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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 19.10.2000
Aktenzeichen: 1 WF 37/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1618 IV
Rechtliche Grundlage: BGB § 1618 IV

Die Gesetzesneufassung hat die Bindungen des Elternteils, dem die elterliche Sorge nicht zusteht, auch im Namensrecht gestärkt. Es muß daher triftige Gründe geben, das Interesse des nichtsorgeberechtigten Elternteils an der Erhaltung des Namensbandes zurückzustellen. Es hat eine Prüfung dahin stattzufinden, ob eine Zerschneidung des Namensbandes aus Gründen des Kindeswohls unabdingbar notwendig ist oder aber ob ein milderer Eingriff möglich ist.

Thüringer Oberlandesgericht, Familiensenat, Beschluß vom 19.10.2000 1 WF 37/00


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluß

1 WF 37/00 37 F 2019/99 AG Erfurt

In der Familiensache

- Antragstellerin und Beschwerdeführerin -

Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwältin

gegen

- Antragsgegner und Beschwerdegegner -

hat das Thüringer Oberlandesgericht in Jena, 1. Senat für Familiensachen, durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dünisch, Richterin am Oberlandesgericht Martin und Richterin am Amtsgericht Bade auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 09.02.2000 gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Erfurt vom 07.01.2000

am 19.10.2000

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§§ 131 Abs. 3 KostO, 13 a Abs. 1 FGG).

Gründe:

Die Antragstellerin ist die gesetzliche Vertreterin des am 25.05.1993 geborenen Kindes H. M. V., das aus der geschiedenen Ehe der Antragstellerin mit dem Antragsgegner hervorgegangen ist. Sie hat die alleinige elterliche Sorge für H..

Die Antragstellerin hat die Ersetzung der Einwilligung des Antragsgegners zur Namensänderung von H., die zukünftig wie die wiederverheiratete Antragstellerin, deren jetziger Ehemann und weitere Kinder aus dieser Ehe den Familiennamen "P." tragen soll, beantragt.

Das Amtsgericht hat zunächst die Einwilligung des Kindesvaters in die Erteilung des Namens "P." ersetzt, ohne die Beteiligten mündlich anzuhören.

Der Antragsgegner hat sich im Beschwerdeverfahren gegen die Namensänderung gewandt und vorgetragen, zwischen ihm und H. bestehe seit ihrer Geburt eine sehr enge Beziehung. Seit der Scheidung sei H. zehnmal mit ihm in Finnland gewesen und habe die Sprache erlernt. Nachdem die Kindesmutter in der Vergangenheit persönliche Umgangskontakte verhindert habe, versuche sie nunmehr, den Vater aus dem Bewußtsein der Tochter zu verdrängen.

Der Senat hat wegen Verletzung der Anhörungs- und Beratungspflicht das Verfahren an das Amtsgericht Erfurt zurückverwiesen.

Das Amtsgericht hat die Beteiligten mehrmals getrennt angehört und auch ein gemeinsames Gespräch mit den Kindeseltern geführt. Es wurden Stellungnahmen der Klassenlehrerin und der behandelnden Kinderärztin vorgelegt, die auf das Bedürfnis des Kindes nach sozialer Bindung und Geborgenheit in der neuen Familie verwiesen.

Die Kindesmutter hat unter Bezugnahme auf Gerichtsentscheidungen die Ansicht vertreten, daß Kinder, die in einer neuen Familie leben, Anspruch auf den neuen Familiennamen haben.

Das Kind H., 6 Jahre alt, hat erklärt, sie hasse K.. Er sei richtig doof. Er trickse sie aus und locke mit schönen Geschenken. Seinen Namen könne niemand aussprechen. Wenn K. anders heißen würde, z. B. "P.", würde sie vielleicht nach Finnland gehen. Sie wolle, daß K. eine Frau und Kinder bekomme und sie in Ruhe lasse.

Das Amtsgericht hat die Einwilligung des Vaters in die Namensänderung nicht ersetzt, da dies für das Kindeswohl nicht zwingend erforderlich sei.

Gegen diesen Beschluß hat die Kindesmutter Beschwerde eingelegt.

