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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 27.08.2003
Aktenzeichen: 6 W 400/03
Rechtsgebiete: BGB, PStG


Vorschriften:

BGB § 1626
PStG § 47
1. Es gibt keine allgemein verbindlichen Vorschriften über die Wahl und Führung von Vorname. Das Vornamens-Bestimmungsrecht der Eltern wird überwiegend als elterliches Freiheitsrecht definiert, dessen Grenzen sich daraus ergeben, dass die Namensgebung die allgemeine Sitte und Ordnung nicht verletzen darf; dabei gehört zur rechten Ordnung, dass nicht willkürliche oder ganz ungebräuchliche oder zur Kennzeichnung ihrer Träger ungeeignete Bezeichnungen verwendet werden. Daneben hat das Vornamensbestimmungsrecht das Kindeswohl zu beachten.

2. Der Vorname LouAnn ist zur Individual- und Geschlechtskennzeichnung geeignet und beeinträchtigt das Kindesinteresse weder durch anstößige, sinnlose, willkürliche oder sonstige Bezeichnungen, durch die das Kind der Lächerlichkeit preisgegeben oder beim alltäglichen Gebrauch des Namens gesellschaftlichen Belastungen ausgesetzt wird.

3. Das Standesamt kann nicht Vornamen zurückweisen, weil es die Vereinbarkeit der von den Eltern gewählten Schreibweise mit den Regeln der deutschen Rechtschreibung verneint. Infolge tief greifender gesellschaftlicher und kultureller Veränderungen in Deutschland in den letzten Jahrzehnten wird es inzwischen ohne weiteres hingenommen, dass deutsche Eltern ihren Kindern ausländische Namen geben. Insoweit kommt es auf die Gebräuchlichkeit der Namensschreibung im sprachlichen Herkunftsland des Vornamens an.

4. Der Inhalt der Dienstanweisung für die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörden (DA) ist - ohne Bindungswirkung für die Gerichte - reine interne Verwaltungsvorschrift, die für den Standesbeamten allgemeine Weisungen enthält. Die Bestimmung der DA liefert nur einige grobe Kriterien für die Zulässigkeit von Vornamen, wie sie in der Rechtsprechung entwickelt worden sind.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

6 W 400/03

In dem Verfahren

betreffend den Geburtseintrag Nr. 359/2002 des Standesamtes Erfurt

hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. h.c. Bauer und die Richter am Oberlandesgericht Kramer und Pippert auf die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Erfurt vom 04.06.2003 (Az.: 7 T 470/02)

am 27.08.2003

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Am 13.03.2002 wurde die Betroffene im HELIOS Klinikum in Erfurt geboren. Die Antragsteller bestimmten in der schriftlichen Geburtsanzeige der Klinik vom 13.04.2002 den Vornamen ihrer Tochter mit "Virginia LouAnn". Die Antragsgegnerin beurkundete am 18.03.2003 die Geburt der Betroffenen mit dem in der Geburtsanzeige angegebenen Vornamen, allerdings in der abweichenden Schreibweise "Virginia Lou Ann".

Nachdem die Antragsgegner mit Bescheid vom 23.05.2003 die von den Antragstellern begehrte Namensänderung abgelehnt hatte, beantragten die Antragsteller nunmehr mit Schreiben vom 19.06.2002 beim Amtsgericht Erfurt die Berichtigung des Geburtseintrags Nr. 359/2002 dahingehend, dass der zweite Vorname der Betroffenen "LouAnn" lauten soll. Das Amtsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 02.10.2002 (Az.: 15 UR III 26/02) zurückgewiesen und die gerichtliche Berichtigung abgelehnt.

Auf den "Einspruch" der Antragsteller vom 19.10.2002 hat das Landgericht Erfurt durch Beschluss vom 04.06.2003 die amtsrichterliche Entscheidung vom 02.10.2002 und den Bescheid der Antragsgegnerin vom 23.05.2002 aufgehoben und im weiteren die Antragsgegnerin angewiesen, das Geburtenbuch Nr. 359/2002 dahingehend zu berichtigen, dass die Schreibweise des Vornamens des Kindes von "Lou Ann" in "LouAnn" geändert wird. Auf die Begründung der Entscheidung wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom "2.06.2003", eingegangen bei Gericht am 01.07.2003, hat die Standesamtsaufsichtsbehörde "Rechtsmittel" eingelegt auf dessen Begründung Bezug genommen wird. Die Antragsteller erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§§ 48 Abs. 1 PStG, 27, 29 Abs. 2 FGG). Der Senat hat das Schreiben der Aufsichtsbehörde vom "2.06.2003" als sofortige weitere Beschwerde ausgelegt. Die weitere Beschwerde ist dann eine sofortige, wenn die Entscheidung des Landgerichts nach ihrem Inhalt der sofortigen Beschwerde unterliegt, die Verfügung des Amtsgerichts aber nur mit einfacher Beschwerde anfechtbar war (Sternal in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., Vorb. § 71 Rz. 77 m.w.N.). Der zurückweisende amtsrichterliche Beschluss war entgegen der Rechtsmittelbelehrung mit der einfachen Beschwerde (§ 49 Abs. 1 S. 2 PStG) anfechtbar, weil er den Berichtigungsantrag abgelehnt hat. Darüber hinaus geht der Senat davon aus, dass das Rechtsmittel fristgerecht eingelegt wurde. Der landgerichtliche Beschluss wurde am 17.06.2003 formlos an die Beteiligten übersandt. Das Schreiben der Beschwerdeführerin vom "2.06.2003" ging am 01.07.2003, also innerhalb der zweiwöchigen Notfrist bei Gericht ein.

