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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 04.05.2006
Aktenzeichen: 1 U 671/02
Rechtsgebiete: BGB, GG, BauGB


Vorschriften:

BGB § 839
GG Art. 34
BauGB § 34
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 671/02

Verkündet am: 04.05.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch ............................. aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23.03.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird die Klage - unter Abänderung des Urteils des Landgerichts E vom 23.05.2002 - abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits - einschließlich der Kosten der Revision - fallen den Klägern zur Last.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die beklagte Stadt E. lehnte durch Bescheid vom 07. Mai 1996 den Bauantrag der Kläger vom 16. November 1995 betreffend den Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses auf dem Grundstück Johannesstraße 40 in E ab. In dem hiergegen von den Klägern vor dem Verwaltungsgericht Weimar geführten verwaltungsgerichtlichen Verfahren (1 K 1854/96.We) schlossen die Parteien am 01. Juli 1998 einen Vergleich, durch den die Beklagte sich verpflichtete, die beantragte Baugenehmigung unter bestimmten Voraussetzungen (Baulast bzw. Zusammenlegungsbaulast mit der Nachbarparzelle 39 sowie Bautiefe bis zu derjenigen der Nachbarbebauung auf Parzelle 39) zu erteilen. Die Kläger erklärten, im Hinblick auf die vergleichsweise getroffene Regelung den anhängigen Verwaltungsrechtsstreit und das Widerspruchsverfahren nicht weiter zu verfolgen. Mit Beschluss vom 08.07.1998 legte das Verwaltungsgericht, in dessen Ermessen die Kostenentscheidung gestellt worden war, die Kosten den Klägern und der Beklagten - wegen offener Erfolgsaussichten - jeweils zur Hälfte auf. Die Parzelle der Kläger wurde in der Folgezeit allerdings nicht bebaut.

Die Klägerin halten die ursprüngliche Ablehnung ihres Bauantrages für rechtswidrig und machen gegen die Beklagte einen Amtshaftungsanspruch auf Ersatz des ihnen in Form entgangener steuerlicher Abschreibungsmöglichkeiten entstandenen Verzögerungsschadens geltend.

Die Kläger haben vorgetragen:

Die Versagung der Baugenehmigung sei wegen Begründungsmängeln rechtswidrig gewesen und die sanierungsrechtliche Genehmigung müsse - infolge Zeitablaufs - als erteilt gelten. Die geplante Bebauung mit einer Tiefe von 20,75 m sei zulässig gewesen und hätte sich auch in die vorhandene Bebauung eingefügt.

Der vor dem Verwaltungsgericht Weimar geschlossene Vergleich schließe Schadensersatzansprüche der Kläger aus Amtshaftung nicht aus, jedenfalls nicht für die Vergangenheit. Sie hätten den Vergleich vor dem Verwaltungsgericht aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten zum Zwecke der Schadensminderung geschlossen, um mit dem Beginn der Bebauung nicht bis zur letztendlichen Entscheidung warten zu müssen. Insoweit dürfe ihnen der Vergleichsabschluss nicht zum Nachteil gereichen.

Bei positiver Bescheidung des Bauantrages hätten sie ihr Bauvorhaben 1996 realisiert und Abschreibungsmöglichkeiten in Höhe von 324.668,00 DM gehabt, was zu einer Steuerersparnis von 74.209,56 DM für die Klägerin zu 1) und von 68.934,01 DM für den Kläger zu 2) geführt hätte. Der Herstellungsaufwand sei nicht mindernd zu berücksichtigen, da diesem ein identischer Wert in Form der Immobilie gegenüber gestanden hätte. Es sei auch davon auszugehen, dass die Kläger, hätten sie das Objekt 1996 errichtet und hierfür zirka 540.000,00 DM aufgewendet, aus dem Objekt mindestens die Rendite erzielt hätten, die dem Zinsgewinn gleichzusetzen sei.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) 37.924,75 € und an den Kläger zu 2) 35.245,40 € zu zahlen, jeweils nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 11.01.2000.

Die Beklagte hat die Klageabweisung beantragt und geltend gemacht:

Die Voraussetzungen der Erteilung einer Baugenehmigung hätten mangels Einfügens des geplanten Vorhabens in die vorhandene Umgebung (im Sinne des § 34 BauGB) nicht vorgelegen, dies vor allem wegen zu großer Bebauungstiefe, fehlender Bildung eines Innenhofes (keine Bebauung mit der Ausbildung Haupthaus-Seitenhaus-Hinterhaus) sowie wegen einer zu modernen Fassadengestaltung. Selbst bei Genehmigungsfähigkeit treffe sie, die Beklagte, kein Verschulden, weil ihre Entscheidung zumindest vertretbar gewesen sei.

