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Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 02.06.2003
Aktenzeichen: 6 W 149/03
Rechtsgebiete: GVG, WEG
Vorschriften:
GVG § 17a | |
WEG § 43 | |
WEG § 50 |
2. § 17a GVG ist auf das Verhältnis von Prozessgericht und Wohnungseigentumsgericht entsprechend anzuwenden. Rechtfertigen die Unterschiede zwischen den Verfahren der freiwilligen und der streitigen Gerichtsbarkeit, einen Zuständigkeitsstreit wie einen Rechtswegstreit zu behandeln; müssen auch die der Vereinfachung und Beschleunigung dienenden Vorschriften der §§ 17a Abs. 3 bis 5, 17b GVG ergänzend herangezogen werden (BGH NJW 1995, 2851).
3. Ist die Verweisung in einem FGG-Verfahren ausgesprochen worden, ergibt sich der Rechtsmittelzug aus §§ 19 ff. FGG. Dem steht auch die besondere Regel zur weiteren Beschwerde in § 17a Abs. 4 S. 4 bis 6 GVG nicht entgegen. Diese Bestimmung betrifft ersichtlich nicht die Frage, ob gegen die Entscheidung des Landgerichts als Beschwerdegericht im FGG-Verfahren die weitere Beschwerde statthaft ist.
4. § 17a Abs. 5 GVG steht der Zuständigkeitsprüfung im Beschwerdeverfahren nur dann entgegen, wenn das Amtsgericht seine Zuständigkeit bejaht hätte, ohne dass dies von den Beteiligten zuvor gerügt worden wäre.
5. Genügend ist die erstinstanzlich erhobene Zuständigkeitsrüge. Unerheblich ist, dass der Antragsgegner nicht ausdrücklich auf einer Vorabentscheidung bestanden hat.
6. Die Beschränkung der Prüfungskompetenz der Rechtsmittelgerichte gemäß § 17a Abs. 5 GVG rechtfertigt sich daraus, dass die Rechtswegfrage vorab im Beschwerdeverfahren zu prüfen ist. Diese Rechtfertigung fehlt, wenn wie hier das Amtsgericht das durch § 17a Abs. 3 S. 2 GVG vorgegebene Verfahren nicht eingehalten hat.
7. Die Zuständigkeitszuweisung des § 43 WEG ist nach dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck weit auszulegen. Über die sich aus der Wohnungseigentümergemeinschaft ergebenden Rechte und Pflichten der Beteiligten soll möglichst im Wege der freiwilligen Gerichtsbarkeit entschieden werden, weil dieses Verfahren einfacher, freier, elastischer, schneller und damit für Streitigkeiten mit einer häufig großen Zahl von Beteiligten besser geprägt ist als der Zivilprozess (vgl. BGH WM 1991, 418 m.w.N.). Ausschlaggebend für den zulässigen Rechtsweg ist der Umstand, ob das vom Antragsteller in Anspruch genommene Recht in einem inneren Zusammenhang mit einer Angelegenheit steht, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer erwachsen ist. Dabei ist in erster Linie darauf abzustellen, welches Begehren der Antragsteller zur Entscheidung stellt und aus welchem Rechtsverhältnis er seine Forderung ableitet (vgl. BayObLG WM 1999, 232, 233).
8. Beschließt das Beschwerdegericht die Abgabe des Verfahrens an das Prozessgericht, ist hinsichtlich der bisher entstandenen Verfahrenskosten § 50 WEG entsprechend anzuwenden. Danach bleibt die Entscheidung über die Tragung der bisher entstandenen erstinstanzlichen Kosten dem Prozessgericht überlassen, wogegen über die durch die unzulässige Anrufung des Gerichts für Wohnungseigentumssachen entstandenen Kosten der Erstbeschwerde und der weiteren Beschwerde bereits durch das Rechtsbeschwerdegericht entschieden wird. Unter Berücksichtigung des in § 281 Abs. 3 S. 2 ZPO enthaltenen Rechtsgedanken sind dem Antragsteller die Gerichtskosten des Erst- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen, § 47 S. 1 WEG. Die Anordnung einer Kostenerstattung (§ 47 S. 2 WEG) für beide Beschwerdeinstanzen ist nicht veranlasst.
