungen.

Allerdings bleibt § 1835 BGB unberührt, der einen allgemeinen Rechtsgedanken enthält. Nach diesem Rechtsgrundsatz erhält der Rechtsanwalt, der etwa als Insolvenzverwalter tätig ist, zusätzlich eine Gebühr nach der BRAGO, wenn er in seiner amtlichen Tätigkeit eine Aufgabe wahrgenommen hat, die besonderer rechtlicher Fähigkeiten bedurfte und daher von einem Verwalter, der nicht selbst Volljurist ist, bei sachgerechter Arbeitsweise in der Regel einem Rechtsanwalt hätte übertragen werden müssen. Dabei macht es grundsätzlich keinen Unterschied, ob es sich um eine gerichtliche oder außergerichtliche Tätigkeit gehandelt hat (BGH, Urteil vom 17.09.1998, VIIII ZR 237/97, MDR 98, 1435, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt; ähnlich Gerold-Schmidt-von Eicken-Madert, BRAGO, 13. Aufl., § 1 Ziff. 26, Seite 89; Göttlich-Mümmler-Braun-Rehberg, BRAGO, 19. Aufl., Stichwort Konkursverwalter, Seite 824).

"Bei der Prüfung der Frage, ob dem Anwalt als Konkursverwalter oder Liquidator eine Sondervergütung analog § 1 Abs. 2 S. 2 BRAGO i. V. mit § 1835 Abs. 3 BGB zusteht, sind allerdings strenge Maßstäbe anzulegen. Jede derartige Verwaltung ist schon ihrer Natur nach mit zahlreichen Rechtshandlungen verbunden. Auch eine Person ohne rechtswissenschaftliche Ausbildung, die eine solche Tätigkeit übernommen hat, muss daher grundsätzlich in der Lage sein, entsprechende Aufgaben, die keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten aufweisen, ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts zu bewältigen. Alles dies ist durch die nicht nach den Regeln der BRAGO geschuldete Vergütung abgegolten. Der als Verwalter oder Liquidator tätige Rechtsanwalt kann daher für rechtliche Aufgaben, die eine geschäftserfahrene Person üblicherweise ohne fremden Beistand erledigt, kein über diese Vergütung hinausgehendes Honorar verlangen" (so BGH, a. a. O., S. 1436).

5.

Der von Uhlenbruck (Der Gebührenanspruch des Konkursverwalters gegen die Konkursmasse in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten, ZIP 1980, 16 ff; ihm folgend ohne eigene Begründung Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert BRAGO a. a. O. mit weiteren Nachweisen) vertretenen Auffassung, dass nämlich arbeitsgerichtliche Rechtsstreitigkeiten heutzutage so kompliziert seien, dass kein "Nichtrechtsanwalt-Konkursverwalter" ohne anwaltlichen Beistand dem gewachsen sei und geradezu sorglos handeln würde, wenn er nicht einen Rechtsanwalt mit der Führung der Prozesse vor den Arbeitsgerichten beauftragen würde, kann in dieser Pauschalität nicht gefolgt werden.

Streitigkeiten vor den Arbeitsgerichten unter Beteiligung eines Insolvenzverwalters können genauso die Streitigkeiten vor den ordentlichen Gerichten mit insolvenzrechtlichem Einschlag mehr oder weniger schwierig oder aber auch mehr oder weniger einfach und problemlos sein. Die vom Gericht vorzunehmende Bewertung entscheidet dann nach den dargelegten Grundsätzen darüber, ob die Beiordnung eines Rechtsanwalts notwendig ist oder nicht. Eine pauschale Beurteilung nach der "üblichen" Schwierigkeit von Rechtshandlungen erscheint deshalb genauso unangebracht wie in einem "Normalfall", in dem die Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 121 ZPO infrage steht.

6.

Bei Anwendung dieser Grundsätze war hier eine Beiordnung von Rechtsanwalt W. nicht im Sinne des § 121 Abs. 2 ZPO "erforderlich".

Das Arbeitsgericht hat schon unter Hinweis auf einen Beschluss des LAG Brandenburg vom 27.01.1997 - 6 Ta 149/96 - darauf hingewiesen, dass im Ausgangsrechtsstreit nur Rechtsfragen zu erörtern waren, die der Beklagte als Konkursverwalter bei der Forderungsanmeldung ohnehin zu prüfen hatte.

Da die Klageforderung als Masseforderung nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 GesO anerkannt war, hing der Ausgang des Rechtsstreits nur davon ab, ob die Forderung aus der Masse beglichen werden konnte oder ob der Verwalter unter Hinweis auf die bekanntgemachte Masseunzulänglichkeit die Erfüllung der Forderung ablehnen durfte. Die Frage der Einordnung der Klageforderung als bevorrechtigte oder nichtbevorrechtigte Masseforderung bedurfte nur einer marginalen Erörterung, da die Forderung offensichtlich nicht aus einem "Handeln des Verwalters" herrührte und deshalb offensichtlich nicht nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 GesO einzuordnen war.

Den Einwand der Masseunzulänglichkeit im Prozess vorzubringen und durch Darlegung von Tatsachen zu substantiieren, gehört aber zu den "normalen" Aufgaben eines Konkursverwalters, mag er nun Anwalt sein oder nicht. Eine solche Rechtshandlung muss er als geschäftserfahrener Verwalter - und nur solche werden von den Amtsgerichten erfahrungsgemäß als Insolvenzverwalter ernannt - ohne fremden Beistand erledigen können. Dafür erhält er keine besondere Vergütung nach der BRAGO, so daß eine Belastung des massearmen Vermögensbestandes mit einem solchen Vergütungsanspruch nicht zu befürchten ist.

Entgegen seiner Auffassung entsteht auch durch eine solche Tätigkeit kein besonderer gegen die Staatskasse gerichteter Anspruch. Der Hinweis, dass die Beiordnung von Rechtsanwalt W. wegen der Vielzahl von anderweitigen Prozessen notwendig gewesen sei, ist weder substantiiert dargelegt worden noch vermag er die Anforderungen des § 121 Abs. 2 ZPO zu erfüllen.

Es ergibt sich also, dass das Arbeitsgericht die Beiordnung von Rechtsanwalt W. zu Recht abgelehnt hat. Die Beschwerde ist demnach als unbegründet zurückzuweisen.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht (Gebührenverzeichnis Anlage 1 zum ArbGG Nr. 9301).

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 78 Abs. 2 ArbGG).

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