Die Beklagte hat ferner den Eintritt des Schadens wie auch die Schadenshöhe bestritten und die Auffassung vertreten, da das Vorhaben noch nicht begonnen worden sei, könne den Klägern kein Schaden infolge entgangener Abschreibungsmöglichkeiten entstanden sein. Auch müssten sie sich die Herstellungskosten einschließlich der Finanzierungskosten anrechnen lassen.

Darüber hinaus hat die Beklagte die Verjährung des Klageanspruchs eingewandt.

Die Beklagte hat schließlich auch die fehlende ordnungsgemäße Zustellung der Klage gerügt, da diese zwar an ihr Bauordnungsamt zugestellt wurde, in der Klageschrift allerdings der "Freistaat Thüringen, vertreten durch die Stadt E, diese vertreten durch den Bürgermeister ..., dieser vertreten durch das Bauordnungsamt" als beklagte Partei bezeichnet war.

Das Landgericht hat die Klageforderung mit Urteil vom 23.05.2002, auf dessen Entscheidungsgründe verwiesen wird (Bd. II, Bl. 220 ff., 234 ff. d. A.), dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Die Beklagte hat gegen das landgerichtliche Urteil form- und fristgerecht die Berufung eingelegt und begründet, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.

Sie hat zunächst das Fehlen einer ordnungsgemäßen Zustellung der Klage gerügt und Verjährung eingewandt, wobei sie geltend gemacht hat, die Zustellung vom 02.07.2001 könne nicht maßgeblich sein, weil die Kläger erst im Nachgang erklärten, dass tatsächlich die Stadt E richtiger Beklagter sei.

Ferner macht sie geltend:

Der vor dem Verwaltungsgericht Weimar geschlossene Vergleich stehe der Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen entgegen. Nachdem die Kläger auf eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des die Baugenehmigung versagenden Bescheides der Beklagten vom 07.05.1996 durch das Verwaltungsgericht verzichteten, könnten sie nicht im Nachhinein unter Berufung auf die angebliche Rechtswidrigkeit der Versagung der Baugenehmigung Amtshaftungsansprüche geltend machen. Bei Vergleichsabschluss seien sämtliche Beteiligten davon ausgegangen, dass der Streit abschließend beigelegt werden sollte und dass die Kläger auch keine (Amtshaftungs-) Ansprüche im Zusammenhang mit dem Vorgang mehr geltend machen könnten.

Entgegen dem Landgericht könne die sanierungsrechtliche Genehmigung (gemäß § 145 Abs. 1 Satz 2 BauGB i.V.m. § 19 Abs. 3 Satz 5 BauGB) nicht als fingiert gelten. Das geplante Bauvorhaben habe sich auch nicht im Sinne des § 34 BauGB in die vorhandene Bebauung eingefügt, weshalb die Versagung der Baugenehmigung nicht rechtswidrig gewesen sei. Dies vor allem aufgrund der vorgesehenen Bebauungstiefe, der fehlenden Ausbildung eines Innenhofes sowie der geplanten modernen Fassadengestaltung.

Jedenfalls sei die Versagung der Baugenehmigung durch die Stadt vertretbar gewesen, so dass es am Verschulden fehle. Die Bediensteten der Stadt E seien nach Ortsbesichtigung, unter Abwägung aller relevanten Gesichtspunkte sowie sorgfältiger rechtlicher wie auch tatsächlicher Prüfung zu der - vertretbaren - Einschätzung gelangt, das Vorhaben sei nicht genehmigungsfähig.

Schließlich hätte das Landgericht den Klageanspruch nicht ohne Durchführung einer Beweisaufnahme (Ortsbesichtigung bzw. - von der Beklagten beantragte - Einholung eines Sachverständigengutachtens) dem Grunde nach für gerechtfertigt erklären dürfen. Wegen dieses Verfahrensfehlers werde vorsorglich die Aufhebung des Grundurteils und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht beantragt.

Letztlich bleibe der geltend gemachte Schaden vorsorglich auch der Höhe nach bestritten. Mit Bezug auf die Schadenshöhe müsse insbesondere eine - schadensmindernde - Anrechnung der Finanzierungskosten stattfinden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts abzuweisen

sowie vorsorglich,

den Rechtsstreit unter Aufhebung des Grundurteils an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Kläger haben die Zurückweisung der Berufung angetragen und das ihnen günstige landgerichtliche Urteil als richtig verteidigt.

