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Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 26.03.2003
Aktenzeichen: 1 WF 64/02
Rechtsgebiete: BRAGO, ZPO
Vorschriften:
BRAGO § 31 Abs. 1 | |
BRAGO § 32 Abs. 1 | |
ZPO § 91 Abs. 2 S. 1 |
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss
In der Familiensache
hat der 1. Familiensenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 18.12.2001 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Sonneberg vom 23.11.2001, zugestellt am 04.12.2001 durch
Richterin am Oberlandesgericht Martin, Richter am Oberlandesgericht Mummert und Richter am Landgericht Jahn
am 26.03.2003
beschlossen:
Tenor:
1. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Sonneberg vom 23.11.2001 wird abgeändert:
Die von der Antragsgegnerin an den Antragsteller zu erstattenden Kosten werden auf 445,30 € (870,93 DM) nebst 4 % Zinsen hieraus seit 28.08.2001 festgesetzt.
Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragsgegnerin 2/3 und der Antragsteller 1/3.
3. Der Beschwerdewert wird auf 630,94 € (1.234,01 DM) festgesetzt.
Gründe:
Die Antragsgegnerin hatte mit Schriftsatz vom 07.05.2001 Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts -Familiengericht- Sonneberg, verkündet am 21.03.2001 und zugestellt am 06.04.2001, eingelegt und gleichzeitig erklärt, die Einlegung diene ausschließlich der Fristwahrung.
Noch vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist hat die Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schriftsatz vom 15.05.2001 dessen Interessenvertretung angezeigt und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Nachdem die Antragsgegnerin am 31.05.2001 die Berufung zurückgenommen hat, hat der Senat ihr auf Antrag des Antragstellers mit Beschluss vom 17.08.2001 die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.
Der Rechtspfleger des Amtsgerichts hat durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23.11.2001, der Antragsgegnerin zugestellt am 05.12.2001, die von der Antragsgegnerin an den Antragsteller zu erstattenden Kosten auf 1.234,01 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 28.08.2001 festgesetzt. Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer am 18.12.2001 eingelegten Erinnerung, mit der sie die Erstattungsfähigkeit der festgesetzten Kosten angreift, da die Berufung lediglich zur Fristwahrung eingelegt worden sei.
Die als sofortige Beschwerde zu behandelnde Erinnerung der Antragsgegnerin ist zulässig und führt auch teilweise zum Erfolg (§§ 11 Abs. 2 RPflG, 104 Abs. 3 ZPO).
Der Antragsteller hat gemäß §§ 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 BRAGO lediglich einen Anspruch auf Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten in Höhe von 445,30 € (870,93 DM).
Die Frage, ob die durch den vor Vorliegen der Rechtsmittelbegründung gestellten Antrag auf Zurückweisung der Berufung angefallene 13/10 Prozessgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) erstattbar ist, ist vor allem dann streitig, wenn die Berufung lediglich zur Fristwahrung eingelegt und später zurückgenommen wurde.
Ein Teil der Rechtsprechung verneint für solche Fälle die Erstattungsfähigkeit einer solcher Gebühr überhaupt, weil der Berufungsbeklagte unter Kostengesichtspunkten gehalten sein soll, von der Beauftragung eines Rechtsanwalts für das Rechtsmittelverfahren zunächst Abstand zu nehmen und die Entscheidung des Berufungsführers, ob er sein Rechtsmittel aufrechterhält, abzuwarten.
Ein anderer Teil der Rechtsprechung vertritt die Meinung, dass auch bei bloßer Einlegung der Berufung zur Fristwahrung die durch den Antrag auf Zurückweisung für den Berufungsbeklagten entstandene volle 13/10 Prozessgebühr erstattbar ist, und zwar unabhängig davon, ob der Berufungskläger bereits Berufungsanträge angekündigt hat (Zum Meinungsstand vgl. BGH, Beschluss vom 17.12.2002, Az. XZB 9/02).
Der Senat schließt sich der neuerlichen höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, a.a.O.) an, die davon ausgeht, dass zu den gemäß § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO erstattungsfähigen Kosten auch die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegende Partei gehörten. Daraus sei zu entnehmen, dass eine Partei im Prozess einen Rechtsanwalt zur Hilfe nehmen könne und dessen Kosten erstattungsfähig seien. Die mit einem Rechtsmittel überzogene Partei könne regelmäßig nicht selbst beurteilen, was zur Rechtsverteidigung sachgerecht zu verlassen sei. Ihr könne daher nicht zugemutet werden, die weiteren Entschließungen des anwaltlich vertretenen Berufungsklägers abzuwarten. Auch stelle die Beratung in Angelegenheiten der Berufungsinstanz keine Tätigkeit dar, die von der Gebühr des im vorausgegangenen Rechtszug tätigen Rechtsanwalt abgedeckt werde (vgl. § 37 Nr. 7 BRAGO).
