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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 09.09.2005
Aktenzeichen: 6 W 320/05
Rechtsgebiete: HGB, RL 89/666/EWG


Vorschriften:

HGB § 13e
RL 89/666/EWG Art. 2
1. Gegen vom Registergericht betreffend eine Handelsregisteranmeldung durch Zwischenverfügung vorgebrachte Beanstandungen ist die Beschwerde eröffnet.

2. Die private company limited by shares des englischen Rechts ist eine Kapitalgesellschaft i.S.d. § 13e Abs. 1 HGB (vgl. Art. 1 RL 68/151/EWG vom 09.03.1968 (ABl. L 65, S. 8) i.V.m. Art. 1 RL 78/660/EWG vom 14.08.1978 (ABl. 222, S. 11) und Art. 1 RL 88/667/EWG vom 21.12.1989 (ABl. L 395, S. 40).

3. Art. 2 Abs. 1 der RL 89/666/EWG erstreckt die Offenlegungspflicht "lediglich" auf Angaben "zur Tätigkeit der Zweigniederlassung" (Art. 2 Abs. 1 lit. b). Da § 13e HGB die Richtlinie umsetzt, beschränkt er die Offenlegung zum Gegenstand der Zweigniederlassung auf Angaben, welche die Zweigniederlassung selbst betreffen sowie auf Hinweise auf das Register der Gesellschaft.

4. Zur Feststellung, dass es sich bei der angemeldeten Zweigniederlassung nicht um eine eigenständige Gesellschaft, sondern um einen Nebenbetrieb der Gesellschaft selbst handelt, kann aus § 13e HGB Abs. 2 HGB die Notwendigkeit eines i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG bestimmt bezeichneten Unternehmensgegenstandes abgeleitet werden (ebenso OLG Hamm, Beschluss vom 28.06.2005., GmbHR 2005, 1130).


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

6 W 302/05

In dem Verfahren

betreffend die Anmeldung einer Zweigniederlassung zum Handelsregister des Amtsgerichts Gera,

hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Bauer, den Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Bayer und die Richterin am Oberlandesgericht Reichertz auf die weitere Beschwerde vom 02.06.2005 gegen den Beschluss der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Gera vom 17.05.2005 am 09.09.2005 beschlossen:

Tenor:

1. Der Beschluss des Landgerichts Gera vom 17.05.2005 und die Verfügung des Amtsgerichts Gera vom 15.11.2004 werden aufgehoben.

2. Das Amtsgericht Gera wird angewiesen, die Anmeldung nicht aus den die aufgehobene Zwischenverfügung tragenden Gründen zurückzuweisen.

Gründe:

I.

Im Juni 2004 ist gemäß Bestätigung des Handelsregisters für England und Wales mit dem Namen B. Metall & Kunststofftechnik BMK Limited als private company limited by shares eine Gesellschaft englischen Rechts gegründet worden. Sitz der Gesellschaft ist Birmingham. Die 1000 Gesellschaftsanteile hat sämtlich Frau I. B. ... übernommen. Als Geschäftsführer wurde R. B., ...., benannt. Das Gründungsdokument (Memorandum of Association), bezeichnet als Hauptzweck des Unternehmens (main purpose of the company) das Betreiben "von Geschäften als gewerbliches Unternehmen" und das Betreiben "jeglicher Geschäfte oder Handel, die nach Auffassung der Geschäftsführung durch die Ausführung für die Gesellschaft vorteilhaft sein können".

Am 06.07.2004 hat R. B. zur Eintragung in das Handelsregister des Amtsgerichts Gera angemeldet, dass die Fa. B. Metallbau & Kunststoffelemente Ltd. in .... eine Zweigniederlassung errichtet hat. Diese beschäftige sich mit "Handel, Entwicklung, Beratung und Bearbeitung von technischen Halb- und Fertigteilen".

