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Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 20.05.2005
Aktenzeichen: 3 KO 705/03
Rechtsgebiete: DDR-Verfassungsgrundsätze Gesetz, GG, EinV, DDR-Sammlungs- und Lotterieverordnung, DDR-RennwLottG, DDR-GewG, 1. DVO-DDR-GewG, 2. DVO-DDR-GewG, ThürSammlG, ThürSportWettG, ThürOBG, ThürVwVfG, StGB, DDR-StGB, BGB
Vorschriften:
DDR-Verfassungsgrundsätze Gesetz Art. 3 i.d.F.v. 17.06.1990 | |
GG Art. 1 | |
GG Art. 12 | |
GG Art. 20 | |
GG Art. 70 Abs. 1 | |
GG Art. 72 | |
GG Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 | |
EinV Art. 8 | |
EinV Art. 19 S. 1 | |
EinV Art. 19 S. 2 | |
EinV Art. 19 S. 3 | |
DDR-Sammlungs- und Lotterieverordnung § 1 Abs. 4 i.d.F.v. 18.02.1965 | |
DDR-Sammlungs- und Lotterieverordnung § 3 i.d.F.v. 18.02.1965 | |
DDR-Sammlungs- und Lotterieverordnung § 14 i.d.F.v. 18.02.1965 | |
DDR-RennwLottG i.d.F.v. 18.09.1970 | |
DDR-GewG § 1 i.d.F.v. 06.03.1990 | |
DDR-GewG § 3 Abs. 1 i.d.F.v. 06.03.1990 | |
DDR-GewG § 3 Abs. 2 i.d.F.v. 06.03.1990 | |
DDR-GewG § 16 Abs. 1 i.d.F.v. 06.03.1990 | |
DDR-GewG § 17 i.d.F.v. 06.03.1990 | |
1. DVO-DDR-GewG § 1 i.d.F.v. 08.03.1990 | |
1. DVO-DDR-GewG § 3 i.d.F.v. 08.03.1990 | |
2. DVO-DDR-GewG § 2 i.d.F.v. 15.03.1990 | |
2. DVO-DDR-GewG § 3 i.d.F.v. 15.03.1990 | |
ThürSammlG § 15 Abs. 2 | |
ThürSportWettG § 1 | |
ThürSportWettG § 11 | |
ThürOBG § 5 | |
ThürVwVfG § 43 Abs. 2 | |
ThürVwVfG § 43 Abs. 3 | |
ThürVwVfG § 44 | |
StGB § 284 Abs. 1 | |
DDR-StGB § 249 | |
DDR-StGB § 249a | |
BGB § 133 |
2. Zur räumlichen Fortgeltung einer solchen Gewerbeerlaubnis.
THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 3. Senat - Im Namen des Volkes Urteil
3 KO 705/03 Verkündet am 20.05.2005
In dem Verwaltungsstreitverfahren
wegen Ordnungsrechts, hier: Berufung
hat der 3. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Lindner, den Richter am Oberverwaltungsgericht Best und die an das Gericht abgeordnete Richterin am Verwaltungsgericht Feilhauer-Hasse aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. April 2005
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufungen der Beklagten und des Beteiligten werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagte und der Beteiligte zu je 1/2 zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin, eine durch den Rat des Bezirks Gera am 4. Mai 1990 nach der Verordnung vom 25. Januar 1990 (GBl. I S. 16) als Joint-Venture-Unternehmen genehmigte Gesellschaft mit beschränkter Haftung, wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 22. Mai 1990 durch Herrn G____ (Bürger der ehem. DDR) und die T___- GmbH mit Sitz in Salzburg/Österreich, handelnd durch ihren allein vertretungsberechtigten Geschäftsführer H , gegründet.
Gesellschafter waren zum damaligen Zeitpunkt Herr V____, Herr Dr. N , Herr S und Euro-Tip Berlin mit unterschiedlichen Anteilen. Herr S war nach dem Vertragsinhalt zum Geschäftsführer berufen. Die Geschäftsführer sollten jeweils allein vertretungsberechtigt sein. Die Gesellschaft wurde am 28. Mai 1990 in das Handelsregister beim damaligen Kreisgericht Gera (Registernummer 112-10-1092) mit dem Unternehmensgegenstand "Abschluss und die Vermittlung von Wetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen einschließlich mobiler Wetten, sowie alle damit im Zusammenhang stehenden, diesem Gesellschaftszweck dienlichen und förderlichen Nebengeschäfte, Errichtung von Zweigniederlassungen im In- und Ausland" mit Sitz in Gera eingetragen. Durch Gesellschafterbeschluss vom 13. September 1990 wurden Dr. N und Herr V Geschäftsführer. Die Genannten sind ausweislich des aktuellen Handelsregisterauszugs seit Mai 1996 bzw. Mai 1995 nicht mehr Geschäftsführer. Nach mehreren weiteren Änderungen in der Geschäftsführung wurde Herr P im April 1997 zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt.
In der Gewerbeanmeldung vom 7. September 1990 gab die Klägerin den Gegenstand der angemeldeten Tätigkeit im Wesentlichen wie in der Eintragung im Handelsregister und den Geschäftsbeginn mit dem 4. Mai 1990 an. Auf den "Antrag auf Erteilung der Erlaubnis für ein erlaubnispflichtiges Gewerbe" auf Formblatt vom selben Tage, den für die Gesellschaft Herr Dr. N als Antragsteller für die Betriebsstätte R , Gera einreichte, erteilte der Magistrat der Stadt Gera - Gewerbeamt - in "Vollzug des Gewerbegesetzes" der Klägerin am 14. September 1990 die Erlaubnis zum "Abschluss von Sportwetten - Buchmacher". Die an die S GmbH gerichtete Erlaubnis führt in der Rubrik zur Bezeichnung der juristischen Person Herrn Dr. N auf. Sie enthält darüber hinaus die Nebenbestimmung:
"Diese Erlaubnis gilt gleichzeitig für die Agentur S , Gera - Lusan ____ Inh. Herr ____ N zur Annahme von Sportwetten im Auftrag der S G. m. b. H.
Die Betreibung weiterer Agenturen ist bei der örtlich zuständigen Gewerbebehörde zu beantragen."
Im Verwaltungsverfahren wurde ein Schreiben des Ministeriums des Innern - Zentrales Kriminalamt - an Herrn Dr. N zu einer Anfrage unbekannten Inhalts vom 7. August 1990 vorgelegt, wonach entgegen der Auskunft des Gewerbeamtes Gera durch das Zentrale Kriminalamt keine Unbedenklichkeitsbescheinigung für die beabsichtigte Gründung eines Gewerbes für Sportwetten/Buchmacher zu erteilen sei, weil dafür die Abteilung Finanzen des Landratsamtes zuständig sei. Inhalt der Behördenakte ist darüber hinaus eine nicht datierte Vollmacht des Geschäftsführers H , nach der Herr Dr. N berechtigt ist, alle Angelegenheiten mit staatlichen Organen (Magistrat, Finanzamt etc.) rechtsverbindlich zu regeln und entsprechende Erklärungen abzugeben. Diese Vollmacht lag nach Aktenlage den Antragsunterlagen bei.
Zum 2. Mai 1995 wurde das Gewerbe umgemeldet. Betriebsstätte ist seitdem die W , Gera.
Nach der staatlichen Einheit prüfte das Thüringer Innenministerium die Rechtmäßigkeit der Gewerbeerlaubnis. Mit Schreiben des Ministeriums vom 3. Juni 1991 wurde die Beklagte u. a. darauf hingewiesen, dass die Erlaubnis nach der Durchführungsverordnung zum DDR-Gewerbegesetz die staatliche Konzessionierung nicht ersetze und die Antragstellerin deshalb aufzufordern sei, die Konzessionierung nachzuweisen; zugleich sollte der Entzug der Erlaubnis eingeleitet werden. Das Gewerbeamt der Beklagten nahm dazu unter dem 26. Juni 1991 dahin Stellung, eine Rechtsgrundlage, in der die Notwendigkeit einer speziellen Konzessionierung des Wettspielbetriebes unter Bezugnahme auf § 3 Abs. 4 der Durchführungs-VO zum DDR-Gewerbegesetz angegeben werde, sei weder damals noch heute bekannt gewesen. Diese Rechtsauffassung teilte auch das Rechtsamt der Beklagten. Ein Ermittlungsverfahren wegen unerlaubten Glücksspiels (Staatsanwaltschaft Gera 4 Js 6859/91) wurde nach der Mitteilung des Thüringer Innenministeriums vom 17. Januar 1992, in der es heißt, es liege eine formelle Genehmigung vor und das Ministerium werde prüfen, wie die Genehmigung für die S GmbH auf dem Verwaltungswege rückgängig gemacht werden könne, am 4. Februar 1992 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Weitere Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin bzw. den Geschäftsführer werden nach Aktenlage betrieben (Staatsanwaltschaft Gera 710 Js 44192/97 und 710 Js 20651/98 sowie Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main 770 Js 23505.0/98 und 3350 Js 21 6780/04).
