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Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 06.09.2005
Aktenzeichen: 1 WF 240/05
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 1607 Abs. 1 | |
BGB § 1607 Abs. 2 | |
BGB § 1606 Abs. 2 | |
BGB § 1613 |
2. Zu einem schlüssigen Klagevortrag bei der Inanspruchnahme der Großeltern väterlicherseits gehört auch die Darlegung der Einkommenssituation der Großeltern mütterlicherseits.
3. Der Anspruch aus § 1607 Abs. 1 und Abs. 2 BGB wird durch die Sondervorschrift des § 1613 BGB begrenzt.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss
In der Familiensache
hat der 1. Familiensenat, Hilfssenat, des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 23.05.2005 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Gotha vom 08.04.2005, Nichtabhilfeentscheidung vom 24.05.2005, durch Richterin am Oberlandesgericht Martin
am 06.09.2005
beschlossen:
Tenor:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Eine Kostenentscheidung sowie die Festsetzung des Beschwerdewertes sind im Verfahren über die Prozesskostenhilfe nicht veranlasst.
Gründe:
Die am 16.07.1985 geborene Antragstellerin nimmt die Antragsgegner, ihre Großeltern väterlicherseits als Verwandte in gerader Linie, auf Unterhalt für die Zeit vom 01.07.1998 bis 16.07.2003 in Höhe von (61 Monate à 53,69 € = ) 3275,09 € in Anspruch.
Seit der Trennung der Eltern nach ihrer Geburt lebte die Antragstellerin bei ihrer Mutter. Der Kindesvater hat sich durch Urkunde des Rates des Kreises G., Jugendhilfe, vom 03.09.1985, Beurk. - Reg. - Nr.: 392/85, verpflichtet, für die Antragstellerin einen monatlich im Voraus zu entrichtenden Unterhalt in Höhe von 90,- Mark der DDR bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und in Höhe von 105,- Mark der DDR ab dem 13. Lebensjahr zu zahlen.
Sie macht geltend, der Kindesvater habe seit Mai 1997 bis zu ihrer Volljährigkeit keinen Unterhalt gezahlt und sich auch über einen langen Zeitraum der Vollstreckung der Unterhaltsansprüche entzogen. Diese seien nunmehr nicht mehr durchsetzbar, da der Kindesvater noch zwei weiteren minderjährigen Kindern zum Unterhalt verpflichtet sei und über kein unterhaltsrelevantes Einkommen verfüge. Eine Ersatzhaftung der Großeltern bestehe gemäß § 1607 Abs. 1, 2 BGB, wenn zwar eine Unterhaltsverpflichtung des Kindesvaters bestehe, diese aber gegen den Vater nicht durchsetzbar sei.
Die Kindesmutter habe vor allem nach dem Auslaufen der Leistungen des Jugendamtes ihren Naturalunterhalt allein bestritten, ohne dass der Kindesvater sie unterstützt habe.
Die Antragsgegner machen geltend, die Antragstellerin habe sie für die Vergangenheit nicht in Verzug gesetzt. Sie seien erstmals mit Schreiben vom 13.07.2004 zur Zahlung rückständigen Unterhalts aufgefordert worden.
Das Amtsgericht hat der Antragstellerin Prozesskostenhilfe verweigert und zur Begründung ausgeführt, die beabsichtigte Rechtsverfolgung habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Die Antragstellerin lasse offen, ob der Anspruch auf § 1607 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB gestützt werde. Die Antragstellerin habe keine Ausführungen zur Leistungsfähigkeit der Kindesmutter und des Antragsgegners gemacht.
Dies könne aber dahinstehen, da die Antragstellerin für den Zeitraum vom 01.07.1998 bis 16.07.2003 rückständigen Unterhalt fordere. Rückständiger Unterhalt könne nur geltend gemacht werden, wenn die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 BGB gegenüber dem Ersatzhaftenden vorlägen. Die Antragstellerin habe jedoch erst mit Schreiben vom 08.07.2004 Ansprüche gegen die Antragsgegner geltend gemacht.
Hiergegen richtet sich sofortige Beschwerde der Antragstellerin. Sie führt an, da es zu einem Übergang der Forderung gegen den Unterhaltsschuldner auf die Ersatzhaftenden komme, beziehe sich der Forderungsübergang auch auf den Zeitraum vor Fristsetzung verbunden mit den Fristsetzungen und dem eingetretenen Verzug für den eigentlichen Unterhaltsschuldner.
Die Antragsgegner verteidigen die Entscheidung I. Instanz. Sie wenden ein, die Kindesmutter habe Sozialhilfe bezogen. Der Kindesvater sei insoweit leistungsunfähig gewesen.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese zur Entscheidung vorgelegt.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthaft und im Übrigen in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden; insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt worden.
In der Sache ist sie jedoch unbegründet, da die Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat.
