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Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 18.12.2003
Aktenzeichen: 6 W 653/03
Rechtsgebiete: BVormVG, BGB
Vorschriften:
BVormVG § 1 | |
BGB § 1836a | |
BGB § 1836 Abs. 1 |
2. Das Gesetz hat den mit jeder vertieften Ausbildung einhergehenden, zum Teil auch der längeren Ausbildungsdauer und dem dadurch bedingten Zuwachs an Lebensalter und -erfahrung geschuldeten Wissensfundus nicht im Blick, wenn es in § 1 Abs. 1 BVormVG die Erhöhung des Vergütungssatzes an "besondere Kenntnisse" knüpft.
3. Die Voraussetzungen für einen erhöhten Stundensatz nach § 1836a BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 2 BVormVG sind nur erfüllt, wenn der Betreuer einen Ausbildungsgang absolviert hat, der auf die Vermittlung betreuungsrelevanter Fachkenntnisse in einer Weise ausgerichtet ist, dass er die Absolventen für die treuhänderische Repräsentation eines Menschen in dessen personen- und/oder vermögensbezogenen Interessenbereichen qualifiziert. Maßgeblich ist, ob die Ausbildung in ihrem Kern darauf angelegt war, den Absolventen (auch) soziale Kompetenzen und die Fähigkeit zur Kommunikation im sozialen Raum zu verschaffen, welche jedenfalls die Bewältigung der typischen Betreueraufgaben zumindest in einem Teil des Aufgabenspektrums eindeutig erleichtern und verbessern (Senat, Beschl. v. 11.3.2002, 6 W 54/02, OLG-NL 2002, 189; Beschluss vom 14.11.2001, 6 W 488/01).
4. Ausbildungsbegleitende und -ergänzende Nebenfächer bleiben daher grundsätzlich unberücksichtigt. Das gilt auch dann, wenn im Nebenfach spezifisch wirtschaftsbezogene oder auch rechtliche Kenntnisse vermittelt worden sind. Dieses Wissen wird in aller Regel durch das Hauptsfach inhaltlich ausgerichtet und eingegrenzt sein, so dass die vom Beteiligten zu 1) in Anspruch genommenen wirtschaftlichen Kenntnisse auf das Berufsbild eines Ingenieurs orientiert sind und kaum etwas zu dem Aufgabenfeld eines Betreuers im Sinne der §§ 1896 Abs. 1, 1901 BGB (rechtliche Besorgung der Angelegenheiten des Betreuten in dessen Interesse und zu dessen Wohl im festgelegten Aufgabenkreis) ergeben werden (vgl. Senat FGPrax 2000, 110; BayObLG FamRZ 2000, 844,845; NJW-RR 2000, 1314,1315).
5. Die Ausbildung in einem ingenieurwissenschaftlichen Bereich ist grundsätzlich nicht geeignet besondere betreuungsrelevante Fachkenntnisse zu vermitteln.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss
In dem Verfahren
betreffend die Festsetzung der Betreuervergütung für die Führung der Betreuung von ........
hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Bauer, den Richter am Oberlandesgericht Kramer und den Richter am Amtsgericht Dr. Herrmann auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers vom 10.11.2003 gegen den Beschluss des Landgerichts Gera vom 23.10.2003
am 18.12.2003
beschlossen:
Tenor:
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des weiteren Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf 535,25 € festgesetzt.
Gründe:
I
Mit Beschluss vom 23.10.2002 bestellte das Amtsgericht Altenburg den Beteiligten zu 1) zum Betreuer des Betroffenen. Ihm wurden die Aufgabenkreise Sorge für die Gesundheit, für Wohnungsangelegenheiten und Behördenangelegenheiten sowie die Vermögenssorge übertragen. Über die Berufsmäßigkeit der Betreuung ist in der Bestellungsentscheidung nichts verlautbart.