Das Registergericht hat zur Anmeldung eine Stellungnahme der Beteiligten zu 2) eingeholt. Die Beteiligte zu 2) hat gegen die Anmeldung Bedenken vorgebracht, weil sich der "Unternehmensgegenstand der Zweigniederlassung" nicht aus dem "Unternehmensgegenstand der Hauptniederlassung" ableiten lasse. Die Eintragung der Zweigniederlassung in das Handelsregister sei abzulehnen, wenn ihre Tätigkeit "sachlich nicht in den Tätigkeitsbereich der Hauptniederlassung eingeordnet" werden könne. Insoweit ist auf einen Beschluss des LG Bielefeld vom 08.07.2004, 24 T 7/04, verwiesen worden.

Das Registergericht hat der Beteiligten zu 1) diese Bedenken gemäß Verfügung vom 01.09.2004 zur Stellungnahme bzw. Abhilfe übermittelt. Nachdem die Beteiligte zu 1) die Bedenken der Beteiligten zu 2) für unbegründet erklärt hatte, hat das Registergericht gemäß Verfügung vom 15.11.2004 die "Beanstandungen der gerichtlichen Verfügung vom 01.09.2004" als Eintragungshindernis bezeichnet und zu dessen Beseitigung der Beteiligten zu 1) eine Frist von 6 Wochen gesetzt.

Die Beteiligte zu 1) hat das gemäß der Verfügung vom 15.11.2004 erstellte Schreiben vom 18.11.2004 als Zwischenverfügung angesehen und hiergegen am 14.12.2004 Beschwerde eingelegt.

Das Registergericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Das Landgericht Gera - 3. Kammer für Handelssachen - hat mit Beschluss vom 17.05.2005 die Beschwerde zurückgewiesen. Beim Vollzug der Anmeldung einer Zweigniederlassung zur Eintragung in ein deutsches Handelsregister seien - so das Landgericht - die Eintragungsvoraussetzungen auch dann auf der Grundlage des deutschen Rechts festzustellen, wenn die Hauptniederlassung sich im Ausland befindet. Dazu gehöre, dass eine Zweigniederlassung nur vorliege, wenn ihr Geschäftsgegenstand dem der Hauptniederlassung im Wesentlichen gleiche, in dem der konkrete Gegenstand der Zweigniederlassung im Unternehmensgegenstand der Hauptniederlassung, also der Gesellschaft selbst, enthalten sei. Das Gründungsstatut der "B. Ltd." beschreibe den Hauptgeschäftszweck in seinen Nummern 3 ("Hauptgeschäftszweck") und 4 ("Absichten, unter denen die Firma errichtet wurde") vom Allgemeinen zum Besonderen gehend, so dass der Gesellschaftszweck der Hauptniederlassung sich erst aus der Darlegung der konkreten Absichten des Unternehmens in Nr. 3 des Gründungsstatuts ergebe. Ihnen sei der zur Anmeldung beim Handelsregister Gera beantragte Unternehmensgegenstand insoweit nicht zuzuordnen, als auch die Entwicklung und Bearbeitung von technischen Halb- und Fertigteilen Unternehmensgegenstand der Zweigniederlassung sein soll.

Gegen diesen ihr am 30.05.2005 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 1) am 02.06.2005 weitere Beschwerde eingelegt. Nach Ansicht der Beteiligten zu 1) verlange die Niederlassungsfreiheit im europäischen Rechtsraum, es anzuerkennen, dass eine in einem Mitgliedsstaat wirksam gegründete Kapitalgesellschaft, bei einer dem Recht des Gründungsstaats entsprechender sehr weiter Umschreibung des Geschäftszwecks in einem anderen Mitgliedsstaat eine Zweigniederlassung einrichten könne, sofern deren Geschäftsgegenstand der Hauptniederlassung dienlich sei. Außerdem sei entsprechend einer im Schrifttum vertretenen Meinung eine inländische Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft als Hauptniederlassung zu behandeln, so dass der in § 13e Abs. 2 Satz 2 HGB angesprochene Gegenstand des Unternehmens nur der Gegenstand der Zweigniederlassung sein könne.

II.