Zwar kann die Antragstellerin die Antragsgegner als ihre Großeltern im Grundsatz auf Unterhalt in Anspruch nehmen, nachdem ihr eigentlich barunterhaltspflichtiger Vater nach § 1607 Abs. 1 BGB als nicht leistungsfähig anzusehen bzw. nach § 1607 Abs. 2 BGB die Rechtsverfolgung gegen ihn als erheblich erschwert anzunehmen ist, wobei § 1607 Abs. 2 BGB auch auf die Nichteintreibbarkeit von Unterhalt bei Verurteilung des Unterhaltsschuldners aus bloßer fiktiver Leistungsfähigkeit anzuwenden ist (Palandt/Diederichsen, BGB, 64. Auflage, § 1607, Rdnr. 11, 12; OLG Karlsruhe, FamRZ 1991, 971).
Gleichwohl hat das Amtsgericht der Antragstellerin zu Recht Prozesskostenhilfe verweigert, da die Kindesmutter trotz der Bestimmung des § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB, nach der sie in der Regel ihre Verpflichtung zum Unterhalt des Kindes durch dessen Pflege und Erziehung (Betreuungsunterhalt) erfüllt, im Verhältnis zu den Großeltern vorrangig der Antragstellerin nach § 1606 Abs. 2 BGB zum Unterhalt verpflichtet ist (vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 2004, 1745, 1746; AG Leverkusen, FamRZ 2003, 627, 628). Insoweit fehlt es an Darlegungen der Antragstellerin zur Leistungs(un)fähigkeit der Kindesmutter, worauf das Amtsgericht in dem angefochtenen Beschluss bereits hingewiesen hat.
Auch fehlt der Unterhaltsklage der Antragstellerin gegenüber den Großeltern väterlicherseits die Darlegung der Einkommens- und Vermögenssituation der Großeltern mütterlicherseits, da die hier auf Unterhalt in Anspruch genommenen Großeltern väterlicherseits gemäß § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB nur neben den Großeltern mütterlicherseits in Form einer Teilschuld anteilig haften, so dass sich der Umfang des Anspruchs gegen sie nur ermitteln lässt, wenn sich auch der Anspruch gegen die Großeltern mütterlicherseits aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse bestimmen lässt, da der Umfang der Ansprüche aufgrund der Teilschuld voneinander unabhängig ist. Insoweit steht der Antragstellerin auch ein Auskunftsanspruch nach § 1605 BGB gegenüber den anderen Großeltern zu (OLG Frankfurt, a.a.O.).
Soweit das Amtsgericht anführt, für eine Geltendmachung des Unterhaltsanspruches der Antragsgegner fehle es am Verzug, ist zu differenzieren. Nach § 1607 Abs. 1 BGB tritt an die Stelle eines leistungsunfähigen oder nicht voll leistungsfähigen Unterhaltsschuldners der nach ihm Haftende. Dieser erfüllt nur eine eigene Verbindlichkeit, da ein Unterhaltsanspruch gegen den vor ihm zur Unterhaltsleistung Berufenen gar nicht entstanden ist. Dabei fehlt jede Abhängigkeit von der nicht eingetretenen Verpflichtung des Erstschuldners (Göppinger/Wax/Kodal, Unterhaltsrecht, 8. Auflage, Rdnr. 1534). Der Primäranspruch des § 1607 Abs. 1 BGB setzt damit Verzug gemäß § 1613 BGB voraus, der nicht vorliegt, so dass eine Inanspruchnahme der Antragsgegner insoweit ausscheidet.
Der Zweitschuldner gemäß § 1607 Abs. 2 BGB erfüllt nur eine fremde Schuld, wenn er für den primär Verpflichteten, gegen den die Rechtsverfolgung erheblich erschwert ist, eintritt. Soweit der nachrangig haftende Verwandte leistet, geht der Anspruch auf ihn über (Göppinger/Wax/Kodal, a.a.O., Rdnr. 1536).
Aber auch der übergegangene Anspruch wird durch die Sondervorschrift des § 1613 begrenzt; insoweit fehlt es an einem Verzug der Antragsgegner. Durch das KindUG ist § 1613 BGB zugunsten des Unterhaltsgläubigers nochmals erweitert und noch differenzierter gefasst worden. Angesichts dieser Gesetzesänderungen ist die wohlüberlegte und insgesamt ausgewogene Interessenlösung in § 1613 BGB zu Lasten des Schuldners weder ganz noch teilweise aufzugeben. Es entspricht der Rechtsprechung des BGH im Schuldnerschutz den tragenden Gesichtspunkt der Regelung zu sehen (Göppinger/Wax/von Els, a.a.O., Rdnr. 1695, 1696; BGH, FamRZ 1989, 850).
Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, da die Antragstellerin aufgrund der Abweisung der Beschwerde eine Beschwerdegebühr zu tragen hat (KV 1811 n. F.) und im übrigen eine Erstattung der Kosten nicht stattfindet.
Ende der Entscheidung
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