In der Folgezeit waren Art und Umfang der Besteuerung der Klägerin strittig. Das Thüringer Finanzgericht bestätigte durch Urteil vom 5. April 1995 - I 237/94 - die Heranziehung der Antragstellerin zur Lotteriesteuer. Eine Steuerfahndungsprüfung durch das Finanzamt Erfurt fand vom 16. Mai bis 15. Dezember 1995 statt. Der Bundesfinanzhof hob durch Gerichtsbescheid vom 19. Juni 1996 - II R 29/95 - das Urteil des Thüringer Finanzgerichts und die Lotteriebescheide im Wesentlichen mit der Begründung auf, die veranstalteten Sportwetten seien nicht lotteriesteuerpflichtig im Sinne des § 17 RennwLottG.
Im Januar 1996 leitete das Gewerbeamt der Beklagten nach Hinweisen der Staatsanwalt Gera, der Steuerfahndung Gera und von Wett-Teilnehmern eine erneute behördliche Prüfung ein, ob die Rücknahme oder der Widerruf des Erlaubnisbescheides vom 14. September 1990 in Betracht kommen. Gegenüber der Klägerin vertrat die Behörde im Schreiben vom 26. Februar 1996 die Auffassung, die Erlaubnis ersetze nicht die notwendige Erlaubnis nach dem geltenden Lotterierecht, das unabhängig vom Gewerberecht weiter gegolten habe. Vielmehr sei ein Antrag beim Minister des Innern und dem Chef der Volkspolizei zu stellen gewesen. Eine behördliche Genehmigung zur Ausübung des Lotteriebetriebes sei deshalb bis zum 8. März 1996 vorzulegen. Gleichzeitig sollte Gelegenheit zur Anhörung wegen beabsichtigter Maßnahmen auf Grund des Thüringer Ordnungsbehördengesetzes gegeben werden.
Die damaligen Bevollmächtigten vertraten in ihrer Stellungnahme die Ansicht, es liege bei Sportwetten gerade keine Lotterie vor; es fehle ein festgelegter Spielplan. Zusätzlich zur bestandskräftigen Genehmigung nach Art. 19 EinigungsV benötige die Klägerin keine erneute Genehmigung. Das Thüringer Innenministerium vertrat auf Anfrage der Beklagten unter dem 8. März 1996 die Ansicht, dass Rücknahme, Widerruf oder Untersagung des Gewerbes als Maßnahmen in Erwägung zu ziehen seien und beurteilte die jeweiligen Erfolgsaussichten unterschiedlich.
Mit Verfügung vom 25. April 1996 forderte das Ordnungsamt/untere Gewerbebehörde die Klägerin auf, binnen 8 Wochen nach Zugang den Nachweis der Konzessionierung für die gewerbsmäßig ausgeübte Wetttätigkeit von der sachlich und instanziell zuständigen Behörde zu erbringen bzw. die Anerkennung der Gültigkeit der Genehmigungen vom 4. Mai 1990 und vom 14. September 1990 im Sinne von § 11 des Thüringer Gesetzes über öffentliche Lotterien und Ausspielungen vom 29. Juni 1995 nachzuweisen. Weiter wurde angeordnet, die Tätigkeit des nach Lotterierecht erlaubnispflichtigen Sportwettengeschäftes einzustellen, sofern die Nachweise nicht innerhalb der genannten Frist vorgelegt werden. In der Begründung heißt es im Wesentlichen: Aus der Entscheidung des Thüringer Finanzgerichts vom 5. April 1995 ergebe sich, dass das ausgeübte Wettgeschäft dem Lotterierecht unterliegen könne. Zugleich sei darin erlaubnispflichtiges Glücksspiel zu sehen, das § 287 StGB (unerlaubte Veranstaltung einer Lotterie) unterfalle. Aufgrund der Befugnisse nach §§ 2, 5 ThürOBG seien mangels spezialgesetzlicher Normen aus dem Lotterierecht deshalb die erforderlichen behördlichen Maßnahmen zu treffen, die der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dienten. Verhaltensstörer sei die Klägerin als Veranstalterin. Die Erlaubnis vom 14. September 1990 ersetze nicht die lotterierechtliche Genehmigung. Von der herkömmlichen Form der Lotterie unterscheide sich die Sportwette allerdings dadurch, dass der Ausgang durch unbeteiligte Dritte bestimmt werde. Dies stehe nicht im Widerstreit zum Lotteriebegriff. Ein Vertrauensschutz könne nicht festgestellt werden. Es fehle die weitere Genehmigung nach der Verordnung über das öffentliche Sammlungs- und Lotteriewesen der DDR. Die Ausnahme von der Genehmigungspflicht nach § 15 der Verordnung (insbes. für den VEB Sport-Toto und den VEB Vereinigte Lotteriebetriebe) habe nicht vorgelegen. Das falsche Ergebnis der Ermittlungen 1991/92 beruhe auf der von den Behörden verkannten spezifischen Genehmigungspflicht für Lotterieunternehmen. Der Geschäftsführung sei vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten um des eigenen Vorteils willen vorzuwerfen. Die angeordneten Maßnahmen seien ermessensgerecht nach §§ 6 und 7 ThürOBG. Für den Fall der nicht fristgerechten Vorlage der Lotteriegenehmigung sei die Einstellung der Wetttätigkeit erforderlich, um entsprechend der staatlichen Verantwortung, Gefahren der Ausbeutung aus dem nicht unterdrückbaren Spieltrieb der Menschen zu deren Schutz abzuwehren.
Mit Schreiben vom 6. Mai 1996 legte die Klägerin Widerspruch ein, der unter Bezugnahme auf die Äußerung in der Anhörung begründet wurde. Das Thüringer Landesverwaltungsamt änderte mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 1996 den Ausgangsbescheid ab. Es untersagte unter Nr. 1 der Klägerin, ab Zugang des Bescheides Wetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen abzuschließen oder zu vermitteln und schloss in das Verbot im Zusammenhang stehende Nebentätigkeiten ein. Unter Nr. 2 wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 100.000 DM angedroht. Außerdem ordnete die Widerspruchsbehörde die sofortige Vollziehung hinsichtlich der Nrn. 1 und 2 an. In der Begründung heißt es: Es liege verbotenes Glücksspiel vor. Das könne von der zuständigen Ordnungsbehörde nach § 5 Abs. 1 ThürOBG unterbunden werden. Auch nach den Gesetzen der DDR sei eine spezielle Konzessionierung erforderlich gewesen. Das ergebe sich aus einer Zusammenschau dieser Gesetze und einem Vergleich mit der Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland. Die Gewerbeerlaubnis sei wegen offenkundig fehlender Verwaltungskompetenz für eine Konzession zur Durchführung von Sportwetten nichtig. Zudem sei die Genehmigung nicht der Klägerin, sondern Herrn Dr. N erteilt worden. Für die Androhung des Zwangsmittels habe es wegen des gebotenen Unterlassens keiner Fristsetzung bedurft. Sie sei mit dem Verwaltungsakt wegen des nunmehr angeordneten sofortigen Vollzugs zu verbinden gewesen. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung ergebe sich aus dem Verstoß gegen das objektiv geltende Strafrecht. Wirtschaftliche Interessen müssten demgegenüber zurückstehen. Es bestehe auch der Verdacht der nicht ordnungsgemäßen Besteuerung. Darüber hinaus gelte es, die finanzielle Schädigung von Teilnehmern an den Sportwetten zu vermeiden.
Die Klägerin hat am 22. September 1996 (per FAX) Klage vor dem Verwaltungsgericht Gera erhoben (1 K 1271/96 GE).
Mit am 24. September 1996 eingegangenem Antrag hat sie um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Das Verwaltungsgericht hat durch Beschluss vom 13. Januar 1997 - 1 E 1274/96 GE - die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 25. April 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom 11. September 1996 wiederhergestellt bzw. angeordnet. Nach Zulassung der Beschwerde durch Beschluss des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 5. August 1997 - 2 ZEO 317/97 - ist durch den nunmehr zuständigen 3. Senat des Gerichts die Beschwerde mit Beschluss vom 21. Oktober 1999 - 3 EO 939/97 - zurückgewiesen worden. Wegen der Gründe wird auf die Entscheidungen Bezug genommen.
