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Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 22.11.2004
Aktenzeichen: 1 UF 305/04
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 1612 b Abs. 5 | |
BGB § 1612 a | |
ZPO § 647 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 c |
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT
anonymisierter Beschluss
In der Familiensache
hat der 1. Familiensenat, Hilfssenat, des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch
Richterin am Oberlandesgericht Martin als Vorsitzende, Richterin am Oberlandesgericht Kodalle und Richter am Amtsgericht Knöchel
am 22.11.2004 beschlossen:
Tenor:
Der Klägerin wird Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz verweigert.
Gründe:
Das Amtsgericht Pößneck hat mit Urteil vom 11.06.2004 den Beklagten verurteilt, an die Klägerin für die minderjährigen Kinder,
Da., geboren am 10.03.2001 und De., geboren am 17.11.2002, einen Unterhaltsrückstand für die Zeit vom 01.11.2003 bis 31.01.2004 in Höhe von 602,- € sowie ab dem 01.02.2004 einen monatlich, jeweils bis zum Dritten eines jeden Monats im voraus zahlbaren Unterhalt in Höhe von 100 % der jeweiligen Regelbeträge nach § 2 der Regelbetragsverordnung abzüglich des jeweiligen anteiligen Kindergeldes gemäß § 1612 b Abs. 5 BGB für das Kind Da. vom 01.02.2004 bis 28.02.2007 der 1. Altersstufe, vom 01.03.2007 bis 28.02.2013 der 2. Alterstufe und ab dem 01.03.2013 der 3. Alterstufe und für das Kind De. vom 01.02.2004 bis 31.10.2008 der 1. Alterstufe, vom 01.11.2008 bis 31.10.2014 der 2. Alterstufe und ab dem 01.11.2014 der 3. Alterstufe zu zahlen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie eine Unterhaltsfestsetzung entsprechend ihren erstinstanzlichen Anträgen begehrt.
Sie führt an, sie habe bereits vor dem Amtsgericht beantragt, bei den jeweiligen Altersstufen 1 den derzeitigen Kindergeldabzug von 12,- € und bei den Altersstufen 2 und 3 keinen Abzug zu tenorieren. Dem sei das Amtsgericht nicht nachgekommen, sondern habe - entgegen der Antragstellung - davon abgesehen, das jeweils abzuziehende staatliche Kindergeld betragsmäßig zu beziffern und zur Begründung ausgeführt, wie der Kindergeldabzug sich entwickeln werde, sei nicht absehbar und mit betragsmäßigen Angaben werde für den Fall notwendiger Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eher Verwirrung als Klarheit geschaffen.
Ihre Berufung sei auch zulässig und die Beschwer von mehr als 600,- € werde erreicht, dies folge insbesondere daraus, dass das angefochtene Urteil im Unterhaltsausspruch keinen vollstreckungsfähigen Inhalt habe, weil die dort vorgenommene Kindergeldanrechnung (§ 1612 b Abs. 5 BGB) zu unbestimmt sei. Aus dem Wortlaut der Bestimmung zu § 655 ZPO ergebe sich, dass nach dem Willen des Gesetzgebers in Vollstreckungstiteln, die auf wiederkehrende Unterhaltsleistungen gerichtet seien, der - jeweils maßgebende - Betrag, der nach den Bestimmungen zu § 1612 b und § 1612 c BGB anzurechnenden Leistungen festgelegt sein müsse, entsprechendes gelte nach Art 5, § 3 Satz 3 des KindUG vom 06.04.1998 für die Umstellung von Alttiteln auf das seit dem 01.07.1998 geltende neue Unterhaltsrecht. Das klagende Kind sei dadurch beschwert, dass die Vorinstanz seinen Titulierungsanspruch nicht erfüllt habe.
Das anzurechnende Kindergeld müsse betragsmäßig ausgewiesen werden, um einen vollstreckbaren Titel zu schaffen und die Höhe erkennbar sein, um eine Anpassung ausschließlich folgend aus § 655 ZPO zu ermöglichen.
Die Berufung hat nach dem gegenwärtigen Sachstand keine Aussicht auf Erfolg; der Klägerin ist daher Prozesskostenhilfe zu verweigern (§ 114 ZPO).