1. Das Landgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Beschwerde sich auf eine anfechtbare Entscheidung i.S.d. § 19 FGG bezieht. Auch wenn es sich dabei lediglich um eine Zwischenverfügung handelt, über die Anmeldung selbst mithin noch nicht entschieden ist, wird nach allgemeiner Meinung gegen vom Registergericht zu einer Handelsregisteranmeldung mittels Zwischenverfügung vorgebrachte Beanstandungen die Beschwerde zugelassen (BayObLGZ 1970, 133, 134 f.; Kahl in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, § 19, Rn. 16).

2. Die weitere Beschwerde ist begründet. Die angefochtene Entscheidung verletzt § 13eAbs. 2 Satz 3 HGB.

a) § 13e Abs. 2 Satz 3 HGB bestimmt die Einzelheiten einer Zweigniederlassungsanmeldung für den Fall, dass die "Mutter" eine Kapitalgesellschaft ist, welche ihren Sitz im Ausland hat. Dies ist vorliegend der Fall. Der Sitz der anmeldenden Gesellschaft ist in Birmingham (England). Die anmeldende Gesellschaft ist als private company limited by shares auch eine Kapitalgesellschaft i.S.d. § 13 e Abs. 1 HGB (vgl. Art. 1 RL 68/151/EWG vom 09.03.1968 (ABl. L 65, S. 8) i.V.m. Art. 1 RL 78/660/EWG vom 14.08.1978 (ABl. 222, S. 11) und Art. 1 RL 88/667/EWG vom 21.12.1989 (ABl. L 395, S. 40).

b) Die Eintragungsvoraussetzungen ergeben sich aus dem zur Umsetzung der RL 89/666/EWG vom 21.12.1989 (ABl. 395, S. 36) erlassenen deutschen Gesetz vom 27.04.1993 (BGBl. I, S. 512) in das Handelsgesetzbuch eingefügten § 13d und § 13e HGB. Zweck der genannten Richtlinie ist, die durch die Richtlinien 68/151 und 78/660 erfolgten gesellschaftsrechtlichen Koordinierungen auf Zweigniederlassungen zu übertragen. Verweist § 13d Abs. 3 HGB für die bei der Anmeldung zu beachtenden Vorschriften generell auf das für inländische Hauptniederlassungen geltende Recht, so enthält § 13e für die einer deutschen GmbH gleichgestellten Gesellschaften mit Sitz im Ausland, mithin einer englischen private company limited by shares, Sonderbestimmungen. Danach ist bei der Anmeldung der Zweigniederlassung das Bestehen der Gesellschaft als solcher sowie erforderlichenfalls eine nach inländischem Recht gebotene Betriebsgenehmigung nachzuweisen (§ 13e Abs. 2 Satz 2 HGB). Ferner sind in der Anmeldung die in § 13e Abs. 2 Satz 4 Nr, 1, 2 und 4 geforderten Angaben zur Muttergesellschaft bzw. zu den die Gesellschaft in ihrer Zweigniederlassung rechtswirksam repräsentierenden Personen zu machen (Nr. 3). Hinsichtlich der Tätigkeit der Zweigniederlassung verlangt § 13e Abs. 2 Satz 3 HGB, dass die Anmeldung neben der Anschrift "den Gegenstand der Zweigniederlassung" zu benennen habe. Mit diesen Vorgaben setzt § 13e HGB die Bestimmungen der Zweigstellen-Richtlinie 89/666/EWG um, welche den Begründungserwägungen zufolge das Offenlegungsbedürfnis am Zweigstellenstandort, abgesehen von der Vertretungsmacht, der Firma, der Rechtsform sowie der Auflösung der Gesellschaft "auf Angaben beschränkt, welche die Zweigniederlassung selbst betreffen sowie auf Hinweise auf das Register der Gesellschaft". Demgemäß erstreckt Art. 2 Abs. 1 der Zweigniederlassungs-Richtlinie die Offenlegungspflicht "lediglich" auf Angaben "zur Tätigkeit der Zweigniederlassung" (Art. 2 Abs. 1 lit. b).