Der Beteiligte zu 1) hat ein Hochschulstudium in der Fachrichtung Mechanisierung der Pflanzenproduktion absolviert. Er ist seit 24.02.1978 berechtigt, die Berufsbezeichnung Hochschulingenieur zu führen. Die Ingenieurhochschule Berlin-Wartenberg verlieh ihm am 31.07.1981 den akademischen Grad eines Diplomingenieurs. Darüber hinaus nahm er erfolgreich von Februar 1996 bis Februar 1997 an der Fortbildungsmaßnahme für Hoch- und Fachschulingenieure zum Fachingenieur für Bausanierung der Fachhochschule für Technik gGmbH Chemnitz teil.
Mit Schreiben vom 03.03.2003 hat der Beteiligte zu 1) beim Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - Altenburg beantragt, die Vergütung seiner Betreuertätigkeit auf der Grundlage eines Stundensatzes von 27,90 € festzusetzen. weil er die ursprünglich ehrenamtliche Betreuung seit 01.01.2003 berufsmäßig führe und aufgrund seiner Ausbildung berechtigt sei, seinen Zeitaufwand in dieser Höhe entgolten zu erhalten. Dem Vergütungsantrag hat das Amtsgericht Altenburg durch Beschluss vom 16.05.2003 mit der Maßgabe stattgegeben, dass es die Zeitaufwandsvergütung lediglich mit einem Stundensatz von 16,20 € berechnet hat. Hiergegen hat sich der Beteiligte zu 1) mit der sofortigen Beschwerde gewandt und unter Berufung auf den von ihm erworbenen akademischen Grad eines Diplomingenieurs sein Begehren weiterverfolgt.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 24.10.2003 das Rechtsmittel zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen. Es war der Ansicht, dass das Amtsgericht zu Recht einen Stundensatz von 16,20 € zu Grunde gelegt hat, da die Ausbildung des Beteiligten zu 1) ihm keine für die Führung der Betreuung nutzbaren Fachkenntnisse vermittelt habe. Dabei hat das Landgericht den Inhalt des Studiums und der weiteren Ausbildung des Beteiligten zu 1) einschließlich der dabei erworbenen Abschlüsse näher ausgeführt Insoweit wird auf die Gründen der landgerichtlichen Entscheidung verwiesen.
Gegen die landgerichtliche Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1), mit der ausschließlich der festgesetzte Stundensatz angegriffen wird. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat Bezug auf die Begründung des Rechtsmittels vom 10.11.2003. II
Die nach den §§ 56g Abs. 3, 27 FGG statthafte und auch sonst zulässige weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Gesetzesverletzung beruht (§§ 27 FGG, 546 ZPO).
1. Es kann dahinstehen, ob die sofortige weitere Beschwerde nicht bereits deswegen unbegründet ist, weil das Vormundschaftsgericht bei Bestellung des Antragstellers als Betreuer nicht festgestellt hat, dass dieser die Betreuung berufsmäßig führt, § 1908i Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. §§ 1836 Abs. 1 S. 2, 1836a BGB. Somit könnte gemäß § 1908i Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 1836 Abs. 1 S. 1 BGB die Betreuung unentgeltlich zu führen sein, sofern nicht die von § 1836 Abs. 1 S. 2 BGB geforderte Feststellung auch in sonstiger Weise erfolgen kann, z.B. als Folgerung aus den Gesamtumständen des Bestellungsvorgangs oder des Betreuungsverlaufs.
Das Rechtsmittel ist jedenfalls deswegen nicht begründet, weil der Antragsteller die Voraussetzungen für einen erhöhten Stundensatz nach § 1836a BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 2 des Gesetzes über die Vergütung von Berufsvormündern (BVormVG) nicht erfüllt. Die Beurteilung des Landgerichts, dass die vom Antragsteller vorgetragenen Qualifikationen, insbesondere sein Studium in der Fachrichtung "Mechanisierung der Pflanzenproduktion" ihm als Betreuer keine besondere Kenntnisse verschafften, die für die Wahrnehmung der ihm vom Vormundschaftsgericht übertragenen Aufgabe nutzbar sind, ist rechtsfehlerfrei.