Die Frage der "Dynamisierung" der Kindergeldanrechnung ist umstritten. In der Rechtsprechung wird die Ansicht vertreten (OLG Düsseldorf, FamRZ 12001, 1096, 1098; OLG Naumburg, Neu Justiz 2004, 38) eine beitragsmäßige Festlegung sei erforderlich, da das angefochtene Urteil ansonsten keinen vollstreckungsfähigen Inhalt habe. Nach dem Willen des Gesetzgebers müsse ein Vollstreckungstitel, der auf wiederkehrende Unterhaltsleistungen gerichtet sei, den jeweils maßgeblichen Betrag der nach den Bestimmungen zu §§ 1612 b und 1612 c BGB anzurechnenden Leistungen erkennen lassen, weil der zu vollstreckende Betrag vom Vollstreckungsorgan oder Drittschuldner allein aufgrund des Titels berechnet werden müsse.
Der Senat schließt sich der in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht (OLG Düsseldorf, FamRZ 2002, 1046, 1047; OLG Thüringen, 6. Zivilsenat, FuR 2001, 40) an, dass eine am Gesetzestext orientierte, "dynamisierte" Formulierung des Vollstreckungstitels für die Vollstreckungsinstanz hinreichend bestimmt sei. Es reicht damit, dass im Falle eines dynamisierten Unterhaltstitels i S des § 1612 a BGB der zu vollstreckende Unterhaltsanspruch durch Angabe eines Prozentsatzes des jeweiligen Regelbetrages unter Abzug des gesetzlichen Kindergeldanteiles angegeben wird.
Ein Zahlungsanspruch ist hinreichend bestimmt, wenn er betragsmäßig festgelegt ist oder sich ohne weiteres errechnen lässt. Es ist in diesem Zusammenhang von jeher anerkannt, dass es für die Bestimmbarkeit ausreicht, dass das Vollstreckungsorgan die zu erzwingende Leistung aus dem Titel selbst in Verbindung mit anderen allgemein zugänglichen Daten feststellen kann (OLG Thüringen, a.a.O., m w N). So liegt es hier, weil die zur Berechnung des konkret geschuldeten Unterhalts erforderlichen Angaben sich aus dem Titel selbst (Prozentsatz des Regelbedarfs) und im übrigen aus dem Gesetz (Alterstufen nach § 1612 a Abs. 3 BGB, Regelbeträge entsprechend der jeweiligen Regelbetragsverordnung, Höhe des Kindergeldes nach dem Bundeskindergeldgesetz) ergeben.
Mit der Vorschrift des § 1612 a BGB verfolgt der Gesetzgeber die Absicht, die prozessuale Stellung des unterhaltsbedürftigen minderjährigen Kindes zu verbessern und die Unterhaltstitel automatisch an die allgemeine Einkommensentwicklung anzupassen (vgl. Schumacher/Grün, FamRZ 1998, 778, 781; Strauß, FamRZ 1998, 993). Damit werden künftige Abänderungsverfahren bei Änderung der Regelbeträge oder Wechsel des Kindes in eine höhere Altersstufe der RegelbetragVO vermieden. Einerseits wird durch eine Erleichterung der Rechtsverfolgung den Interessen der Unterhaltsberechtigten Rechnung getragen, andererseits wird aber auch die Entlastung der Rechtspflegeorgane bewirkt. Dem würde es widersprechen, wenn für die Änderung der Kindergeldanrechnung bei den nicht selten vorkommenden Änderungen des Kindergeldes stets ein Abänderungsverfahren nach § 655 ZPO erforderlich würde (OLG Düsseldorf, FamRZ 2002, 1046, 1047).
Dem Bedürfnis nach Verfahrenserleichterung hat der Gesetzgeber auch insoweit Rechnung getragen, als er in der seit dem 01.01.2002 geltenden Neufassung des § 647 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 c ZPO die frühere Formulierung, dass das Kindergeld mit dem anzurechnenden Betrag anzugeben sei, gestrichen hat. Nachdem der Gesetzgeber insoweit die variabele Anrechnung des Kindergeldes anerkannt hat, kann auch für die Kindergeldanrechnung nach § 1612 b Abs. 5 BGB im Ergebnis nichts anderes gelten (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O).
Ende der Entscheidung
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