Die Antragstellerin führt aus, ihr gehe es nicht um die Unausprechlichkeit des Namens V., sondern um die Integration ihrer Tochter in den neuen Familienverband. Dort sei sie - ebenso wie in ihrer Klasse - unabhängig von den rechtlichen Gegebenheiten H. P..

H. habe den Wunsch, den Familiennamen "P." zu führen, nachdem der Kindesvater in der Vergangenheit versucht habe, seine bestehenden Rechte mit Gewalt durchzusetzen. Am 05.10.1999 habe der Kindesvater sein Umgangsrecht mit Hilfe eines Gerichtsvollziehers durchsetzen wollen. H. habe Abneigung, Ängste und negative Vorstellungen in Bezug auf ihn entwickelt.

Der Antragsgegner hat die Ansicht vertreten, es gehe weder um die Integration H.s in den neuen Familienverband, noch um die Unaussprechlichkeit des Namens V.. Neben der Umgangsvereitelung solle eine neue Identität für H. geschaffen werden, wie ihr Verfahrenspfleger formuliert habe.

Er könne keinen telefonischen Kontakt zu H. herstellen, da ihm die Nummer nicht bekannt sei. Die Telefonnummer, die am 01.07.1999 übergeben worden sei, sei kurz danach gesperrt worden.

H. sei in der Vergangenheit bereits unter drei verschiedenen Namen aufgetreten (W., V. und P.).

Sein Verhältnis zu H. sei zutreffend theoretisch. Die Kindesmutter habe während des letzten Zwangsvollstreckungsversuches am 05.10.1999 versucht, mit ihren Kinder zu fliehen.

In der Schule und im Freundeskreis sei der Name V. kein großes Problem für H., weil Kinder einander meistens mit dem Vornamen ansprechen.

Das Jugendamt der Stadt Erfurt hat sich in seiner Stellungnahme dafür ausgesprochen, die Namensänderung nicht vorzunehmen. Zwar bringe diese für H. einige Erleichterungen im täglichen Leben mit sich. Dem seien aber die Vorteile gegenüber zu stellen, die eine Beibehaltung des Namens in der Perspektive mit sich bringen würden. Es sei davon auszugehen, daß psychische Störungen bei H. nicht zu befürchten seien, sollte es bei ihrem jetzigen Namen bleiben.

Die Beschwerde des Antragsgegners ist gemäß §§ 621 e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässig und fristgerecht eingelegt worden.

Das Familiengericht ist gemäß § 1618 Abs. 4 BGB in der ab dem 1.7.1998 geltenden Fassung für die Ersetzung der Zustimmung zur Einbenennung zuständig. Das Geschäft obliegt gemäß § 14 RpflG dem Rechtspfleger, da es sich um eine nach dem BGB dem Familiengericht übertragene Angelegenheit der Freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt, die nicht unter den enumerierten Richtervorbehalt fällt.

Die Beschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Nach § 1618 S. 4 BGB kann das Familiengericht die Einwilligung des anderen Elternteils ersetzen, wenn die Erteilung, Voranstellung oder Anfügung des Namens zum Wohle des Kindes erforderlich ist. § 1618 BGB schützt das Interesse des anderen Elternteils am Fortbestehen des namensrechtlichen Bandes zwischen ihm und dem Kind.

Der Gesetzgeber hat hervorgehoben, daß die Namensänderung zum Wohl des Kindes nicht nur dienlich, sondern erforderlich sein muß (Greßmann, Neues Kindschaftsrecht, Rdnr. 164). Diese gesetzliche Formulierung kann nicht unbeachtet bleiben, denn die Wortwahl ist im Gesetzgebungsverfahren eigens geändert worden. (vgl. Bäumel/Wax, a. a. O., § 1618, Rdnr. 7). Mit dem Begriff der "Erforderlichkeit" ist eine höhere Eingriffsschwelle vorgegeben worden, als sie bisher bestand (vgl. OLG Oldenburg, OLG Report 2000, S.104, 105). Die Gesetzesneufassung will damit ausdrücklich die Bindungen des Kindes an den Elternteil, dem die elterliche Sorge nicht zusteht, auch im Namensrecht stärken (Bäumel/Wax, FamRefK, § 1618 BGB, Rdnr. 6). Erforderlich ist eine Einbenennung indessen nur, wenn sie für das Kind einen so hohen Nutzen verspricht, daß ein sich um sein Kind verständig sorgender Elternteil auf der Erhaltung des Namensbandes zu dem Kind nicht bestünde (OLG Celle, OLG Report 1999, S. 141).

