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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 15.12.2004
Aktenzeichen: 1 UF 342/04
Rechtsgebiete: VAÜG


Vorschriften:

VAÜG § 2 Abs. 1 Satz 2
Obwohl der ausgleichsverpflichtete Ehegatte in der Gesamtbilanz über die höheren angleichungsdynamischen und höheren nichtangleichungsdynamischen Anwartschaften verfügt, ist das Versorgungsausgleichsverfahren nach § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG auszusetzen, wenn seine nichtangleichungsdynamischen Anwartschaften allein aus der Umbewertung des Deckungskapitals von Lebensversicherungsverträgen herrühren und gegenwärtig nicht ausgeglichen werden können, der ausgleichsberechtigte Ehegatte aber nichtangleichungsdynamische Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben hat.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT

Beschluss

1 UF 342/04

In der Familiensache

hat der 1. Familiensenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena auf die Beschwerde der Bundesknappschaft vom 06.08.2004 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Gera vom 06.07.2004 durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dünisch, Richter am Oberlandesgericht Jahn und Richter am Oberlandesgericht Mummert 15.12.2004 beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 131 Abs. 1 Satz 2 KostO; § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG).

3. Der Beschwerdewert wird auf bis zu 600,- € festgesetzt.

Gründe:

Das Familiengericht hat auf den, der Antragsgegnerin am 10.10.2003 zugestellten Antrag des Antragstellers die am 04.09.1982 geschlossene Ehe der Parteien mit Urteil vom 13.05.2004 unter Abtrennung der Folgesache Versorgungsausgleich geschieden.

Nach den vom Amtsgericht eingeholten Auskünften haben die Parteien in der Ehezeit (§ 1587 Abs. 2 BGB) vom 01.09.1982 bis 30.09.2003 folgende Renten- bzw. Versorgungsanwartschaften erworbenen:

a.) der Antragsteller:

bei der Bundesknappschaft angleichungsdynamische Anwartschaften (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 VAÜG i.V.m. § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB) in Höhe von monatlich 419,00 € und gegenüber dem Freistaat Thüringen angleichungsdynamische Anwartschaften (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 VAÜG i.V.m. § 1587 a Abs. 2 Nr. 1 BGB) in Höhe von monatlich 740,42 €.

Darüber hinaus hat er Rentenanwartschaften aufgrund zweier Lebensversicherungsverträge (§ 1587 a Abs. 2 Nr. 5 BGB) bei der Cosmos Lebensversicherungs AG und der Allianz Lebensversicherungs-AG erworben, deren ehezeitlichen Deckungskapitalien 2.112,48 € bzw. 12.207,12 € betragen.

b.) die Antragsgegnerin

bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte angleichungsdynamische Anwartschaften (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 VAÜG i.V.m. § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB) in Höhe von monatlich 390,38 € sowie nichtangleichungsdynamische Anwartschaften (§ 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB) in Höhe von monatlich 3,00 €.

Auf der Grundlage dieser Auskünfte hat das Familiengericht mit Beschluss vom 06.07.2004 das Versorgungsausgleichsverfahren gemäß § 2 Abs. 1, 2 VAÜG ausgesetzt. Dazu hat es ausgeführt, dass der Antragsteller der ausgleichspflichtige Ehegatte sei. Zum Ausgleich der gesetzlichen Anwartschaften müssten angleichungsdynamische Anrechte mit regeldynamischen verrechnet werden. Ein Leistungsfall sei nicht gegeben. Im Übrigen nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die Entscheidungsgründe.

Gegen den ihr am 14.07.2004 zugestellten Beschluss hat die Bundesknappschaft am 06.08.2004 gemäß § 621 e ZPO Beschwerde eingelegt und beantragt, den Versorgungsausgleich durchzuführen. Unter Berücksichtigung seiner umbewerteten Lebensversicherungen verfüge der bei ihr versicherte Antragsteller sowohl über die höheren angleichungsdynamischen als auch die höheren nichtangleichungsdynamischen Rentenanwartschaften, so dass keine Aussetzung gemäß § 2 Abs. 1 VAÜG zu erfolgen habe.

Nach Hinweis auf Bedenken an der Erfolgsaussicht der Beschwerde hat die Beschwerdeführerin an ihrem Vorbringen festgehalten und ausgeführt, der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich bezüglich der angleichungsdynamischen Rentenanwartschaften könne durchgeführt werden. Bezüglich des Ausgleichs der nichtangleichungsdynamischen Rentenanwartschaften seien die Parteien auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zu verweisen.

Die Beschwerde ist zulässig, allerdings nicht als befristete Beschwerde gemäß § 621 e ZPO sondern als einfache Beschwerde nach § 19 FGG.

