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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 04.05.2000
Aktenzeichen: 6 W 239/00
Rechtsgebiete: BGB, EGBG


Vorschriften:

BGB § 1821
EGBGB Art. 233 § 2 Abs. 3
04.05.2000

6 W 239/00

Rechtliche Grundlage:

BGB § 1821, EGBGB Art. 233 § 2 Abs. 3

1. Das Grundbuchamt ist an den Verwaltungsakt der Vertreterbestellung durch das Landratsamt als einer auf öffentlicher Gewalt beruhenden Maßnahme gebunden. Diese ist grundsätzlich wirksam und hat solange Bestand, bis sie durch die den nach dem jeweiligen Verfahrensrecht ausschließlich zur Bestandskontrolle berufene Stellen (Widerspruchsbehörden, Verwaltungsgerichte) aufgehoben ist. Die Rechtswidrigkeit der Vertreterbestellung dürfen Grundbuchamt und Landgericht nur berücksichtigen, wenn sie einen Grad erreicht, in dem der Gesetzesverstoß so schwerwiegend ist, dass jedermann ihn erkennen kann, wenn also die Voraussetzungen für die Nichtigkeit des Verwaltungsakt vorliegen.

2. Verfügungen des gem. Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB bestellten gesetzlichen Vertreters bedürfen nach Art. 233 § 2 Abs. 3 S. 4 EGBGB, §§ 16 Abs. 3 und 4 ThürVwVfG, 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB der Genehmigung durch die Bestellungsbehörde.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

6 W 239/00 5 T 835/99 (Landgericht Gera)

In dem Verfahren

betreffend die Eintragung der Beteiligten zu 19 als Eigentümerin des im Grundbuch von Rositz, Blatt 398, Flur 9, Flurstück 281 eingetragenen Grundstücks an dem beteiligt sind: 1. M. H. 2. U. H., 3. R. G., 4. W. G. 5. S. B. 6. K. B. 7. W. B. 8. H. B. 9. R. B. 10. M. B. 11. M. B. 12. E. G. 13.G. M. 14. B. B. 15. Altenheim L. GmbH, vertreten durch die Geschäftsführerin 16. H. L. 17. U. O. 18. A. H. Veräußerer zu 1 bis 18 19. E. O. Erwerberin die Beteiligten zu 1) bis 19) Antragsteller und Beschwerdeführer, auch im Verfahren der weiteren Beschwerde - Verfahrensbevollmächtigter: Notar Konrad Selder, Friedrich-Ebert-Straße 20 a, 04600 Altenburg

hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. h.c. Bauer sowie die Richter am Oberlandesgericht Kramer und Bettin auf die weitere Beschwerde der Beteiligten vom 29./31.03.2000 gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Gera vom 29.02.2000

am 04.05.2000 beschlossen:

Tenor:

1. Der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Gera vom 29.02.2000 und die Zwischenverfügung der Rechtspflegerin des Grundbuchamts Altenburg vom 24.08.1999 werden aufgehoben.

Das Grundbuchamt wird angewiesen, den am 19.08.1999 eingegangenen Eintragungsantrag nicht aus den Gründen der Zwischenverfügung vom 24.08.1999 zurückzuweisen. 2. Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 5.000 DM festgesetzt

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1 bis 18 verkauften mit notarieller Urkunde des verfahrensbevollmächtigten Notars vom 25.10.1996 (Urkunden-Nr.: 2036/1996) das im Betreff bezeichnete Grundstück an die Beteiligte zu 19 und ließen es an sie auf. Als Eigentümer sind im Grundbuch 15 Mitglieder einer Erbengemeinschaft eingetragen, zu denen unter anderem R. K. W. gehörte. Dessen alleinige Erbin ist M. A. W., die am 31.12.1976 verstarb und durch notarielles Testament vom 23.08.1976 (Urkunden-Nr.: 40/77.76) das Feierabendheim L. als Alleinerbin einsetzte. Die Beteiligte zu 15 meint, Rechtsnachfolgerin dieses Feierabendheims zu sein und hat in dieser Eigenschaft an der Grundstücksveräußerung mitgewirkt. Mit Entscheidung Nr. 1/1998 (ohne Datum) hat das Landratsamt Altenburger Land die Beteiligte zu 5 gemäß Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB zur gesetzlichen Vertreterin für die unbekannten Rechtsnachfolger von M. A. W. bestellt, und zwar "im Zusammenhang mit dem Kaufvertrag vom 25.10.1996 (Urkunde des Notars Selder, Altenburg, URNr. 2036/1996)". Die Beteiligte zu 5 hat sodann am 18.12.1998 durch notariell beglaubigte Erklärung alle abgegebenen und entgegengenommenen Erklärungen aus der bezeichneten notariellen Urkunde als Vertreterin der unbekannten Erben nach M. A. W. genehmigt und den Inhalt der Urkunde als für sie verbindlich anerkannt. Mit seinem am 19.08.1999 bei dem Grundbuchamt eingegangenen Antrag hat der verfahrensbevollmächtigte Notar unter anderem die Eigentumsumschreibung auf die Beteiligte zu 19 beantragt. Diesen Antrag hat die Rechtspflegerin des Grundbuchamts mit Zwischenverfügung vom 24.08.1999 in mehreren Punkten beanstandet. Für das Verfahren der weiteren Beschwerde ist diese Zwischenverfügung nur noch insoweit von Belang, als die Rechtspflegerin den Nachweis der Rechtsnachfolge der Beteiligten zu 15 nach dem Feierabendheim L. und soweit dieser nicht zu erbringen sei, einen Erbschein nach M. A. W. gefordert hat. Für den Fall, dass dieses Eintragungshindernis nicht binnen vier Wochen beseitigt werde, hat die Rechtspflegerin angekündigt, den Eintragungsantrag zurückzuweisen. Dagegen hat der verfahrensbevollmächtigte Notar Beschwerde eingelegt, die das Landgericht nach Nichtabhilfe durch die Rechtspflegerin zurückgewiesen hat. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Vertreterbestellung nach Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB hätten nicht vorgelegen, weil die Erben nach M. A. W. noch ermittelt werden könnten. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts Bezug. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten, die insbesondere geltend machen, sowohl Grundbuchamt als auch Landgericht seien an die Vertreterbestellung durch das Landratsamt gebunden gewesen.

II. Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 78 GBO an sich statthaft und auch sonst zulässig. Die Bevollmächtigung des Urkundsnotars zur Einlegung der weiteren Beschwerde ergibt sich aus § 15 GBO. Die Beschwerdeberechtigung der Beteiligten folgt schon daraus, dass das Landgericht ihre Erstbeschwerde zurückgewiesen hat. Die weitere Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung des Landgerichts auf einer Gesetzesverletzung beruht, §§ 78 GBO, 550 ZPO.

1. Gegenstand sowohl des Erstbeschwerdeverfahrens als auch des Verfahrens der weiteren Beschwerde ist lediglich das von der Rechtspflegerin in der Zwischenverfügung vom 24.08.1999 beanstandete Eintragungshindernis, also der fehlende Nachweis, dass M. A. W. - ihrerseits Erbin des im Grundbuch voreingetragenen Richard K. W. - letztlich von der Beteiligten zu 15 beerbt wurde (§§ 40 Abs.1, 39 Abs. 1, 35 Abs. 1 GBO), mithin also deren fehlende Verfügungsbefugnis . Dieses Eintragungshindernis besteht indessen entgegen der Auffassung der Vorinstanzen nicht. Soweit die Beteiligte zu 15 bei ihrer Mitwirkung an der Auflassungs des Grundstücks an die Beteiligte zu 19 als Nichtberechtigte verfügt haben sollte, ist diese Verfügung nach § 185 Abs. 2 S. 1 BGB dadurch wirksam geworden, dass sie von der Beteiligten zu 5 als gesetzlicher Vertreterin der Erben nach M. A. W. gem. Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB genehmigt wurde. Sowohl diese Genehmigung als auch die Vertreterbestellung lagen dem Grundbuchamt auch in der Form des § 29 GBO vor. 2. Entgegen der Auffassung des Landgerichts war das Grundbuchamt an die Vertreterbestellung durch das Landratsamt Altenburg gebunden. Bei dieser Vertreterbestellung handelt es sich, wie die weitere Beschwerde mit Recht rügt, um einen Verwaltungsakt, an den das Grundbuchamt grundsätzlich gebunden ist. Insoweit gilt der allgemeine Satz, dass eine auf öffentlicher Gewalt beruhende Maßnahme wirksam ist, solange sie Bestand hat und dass die Bestandskontrolle ausschließlich den nach dem jeweiligen Verfahrensrecht berufenen Stellen (Widerspruchsbehörden, Verwaltungsgerichte) obliegt (vgl. Bauer in Bauer/v. Oefele, GBO, AT I Rn. 167 m.w.N.). Soweit das Landgericht meint, die Voraussetzungen für eine solche Vertreterbestellung nach Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB hätten nicht vorgelegen, läuft das auf eine Überprüfung des Verwaltungsakts hinaus, die dem Landgericht nicht zusteht (vgl. Palandt/Bassenge, 59. Auflage Art. 233 § 2 EGBGB Rn. 6). Die von ihnen angenommene Rechtswidrigkeit der Vertreterbestellung hätten Grundbuchamt und Landgericht nur berücksichtigen dürfen, wenn sie einen Grad erreicht hätte, in dem der Gesetzesverstoß so schwerwiegend ist, dass jedermann ihn erkennen kann, wenn also die Voraussetzungen für die Nichtigkeit des Verwaltungsakt vorgelegen hätten. Davon geht das Landgericht selbst nicht aus; eine Nichtigkeit der Vertreterbestellung durch das Landratsamt Altenburg liegt auch offensichtlich nach Aktenlage nicht vor. 3. Danach besteht das von den Vorinstanzen angenommene Eintragungshindernis nicht; das Grundbuchamt darf den Eintragungsantrag aus diesem Grund nicht zurückweisen. Für die weitere Sachbehandlung weist der Senat indessen daraufhin, dass dem Vollzug des Eintragungsantrags ein bislang offensichtlich nicht erkanntes anderes Eintragungshindernis entgegensteht. Verfügungen des gesetzlichen Vertreters bedürfen nämlich nach Art. 233 § 2 Abs. 3 S. 4 EGBGB, §§ 16 Abs. 3 und 4 ThürVwVfG, 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB der Genehmigung, die nach einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung die Bestellungsbehörde, hier also das Landratsamt Altenburg, zu erteilen hat (vgl. Senatsbeschluss vom 10.04.1996, OLG-NL 1996, 183; MünchKomm/Säcker, BGB, 3. Auflage, Art. 233 § 2 EGBGB Rn. 11; Maaß in Bauer/v. Oefele, a.a.O., § 7 GBBerG Rn. 26 m.w.N.). Eine solche Genehmigung liegt nach Aktenlage in der Form des § 29 GBO bislang nicht vor. Darauf wird das Grundbuchamt gegebenenfalls mit einer erneuten Zwischenverfügung, die der Senat als Rechtsbeschwerdegericht nicht selbst erlassen kann, hinzuwirken haben.

Ende der Entscheidung

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