Im Klageverfahren hat die Klägerin sich auf die Rechtsausführungen im Eilverfahren bezogen und geltend gemacht: Die Widerspruchsbehörde überschreite mit der getroffenen Entscheidung zum Zwangsgeld und zur Untersagung ihre Befugnisse. Ein Selbsteintrittsrecht stehe ihr nicht zu; auch als zuständige Erstbehörde nach § 4 ThürOBG habe das Landesverwaltungsamt nicht gehandelt. Es liege keine Strafbarkeit nach §§ 284, 286 StGB vor. Die Durchführung von Sportwetten sei auch keine Lotterie, wie der Bundesfinanzhof zutreffend entschieden habe. Für das Glücksspiel verfüge sie über die behördliche Erlaubnis. Ein Verstoß gegen öffentlichrechtliche Bestimmungen scheide aus. Der Betrieb eines Sportwettunternehmens sei Berufsausübung und gehöre zum Schutzbereich des Art. 12 GG. Einfachgesetzliche Normen des Bundesrechts - mit Ausnahme des Rennwett- und Lotteriegesetzes - seien nicht vorhanden. Die Vorschriften der Gewerbeordnung zur Aufstellung und zum Betrieb von Gewinnspielgeräten und anderen Spielen mit Gewinnmöglichkeit und zur Veranstaltung von Lotterien und Ausspielungen, die Glücksspiele gemäß § 284 StGB seien, kämen nicht zur Anwendung. Auch landesrechtliche Bestimmungen fehlten in Thüringen.
Die Klägerin hat beantragt:
I. Der Bescheid der Stadt Gera vom 25.04.1996 und der Widerspruchsbescheid des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom 11.09.1996 werden aufgehoben.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren wird für notwendig erklärt.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ihren Rechtsstandpunkt nach Maßgabe des Widerspruchsbescheides verteidigt und ergänzt: Artikel 19 S. 1 EinigungsV transferiere nicht jegliches Verwaltungshandeln in den Rechtsraum der Bundesrepublik Deutschland. Jedenfalls müsse diese Frage wegen des 1988 eingefügten § 249a DDR-StGB geprüft werden. Eine Ausnahme von diesem Gesetz habe das DDR-Gewerbegesetz nicht geboten. Eine dann nicht bindende und deshalb unwirksame Genehmigung müsse deshalb den ordnungsrechtlichen Zugriff ermöglichen. Auch Art. 19 S. 2 und S. 3 EinigungsV seien zu beachten. Die Durchbrechung eines strafrechtlichen Verbots durch ein der gesetzlichen Grundlage entbehrendes Behördenhandeln stelle eine Abweichung vom bundesdeutschen Rechtssystem dar. Es sei deshalb anzunehmen, dass der Gesetzgeber des Einigungsvertrages dafür entsprechende vertragliche Regelungen geschaffen hätte, wäre der Sachverhalt bekannt gewesen. Die Erlaubnis der Klägerin sei weder mit den Grundsätzen der sozialistischen Gesetzlichkeit noch mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar.
Darüber hinaus habe das zum 1. Januar 2000 in Kraft getretene Thüringer Staatslotterie- und Sportwettengesetz vom 3. Februar 2000 als neues Recht auf das Verfahren Einfluss. Nach diesem Gesetz solle die Veranstaltung von Sportwetten ausschließlich Sache des Freistaates sein.
Das Verwaltungsgericht Gera hat durch Urteil vom 30. August 2000 die ergangenen Bescheide aufgehoben, die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. In der Begründung heißt es:
Die Untersagungsanordnung in Ziff. 1 des Widerspruchsbescheides könne nicht auf § 5 ThürOBG gestützt werden. Ob nur eine Betriebseinstellung nach § 15 Abs. 2 GewO in Betracht komme, könne offen bleiben. Es fehle bereits an einem Verstoß gegen Rechtsvorschriften, insbesondere § 284 StGB. Die Klägerin veranstalte Sportwetten nicht unerlaubt i. S. d. Strafvorschriften wegen der zu DDR-Zeiten erteilten Erlaubnis. Diese Erlaubnis sei nicht dem Geschäftsführer persönlich, sondern dem Bevollmächtigten der GmbH erteilt worden, der auch im Formblatt zum Antrag als Vertreter genannt werde. Die Erlaubnis vom 14. September 1990 sei nach Art. 19 S. 1 EinigungsV wirksam geblieben und gelte im gesamten (erweiterten) Bundesgebiet fort. Es fehle an einem schweren oder offenkundigen Fehler, der nach dem seinerzeitigen Rechtsverständnis den Verwaltungsakt unwirksam sein lasse. Das gelte insbesondere für die sachliche Zuständigkeit. Die Nichtigkeit ergebe sich auch nicht aus einem etwaigen Verstoß gegen § 249a StGB-DDR. Eine behördliche Genehmigung von Glücksspielen sei aufgrund der Anordnung über das gewerbsmäßige Spielen vom 23. November 1981 (GBl. I S. 435) bzw. nach der Anordnung über das gewerbsmäßige Aufstellen von Spielgeräten, die Veranstaltung von anderen Spielen mit Gewinnmöglichkeit und das Betreiben von Spielhallen vom 6. August 1990 (GBl. I S. 1397) möglich gewesen. Selbst wenn die Veranstaltung von Sportwetten diesen Vorschriften nicht unterliege, könne die Genehmigung nicht als unwirksam angesehen werden.
Es liege auch keine konkludente Aufhebung der Gewerbeerlaubnis durch die Untersagung vom 25. April 1996 vor. Dies lasse der Bescheid nach dem Empfängerhorizont nicht zu.
Die Erlaubnis selbst umfasse den gewerblichen Betrieb des Sportunternehmens. Die Beklagte habe von Nebenbestimmungen, wie sie § 3 Abs. 3 des DDR-Gewerbegesetzes ermöglicht habe, nicht Gebrauch gemacht. Es seien auch keine weiteren Genehmigungen erforderlich gewesen. Dazu würdigt die Entscheidung im Einzelnen im Anschluss an das Eilverfahren die etwa in Betracht kommenden Vorschriften. § 15 Abs. 2 GewO als Ermächtigungsgrundlage zum Einschreiten scheide ebenso aus, weil diese Bestimmung den Betrieb des Gewerbes ohne die erforderliche Zulassung voraussetze. Die Zwangsgeldandrohung teile das rechtliche Schicksal des Grundverwaltungsaktes.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 3. Januar 2001 zugestellte Urteil die Zulassung der Berufung am 2. Februar 2001 beim Verwaltungsgericht beantragt; das Rechtsmittel des Vertreters des öffentlichen Interesses gegen das ihm nicht förmlich zugestellte Urteil ist am 1. Februar 2001 eingegangen. Der Senat hat die Berufungen durch Beschluss vom 17. Juli 2003 - 3 ZKO 82/01 - zugelassen. Auf die Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen. Die jeweiligen Begründungen der Berufung sind innerhalb der verlängerten Frist beim Oberverwaltungsgericht eingegangen.
Die Beklagte hält daran fest, die Eingriffsbefugnis für die Untersagung folge aus dem Verstoß gegen die öffentliche Ordnung. Der objektive Straftatbestand des § 284 StGB sei erfüllt; darin liege die konkrete Gefährdung bzw. Störung der öffentlichen Sicherheit. Die Untersagungsverfügung für ein im jeweiligen Land nicht zugelassenes Sportwetten-Unternehmen finde sich in den allgemeinen Polizei- und Ordnungsgesetzen der Länder. § 15 Abs. 2 GewO - seine Anwendbarkeit unterstellt -könne die Verfügung ebenso rechtfertigen. Die Klägerin verfüge über keine sie legitimierende Sportwettenerlaubnis. In Thüringen seien solche Erlaubnisse dem Land vorbehalten. In der Sache gehe es deshalb um eine unabhängig von der Gewerbeerlaubnis bestehende Gefahr.
Die Gewerbegenehmigung vom 14. September 1990 sei nicht an die Klägerin gerichtet; insoweit wird der Standpunkt vertieft, dass Inhaber der Gewerbeerlaubnis vom 14. September 1990 Herr Dr. N sei.