Zu Recht legt das Landgericht seiner Beurteilung zu Grunde, dass der Betreuer diese Fachkenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung erworben haben muss, die in ihrem Kernbereich auf die Vermittlung betreuungsrelevanter Fachkenntnisse ausgerichtet zu sein hat. Eine derart aufgabenrelevante Vorbildung ist in der Rechtsprechung für die Studiengänge Rechtswissenschaften, Medizin, Psychologie, Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Soziologie Theologie und Betriebswirtschaft bejaht worden. Mit den dabei vermittelten Kenntnissen lässt sich der durch ein Studium der Fachrichtung "Mechanisierung der Pflanzenproduktion" vermittelte Wissensinhalt nicht vergleichen, denn dabei erwirbt ein Studierender kein Wissen, das ihn für die treuhänderische Repräsentation eines Menschen in dessen personen- und/oder vermögensbezogenen Interessenbereichen qualifizierten. Hierin ist die Ausbildung des Beteiligten zu 1) derjenigen Ausbildung vergleichbar, welche ein in der DDR abgeschlossenes Studium der Staatswissenschaften vermittelt hat (vgl. Senat, Beschluss vom 28.4.2003, 6 W 158/03, NJ 2003, 379) oder die ein Stabsoffizier der NVA durchlief (vgl. Senat, Beschluss vom 18.11.2002, 6 W 533/02).
Der vom Beteiligten zu 1) angestrebte Vergütungs-Stundensatz kann auch nicht im Hinblick auf gelegentlich des Studiums gewonnene Kenntnisse und Erfahrungen bewilligt werden. Mit Sinn und Zweck der mit § 1 Abs. 1 S. 2 BVormVG getroffenen Vergütungsregelung ist nicht zu vereinbaren, einen erhöhten Stundensatz schon deshalb zu gewähren, weil der Betreuer während seiner Ausbildung sein Wissen über das eigentliche Ausbildungsziel, hier den Abschluss des Studiums als Experte in der Pflanzenzucht und insbesondere in deren Mechanisierung, hinaus erweitern konnte. Diesen mit jeder vertieften Ausbildung einhergehenden, zum Teil auch der längeren Ausbildungsdauer und dem dadurch bedingten Zuwachs an Lebensalter und -erfahrung geschuldeten Wissensfundus hat das Gesetz nicht im Blick, wenn es in § 1 Abs. 1 BVormVG die Erhöhung des Vergütungssatzes an "besondere Kenntnisse" knüpft. Maßgeblich ist, ob die Ausbildung in ihrem Kern darauf angelegt war, den Absolventen (auch) soziale Kompetenzen und die Fähigkeit zur Kommunikation im sozialen Raum zu verschaffen, welche jedenfalls die Bewältigung der typischen Betreueraufgaben zumindest in einem Teil des Aufgabenspektrums eindeutig erleichtern und verbessern (Senat, Beschl. v. 11.3.2002, 6 W 54/02, OLG-NL 2002, 189; Beschluss vom 14.11.2001, 6 W 488/01). Ausbildungsbegleitende und -ergänzende Nebenfächer bleiben daher grundsätzlich unberücksichtigt. Das gilt auch dann, wenn im Nebenfach spezifisch wirtschaftsbezogene oder auch rechtliche Kenntnisse vermittelt worden sind. Dieses Wissen wird in aller Regel durch das Hauptsfach inhaltlich ausgerichtet und eingegrenzt sein, so dass die vom Beteiligten zu 1) in Anspruch genommenen wirtschaftlichen Kenntnisse auf das Berufsbild eines Ingenieurs orientiert sind und kaum etwas zu dem Aufgabenfeld eines Betreuers im Sinne der §§ 1896 Abs. 1, 1901 BGB (rechtliche Besorgung der Angelegenheiten des Betreuten in dessen Interesse und zu dessen Wohl im festgelegten Aufgabenkreis) ergeben werden (vgl. Senat FGPrax 2000, 110; BayObLG FamRZ 2000, 844,845; NJW-RR 2000, 1314,1315).
2. Die Entscheidung über die Gerichtskosten beruht auf § 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO. Den Beschwerdewert hat der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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