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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 23.08.2000
Aktenzeichen: 2 U 92/00
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 143
InsO § 131 Abs. 1 Nr. 1
Eine inkongruente Deckung im Sinne der Insolvenzordnung liegt auch dann vor, wenn der Schuldner zur Abwendung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen auf eine fällige Forderung zahlt.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 U 92/00 5 O 2371/99 (Landgericht Erfurt)

verkündet am 23.08.2000

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kotzian-Marggraf, die Richterin am Oberlandesgericht Orth und den Richter am Oberlandesgericht Univ.Prof. Dr.Oetker

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19.07.2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 24.11.1999 -Az.: 5 O 2371/99 - wird zurückgewiesen

Die Kosten der Berufung hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer des Beklagten beträgt 30.000 DM.

Tatbestand:

Der Kläger ist der Insolventzverwalter über das Vermögen des Baubetriebes Uwe H. Das Insolvenzverfahren ist durch Beschluss vom 9.6.99 aufgrund eines am 7.5.99 beim Insolvenzgericht eingegangenen Antrages der IKK eröffnet worden.

Am 20.4.1999 zahlte der Gemeinschuldner auf rückständige bestandskräftige Steuerforderungen per Scheck 30.000,- DM. Der Scheck wurde mit Wertstellung zum 26.4.1999 eingelöst. Über die Zahlung ist dem Gemeinschuldner eine Quittung ausgestellt worden, in welcher Vollstreckungskosten in Höhe von 189,00 DM enthalten sind. Wegen des Wortlautes der Quittung wird auf Blatt 10 d. A. Bezug genommen.

Mit der Klage nimmt der Kläger den Beklagten auf Rückgewähr der empfangenen Zahlung zur Masse in Anspruch.

Er hat behauptet, dem Vollstreckungsbeamten des Finanzamtes sei der Scheck zur Abwendung einer Zwangsvollstreckung übergeben worden. Er hat die Auffassung vertreten, deshalb sei die Zahlung inkongruent erfolgt und die Voraussetzungen für eine Insolvenzanfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfüllt.

Er hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger DM 30.000,- nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 26.8.1999 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, eine inkongruente Deckung liege nicht vor, weil die Steuerbescheide bestandskräftig und die Zahlung am 20. bzw. 26. April zu beanspruchen gewesen sei. Die Zahlung sei auch nicht unter dem Zwang einer Vollstreckung erfolgt. Sie sei vielmehr bereits bei einem Gespräch am 09.04.1999 beim Finanzamt angekündigt worden und habe eine erste Rate zum Ausgleich rückständiger Steuerschulden sein sollen. Der Vollstreckungsbeamte habe lediglich den angekündigten Betrag abgeholt. Eine Vollstreckungshandlung sei dies nicht gewesen. Deshalb sei auch keine Niederschrift über Vollstreckungshandlungen erstellt worden.

Durch Urteil vom 24.11.1999 hat das Landgericht Erfurt den Beklagten antragsgemäß verurteilt.

Wegen der Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Das Urteil ist dem Beklagten am 21.12.1999 zugestellt worden, die Berufung ist am 20.01.2000 eingegangen und am 18.02.2000 begründet worden.

Der Beklagte behauptet weiterhin, der Gemeinschuldner habe freiwillig und ohne Androhung von Vollstreckungszwang bzw. ohne Androhung oder Ankündigung von Vollstreckungszwang den Scheck übergeben .

Die Zahlung sei bereits am 09.04.1999 anlässlich einer persönlichen Besprechung beim Finanzamt Sömmerda angekündigt worden. Weitere Raten hätten folgen sollen

Er beantragt

unter Abänderung des angefochtenen Urteils, die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er behauptet, die Scheckhingabe sei lediglich deshalb erfolgt, weil der Vollstreckungsbeamte Werner bereits in der Woche zuvor zu einer erfolglosen Pfändung im Betrieb erschienen sei und mit einer Pfändung in der Privatwohnung gedroht habe. Er habe sich lediglich unter Hinweis auf eine bevorstehende Kundenzahlung nochmals um eine Woche vertrösten lassen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin H und des Zeugen Werner. Wegen des Inhaltes der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 19.7.2000 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig aber nicht begründet.