Es fehle aber auch an einer wirksamen Erlaubnis. Für deren objektiven Erklärungsgehalt seien die geltenden DDR-Vorschriften insofern von Belang, als die Behörde die Erlaubnis im vorgegebenen Rechtsrahmen erteilt habe, was auch Grundlage für den Empfängerhorizont gewesen sei. Die DDR-Rechtsordnung habe zwischen erlaubnispflichtigen Glücksspielen i. S. des DDR-Strafrechts (§ 249a StGB-DDR) und dem Gewerberecht zugehörigen Glücksspielen unterschieden, die die Anlage 1 zur 1. Durchführungsverordnung zum Gewerbegesetz als Glücksspiele gegen Geld bezeichnet habe. Deshalb hätten Sportwetten der Genehmigung des zuständigen Ministers des Innern und Chefs der Volkspolizei nach § 3 Abs. 3 DDR-Sammlungs- und Lotterieverordnung bedurft. Insoweit komme es nicht darauf an, ob die strafrechtsrelevanten Glücksspiele ausdrücklich oder nach dem Rechtssystem selbst mit umfasst gewesen seien. Aus der fehlenden polizeilichen Genehmigungsfähigkeit dürfe keine Entscheidungszuständigkeit der Gewerbeämter gefolgert werden. Vielmehr zeige sich bei der Glückspiel-Konzession eine Aufgabenteilung zwischen Konzession einerseits durch den Fachminister und andererseits der Gewerbeerlaubnis - mit Blick auf die technische Seite der geordneten Betriebsführung -, wie die Spielcasino-Verordnung vom 4. Juli 1990 belege. Diese Unterscheidung sei auch in der Übergangsvorschrift des § 16 Abs. 2 DDR-GewG und in § 3 Abs. 4 der 1. DVO zum DDR-GewG angelegt. Zu Recht habe deshalb das OLG Köln in seinen Urteilen vom 21. Mai 1999 - 6 U 195/97 - und vom 1. September 2000 - 6 U 53/99 - angenommen, Sportwetten i. S. d. Strafrechts hätten nur aufgrund der DDR-Sammlungs- und Lotterieverordnung genehmigt werden können. Allenfalls habe sich eine wirksame Sportwetten-Konzession auf herkömmliche Sportwetten nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz bezogen, die in der früheren Bundesrepublik zulassungsfähig und verbreitet waren, nicht aber auf die in erster Linie veranstalteten und damals noch unbekannten Oddsetwetten. Die Gewerbegenehmigung sei daher auf den Betrieb eines Buchmacher-Unternehmens und damit auf die Genehmigung zum Abschluss oder die Vermittlung gewerbsmäßiger Wetten bei öffentlichen Leistungsprüfungen für Pferde beschränkt. Nicht zuletzt zeige dies auch die wesentlich spätere Legalisierung der Sportwetten im Bundesgebiet. Die Klägerin habe deshalb auch nicht von einem weiter gehenden Regelungsgehalt der Erlaubnis ausgehen können. Eine insoweit wirksame Genehmigung, die auf Grund Art. 19 EinigungsV fort gelten könne, fehle. Das Veranstaltungsverbot sei deshalb jedenfalls insoweit rechtmäßig, als es die vornehmlich betriebenen Oddset-Sportwetten betreffe.
Rechtmäßig sei das Veranstaltungs- und Vermittlungsverbot auch wegen der fortlaufenden Missachtung der räumlichen Beschränkung der wirtschaftlichen Aktivitäten nicht nur auf die Agentur Gera-Lusan. Weitere Anträge für Agenturen seien nicht gestellt worden.
Das ordnungsrechtliche Verbot sei auch bei unterstellter Erlaubnis-Grundlage im DDR-GewG gerechtfertigt. Die grundsätzliche Strafbarkeit von Glücksspielen entfalle nach der Strafvorschrift nur dann, wenn eine Befreiung durch behördliche Erlaubnis erfolgt sei. Eine solche Befreiung sei aber weder durch § 284 StGB noch durch § 249a StGB-DDR jemals zugelassen gewesen. Die gegenständliche und räumliche Beschränkung könne Art. 19 EinigungsV nicht ändern.
Der Auffassung, dass die Gewerbeerlaubnis im gesamten Bundesgebiet fortgelte, der auch der Beschluss des ThürOVG zu entsprechen scheine, sei zu widersprechen. Diese Sicht sei weder mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts noch der zu dieser Frage ergangenen Instanz-Rechtsprechung in Einklang zu bringen. Dies gelte ebenso für die zivilistische Rechtsprechung, die dem Inhaber einer DDR-Gewerbeerlaubnis eine Ausnahme vom unbilligen Wettbewerb wegen der angeblich bundesweiten Geltung zubillige. Die Sportwetten-Erlaubnis könne nur in den Grenzen dieses Bundeslandes gelten. Dies folge aus der sog. Lotterie- und Glücksspielhoheit eines jeden Landes, die eine Ausprägung der Polizeihoheit der Länder darstelle. Art. 19 EinigungsV habe diese durch Art. 30 und 70 GG vorgegebene "Parzellierung" nicht durchbrochen
Die Beklagte beantragt:
1. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Gera vom 30.08.2000 - 1 K 1271/96 GE - wird die Klage vom 22.09.1996 in vollem Umfang abgewiesen;
2. die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt;
3. das Urteil wird hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt,
4. der Beklagten wird gestattet, eine zulässige oder erforderliche Sicherheit auch durch Bankbürgschaft zu erbringen.
Der Vertreter des öffentlichen Interesses ist ebenso der Auffassung, dass die angefochtene Verfügung insoweit rechtmäßig sei, als sie die sportlichen Veranstaltungen untersage. Ohne erforderliche Erlaubnis - wie hier - sei der Straftatbestand des § 284 StGB erfüllt. Die Gewerbegenehmigung vom 14. September 1990 sei keine wirksame Genehmigung i. S. d. V. In der Sache teilt er mit seinen Ausführungen zur Sache die Sicht der Beklagten.
Er beantragt ebenso,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 30.08.2000 - 1 K 1271/96 GE - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
I. Die Berufungen der Beklagten und des Vertreters des öffentlichen Interesses beim Thüringer Innenministerium gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 30.08.2000 (1 K 1271/96 GE) werden zurückgewiesen.
II. Die Berufungsführer tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Sie sei im Besitz einer wirksamen und deutschlandweit geltenden Erlaubnis. Durch die Untersagung werde sie in ihren verfassungsmäßigen Rechten aus Art. 12 und 14 GG verletzt. In Auseinandersetzung mit der Berufungsbegründung macht sie geltend: Die Entscheidung des OLG Köln betreffe ein anderes Unternehmen und sei vom BGH nicht bestätigt worden, der auch nicht die Entscheidung des Senats vom 21. Oktober 1999 - 3 EO 939/97 - in Zweifel gezogen habe. Auf die Frage, ob noch eine Genehmigung nach der DDR-Sammlungs- und Lotterieverordnung erforderlich gewesen sei, komme es nicht an. Auch nach dem DDR-Verwaltungsrecht habe man darauf vertrauen können, dass die Erlaubnis wirksam sei, unabhängig davon, ob die zuständige Stelle gehandelt habe. Zudem sei ausdrücklich bei der in § 3 der Sammlungs- und Lotterieverordnung genannten Stelle angefragt worden.
Die Beklagte ziehe unzutreffende Folgerungen aus der Fortgeltung der Genehmigung nach Art. 19 S. 1 EinigungsV. Sie unterscheide nicht zwischen strafrechtlichem und verwaltungsrechtlichem Inhalt der Genehmigung. Aus der Abgrenzung zwischen Gewerberecht und der polizeilichen Gefahrenabwehr lasse sich nicht auf den Inhalt der Erlaubnis schließen. Zutreffend führe das ThürOVG aus, dass sich eine örtliche Beschränkung aus der Erlaubnis nicht ergebe. Darauf komme es nicht einmal an. Aus der Erlaubnis ergebe sich die Legalisierungswirkung. Zivilrechtlich habe die Erlaubnis deutschlandweit Geltung Die verwaltungsrechtliche Rechtsprechung stehe dem nicht entgegen.
Das DDR-Gewerbegesetz habe den Grundsatz der Gewerbefreiheit eingeführt und dieser habe selbstverständlich auch für das Glücksspiel gegolten. Die DVO zum DDR-GewG habe erstmals eine umfassende Regelung für Glücksspiele gegen Geld getroffen und sämtliche Glücksspiele der Genehmigungspflicht unterworfen. Verstöße dagegen sollten nach dem Recht der Ordnungswidrigkeiten geahndet werden. Es werde auch übersehen, dass die DDR bis zum 3. Oktober 1990 ein Einheitsstaat gewesen sei. In keiner vor dem In-Kraft-Treten des Gewerbegesetz der DDR geltenden Bestimmungen sei zudem die Genehmigung von Sportwetten ausdrücklich geregelt gewesen. Mit der Einführung des DDR-Gewerbegesetzes habe sich ein Paradigmenwechsel vollzogen. Ein besonderes Sicherheits- und Überwachungsbedürfnis hinsichtlich des privaten Gewerbes habe nicht mehr bestanden. Rechtsvorschriften, Zuständigkeiten und Verfahrensbestimmungen vor Einführung der Gewerbefreiheit hätten keine Anwendung mehr finden können. Das gelte auch für die Sammlungs- und Lotterieverordnung. Eine analoge Anwendung von deren Bestimmungen scheide aus. Das zeige schon das damalige Sprachverständnis in der ehemaligen DDR. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesfinanzhofs unterfielen Sportwetten nicht dem Begriff der Lotterie. § 16 Abs. 2 DDR-GewG entspreche § 1 Abs. 2 GewO und sei Ausprägung des zu beachtenden Vertrauensschutzes.