9. Die die Zuständigkeit des WEG-Gerichts in Frage stellenden Anträge in den Beschwerdeverfahren betreffen lediglich eine Vorfrage des eigentlichen Zahlungsantrags, deren Wert mit 1/5 des Hauptsachewerts zu bemessen ist.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss
In dem Verfahren
hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. h.c. Bauer und die Richter am Oberlandesgericht Kramer und Pippert auf die sofortige Beschwerde vom 20.03.2003 gegen den Beschluss des Landgerichts Gera vom 06.03.2003 (Az.: 5 T 431/02)
am 02.06.2003
beschlossen:
Tenor:
1. Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Gera vom 06.03.2003 (Az.: 5 T 431/02) wird zurückgewiesen.
2. Die Gerichtskosten des Erst- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Die Geschäftswerte für das Erst- und das Rechtsbeschwerdeverfahren werden auf jeweils 2.452,11 ? festgesetzt.
Gründe:
I.
Im Jahre 1992 erwarb die mittlerweile in Insolvenz befindliche G. GmbH von der Gemeinde Z. eine Teilfläche von über 60.000 m² an dem an der Talsperre Z. gelegenen Bungalowdorf. Eigentümerin der restlichen Teilfläche von ca. 30.000 m² ist die Gemeinde Z.. In den Jahren 1993 bis 1998 verkaufte die vorbenannte Gesellschaft Grund und Boden von insgesamt 92 Bungalows in der Form, dass sie den Erwerbern Gesellschaftsanteile einräumte. Nach Erteilung der Abgeschlossenheitsbescheinigung im Jahre 1998 wurde mit notariellem Vertrag vom 04.06.1998 eine Teilungserklärung gem. § 8 WEG abgegeben und durch das Grundbuchamt die Teileigentumsgrundbücher angelegt.
Am 02.01.2001 hat die "Gesamteigentümer- und Nutzergemeinschaft des Bungalowdorfes Z. " mit der "Firma X.Y. Immobilienmanagement", die vom Antragssteller vertreten wird, einen "Hausverwaltervertrag" geschlossen, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.
Im Rahmen der außerordentlichen Versammlung der "Wirtschaftsgemeinschaft Bungalowdorf Z. " am 28.07.2001 haben die Anwesenden, dazu gehörten neben Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft auch Pächter von den der Gemeinde gehörenden Grundstücken, u.a. beschlossen, gerichtlich gegen den Antragsgegner wegen rückständiger Haushaltszahlungen vorzugehen. Hierzu wurde der Antragsteller bevollmächtigt.
Ansonsten nimmt der Senat hinsichtlich des Sachverhalts zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Darstellung des angefochtenen Beschlusses Bezug.
Das Amtsgericht - Wohnungseigentumsgericht - hat mit Beschluss vom 07.08.2002 den Antragsgegner zur Zahlung verurteilt und im Rahmen der Begründung festgestellt, dass das Amtsgericht gem. § 43 zuständig sei, nachdem der Antragsgegner die Zulässigkeit des Rechtswegs gerügt hatte.
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners hat das Landgericht mit Beschluss vom 06.03.2003 den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben, den Rechtsweg zu den Gerichten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für unzulässig erklärt und die Sache an das Landgericht Gera - Zivilkammer - verwiesen.
Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen weiteren Beschwerde vom 20.03.2003, auf deren Begründung der Senat Bezug nimmt.
II.
1. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers ist an sich statthaft und auch sonst gem. §§ 45 Abs. 1 WEG analog, 27, 29 FGG zulässig.