Das Landgericht hat den Beklagten zu Recht gemäß § 143 InsO zur Rückzahlung der erhaltenen 30.000,- DM verurteilt, weil die Scheckzahlung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgt ist.

1.

Die landgerichtliche Entscheidung steht in Übereinstimmung mit der im landgerichtlichen Urteil zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 09.09.1997, abgedruckt in BGHZ 136, 309 ff. Danach liegt eine inkongruente Deckung im Sinne der Insolvenzordnung auch dann vor, wenn der Schuldner zur Abwendung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen auf eine fällige Forderung zahlt. Zwar ist diese höchstrichterliche Entscheidung zu § 30 Nr. 2 KonkursO und nicht zur neuen Insolvenzordnung ergangen, für welche der Zeitraum für eine Anfechtung gegenüber der Konkursordnung verändert worden ist. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu dem Tatbestandsmerkmal der inkongruenten Deckung ist aber auch im Bereich der Insolvenzordnung anzuwenden, weil eine Gesetzesänderung insoweit mit der Neuregelung nicht erfolgt ist.

Vielmehr heißt es in der Entwurf zur InsO lediglich, dass es wegen der besonderen Verdächtigkeit inkongruenten Erwerbs gerechtfertigt sei, für einen Zeitraum von bis zu einem Monat vor dem Eröffnungsantrag auf subjektive Voraussetzungen in der Person des Anfechtungsgegners ganz zu verzichten. Aus Nr. 1 ergebe sich daher, dass die innerhalb des letzten Monates vor dem Eröffnungsantrag gewährten inkongruenten Deckungen ohne Rücksicht auf subjektive Voraussetzungen und den tatsächlichen Eintritt der Zahlungsunfähigkeit anfechtbar seien. Kenntnis und grobfahrlässige Unkenntnis von der Krise sowie die Krise selbst würden unwiderlegbar vermutet. Im Gegensatz zu § 30 Nr. 2 KonkursO werde der Verdachtzeitraum allein an den Eröffnungsantrag und nicht auch an die Zahlungseinstellung geknüpft. Diese Änderung beruhe darauf, dass der Anfechtungszeitraum einheitlich vom Eröffnungsantrag zurückgerechnet werde. Angesichts der Verlängerung des Verdachtszeitraums sei der Unterschied zum geltenden Recht gering. Die Vorschrift der Nr. 1 werde ergänzt durch § 99 des Entwurfes, nach dem Sicherungen, die im gleichen Zeitraum durch Zwangsvollstreckung erlangt worden seien, ipso-jure unwirksam würden. Einer Anfechtung bedürfe es in einem solchen Fall nicht. § 99 des Entwurfes hat seinen Niederschlag in § 88 InsO gefunden. In dem Regierungsentwurf zu dieser Vorschrift heißt es schließlich ausdrücklich, von ihrer Funktion her ergänze diese Vorschrift das Recht der Insolvenzanfechtung, das es ebenfalls ermögliche, die Wirkungen von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen vor Verfahrenseröffnung rückgängig zu machen.

2.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Zeugin H dem Vollziehungsbeamten den Scheck nur übergeben hat, um eine drohende Zwangsvollstreckung abzuwenden. Zwar varieren die beiden Zeugenaussagen in den Einzelheiten. Jedoch steht auch bei Zugrundelegung der Aussage des Zeugen W fest, dass die rückständigen Steuerschulden des Gemeinschuldners bereits von der Vollstreckungsabteilung bearbeitet wurden , der Vollziehungsbeamte Zwangsvollstreckungskosten berechnet hat und er auch von der Zwangsvollstreckungsabteilung mit der Abholung des Schecks beauftragt worden war. Infolgedessen erfolgte die Zahlung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung ohne dass es dazu erforderlich wäre, dass der Zeuge W zuvor an diesem Tag ausdrücklich eine Pfändung angedroht haben müßte. Die anderweitig drohende Zwangsvollstreckung ergab sich aus den äußeren Gegebenheiten und wurde von der Zeugin H ausweislich iherer Aussage auch als solche erfaßt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr.10 ZPO. Den Wert der Beschwer hat der Senat gemäß § 546 Abs.2 ZPO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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