Die fehlende Genehmigungsfähigkeit von Sportwetten nach DDR-Recht werde zu Unrecht angenommen, wie das DDR-GewG selbst zeige. Der DDR-Gesetzgeber habe nur früher zu derartigen Regelungen gefunden als die meisten deutschen Bundesländer.
Es werde zudem übersehen, dass die Klägerin eine Gesellschaft sei, die nach der Verordnung vom 25. Januar 1990 gegründet wurde. Alles spreche dafür, dass die Genehmigung auch Sportwetten mit festen Quoten umfasse; davon gehe die Beklagte auch nach den Unterlagen im Verwaltungsvorgang aus. Der Inhalt der Erlaubnis beschränke sich nicht nur auf das Pferderenn- und Buchmacherwesen. Aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folge nichts anderes, wie das Revisionsgericht zum Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zum Thüringer Sportwettengesetz klargestellt habe.
Landessicherheitsrecht als Grundlage - hier § 5 ThürOBG - scheide als Rechtsgrundlage für die Untersagung ohnehin aus. Darin liege ein Verstoß gegen § 1 Abs. 1 GewO. § 15 Abs. 2 GewO sehe ein Eingreifen zu erlaubnisfähigen Tätigkeiten vor und ermächtige nur zu Betriebsuntersagungen. Ausnahmen stünden unter dem Vorbehalt einer bundesrechtlichen Ermächtigung. Die Gewerbeordnung lege die Regelung der Erlaubnisbedürftigkeit und Erlaubnisfähigkeit in die Hände des Landesgesetzgebers wie § 33h Nr. 3 GewO zeige. Eine Unzuverlässigkeit gemäß § 35 GewO fehle, denn die Klägerin arbeite seit Jahren unbeanstandet. Ein Austausch der Rechtsgrundlage komme vorliegend nicht in Betracht. Auch der Staatsvertrag zum Lotteriewesen (LottStV) könne keine Grundlage für das Verbot sein.
Für ihre Rechtsausführungen bezieht sich die Klägerin im Einzelnen und ergänzend auf die von ihr vorgelegten Privat-Gutachten der Professoren Bönnigner (o. D.), Ossenbühl (April 2002), Höfling (Februar 1999), Geis (August 2003) [vgl. dazu Sonderordner II zur Gerichtsakte] sowie der Professoren Lörler (September 2004) [GA Band V, Bl. 860 ff.] und Battis (Januar 1997) [GA-Eilverfahren, Band II, Bl. 270 ff.].
Dem Senat liegen die Gerichtsakte (2 Bände) zum Eilverfahren (VG Gera 1 E 1274/96 GE) und der Behördenvorgang, bestehend aus 5 Teilakten, vor. Diese Akten und die Gerichtsakte zur Hauptsache (Bände I bis VI) einschließlich der in den Sonderordnern (I und II) erfassten weiteren Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässigen Berufungen der Beklagten und des Beteiligten sind unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.
Die Klägerin wird durch die ergangene Verfügung vom 25. April 1996 i. d. F. des Widerspruchsbescheides vom 11. September 1996 in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. Die Beklagte kann sich für die Untersagung, Wetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen abzuschließen oder zu vermitteln, nicht auf die allgemeine Eingriffsbefugnis des § 5 Thüringer Ordnungsbehördengesetz (ThürOBG) stützen. Die Klägerin verfügt über eine Gewerbeerlaubnis der Stadt Gera nach dem Recht der ehemaligen DDR, die nach Art. 19 S. 1 EinigungsV weiter gilt und eine Erlaubnis i. S. v. § 284 StGB darstellt.
Ein ordnungsbehördliches Vorgehen, gestützt auf die ordnungsrechtliche Generalklausel, kommt in Betracht, wenn eine wirtschaftliche Betätigung als Sportwett-Unternehmen vorliegt, das nicht durch die erforderlichen Erlaubnisse gedeckt ist. Dieser Verstoß gegen die Strafvorschrift des § 284 Abs. 1 StGB, wonach die öffentliche Veranstaltung von Glückspiel ohne behördliche Erlaubnis als Vergehen geahndet wird, lässt ein Eingreifen aufgrund landesrechtlicher Vorschriften zu. Darin stimmt die obergerichtliche Rechtsprechung überein (vgl. aus der jüngeren Rechtsprechung: OVG Berlin, Beschluss vom 10. Juli 2002 - 1 S 9/02 - n. v., OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Dezember 2002 - 4 B 2124/02 -GewArch 2003, 1623 = NVwZ-RR 2003, 351, Niedersächsisches OVG, Urteil vom 4. März 2003 - 11 Me 420/02 - GewArch 2003, 158 = NordÖR 2003, 203, Bayerischer VGH, Beschluss vom 5. August 2003 - 24 SC 03.1605 - n. v., Urteil vom 29. September 2004 - 24 BV 03.3162 - GewArch 2005, 78 und Hessischer VGH, Beschluss vom 27. Oktober 2004 - 11 TG 2096/04 - NVwZ 2005, 99, VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. Januar 2005 - 6 S 1288/04 - GewArch 2005, 113). Diese Spruchpraxis geht zu Recht davon aus, dass gestützt auf die ordnungsbehördliche generelle Ermächtigung aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorgegangen werden kann, wenn in dem betreffenden Bundesland die Erlaubnis nach dem jeweiligen Sportwettenrecht des Landes fehlt.
Kompetenzrechtlich ergibt sich die Rechtfertigung daraus, dass die Regelung des Glückspielrechts aus der ausschließlichen Kompetenz der Länder nach Art. 70 Abs. 1 GG für das Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder aus Art. 72 i. V. m. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG für das Recht der Wirtschaft herzuleiten ist, weil insoweit im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes keine Regelungen getroffen worden sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. März 2001 - 6 C 2.01 - BverwGE 114, 92, 98 und OVG NW, Beschluss vom 13. Dezember 2002, a. a. O., Niedersächsisches OVG, Urteil vom 4. März 2003, a. a. O.). Die Länder haben deshalb durch ihre Sportwettengesetze i. e. bestimmt, unter welchen Voraussetzungen Sportwetten erlaubnisfähig sind. Schon seit Ende der 40iger Jahre gab es im alten Bundesgebiet in einer Reihe von Bundesländern Sportwettengesetze (vgl. die Nachweise in NJW 1951, 44 Fn 1; zum aktuellen Stand: Janz in NJW 2003, 1694, 1698) mit mehr oder weniger starken Restriktionen für eine Erlaubnis zugunsten Privater. In Thüringen wurde die Sportwette erstmalig durch Gesetz vom 3. Januar 1994 (GVBl. S. 10) geregelt; danach sollten Lotterien und Wetten als Staatslotterien angeboten werden. An diese Normgebung schließt das Gesetz über öffentliche Lotterien und Ausspielungen vom 29. Juni 1995 (GBl. S. 229) an, das als selbständiger Regelungskomplex die als Landesrecht gemäß Art. 9 EinigungsV fort geltende DDR-Sammlungs- und Lotterieverordnung (DDR-SammlgGLottVO) ablöste. Das derzeit gültige Thüringer Staatslotterie- und Sportwettengesetz vom 3. Februar 2000 (GVBl. S. 15) fasste beide Materien zusammen.
Folglich steht außer Frage, dass die bundesrechtlichen Vorschriften der Gewerbeordnung ein Vorgehen nach landesrechtlichen Vorschriften nicht sperren, sondern die Polizei- bzw. Ordnungsbehörden berechtigt sind, die Art und Weise der Gewerbeausübung zum Zweck der Gefahrenabwehr zu regeln, auch wenn im praktischen Ergebnis die Einstellung des Betriebes bewirkt wird (vgl. Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., § 11 2 e). Der Grundsatz der Gewerbefreiheit kann sich nur auf erlaubte Tätigkeiten erstrecken, so dass die Polizei strafbare gewerbliche Tätigkeiten von Anfang an verhindern kann (vgl. Landmann/Rohmer, GewO, Band I, § 1 Rn 16 - insoweit ausdrücklich zum verbotenen Glücksspiel nach § 284 StGB - und Einleitung Rn. 32, 38 ff. und BVerwG, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - 6 C 3.01 - BverwGE 115, 189 = NVwZ 2002, 598 = GewA 2002, 154 - zum sog. Laserdrom).