Die in entsprechender Anwendung von § 46 Abs. 1 WEG durch das Landgericht beschlossene Verweisung an das Prozessgericht hat den Charakter einer abschließenden Entscheidung der Sache in der gewählten Verfahrensart der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. BayObLG NJW-RR 1990, 1431 ff.; NJW-RR 1996, 334), so dass der nur für Hauptsacheentscheidungen geltende § 45 Abs. 1 WEG anzuwenden ist.
Daran ändert auch § 17a GVG nichts. Diese Vorschrift ist auf das Verhältnis von Prozessgericht und Wohnungseigentumsgericht entsprechend anzuwenden (vgl. OLG Köln MDR 1996, 144). Die Unterschiede zwischen den Verfahren der freiwilligen und der streitigen Gerichtsbarkeit rechtfertigen zwar, einen Zuständigkeitsstreit wie einen Rechtswegstreit zu behandeln; folglich müssen auch die der Vereinfachung und Beschleunigung dienenden Vorschriften der §§ 17a Abs. 3 bis 5, 17b GVG ergänzend herangezogen werden (BGH NJW 1995, 2851). Aber die ergänzende Anwendung des § 17a GVG führt nicht zu einer Verkürzung des Rechtswegs (KG OLGZ 1994, 279). Gemäß § 17a Abs. 4 GVG ist gegen den Verweisungsbeschuss nach § 17 Abs. 2 GVG die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben, vorliegend also des FGG. Demgemäß ist auch dem FGG (§ 29 ) zu entnehmen, ob eine sofortige weitere Beschwerde statthaft ist. Dem steht auch die besondere Regel zur weiteren Beschwerde in § 17a Abs. 4 S. 4 bis 6 GVG nicht entgegen. Diese Bestimmung betrifft ersichtlich nicht die Frage, ob gegen die Entscheidung des Landgerichts als Beschwerdegericht im FGG-Verfahren die weitere Beschwerde statthaft ist.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers steht auch § 17a Abs. 5 GVG der Zuständigkeitsprüfung im Beschwerdeverfahren nicht entgegen. Das wäre nur dann der Fall, wenn das Amtsgericht - stillschweigend oder ausdrücklich - seine Zuständigkeit bejaht hätte, ohne dass dies von den Beteiligten zuvor gerügt worden wäre (vgl. BGHZ 114, 1, 3; BayObLG NJW-RR 1991, 1356; OLG Köln ZMR 1990, 561, 563; Baumbach/Pick/Merle, WEG, 8. Aufl., § 43 Rz. 3 m.w.N.) Etwas anderes gilt indessen, wenn - wie vorliegend - der Antragsgegner bereits erstinstanzlich die Zuständigkeit des Gerichts gerügt hat. Denn die Beschränkung der Prüfungskompetenz der Rechtsmittelgerichte gemäß § 17a Abs. 5 GVG rechtfertigt sich daraus, dass die Rechtswegfrage vorab im Beschwerdeverfahren zu prüfen ist. Diese Rechtfertigung fehlt, wenn wie hier das Amtsgericht das durch § 17a Abs. 3 S. 2 GVG vorgegebene Verfahren nicht eingehalten hat.
Unerheblich ist auch, dass der Antragsgegner nicht ausdrücklich auf eine Vorabentscheidung bestanden hat. Genügend ist die erstinstanzlich erhobene Zuständigkeitsrüge (vgl. BayObLG NJW-RR 200, 1540).