Die Beschwerdebefugnis der Aufsichtsbehörde ergibt sich aus § 49 Abs. 2 PStG.

2. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Gesetzesverletzung beruht, §§ 27 FGG, 545 ff. ZPO.

Der Senat macht sich zur Vermeidung von Wiederholungen die zutreffenden Gründe des Landgerichts zu eigen. Die aufgrund des unterbreiteten Sachverhalts vorgenommene tatrichterliche Würdigung des Landgerichts wird im vorliegenden Rechtsbeschwerdeverfahren vom Senat nur auf Rechtsfehler, also dahin überprüft, ob die Tatrichter den Sachverhalt ausreichend erforscht, bei ihrer Erörterung alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und hierbei nicht gegen Beweisregeln, Verfahrensvorschriften, Denkgesetze und feststehende Erfahrungssätze sowie den allgemeinen Sprachgebrauch verstoßen haben. Solche Rechtsfehler sind dem Landgericht nicht unterlaufen.

Das Landgericht hat zu Recht die Berichtigung der Schreibweise des zweiten Vornamens der Betroffenen angeordnet gem. § 47 Abs. 1 S. 1 PStG. Die Schreibweise des Namens ist berichtigungsfähig (vgl. BayObLG StAZ 1994, 313, 314).

Allgemein verbindliche Vorschriften über die Wahl und Führung von Vornamen gibt es z.Zt. nicht (BGHZ 73, 239, 240 ff.). Zum Teil wird das elterliche Bestimmungsrecht überwiegend als elterliches Freiheitsrecht definiert, dessen Grenzen sich daraus ergeben, dass die Namensgebung die allgemeine Sitte und Ordnung nicht verletzen darf; dabei gehört zur rechten Ordnung, dass nicht willkürliche oder ganz ungebräuchliche oder zur Kennzeichnung ihrer Träger ungeeignete Bezeichnungen verwendet werden (BGHZ a.a.O.; OLG Frankfurt/M. StAZ 2000, 238; OLG Hamm StAZ 1998, 322). Daneben richtet man die Elternrechte einschließlich des Vornamensbestimmungsrechts am Kindeswohl aus und zieht es anstelle der Begriffe Sitte und Ordnung (LG Berlin StAZ 1998, 208) oder daneben (vgl. MüKo-v. Sachsen Gessaphe, BGB, 4. Aufl., Nach § 1618 Rz. 9 m.w.N.) heran.

Gemessen an diesen dogmatisch verschiedenen Grundsätzen sieht der Senat mit dem Landgericht keinen Anlass, der von den Antragstellern gewählten Schreibweise des zweiten Vornamens der Betroffenen die Anerkennung zu versagen. Der gewählte Vorname ist zur Individual- und Geschlechtskennzeichnung geeignet und beeinträchtigt das Kindesinteresse weder durch anstößige, sinnlose, willkürliche oder sonstige Bezeichnungen, durch die das Kind der Lächerlichkeit preisgegeben oder beim alltäglichen Gebrauch des Namens gesellschaftlichen Belastungen ausgesetzt wird.

Offenkundig verlangen die Antragsteller eine Schreibweise des zweiten Vornamens ihrer Tochter, über dessen Vereinbarkeit mit den Regeln der deutschen Rechtschreibung gestritten werden kann. Darauf kommt es jedoch nicht an. Infolge tief greifender gesellschaftlicher und kultureller Veränderungen in Deutschland in den letzten Jahrzehnten ist es immer gebräuchlicher geworden und wird inzwischen ohne weiteres hingenommen, dass deutsche Eltern ihren Kindern ausländische Namen geben. Aufgrund der vorgelegten Unterlagen hat das Landgericht in nicht zu beanstandender Weise die Gebräuchlichkeit der gewünschten Namensschreibung im englischsprachigen Rechtsraum festgestellt. Unerheblich ist insoweit, ob die streitbefangene Schreibweise im englischen bzw. angloamerikanischen Sprachraum Zugang in die entsprechenden Register gefunden hat.

Nach alledem verfängt der Hinweis der Beschwerdeführerin auf § 262 Abs. 5 DA nicht. Der Inhalt der Dienstanweisung für die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörden (DA) ist - ohne Bindungswirkung für die Gerichte - reine interne Verwaltungsvorschrift, die für den Standesbeamten allgemeine Weisungen enthält. Die Bestimmung der DA liefert nur einige grobe Kriterien für die Zulässigkeit von Vornamen, wie sie in der Rechtsprechung entwickelt worden sind (Hepting/Gaaz, PStG, Bd. 1, § 21 Rz. 80). Grundsätzlich sind die Sorgeberechtigten bei der Namenswahl frei. Die Beschränkungen ergeben sich nur insoweit, als die gewählten Vornamen nicht die Gebote der allgemeinen Sitte und Ordnung oder dem Kindeswohl widersprechen. Im übrigen sieht § 262 Abs. 5 S. 1 Hs. 2 DA bereits vor, dass der Namensgeber trotz Belehrung eine andere Schreibweise verlangen kann. Dies ist dann aktenkundig zu machen.

III.

Das Verfahren ist für die Aufsichtsbehörde gebührenfrei (§ 11 KostO). Eine Anordnung einer Kostenerstattung zugunsten der Antragsteller ist gem. § 13a Abs. 1 S. 1 FGG nicht geboten, da sowohl die Antragsgegnerin als auch die Beschwerdeführerin erörterungswürdige Zweifel an der "Zulässigkeit" des Vornamens haben konnten.

Ende der Entscheidung

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