Wird Glücksspiel ohne die erforderliche Erlaubnis veranstaltet, liegt jedenfalls der objektive Tatbestand des § 284 Abs. 1 StGB vor. Die Klägerin verfügt indessen - jedenfalls für das Gebiet des Freistaates Thüringen - über die am 14. September 1990 durch die Beklagte erteilte Erlaubnis. Weder formell- noch materiell rechtlich lässt sich in Frage stellen, dass der Klägerin damit eine bestandskräftig gewordene Gewerbeerlaubnis erteilt worden ist, die nach der getroffenen Regelung die durch die ordnungsbehördliche Verfügung i. d. F. des Widerspruchsbescheides nunmehr verbotene Betätigung gestattet. Einer weiteren Erlaubnis bedurfte die Klägerin nach DDR-Recht nicht.
Der Senat hat sich dazu in seinem Beschluss vom 21. Oktober 1999 - 3 EO 939/97 -(GewArch 2000, 118 = ThürVBl. 2000, 85 = LKV 2000, 309 = ThürVGRspr 2000, 25) zum Eilverfahren der Klägerin im Einzelnen geäußert. Das gilt sowohl hinsichtlich des Adressaten der Genehmigung, der etwaigen Nichtigkeit wegen sachlicher Unzuständigkeit und der Frage der Genehmigungsfähigkeit nach § 1 des Gewerbegesetzes der DDR vom 6. März 1990 - DDR-GewG - (GBl. I S. 138) i. V. m. der nach § 3 Abs. 2 DDR-GewG erlassenen Durchführungs-Verordnung zum Gewerbegesetz [Erlaubnispflichtige Gewerbe, besondere Überwachung von Anlagen und vom Reisegewerbe ausgeschlossene Tätigkeiten] vom 8. März 1990 - DDR-DVGewG - (GBl. I S. 140). Im Eilverfahren ist auch gewürdigt worden, ob nach der gemäß § 3 Abs. 2 DDR-GewG erlassenen DDR-DVGewG eine Gewerbeerlaubnis erforderlich war. Dies gilt hier für die nach der Anlage zur Verordnung (dem Verzeichnis der erlaubnispflichtigen Gewerbe) betroffene Fallgruppe "Spielautomaten, Spielkasinos, Glücksspiele gegen Geld". Der Senat hat zur Rechtslage insoweit festgestellt, dass Rechtsvorschriften, die Bedingungen für die Erlaubniserteilung i. S. v. § 3 Abs. 3 DDR-GewG enthalten, nur zu Spielkasinos und Spielen i. S. d. Gewerberechts ergangen sind. So wurden durch die Spielkasino-Anordnung vom 10. März 1990 (GBl. I S. 203), zuletzt in der Fassung der Verordnung über die Zulassung öffentlicher Spielkasinos vom 4. Juli 1990 (GBl. I S. 952) und durch die Anordnung über das gewerbsmäßige Aufstellen von Spielgeräten, die Veranstaltung von anderen Spielen mit Gewinnmöglichkeit und das Betreiben von Spielhallen vom 6. August 1990 (GBl. I S. 1397) noch einschlägige Regelungen erlassen, die für die hier fragliche Gewerbeart keine eigenständige Genehmigungspflicht begründeten. Zu weiteren, den Grundsatz der Gewerbefreiheit in § 1 DDR-GewG einschränkenden Bestimmungen für Glücksspiele gegen Geld ist es nach den Feststellungen des Senats zur Rechtslage in der ehemaligen DDR nicht mehr gekommen; die insoweit bestehende Lücke wurde vor der staatlichen Einheit nicht mehr gefüllt. Daran ist festzuhalten.
Aus der Sicht der Berufungskläger soll sich allerdings eine weitere Genehmigungspflicht nach der Sammlungs- und Lotterieverordnung der DDR vom 18. Februar 1965 - DDR-SammlLottVO - GBl. I S. 238) ergeben haben. Dafür beziehen sie sich zum einen auf § 16 Abs. 1 DDR-GewG, das in den Übergangsund Schlussbestimmungen anordnet: Soweit für einzelne Gewerbearten spezielle Rechtsvorschriften bestehen, gelten diese. Darüber hinaus beziehen sie sich auf § 17 DDR-GewG, der in den außer Kraft tretenden Vorschriften die DDR-SammlLottVO nicht aufführt.
Das erkennende Gericht hat zum Anwendungsbereich der Verordnung im Eilverfahren bereits vertreten:
"Eine Genehmigungspflicht nach der Verordnung über das öffentliche Sammlungs- und Lotteriewesen - Sammlungs- und Lotterieverordnung -vom 18. Februar 1965 (GBl. II S. 238), zuletzt geändert am 16. August 1976 (GBl. I S. 405) schied ebenso aus. Gemäß § 3 der Verordnung waren öffentliche Sammlungen und öffentliche Lotterien genehmigungspflichtig. § 2 umschreibt abschließend die Formen der zulässigen öffentlichen Lotterien und öffentlichen Sammlungen. Danach waren zulässig allein öffentliche Sammlungen
a) mit gedruckten und numerierten Sammellisten,
b) mit verschlossenen und besonders gesicherten Sammelbehältern,
c) durch Verkauf von Gegenständen, in deren Verkaufspreis ein Spendenbeitrag enthalten ist,
d) durch Verkauf von Postwertzeichen mit Spendenzuschlag,
e) durch Verkauf von Eintrittskarten zu öffentlichen Veranstaltungen, die auf die Erlangung von Spenden gerichtet sind,
f) durch Einrichtung und öffentliche Bekanntmachung von Postscheckkonten, auf die Spenden eingezahlt werden können, und öffentliche Lotterien
h) durch Verkauf von Losbriefen, nummerngesicherten Spielausweisen oder Pappröllchenlosen (nachfolgend Lose genannt),
i) im Zusammenhang mit einem Preisausschreiben, wenn das Recht zur Beteiligung durch Geld- oder Sachspenden erworben wird.
Zu keiner der angegebenen Arten von öffentlichen Sammlungen und öffentlichen Lotterien, die nach § 3 genehmigungspflichtig waren, gehören Sportwetten. " (BA S. 16 f.)
Das Oberlandesgericht Köln hat demgegenüber in seiner Rechtsprechung zu wettbewerblichen Unterlassungsklagen diese Auffassung nicht geteilt. Es vertritt in Auslegung der Vorschriften der DDR-SammlgLottVO die Ansicht, für das Anbieten von Sportwetten habe es der Genehmigung des Ministers des Innern gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 3 dieser Verordnung bedurft. Das Gericht geht davon aus, § 1 Abs. 4 SlgLottVO-DDR, wonach öffentliche Lotterien Veranstaltungen zur Ausspielung von Geld- und Sachwertgewinnen sind, bei denen die Beteiligung vom Einsatz eines Geldbetrages abhängig ist und ein nicht begrenzter Personenkreis daran teilnehmen kann, definiere einen weiter gehenden Lotteriebegriff. Nach dem Wortlaut könnten Sportwettenangebote, mit denen Teilnehmern nur gegen Hingabe eines Geldbetrages die Chance auf den Erhalt eines Geldgewinns eingeräumt werde, als Lotterien eingeordnet werden. Es gebe keine Gründe, den klassischen Lotteriebegriff zu Grunde zu legen, wie er dem Rennwett- und Lotteriegesetz von 1922 zu entnehmen sei. Auch systematische Gründe sprächen für den weiten Lotteriebegriff. Es habe dem wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Streben der DDR entsprochen, die früheren Möglichkeiten der gewerbsmäßigen Gewinnerzielung zu beschränken. Unverkennbar sei auch in den Genehmigungstatbeständen die Tendenz, Glücksspiele als gewerbsmäßige Einnahmequelle weitestgehend auszuschließen. Das mit der Strafvorschrift des § 249 Abs. 2 DDR-StGB "der Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch asoziales Verhalten" erfasste Glücksspielverbot (diese Vorschrift war wegen des 1988 eingefügten Glücksspielverbots in § 249a StGB nicht mehr einschlägig und betraf wohl auch nicht Glückspiele gegen Geld, vgl. den Kommentar zum DDR-StGB, Berlin 1987, zu § 249 "Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch asoziales Verhalten", wonach sich die Vorschrift auf "Arbeitsscheu" und "asoziales Verhalten" bezieht), das in zeitlichem Zusammenhang mit dem Erlass der DDR-SammlgLottVO stehe, mache die sich aus dem herkömmlichen klassischen Verständnis lösende Definition verständlich. Das DDR-GewG habe die DDR-SammlgLottVO nicht verdrängt, sondern vielmehr in § 16 Abs. 1 die Fortgeltung spezieller für einzelne Gewerbearten geltenden Vorschriften vorgesehen. Dies spreche gegen eine generelle Ablösung spezieller Vorschriften durch das DDR-GewG. Dieses Gesetz habe darüber hinaus die Angleichung an bundesdeutsche Rechtsvorschriften gewollt. § 284 StGB stelle das Glücksspielverbot unter einen Erlaubnisvorbehalt. Ein weitgehender Paradigmenwechsel könne angesichts des numerus clausus der nach Maßgabe von § 17 Abs. 1 GewG aufgehobenen Altgesetze nicht bloß mit der Liberalisierungstendenz begründet werden. Es bleibe deshalb ungeachtet der Wirksamkeit der erteilten Erlaubnis zur Durchführung von Sportwetten aufgrund Art. 19 S. 1 EV ein dem strafrechtlichen Glücksspielverbot zuwider handelndes Verhalten, das zugleich den Wettbewerbsverstoß begründe (vgl. Urteil vom 12. März 1999 - 6 U 195/97 -GRUR 2000, 533)
Dieser Rechtsauffassung hat sich der Bundesgerichtshof in seiner Revisionsentscheidung zum erst genannten Urteil nicht angeschlossen (Urteil vom 11. Oktober 2001 - I ZR 172/99 - GewArch 2002, 269 = NJW-RR 2002, 395).
