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Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 07.11.2007
Aktenzeichen: 4 U 971/05
Rechtsgebiete: InsO
Vorschriften:
InsO § 131 Abs. 1 Nr. 2 |
In einem derartigen Fall besteht für eine strenge Behandlung des Gläubigers nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO kein Bedürfnis, weil dieser die Leistung annehmen muss.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 07.11.2007
In dem Rechtsstreit
hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Müller, Richter am Oberlandesgericht Jahn und Richterin am Landgericht Höfs
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26.09.2007
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Gera vom 16.09.2005, Az. 3 O 2221/04, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 29.820,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Parteien streiten um die Rechtsfolgen aus einer vom Kläger - Insolvenzverwalter über das Vermögen der O. M. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) - erklärten insolvenzrechtlichen Anfechtung.
Wegen des Tatbestandes wird zunächst Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 29.820,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.09.2002 zu zahlen.
Das Landgericht Gera hat durch Urteil vom 16.09.2005 die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Kläger könne sich insbesondere nicht auf § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO berufen. Die Abtretung sei als Wahlschuld vereinbart gewesen und die Leistung auf eine Wahlschuld stelle keine inkongruente Deckung dar.
Der Kläger hat gegen dieses ihm am 22.09.2005 zugestellte Urteil mit einem bei dem Berufungsgericht am 10.10.2005 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Diese hat er mit einem am 21.11.2005 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Mit der Berufung wiederholt und vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen. Er trägt insbesondere vor, die Abtretung der Forderung vom 14.08.2002 stelle eine inkongruente Deckung dar; der Beklagte habe gegenüber der Schuldnerin keinen Anspruch auf Abtretung der Forderung gegen das Staatsbauamt gehabt. Aus dem Schriftverkehr der Parteien sei zu entnehmen, das der Beklagte lediglich einen Anspruch auf Gewährung einer Bankbürgschaft gehabt habe, nicht aber auch einen Anspruch auf Forderungsabtretung als Sicherheit. Im Ergebnis des Telefonates zwischen den Zeugen Neugebauer und Unrein sei keine konkrete Sicherheitsleistung vereinbart worden. Die Schuldnerin sei nicht verpflichtet gewesen, die Sicherheit entweder durch Bürgschaft oder durch Abtretung zu erbringen. Die Wahl der Sicherheit habe allein im Ermessen der Schuldnerin gelegen. Der Beklagte hätte jede Sicherheitsleistung angenommen. Es liege auch kein Fall der Ersetzungsbefugnis vor. Zum Zeitpunkt der Erstellung der Abtretungserklärung habe weder eine fällige Forderung des Beklagten gegenüber der Schuldnerin noch ein einklagbarer Anspruch auf Erteilung einer Abtretung gegenüber der Schuldnerin bestanden.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Gera vom 16.09.2005, Az. 3 O 2221/04, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 29.820,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.09.2002 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung des Klägers vom 21.11.2005 (Bd. I Bl. 178 ff d.A.) und auf die Berufungserwiderung des Beklagten vom 09.06.2006 (Bd. I Bl. 195 ff d.A.) sowie auf die Schriftsätze des Klägers vom 25.09.2007 (Bd. II Bl. 211 ff d.A.) und des Beklagten vom 17.10.2007 (Bd. II Bl. 224 ff d.A.).
II.
Die Berufung des Klägers ist zulässig; sie ist statthaft (§ 511 ZPO) und auch im Übrigen in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden, insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO).
Die Berufung hat in der Sache aber keinen Erfolg.
Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Der Kläger hat die Abtretung und Zahlung nicht wirksam angefochten. Die Voraussetzungen des § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO liegen nicht vor. Der Beklagte erlangte durch die Abtretung der Forderung gegen das Staatsbauamt keine Sicherung oder Befriedigung, die er nicht oder nicht in der Art oder in der Zeit zu beanspruchen hatte.
Nicht zu beanspruchen ist eine Sicherung, wenn keine Sicherungsabrede bestand (Braun/de Bra, InsO, 3. Auflage 2007, § 131 Rn. 19). Die Inkongruenz wird nur durch einen bestimmten Sicherungsanspruch ausgeschlossen, der auf einen von vornherein individualisierbaren Gegenstand gerichtet ist. Absprachen, die es dem Ermessen der Beteiligten oder dem Zufall überlassen, welche konkrete Sicherheit erfasst werden wird, rechtfertigen die Besserstellung einzelner Gläubiger unter Durchbrechung des insolvenzrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht (BGH, Urteile vom 08.03.2007, Az. IX ZR 127/05 = ZIP 2007, 924-926; vom 02.06.2005, Az. IX ZR 181/03 = ZIP 2005, 1651-1653).
Dem Kläger ist zuzugeben, dass sich aus dem Werkvertrag zwischen dem Beklagten und der Schuldnerin nach seinem ursprünglichen Inhalt kein Sicherungsanspruch auf Abtretung der streitgegenständlichen Forderung ergibt. In dem Werkvertrag, auf den der Beklagte mit Schreiben vom 04.06.2002 Bezug genommen hat (Anlage B3), haben die Parteien zwar eine Sicherungsabrede getroffen. Sie beinhaltet aber nicht die Abtretung einer Forderung, sondern die Erteilung einer Bankbürgschaft.
Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme steht aber fest, dass die Parteien am 11.07.2002 in einem Telefonat eine ergänzende Sicherungsabrede getroffen haben. Der Senat ist an diese Feststellungen gebunden (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO), nicht aber an die vom Landgericht vorgenommene Auslegung der Sicherungsabrede (BGH, Urteil vom 14.07.2004, Az. VIII ZR 164/03 = BGHZ 160, 83-97 = NJW 2004, 2751-2755). Dem Kläger ist zuzugeben, dass die Auslegung der Vereinbarung vom 11.07.2002 dahin, es sei eine Wahlschuld mit Wahlrecht des Schuldners (§ 262 BGB) vereinbart worden, nicht überzeugt. Denn aus den auf die Vereinbarung vom 11.07.2002 folgenden Schreiben des Beklagten an die Schuldnerin vom 17.07.2002 (Anlage B5) und 09.08.2002 (Anlage B6) wird deutlich, dass die Vorlage einer Bankbürgschaft als an sich geschuldete Leistung vereinbart blieb. Die Schuldnerin war aber aufgrund der Vereinbarung vom 11.07.2002 berechtigt, ihre Verpflichtungen statt durch Bürgschaft durch die Abtretung ihrer Forderung gegen das Staatsbauamt zu erfüllen.
Die am 14.08.2002 erfolgte Abtretung der Forderung gegen das Staatsbauamt stellt - im Hinblick auf die Sicherungsabrede vom 11.07.2002 - keine inkongruente Deckung dar. Es fehlt auch dann an einer inkongruenten Deckung, wenn sich der Schuldner durch eine andere Leistung als die geschuldete von seiner Schuld befreien darf, sog. Ersetzungsbefugnis (BGH, Urteil vom 21.12.1977, Az. VIII ZR 255/76 = BGHZ 70, 177-186 = NJW 1978, 758-760, mit Verweis auf das Urteil des Reichsgerichts vom 23.04.1909, Az. VII 272/08 = RGZ 71, 89-92; MüKo-Kirchhof, InsO, 2002, § 131 Rn. 12). Bei einer Ersetzungsbefugnis des Schuldners hat die Schuld - anders als bei der Wahlschuld - von Anfang an einen bestimmten Inhalt; der Schuldner ist aber berechtigt, anstelle der an sich geschuldeten Leistung eine andere als Leistung an Erfüllung Statt zu erbringen (Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Auflage 2007, § 262 Rn. 8). In einem derartigen Falle ist die strenge Behandlung des Gläubigers gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht am Platze, weil er diese Leistung annehmen muss (vgl. BGH, Urteil vom 21.12.1977, aaO: zu § 30 Nr. 2 KO). Der Gläubiger muss dartun, dass er die Art der Erfüllung wenigstens aus Rechtsgründen nicht hätte ablehnen dürfen (vgl. BGH, Urteil vom 30.09.1993, Az. IX ZR 227/92 = BGHZ 123, 320-330 = ZIP 1993, 1653-1656). Dem ist der Beklagte nachgekommen.
Die Parteien hatten die Sicherungsabrede bereits am 11.07.2002 getroffen, also vor dem 14.07.2002, dem Beginn der Dreimonatsfrist gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO (vgl. § 139 Abs. 1 InsO). Aufgrund der Sicherungsabrede vom 11.07.2002 bestand für die Schuldnerin eine Ersetzungsbefugnis; sie war berechtigt, ihre Verpflichtung statt durch Bürgschaft durch die Abtretung ihrer Forderung gegen das Staatsbauamt zu erfüllen. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagte - wie der Kläger meint - auch andere Sicherungen angenommen hätte, und es kommt nicht darauf an, ob der Beklagte überhaupt dazu verpflichtet gewesen wäre, jede Sicherheit als Erfüllung anzunehmen. Denn maßgeblich ist hier vielmehr, dass der Beklagte aufgrund der Vereinbarung vom 11.07.2002 verpflichtet war, die Abtretung der Forderung gegen das Staatsbauamt als Erfüllung der Sicherungsabrede anzunehmen; diese Art der Erfüllung hätte der Beklagte jedenfalls nicht ablehnen dürfen.
Nach alledem konnte der Kläger die Abtretung der Forderung nicht gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO wirksam anfechten. Eine Anfechtung bei kongruenter Deckung nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO scheidet ebenfalls aus, weil konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte eine etwaige Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin kannte oder Kenntnis hatte von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen (vgl. § 130 Abs. 2 InsO), weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind; der Umstand, dass die Parteien eine Ersetzungsbefugnis vereinbart hatten, ist jedenfalls kein Umstand, der auf eine Zahlungsunfähigkeit schließen lässt. Im Übrigen liegen auch keine Anhaltspunkte für eine vorsätzliche Benachteiligung gemäß § 133 InsO vor.
III.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Der auf eine Zulassung der Revision gerichtete Antrag war als Anregung zu verstehen (Zöller/Gummer, ZPO, 24. Auflage 2004, § 543 Rn. 16).
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde gemäß §§ 3 ZPO, 47 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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