2. Darüber hinaus hat das Landgericht zu Recht die Zuständigkeit des Wohnungseigentumsgerichts verneint. Nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG entscheidet das Amtsgericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Antrag eines Wohnungseigentümers oder des Verwalters über die sich aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ergebenden Rechte und Pflichten der Beteiligten untereinander, die in den §§ 13 und 14 WEG näher umschrieben sind. Die Vorschrift begründet insofern eine ausschließliche Zuständigkeit. Die Zuständigkeitszuweisung des § 43 WEG ist nach dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck weit auszulegen. Für sie sind reine Zweckmäßigkeitserwägungen maßgebend gewesen. Über die sich aus der Wohnungseigentümergemeinschaft ergebenden Rechte und Pflichten der Beteiligten soll möglichst im Wege der freiwilligen Gerichtsbarkeit entschieden werden, weil dieses Verfahren einfacher, freier, elastischer, schneller und damit für Streitigkeiten mit einer häufig großen Zahl von Beteiligten besser geprägt ist als der Zivilprozess (vgl. BGH WM 1991, 418 m.w.N.). Auch kann der Weg einer "werdenden" oder "faktischen" Wohnungseigentümergemeinschaft bereits der Weg zum Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit gegeben sein (Kreuzer in Bub, WEG, Sonderausgabe aus Staudingers Kommentar zum BGB, 12. Aufl., § 10 Rz. 11 m.w.N.).
Ausschlaggebend für den zulässigen Rechtsweg ist indessen der Umstand, ob das vom Antragsteller in Anspruch genommene Recht in einem inneren Zusammenhang mit einer Angelegenheit steht, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer erwachsen ist. Dabei ist - wie bei jeder Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs - in erster Linie darauf abzustellen, welches Begehren der Antragsteller zur Entscheidung stellt und aus welchem Rechtsverhältnis er seine Forderung ableitet (vgl. BayObLG WM 1999, 232, 233).
Nach diesen Grundsätzen liegt in der Sache keine dem Wohnungseigentumsgericht zugewiesene Angelegenheit vor. Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Wirtschaftsgeld/Rücklagen über die die "Wirtschaftsgemeinschaft Bungalowdorf Zadelsdorf" in der Versammlung am 28.07.2001 und nicht die - werdende - Wohnungseigentümergemeinschaft beschlossen hat. Nach Auffassung des Senats ist das Prozessgericht zuständig, da die geltend gemachten Ansprüche aus einer schuld- bzw. gesellschaftsrechtlichen Sonderbeziehung der Parteien und nicht aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer abgeleitet werden. Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen der Beschwerdekammer verwiesen.
3. Aufgrund der bereits durch das Beschwerdegericht beschlossenen Abgabe ist hinsichtlich der bisher entstandenen Verfahrenskosten § 50 WEG entsprechend anzuwenden. Danach werden die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht erwachsenen Kosten, nicht aber die Kosten der Rechtsmittelverfahren, als Teil der Kosten behandelt, die bei dem aufnehmenden Gericht anfallen (vgl. OLG Zweibrücken FGPrax 2002, 56). Während bei Anwendung dieser Vorschrift die Entscheidung über die Tragung der bisher entstandenen erstinstanzlichen Kosten dem Prozessgericht überlassen werden muss, kann über die durch die unzulässige Anrufung des Gerichts für Wohnungseigentumssachen entstandenen Kosten der Erstbeschwerde und der weiteren Beschwerde bereits durch das Rechtsbeschwerdegericht entschieden werden (vgl. Niedenführ/Schulze, WEG, 6. Aufl., § 50 Rz. 3; BayObLG NJW-RR 1996, 912, 913; FGPrax 2000, 144). Unter Berücksichtigung des in § 281 Abs. 3 S. 2 ZPO enthaltenen Rechtsgedanken sind dem Antragsteller die Gerichtskosten des Erst- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen, § 47 S. 1 WEG. Die Anordnung einer Kostenerstattung (§ 47 S. 2 WEG) für beide Beschwerdeinstanzen ist nicht veranlasst.
4. Da die Anträge in den Beschwerdeverfahren lediglich eine Vorfrage des eigentlichen Zahlungsantrags darstellen, scheint es gerechtfertigt diese lediglich mit 1/5 zu bemessen. Der Geschäftswert für beide Beschwerdeverfahren wird daher auf jeweils 2452,11 ? gem. § 48 Abs. 3 WEG festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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