Der Senat sieht auch in Kenntnis der Spruchpraxis des OLG Köln (vgl. auch Urteil vom 1. September 2000 - 6 U 53/99 - VIZ 2001, 165) keinen Anlass, seine Beurteilung der Rechtslage, dass die SammlLottVO-DDR keine geeignete Grundlage für ein zusätzliches Genehmigungserfordernis für Sportwetten war, aufzugeben.
Es ist zwar zutreffend, dass § 16 Abs. 1 DDR-GewG für einzelne Gewerbearten die Weitergeltung von speziellen Rechtsvorschriften anordnete. Der Versuch, auslegungsmethodisch aus dem numerus clausus der außer Kraft getretenen Vorschriften in § 17 des Gesetzes, der nicht die DDR-SammlgLottVO erfasse und durch einen weiten Lotteriebegriff in § 1 Abs. 4 die Anwendbarkeit der Verordnung auf Sportwetten zu begründen, geht fehl. Abgesehen davon, dass dem DDR-Normgeber nicht verborgen geblieben ist, dass mit der Rennwette bereits eine eigene Form der Sportwette (Totalisator) durch Reichsgesetz im Rennwett- und Lotteriegesetz vom 8. April 1922 geregelt war (vgl. § 14 SammlgLottVO) und deshalb der versuchten Auslegung in systematischer Sicht schon Grenzen gesetzt sind, könnte eine begriffliche Erweiterung nicht das Begriffsverständnis der bundesdeutschen Rechtsordnung außer acht lassen, wenn der Geltungsanspruch von DDR-Normen mit herkömmlichen Auslegungsmethoden ermittelt werden soll. Danach ist nach vorherrschender Auffassung die Lotterie eine Sonderform des Glücksspiels, die begrifflich Spielregeln und Gewinnplan voraussetzt (vgl. BFH, Urteil vom 2. Februar 1977 - II R 11/74 - BStBl. 1977, 495). Die Sportwette hingegen ist dadurch gekennzeichnet, dass die Höhe des Einsatzes je Spiel in das Belieben des Spielers gestellt wird und eine Mehrzahl von Chancen über den Spielerfolg entscheidet. Je nach Art des gewählten Risikos besteht der Gewinn im Vielfachen des Einsatzes (vgl. BFH, GB vom 19. Juni 1996 - II R 29/95 - juris [zum Verfahren der Klägerin]). Diese Form der Wette wurde nach der damaligen Fassung des Rennwett- und Lotteriegesetzes steuerlich gerade nicht erfasst (vgl. BFH, GB vom 19. Juni 1996 - II R 29/95 - juris [zum Verfahren der Klägerin]). Sportwetten gehören - in der Rechtsprechung unstrittig - zu den Glücksspielen gegen Geld (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. August 1994 - 1 C 18.91 - BverwGE 96, 293, 295 und vom 28. März 2001 - 6 C 2.01 - BverwGE 114, 92 [zur Oddset-Wette - mit fester Gewinnquote]; BGH, Urteil vom 28. November 2002 - 4 StR 260/02 - DVBl. 2003, 669).
Ansatzpunkte für die Auffassung des OLG Köln finden sich ebenso wenig im Text der Durchführungsbestimmungen zur Sammlungs- und Lotterieverordnung (vgl. die 1. DB vom 18. Februar 1965 - GBl. II, S. 241 und die DB vom 4. Dezember 1981 -(GBl. I S. 433).
Der Versuch, allein die Vorschriften der DDR-SammlLottVO mit den regulären Auslegungsmethoden hinsichtlich ihres Geltungsanspruchs zu erschließen, sieht sich dem grundsätzlichen Einwand ausgesetzt, dass er anerkannten Maßstäben der Erfassung des Regelungsgehalts von DDR-Recht widerspricht. Für die Auslegung von Vorschriften der ehemaligen DDR geht die obergerichtliche Rechtsprechung der Zivilgerichte von der Rechtspraxis in der ehem. DDR aus bzw. knüpft an das Rechtsverständnis des DDR-Rechts an (vgl. nur BGH, Urteile vom 3. Mai 1994 - VI ZR 278/93 - BGHZ 126, 87 und vom 24. Februar 1995 - V ZR 288/93 -BGHZ 123, 65, 68; BGH, Urteil vom 24. Juni 1997 - VII R 74/94 - juris, jeweils m. w. N.). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird nicht anders verfahren. Für das Normverständnis soll die Staats- und Verwaltungspraxis maßgeblich sein (Urteil vom 15. Oktober 1997 - 7 C 21.96 - BVerwGE 105, 255 = NJW 1998, 253), so dass sich die Rechtsprechung grundsätzlich am Wortlaut der entsprechenden Normen und deren Vollzug orientiert (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 26. August 1999 - 3 C 31/98 - NJ 2000, 209 = VIZ 2000, 350 = Buchholz 111 Art. 19 EV Nr. 6 [zu den unterschiedlichen Formen von Volkseigentum]). Folglich wird eine etwaige Auslegung von DDR-Recht durch die Instanzgerichte revisionsrechtlich auch als Tatsachenfeststellung behandelt (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 13. Februar 2003 - 7 B 8/03 - juris). Am Wortlaut der jeweiligen Norm - ohne Rücksicht auf die Normhierarchie - orientiert sich auch die Spruchpraxis des Thüringer Oberverwaltungsgerichts (vgl. zur Verjährung der behördlichen Eingriffsbefugnis für ein bauaufsichtliches Einschreiten: ThürOVG, Urteil vom 18. Dezember 2002 - 1 KO 639/01 - ThürVBl. 2003, 134 = ThürVGRspr 2003, 113 = UPR 2003, 196 = NJ 2003, 327 zu § 11 der VO über die Bevölkerungsbauwerke).
Deshalb bleibt es von Belang - wie bereits im Beschluss vom 21.10.1999 vertreten -, dass nach ihrem Wortlaut weder die Begriffsbestimmungen in § 1 noch die Formen öffentlicher Sammlungen und Lotterien in § 3 DDR-SammlgLottVO Wetten als eine Form der Ausspielung gegen Geld mit Sachgewinn erfassen. Dies drängt sich geradezu schon deshalb auf, weil diese Verordnung noch am 23. August 1990 in § 6 Abs. 3 dahin gehend ergänzt wurde, dass Klassenlotterien und von dieser Verordnung abweichende Bedingungen für deren Durchführung der Genehmigung des Ministers der Finanzen unterliegen sollten (Verordnung zur Änderung der Verordnung über das öffentliche Sammlungs- und Lotteriewesen - Sammlungs- und Lotterieverordnung - vom 23. August 1990 - GBl. I S. 1261), mithin der DDRGesetzgeber selbst nunmehr Klassenlotterien den Bestimmungen der Verordnung unterwarf.