Bei der Aussetzung des Verfahrens handelt es sich lediglich um eine Zwischenentscheidung, da sie die Instanz nicht einmal teilweise beendet. Insoweit findet nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluss vom 20.12.2001, 1 UF 214/01, m.w.N. so auch: BGH, FamRZ 2003, 1005) die befristete Beschwerde nach § 621 e ZPO nicht statt, da diese nur gegen Endentscheidungen eröffnet ist. Derartige Zwischenentscheidungen sind aber nach § 19 FGG mit der einfachen - unbefristeten - Beschwerde anfechtbar, da sie die vorläufige Ablehnung einer Entscheidung beinhalten (vgl. Zöller/ Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 621 e, Rn. 9).

Das Rechtsmittel ist nicht begründet, auch wenn die Beschwerdeführerin zutreffend darauf hinweist, dass die Parteien in der Ehezeit keine angleichungsdynamischen Anrechte minderer Art (§ 1 Abs. 3 VAÜG) erworben haben und der Antragsteller in der Gesamtbilanz der beiderseitigen Anwartschaften über die höheren angleichungsdynamischen und die höheren nichtangleichungsdynamischen Rentenanwartschaften verfügt, womit grundsätzlich die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 b VAÜG erfüllt sind. Ebenso ist zutreffend, dass angleichungsdynamische und andere Anrechte nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 VAÜG unabhängig voneinander auszugleichen sind.

Indessen kann nicht auf eine isolierte Betrachtung der angleichungsdynamischen Anwartschaften abgestellt werden. Andernfalls würden Grundprinzipien des Versorgungsausgleichs, wie Ausgleichungssystematik, Gesamt- und Einmalausgleich, verletzt werden.

Wenn es - wie die Beschwerdeführerin meint - für die Durchführung des Versorgungsausgleichs genügen würde, dass ohne Rücksicht auf die anderen Anrechte die angleichungsdynamischen Anwartschaften untereinander ausgeglichen werden können, wäre insoweit in jedem Verfahren, in dem Anwartschaften mit und ohne Angleichungsdynamik zusammentreffen, zumindest ein Teilausgleich möglich.

Nicht nur, dass das VAÜG eine derartige Teilentscheidung nicht vorsieht, bedürfte es dann auch nicht der Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG, nach der das - denknotwendig gesamte - Verfahren auszusetzen ist, sofern kein Fall des § 2 Satz 1 Nr. 1 a, b oder Nr. 2 VAÜG vorliegt.

Grundsätzlich ist das Versorgungsausgleichsverfahren vor der Einkommensangleichung auszusetzen, wenn ein Ehegatte in der Ehezeit ein angleichungsdynamisches Anrecht oder ein angleichungsdynamisches Anrecht minderer Art erworben hat (§§ 1 Abs. 1; 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG). Nach seiner insoweit eindeutigen Formulierung ("nur") regelt § 2 Abs. 1 Satz 1 VAÜG jedoch ausnahmsweise die Fälle, in denen bereits vor der Einkommensangleichung der Versorgungsausgleich stattfindet.

Für diese Ausnahmefälle sind die besonderen Durchführungsbestimmungen des § 3 VAÜG zu beachten.

Dabei kann unter Berücksichtigung des § 1587 a Abs. 1 BGB die Bestimmung des § 3 Abs. 1 Nr. 4 VAÜG zu § 2 Abs. 1 Nr. 1 b VAÜG nur dahin ausgelegt werden, dass tatsächlich ein gleichzeitiger Ausgleich aller dem öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich unterfallenden Anwartschaften zugunsten eines Ehegatten erfolgen kann, wobei dieser Ausgleich nicht durch einen möglicherweise vorzubehaltenden schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zuungunsten des Ausgleichsberechtigten beeinflusst werden darf.

Dass - isoliert betrachtet - ein Ausgleich der angleichungsdynamischen Anwartschaften der Parteien zugunsten der Antragsgegnerin möglich wäre, bedarf aus Sicht des Senats keiner weiteren Erörterung. Allerdings erschöpfen sich die ehezeitlichen Anwartschaften der Parteien eben nicht in diesen Anwartschaften. Beide Ehegatten haben auch nichtangleichungsdynamische Anwartschaften erworben, die zudem einer unterschiedlichen Ausgleichungssystematik unterfallen.

Der Antragsteller verfügt zwar mit 55,96 € und 9,68 € auch über die höheren nichtangleichungsdynamischen Anwartschaften in der Ehezeit. Während aber die Antragsgegnerin ihre nichtangleichungsdynamischen Anwartschaften von monatlich 3,00 € in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben hat, handelt es sich bei seinen nichtangleichungsdynamischen Anwartschaften um die Werte der umgerechneten Deckungskapitalien, die das Amtsgericht zutreffend, wenn auch ohne Darstellung der Berechnung, ermittelt hat, denn sie ergeben sich jeweils aus der Vervielfältigung der beiden Deckungskapitalien mit dem für 2003 geltenden Umrechnungsfaktor von 0,0001754432 (vgl. FamRZ 2004, 161) und der Vervielfältigung der Ergebnisse von 2,1417 bzw. 0,3706 Entgeltpunkten mit dem aktuellen Rentenwert im Ehezeitende (zweites Halbjahr 2003) von 26,13 €.