Sie meinen, ihr Bauantrag sei genehmigungsfähig und die Beklagte damit verpflichtet gewesen, diesen positiv zu bescheiden. Insbesondere habe sich das geplante Bauvorhaben in die Umgebung eingefügt (§ 34 Abs. 1 BauGB); weder die geplante Bebauungstiefe noch die im Übrigen vorgesehene Art der Bebauung (ohne Herstellung eines Innenhofes) oder aber die geplante Art der Fassade stünden dem entgegen.

Der vor dem Verwaltungsgericht Weimar geschlossene Vergleich stehe der Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen durch die Kläger nicht entgegen. Ihnen dürfe nicht zum Nachteil gereichen, dass sie aus wirtschaftlichen Erwägungen von einer Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Versagungsbescheides Abstand genommen und sich für den Vergleichsabschluss entschieden hätten, um einen baldigen Beginn der Bebauung zu ermöglichen. Im Übrigen hätte selbst ein Urteil des Verwaltungsgerichts im Jahre 1998 ihnen nicht die Möglichkeit eröffnet, das Bauvorhaben in dem nach dem Fördergebietsgesetz relevanten Zeitraum (bei Nutzung günstiger Abschreibungsmöglichkeiten) zu errichten. Der Vergleich stelle damit keine unsachgemäße, den Schaden (erst) endgültig herbeiführende Reaktion der Kläger dar. Im Übrigen hätten sie auch für die später mit Bescheid vom 20.05.2000 erteilte Baugenehmigung ein Gerichtsverfahren anstrengen müssen; dieser Umstand belege, dass der Streit zwischen den Parteien nicht endgültig beigelegt gewesen sei.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht (3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts) mit Urteil vom 11.03.2003 die Klage abgewiesen, weil zwischen den Parteien kein wirksames Prozessrechtsverhältnis zustande gekommen sei.

Auf die Revision der Kläger hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht (1. Zivilsenat) zurückverwiesen.

Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klageschrift sei - in Übereinstimmung mit dem Landgericht - dahin auszulegen, dass richtige Beklagte von vornherein die Stadt E gewesen sei. Da vorliegend die Klageschrift trotz der missverständlichen Parteibezeichnung an die richtige Partei gelangt sei, sei auch die ordnungsgemäße Zustellung der Klage nicht in Zweifel zu ziehen. Das Berufungsgericht habe nunmehr Gelegenheit, in die Sachprüfung der von der Beklagten erhobenen Angriffe gegen das landgerichtliche Urteil einzutreten. Eine Verjährung des Amtshaftungsanspruchs, die sich hier nach § 852 BGB a. F. richte, sei allerdings nicht eingetreten. Sie sei hier nach § 209 Abs. 1 BGB a. F. durch die Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen Primärrechtsschutzes zunächst unterbrochen worden. Diese Unterbrechung habe fortgedauert, bis der Verwaltungsprozess durch den Vergleich vom 01. Juli 1998 "anderweit erledigt" wurde (§ 211 Abs. 1 BGB a. F.). Die Klageschrift sei spätestens am 02. Juli 2001, einem Montag, eingegangen, mithin rechtzeitig (§ 192 BGB; § 270 Abs. 3 ZPO n. F.).

Nach der Zurückverweisung an das Oberlandesgericht halten die Parteien ihr Berufungsvorbringen aufrecht und stellen die nämlichen Berufungsanträge.

Der Senat hat gemäß Beweisbeschluss vom 07.04.2005 durch Zeugenvernehmung Beweis erhoben über die Behauptung der Beklagten, durch den im Verwaltungsrechtsstreit geschlossenen Vergleich habe der Streit über die Frage der Genehmigungsfähigkeit des ursprünglich geplanten Bauvorhabens bzw. über die Rechtsmäßigkeit des Versagungsbescheides der Beklagten vom 07.05.1996 endgültig und abschließend beigelegt werden sollen, und zwar dergestalt, dass die Kläger auch aus einer etwaigen Rechtswidrigkeit des Versagungsbescheides keinerlei Ansprüche (wie etwa Staatshaftungsansprüche) herleiten würden.

Ferner hat der Senat eine Inaugenscheinnahme der umgebenden Bebauung durchgeführt (vgl. Sitzungsprotokoll vom 23.03.2006, Bl. 454 f. d.A.) sowie darüber hinaus die Akten des Verwaltungsgerichts Weimar (Az. 1 K.1854/96.We) und die Bauakten der Beklagten beigezogen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg. Den Klägern stehen keine Ansprüche nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG gegen die Beklagte zu.