Der Bundesgerichtshof unterscheidet zwischen der - vorstehend bejahten - grundsätzlichen Anerkennung der Notwendigkeit der Beauftragung eines Rechtsanwalts und der Frage, welche Maßnahmen der einmal bestellte Rechtsanwalt zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung für erforderlich halten darf, lässt die Entscheidung aber offen, da lediglich eine 13/20 Gebühr zur Festsetzung angemeldet wurde (zum Meinungsstand vgl. BGH, a.a.O.).
Der Senat schließt sich der überwiegenden Ansicht an, die dem Berufungsbeklagten, der einen Anwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen in der Rechtsmittelinstanz mandatiert habe, ein Anspruch auf Erstattung einer 13/20 Gebühr gemäß § 32 Abs. 1 BRAGO mit der Begründung zustehe, er könne sich zwar der Vertretung eines Rechtsanwalts versichern; dieser dürfe einen Berufungszurückweisungsantrag jedoch erst stellen, wenn eine Berufungsbegründung vorliege.
Diese Auffassung wird den Interessen beider Seiten gerecht. Sie berücksichtigt einerseits, dass der Berufungsbeklagte, auch wenn das Rechtsmittel nur vorsorglich eingelegt wurde, sich eines Anwalts bedienen darf. Andererseits wird sie dem Umstand gerecht, dass keine unnötigen Kosten durch Stellung eines überflüssigen Sachantrages verursacht werden (vgl. OLG Saarbrücken, JurBüro 1992, 37; Mümmler, JurBüro 1990, 141). Denn zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung ist die Stellung eines Abweisungsantrages vor dem Vorliegen der Berufungsbegründung nicht notwendig, da nicht ersichtlich ist, welche Prozessförderung von einem solchen Antrag hätte ausgehen können, nachdem mangels einer Berufungsbegründung eine sachgerechte Prüfung des Rechtsmittels nicht möglich war.
Damit sind zugunsten des Antragstellers lediglich eine 13/20 Prozessgebühr aus dem Hauptsachestreitwert und eine 13/10 Prozessgebühr aus dem Kostenwert zu erstatten. Der Antrag, dem Berufungskläger die Kosten des Rechtsmittels aufzuerlegen, ist ein Sachantrag im Sinne des § 31 Abs. 1 BRAGO und lässt deshalb die 13/10 Prozessgebühr entstehen. Die Gebühr tritt neben die infolge der Berufungsrücknahme entstandene halbe Prozessgebühr nach § 32 Abs. 1 BRAGO und ist durch diese nicht mit abgegolten (vgl. Mümmler, Entstehung, Höhe und Erstattungsfähigkeit der anwaltlichen Prozessgebühr im Rechtsmittelverfahren, JurBüro 1995, 621). Beide Gebühren sind dem Anwalt somit nebeneinander zuzubilligen. Der Streitwert der Gebühr für den Kostenantrag bemisst sich nach den bis zur Berufungsrücknahme entstandenen Kosten. Hierzu gehört die 5/10 Gerichtsgebühr aus dem Berufungsstreitwert, die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin, bestehend aus der 13/10 Prozessgebühr aus dem Berufungsstreitwert, ferner den außergerichtlichen Kosten des Antragstellers, bestehend aus einer 13/20 Prozessgebühr aus dem Berufungsstreitwert sowie in beiden Fällen die Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer.
Ausgehend davon ergibt sich vorliegend ein Kostenwert von 2.034,01 DM, und zwar
5/10 Gerichtsgebühr aus Streitwert 16.900,- DM 159,80 DM 13/10 Prozessgebühr aus Streitwert 16.900,- DM 1.023,80 DM + Auslagenpauschale 40,00 DM + 16% Mehrwertsteuer aus 1.063,80 DM 170,21 DM 13/20 Prozessgebühr aus Streitwert von 16.900,- DM 511,90 DM + Auslagenpauschale 40,00 DM + 16% Mehrwertsteuer aus 551,90 DM 88,30 DM
Der Erstattungsanspruch des Antragstellers errechnet sich wie folgt:
13/20 Prozessgebuhr aus Streitwert 16.900,- DM 511,90 DM 13/10 Prozessgebühr aus Streitwert 2.034,01 DM 198,90 DM Auslagenpauschale 40,00 DM Zwischensumme: 750,80 DM + 16% Mehrwertsteuer 120,13 DM Summe: 870,93 DM Entspricht 445,30 €
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO; die Festsetzung des Beschwerdewertes auf §§ 14 Abs. 1 GKG, 3 ZPO, 22 Abs. 3 GKG.
Ende der Entscheidung
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