Soweit die Beschwerdeführerin meint, dass die Parteien bezüglich des Ausgleichs der nichtangleichungsdynamischen Anwartschaften auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zu verweisen seien, übersieht sie gerade, dass die nichtangleichungsdynamischen Anwartschaften der Antragsgegnerin in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben worden sind. Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung sind aber - abgesehen von den hier nicht vorliegenden Ausnahmen des § 3 Abs. 1 Nr. 6, 7 VAÜG - nach § 1587 b Abs. 1 BGB öffentlich-rechtlich auszugleichen und können daher nicht in den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verwiesen werden.

Unter Außerachtlassung der Anwartschaften des Antragstellers aus den Lebensversicherungsverträgen, die offensichtlich auch die Beschwerdeführerin gegenwärtig zwischen den Parteien nicht als ausgleichungsfähig betrachtet, verfügt der Antragsteller über die höheren angleichungsdynamischen Anwartschaften (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 VAÜG i.V.m. § 1587 a Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB), die Antragsgegnerin jedoch über die höheren, weil alleinigen nichtangleichungsdynamischen Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB). Da die Parteien darüber hinaus noch keine Rentenleistungen beziehen, auf die sich der Versorgungsausgleich auswirken würde, liegt insoweit kein Fall des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a, b oder Nr. 2 VAÜG vor, so dass das Verfahren nach § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG auszusetzen ist.

Etwas anderes würde nur dann - hier jedoch nicht der Fall - gelten, wenn bereits jetzt die umbewerteten Anwartschaften des Antragstellers aus seinen Lebensversicherungsverträgen ausgeglichen werden könnten.

Da beide Lebensversicherungsunternehmen in ihren Geschäftsplänen keine Realteilung der Versorgungsanrechte im Falle der Scheidung vorsehen und nicht öffentlich-rechtlich organisiert sind, scheidet ein Ausgleich der Anwartschaften des Antragstellers aus den Versicherungsverträgen durch Realteilung oder analoges Quasisplitting (§ 1 Abs. 2, 3 VAHRG) aus. Sie sind damit gemäß § 2 VAHRG schuldrechtlich auszugleichen.

Dieser schuldrechtliche Ausgleich kann vorliegend aufgrund der Maßgaben des § 4 Abs. 1 VAÜG auch nicht nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 oder 2 VAHRG vermieden werden, denn der Antragsteller verfügt zum einen über keine sonstigen nichtangleichungsdynamischen Anwartschaften, die im Wege des Supersplittings zum Ausgleich der umbewerteten Lebensversicherungsanwartschaften herangezogen werden könnten.

Zum anderen ist - abgesehen von der Frage der Zumutbarkeit - die Anordnung einer Betragszahlung bereits deshalb nicht möglich, weil die auszugleichende Anwartschaft für eine solche Anordnung gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 VAÜG die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 VAÜG erfüllen, also angleichungsdynamisch sein müsste. Diese Voraussetzung ist bezüglich der Anwartschaften des Antragstellers aus den Lebensversicherungsverträgen jedenfalls nicht gegeben.

Da nach alledem die nichtangleichungsdynamischen Anwartschaften der Parteien gegenwärtig nicht ausgeglichen und die nichtangleichungsdynamischen Anwartschaften der Antragsgegnerin nicht in den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verwiesen werden können, ist die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden, so dass die Beschwerde zurückzuweisen war.

Da mit der Aussetzungsentscheidung keine abschließende Entscheidung getroffen worden ist, bestimmt sich der Beschwerdewert nach dem Interesse an der Aussetzung bzw. deren Aufhebung (BGHZ 22, 283; OLG Düsseldorf, OLGR 1993, 110; OLG Frankfurt, OLGR 1994, 34; OLG Brandenburg, FamRZ 1996, 496 m.w.N.). Dieses Interesse wird in der Regel mit 1/5 der Hauptsache bemessen (vgl. Zöller/Herget, a. a. O. § 3 Rn. 16, Stichwort "Aussetzungsbeschluss).

Angesichts eines Hauptsachewertes von 2.000,00 € (§ 49 Nr. 3 GKG) hält es der Senat für angemessen, den Beschwerdewert auf bis zu 600,00 € festzusetzen, weil sich ein Wert von ca. 400,00 € im Gebührenrahmen (§§ 34 GKG, 13 Abs. 1 RVG) von 300,01 € bis 600,00 € hält.



Ende der Entscheidung

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