Allerdings scheiden Ansprüche der Kläger nicht schon von vornherein aufgrund des zwischen den Parteien vor dem Verwaltungsgericht Weimar am 01.07.1998 (zu Az. 1 K 1854/96.We) geschlossenen Vergleiches aus.

Ihre Behauptung, durch diesen Vergleich habe der Streit über die Frage der Genehmigungsfähigkeit des ursprünglich geplanten Bauvorhabens bzw. über die Rechtmäßigkeit des Versagungsbescheides der Beklagten vom 07.05.1996 endgültig und abschließend beigelegt werden sollen, und zwar dergestalt, dass die Kläger auch aus einer etwaigen Rechtswidrigkeit des Versagungsbescheides keinerlei Ansprüche herleiten würden, hat die Beklagte nicht zu beweisen vermocht.

Sämtliche von ihr benannten, hierzu schriftlich vernommenen Zeugen (Präsident des Oberverwaltungsgerichts Dr. Schwan (Bl. 420 d. A.), Richterin am Verwaltungsgericht Hoffmann (Bl. 417 d. A.), Richterin am Verwaltungsgericht Pirk (Bl. 425 d. A.), die ehrenamtlichen Richter Irene Müller (Bl. 414 d. A.) und Gerhard Keitel (Bl. 411 d. A.) sowie schließlich Stadtrechtsrat Michael Hohmann (Bl. 413 d. A.) und der ehemalige Bauamtsleiter Klaus-Dieter Stollberg (Bl. 415 d. A.)) konnten sich an dergleichen nicht erinnern und vermochten insoweit keine Angaben zu machen.

Es fehlt jedoch an einer - Schadensersatzansprüche auslösenden - Amtspflichtverletzung auf Seiten der Beklagten.

Zwar kann die ungerechtfertigte Versagung eines Bauantrages Amtshaftungsansprüche auslösen, da die Baugenehmigung als eine "gebundene Erlaubnis" dem Eigentümer erteilt werden muss, sofern ein gesetzlicher Versagungsgrund nicht vorliegt (vgl. BGHZ 39, 358 ff., m.w.N.).

Der mit Bescheid der Beklagten vom 07.05.1996 (Bl. 56 f. der Bauakten der Beklagten) abgelehnte Bauantrag der Kläger war indes nicht nach § 34 Abs. 1 BauGB genehmigungsfähig und die Beklagte demgemäß nicht zur Erteilung der Baugenehmigung verpflichtet, denn das geplante Vorhaben fügte sich nicht in die Umgebung ein.

Nach § 34 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile (also im nichtbeplanten Innenbereich) - wie hier - zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.

Die Umgebung des streitbefangenen Grundstücks (Johannesstraße 40 in E) ist u. a. dadurch geprägt, dass die Bebauungstiefe der (an der Straße liegenden) einzelnen Baukörper (im Bescheid als "Haupthäuser" bezeichnet) jeweils weit hinter der für das hier geplante Haus vorgesehenen Bebauungstiefe von 20,75 m zurückbleibt. Die von den Klägern geplante Bebauungstiefe ragt sogar tiefer in das Grundstück hinein, als die beiden Baukörper von Haupthaus und Seitenflügel auf dem Nachbargrundstück (Johannesstraße 39) zusammen genommen . Dies ergibt sich bereits aus der Ansicht der Planskizzen Bl. 26 und Bl. 27 der Bauakten der Stadt E.

Auch die Stadtgrundkarten mit Katasterangaben, Stand 02/1991 bzw. 08/2005 = Bl. 440 f. d. A. sowie die Luftbildaufnahme aus dem Jahre 1995 = Bl. 242 d. A., ferner die Luftbildauswertung (Anlage E 1, Bl. 431 d. A.) und die Luftbilder Anlagen E 2 und E 3 (Bl. 432 und 433 d. A.) weisen auf eine erhebliche Abweichung von der Bebauung der Umgebung hin. Derart kompakte, in das Grundstück tief hineinragende Wohn- und Geschäftsgebäude sind in der näheren Umgebung nicht vorhanden.