c) Diesen Anforderungen genügt die durch die Beteiligte zu 1) am 06.07.2005 eingereichte Anmeldung. Die Beteiligte zu 1) hat ihre Existenz nachgewiesen. Belegt ist auch die Vertretungsberechtigung für die Gesellschaft. Die Angaben zur Tätigkeit der Zweigniederlassung sind inhaltlich präzise und für den Rechtsverkehr ohne weiteres nachvollziehbar. Weitergehende Angaben, insbesondere die Forderung, die Anmeldung müsse erkennen lassen, dass die Tätigkeit der Zweigniederlassung innerhalb des Geschäftszwecks der Gesellschaft selbst verbleibe, sind mit § 13e HGB nicht zu vereinbaren. Derartige Angaben können auch nicht - über § 13e Abs. 2 Satz 3 HGB hinausgehend - zwecks Feststellung verlangt werden, dass es sich bei der angemeldeten Zweigniederlassung nicht um eine eigenständige Gesellschaft, sondern um einen Nebenbetrieb der Gesellschaft selbst handele, sofern aus der konkreten Angabe zur Tätigkeit der Zweigniederlassung die Notwendigkeit eines i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG bestimmten Unternehmensgegenstandes abgeleitet wird. Für derartige Erwägungen lässt § 13e HGB seinem Wortlaut und seiner Aufgabenstellung nach keinen Raum. Er ist - wie ausgeführt - zur Umsetzung mit der Zweigniederlassungs-Richtlinien vom 21.12.1989 erlassen worden. Über die in der Richtlinie 89/666/EWG enthaltenen Anforderungen hinausgehende Eintragungsvoraussetzungen sind mit der RL 89/666/EWG unvereinbar (EuGH, Urteil vom 30.09.2003, RsC-167/01, NJW 2003, 331, 333, "Inspire Art". Da Art. 13e HGB den dem nationalen (Umsetzungs-) Gesetzgeber überlassenen Rahmen ausschöpft, bewirkt jede § 13e HGB erweiternde Auslegung eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts, so dass eine solche Interpretation des nationalen Rechts unvereinbar ist mit der allen mitgliedsstaatlichen Gerichten obliegenden Aufgabe, das Gemeinschaftsrecht bei der Anwendung des nationalen Rechts voll zur Geltung zu bringen (sogenannte gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung mit effet utile).

Die in der untergerichtlichen Rechtsprechung (LG Bielefeld, Rpfleger 2004, 708) vertretene Gegenansicht kann angesichts der eindeutigen gemeinschaftsrechtlichen Gegebenheiten nicht überzeugen. Die dort vertretene Meinung läuft letztlich darauf hinaus, dass die dem Recht des Gründungsstaats entsprechenden Gründungserfordernisse dem deutschen Recht anzupassen wären. Diese Konsequenz unterstreicht die Unvereinbarkeit der Rechtsauslegung mit den der Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit dienenden gesellschaftsrechtlichen Richtlinien der europäischen Gemeinschaft. Demgemäß ist das OLG Hamm der vom LG Bielefeld vertretenen Ansicht in einem Beschluss vom 28.06.2005 (GmbHR 2005, 1130) ausdrücklich entgegengetreten.

d) Lässt demgemäß § 13e HGB für die der Beteiligten zu 1) in der Zwischenverfügung vom 15.11.2004 gemachten Auflagen keinen Raum, kann der diese Auflagen bestätigende Beschluss des Landgerichts ebenso wenig wie die mit der Beschwerde angefochtene Zwischenverfügung Bestand haben. Diese Entscheidungen sind aufzuheben. Das für den Vollzug der Anmeldung ausschließlich zuständige Registergericht ist anzuweisen, die Anmeldung unter Beachtung der Rechtsansicht des Senats durchzuführen.

3. Die vorliegende Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (§ 131 Abs. 1 Satz 2 KostO). Für eine Kostenerstattungsanordnung besteht kein Anlass (§ 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG).



Ende der Entscheidung

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