Es muß daher triftige Gründe geben, das Interesse des nichtsorgeberechtigten Elternteils an der Erhaltung des Namensbandes zurückzustellen. Es hat eine Prüfung dahin stattzufinden, ob eine Zerschneidung des Namensbandes aus Gründen des Kindeswohls unabdingbar notwendig ist oder aber ob ein milderer Eingriff möglich ist, wie ihn die Voranstellung oder Anfügung des Ehenamens an den bisherigen Namen der Kindesmutter darstellt.

Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, daß die Einbenennung des Kindes H. für die Wahrung des Kindeswohls erforderlich wäre. Der Kindesvater ist in der Vergangenheit seiner Verpflichtung, Kindesunterhalt zu zahlen nach Angaben der Kindesmutter nachgekommen. Aus der Stellungnahme der Kindeseltern ergibt sich zwar, daß Umgangskontakte seit dem Sommer 1998 nicht stattgefunden haben. Zuvor hat H. allerdings ihren Vater ungefähr zehn Mal in Finnland über einen längeren Zeitraum besucht. Abgesehen davon, daß der Antragsgegner es nicht zu verantworten hat, daß diese Besuche nicht möglich sind, da die Kindesmutter derartige Treffen aufgrund der psychischen Belastung des Kindes ablehnt, genügt das Fehlen allein nicht für eine Begründung der Einbenennung.

In wie weit H. durch die Familie der Kindesmutter beeinflußt wird, zeigte sich bereits bei ihrer Anhörung vor dem Senat am 15.05.1997 (UF 212/96). H. erklärte, sie wolle nicht nach Finnland fahren . Nachdem sie das jetzt gesagt habe, bekomme sie von der Oma Geschenke. Sie sei sehr neugierig, was ihr die Oma wohl schenken würde.

Auch hat die Kindesmutter sich - trotz entsprechender Ladung - geweigert, H. zu dem Anhörungstermin am 01.07.1999 vor dem Senat (Az. 1 UF 465/98) mitzubringen mit der Begründung, sie wolle dem Kind die Konfrontation mit seinem Vater ersparen. In dem Termin ging es um die Durchsetzung des am 02.08.1996 familiengerichtlich genehmigten Vergleichs über das Umgangsrecht (Az. AG Jena, 4 F 72/95).

Es ist nicht ersichtlich, daß H. durch die Weiterführung des Namens V. irgendwelche Nachteile erleidet. Aus der Anhörung H.s und der Kindesmutter ergibt sich zwar, daß diese den Wunsch haben, durch die Einbenennung zu dokumentieren, daß eine neue Familiengemeinschaft entstanden ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die neue Familie auch erst zwei Jahre besteht. Auch insoweit ist das Scheitern der neuen Ehe in Betracht zu ziehen.

Deshalb geht es nicht an, unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls eine Art Regelvermutung zugunsten einer Namensänderung in Stiefkinderfällen aufzustellen, etwa mit der Begründung, sie hätten unter der Namensverschiedenheit in der neuen Familie zu leiden, so daß eine Namensänderung regelmäßig dem Kindeswohl diene (vgl. OLG Nürnberg, OLG Report 1999, S. 249).

In H.s Familie und Freundeskreis ist ohnehin bekannt, daß Herr P. nicht ihr Vater ist. Auch lebt H. bereits eine Anzahl von Jahren mit diesem Namen. Im jetzigen Alter von H. ist es üblich, dass sie mit ihrem Vornamen angesprochen wird, worauf der Antragsgegner zu Recht hingewiesen hat. Nicht jedes Kind, daß einen schwierigen Familiennamen hat, kann sich umbenennen lassen. In einer multikulturellen Gesellschaft - wie der bundesdeutschen - leben eine Vielzahl von Ausländern mit fremdländisch klingenden Namen.

Dafür, daß das seelische Wohl von H. auch nur beeinträchtigt ist, wenn sie den Namen ihres Vaters behält, ist nichts ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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