Hinzu kommt, dass jedenfalls auf der Mehrzahl der das Bauvorhaben umgebenden Grundstücke eine Bebauung der einzelnen Grundstücke mit mehreren Baukörpern (Haupthaus, Seitenflügel, Hinterhaus) festzustellen ist, sodass im hinteren Grundstücksbereich Innenhöfe liegen, während solches bei dem geplanten Vorhaben nicht der Fall wäre. Auch dies wird anhand der Planskizzen sowie der Luftbildaufnahmen deutlich. Bei seiner Ortsbesichtigung der nunmehr vorhandenen Bebauung am 23.03.2006 hat der Senat ebenfalls solche Innenhöfe gesehen.

Demnach überschreitet das Vorhaben den aus seiner Umgebung ableitbaren Rahmen, dies vor allem im Hinblick auf die Tiefe der Bebauung.

Zwar können sich auch Vorhaben, die den aus ihrer Umgebung ableitbaren Rahmen überschreiten, dennoch dieser Umgebung "einfügen". Bei der "Einfügung" geht es weniger um "Einheitlichkeit", als um "Harmonie". Das Erfordernis des "Einfügens" hindert indessen daran, den Rahmen in einer Weise zu überschreiten, die - sei es schon selbst oder sei es infolge der Vorbildwirkung - "geeignet ist, ... (bodenrechtlich beachtliche und erst noch ausgleichsbedürftige) Spannungen zu begründen oder die vorhandenen Spannungen zu erhöhen" (BVerwGE 55, 369; 54, 73/79). Auf das Vorliegen einer derartigen "Belastung" kommt es an, wenn - wie im vorliegenden Fall - zu entscheiden ist, ob das den vorgegebenen Rahmen überschreitende Vorhaben dennoch zulässig ist. Ein Vorhaben, das im Verhältnis zu seiner Umgebung bewältigungsbedürftige Spannungen begründet oder erhöht, das - in diesem Sinne - verschlechtert, stört, belastet, bringt die ihm vorgegebene Situation gleichsam in Bewegung. Es stiftet eine Unruhe, die potentiell ein Planungsbedürfnis nach sich zieht. Soll es zugelassen werden, kann dies sachgerecht nur unter Einsatz des - jene Unruhe gewissermaßen wieder auffangenden - Mittels der Bauleitplanung geschehen. Ein Vorhaben, das um seiner Wirkung willen selbst schon planungsbedürftig ist oder doch das Bedürfnis einer Bauleitplanung nach sich zieht, fügt sich seiner Umgebung nicht ein (BVerwGE 55, 369 ff., 389 f.; Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand 01.09.2005, Rn. 31 zu § 34 BauGB).

Das Bundesverwaltungsgericht nimmt an, dass eine Überschreitung des Rahmens in der Regel die Gefahr nach sich zieht, dass der gegebene Zustand in negativer Hinsicht in Bewegung und damit in Unordnung gebracht werden kann (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O., Rn. 31 zu § 34 BauGB).

Nach Auffassung des Senats können im vorliegenden Fall solche bodenrechtlich relevanten Spannungen hervorgerufen werden. Bei Bebauung des Grundstücks der Kläger, wie vorgesehen, mit einem Wohn- und Geschäftshaus, welches einen kompakten, tief(er) in das Grundstück hineinragenden Baukörper aufweist, wäre zum maßgeblichen Zeitpunkt (dem der Entscheidung über die Baugenehmigung) zu befürchten gewesen, dass auch andere Grundstücke in der Umgebung in derartiger Weise bebaut werden, sodass der "aufgelockerte" Charakter der Wohn- und Geschäftshausbebauung verloren ginge - wobei die Bebauung etwa durch das naheliegende Kloster, das völlig anderen Nutzungszwecken dient, aber auch die in der weiteren Umgebung anzutreffenden "Plattenbauten" allerdings außer Betracht zu bleiben haben, da diese die hier maßgebliche Bebauung der Umgebung nicht prägen.

Nach alledem war und ist das Bauvorhaben der Kläger schon deshalb nach § 34 Abs. 1 BauGB nicht zulässig, weil es sich nicht der Eigenart seiner näheren Umgebung einfügt.

Offen bleiben kann dementsprechend die weitere Frage, ob auch aufgrund der geplanten Fassadenausgestaltung (Größe, Platzierung, Anordnung und Teilung der vorgesehenen Fenster sowie der Tür und Verwendung von "untypischen" Baumaterialien) ein "Einfügen" i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB nicht gegeben wäre.

Da mithin eine Genehmigungsfähigkeit des geplanten Bauvorhabens gem. § 34 BauGB nicht vorlag, fehlt es an einer - Schadensersatzansprüche auslösenden - Amtspflichtverletzung gem. § 839 BGB, weshalb die Klage unbegründet ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Revisionszulassungsgründe i.S.d. § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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