Es gibt auch keine rechtshistorischen oder normgeschichtlichen Anhaltspunkte, dass etwa Sportwetten - und nicht nur Pferdewetten - bereits kraft überkommenem Rechts Gegenstand von Sammlungs- und Lotterieverordnungen gewesen sind. Reichsrechtlich wurde § 284 StGB durch das Gesetz gegen das Glücksspiel vom 23. Dezember 1919 (RGBl. 1919, S. 2145) in das Strafgesetzbuch eingefügt. Nur vom Glücksspiel ist darin die Rede. Nach der Bekanntmachung, betreffend Ausführungsvorschriften zu dem Gesetz vom 27. Juli 1920 (RGBl. 1920, S. 1482) war eine behördliche Erlaubnis zum öffentlichen Glücksspiel nur für Jahrmärkte, Schützenfeste sowie ähnliche unter freiem Himmel gelegentlich stattfindende Veranstaltungen von vorübergehender Dauer und nur unter Bedingungen möglich. In der Sache ging es um eine Spielerlaubnis. Auch die reichsrechtliche Verordnung über die Genehmigung öffentlicher Lotterien und Ausspielungen vom 6. März 1937 (RGBl. I S. 283) enthielt keine Regelungen zu Sportwetten. Das Bundesverwaltungsgericht hat zu dieser als Landesrecht zunächst fort geltenden Verordnung durch Urteil vom 28. März 2001 - 6 C 2/01 - bereits entschieden, dass Sportwetten in Ermangelung eines Spielplanes und einer Festlegung der Wetteinsätze nicht als Lotterie im Sinne der Verordnung anzusehen sind.
Schon der Begriff "Sportwette" war der DDR-Rechtsordnung jenseits dem fort geltenden Rennwett- und Lotteriegesetz von 1922 (für Pferdewetten) fremd (siehe nur das Inhaltsverzeichnis zum "Karteibuch der Gesetze der DDR", herausgegeben vom Staatsverlag). Auch Vorgängerregelungen in der ehem. DDR geben keine Hinweise auf ein etwaiges Genehmigungserfordernis für diese Art des Glücksspiels, indem solche Wettformen etwa erfasst waren. Dies gilt sowohl für das Gesetz über öffentliche Sammlungen und Veranstaltungen zur Erlangung von Spenden vom 22. März 1950 (GBl. S. 288), deren 1. DB vom 8. August 1950 (GBl. S. 855), deren 2. DB vom 27. September 1950 (GBl. S. 1053) und deren 3. DB vom 15. März 1952 (GBl. S. 301), als auch für die Anordnung über die Erteilung von Genehmigungen für Lotterien und Ausspielungen vom 8. Juli 1954 (GBl. S. 335) und die VO vom 3. November 1962 über öffentliche Sammlungen und Veranstaltungen zur Erlangung von Spenden (GBl. II S. 761) sowie deren 1. DB vom 20. November 1962 (GBl. II S. 763). Die zum Sport-Toto ergangenen Regelungen (VO über die Errichtung des Sporttoto vom 12.12.1953, GBl. S. 1271, zuletzt vom 20.4.1968, GBl. II S. 253) beziehen sich auf die Aufgabe, Toto und Lottospiele sowie Lotterien durchzuführen. Es blieb vielmehr bei dem durch Gesetz vom 14. Dezember 1988 (GBl. I S. 335) in § 249a DDR-StGB eingefügten Verbot unzulässiger Glücksspiele und Wetten, das die Strafbarkeit in der Öffentlichkeit organisierter Glücksspiele und Wetten ohne Genehmigung vorsah und die mit dem DDR-StGB vom 12. Januar 1968 (GBl. I Nr. 1) abgeschaffte Strafvorschrift des § 284a StGB zum Glücksspielverbot der Sache nach wieder einführte (vgl. OG, Urteil vom 16. November 1956 - 3 Zst II 67/56 - NJ 1957, 59).
Ein selbständiges Genehmigungserfordernis ließe sich mit dem OLG Köln allenfalls mit dem allgemeinen Bestreben der ehemaligen DDR begründen, die privaten Möglichkeiten der gewerbsmäßigen Gewinnerzielung zu beschränken. Eine solche zweckorientierte Auslegung der DDR-SammlgLottVO im Anschluss an das strafrechtliche Verbot des § 249a DDR-StGB, die alle nach der Verordnung nicht genehmigungsfähigen Glücksspiele verbietet, lässt den Systemwandel außer acht, für den das Gewerbegesetz vom 8. März 1990 (GBl. S. 141) steht, der in Art. 3 des Verfassungsgrundsätze-Gesetzes vom 17. Juni 1990 (GBl. I S. 299) mit der Gewährleistung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit zum Ausdruck kommt. Das DDR-GewG erkennt in § 1 den Grundsatz der Gewerbefreiheit an und unterwirft nur die in der Anlage zur DV genannten erlaubnispflichtigen Gewerbe der Genehmigung, darunter die Glücksspiele gegen Geld. Die dortige Aufzählung war Teil eines umfassenden Katalogs, der sich nicht nur auf die erlaubnispflichtigen Gewerbe nach §§ 29 ff. der GewO bezieht und ganz grundsätzlich die verschiedenen Bereiche wirtschaftlicher Betätigung erfasst. Es lässt sich deshalb auch nicht damit argumentieren, das Gewerbegesetz habe im Wesentlichen schon die Anpassung an die bundesdeutsche Rechtsordnung vollzogen. Dies scheidet schon angesichts der Kürze dieses Gesetzes aus. In der Sache war nach den Materialien gewollt:
Regierungsentwurf (Auszug)
"Die bisherigen restriktiven Maßnahmen werden aufgehoben. Jeder kann ein Gewerbe ausüben, wenn er die erforderliche Qualifikation und Eignung dafür hat. Die Aufnahme einer Gewerbetätigkeit ist lediglich von einer Anzeige abhängig. Nur bestimmte Gewerbewerke, an deren Ausübung im Interesse des Gemeinwohls spezielle Anforderungen gestellt werden müssen - z. B. technische Sicherheit, Gesundheitsschutz - oder aus denen sich Gefährdungen oder Beeinträchtigungen, z. B. für die Umwelt, ergeben können, unterliegen der Gewerbeerlaubnis." (S. 36a, GA Bl. 673).
Aus den Beratungen im Verfassungs- und Rechtsausschuss der Volkskammer (Auszug) "Staatssekretär Blau: Wir haben einmal erlaubnispflichtige Gewerbe vorgesehen - Glücksspiel, Geldspiel, Kasino-Spielautomat -, die einer besonderen Erlaubnis bedürfen. Das würde darunter fallen. Und wir haben unter den verbotenen, ausgeschlossenen Gewerben, für die keine Erlaubnis erteilt wird, z. B. auch aufgenommen: Vertrieb von Schriften, Bildwerken und Abbildungen, die in sittlicher Hinsicht Anstoß erregen können.
(Abg. Niggemeier: Das ist sehr großzügig.) Es ist bewusst großzügig." (GA Bl. 681).
Eine Gewerbeerlaubnis nach den Rechtsvorschriften des Gewerbegesetzes, die sich auf das Glücksspiel bezieht, war deshalb grundsätzlich möglich.
Die Fortgeltung der der Klägerin erteilten Erlaubnis ordnet Art. 19 S. 1 EinigungsV an. Soweit der Senat im Eilverfahren die Auffassung vertreten hat, dass diese Genehmigung grundsätzlich im gesamten erweiterten Bundesgebiet Geltung beanspruchen kann, sei klarstellend angemerkt: Zwischen der Fortgeltung in dem Sinne, dass eine solche Einzelentscheidung von DDR-Behörden nach der staatlichen Einigung im gesamten Bundesgebiet beachtlich bleibt, und der gestaltenden Wirkung der Genehmigung (die die Frage des räumlichen Geltungsbereichs einschließt) ist zu unterscheiden. Zur letzteren Streitfrage, deren Klärung die Klägerin ersichtlich im anhängigen Verwaltungsstreitverfahren, weil den Umfang der erlaubten gewerblichen Betätigung im Bundesgebiet betreffend, mit erhofft, hat der Senat mangels Entscheidungserheblichkeit nicht Stellung zu beziehen.
Aus Art. 19 S. 2 und S. 3 EinigungsV ergeben sich entgegen der Auffassung der Berufungskläger ebenso keine Gründe, die der weiteren Wirksamkeit der Gewerbeerlaubnis vom 14. September 1990 entgegenstehen.
Ob eine hoheitlich verfügte Begünstigung den Beitritt der DDR rechtlich überdauert hat, richtet sich gemäß Art. 19 S. 3 EV in erster Linie nach den Grundsätzen über die Bestandskraft von Verwaltungsakten. Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam und kann daher keine Bestandskraft haben; insoweit kann kein schutzwürdiges Vertrauen bestehen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 26. August 1999 - 3 C 31.98 - NJ 2000, 209). Die Fortgeltung der Einzelentscheidung hängt mithin nicht davon ab, ob sie mit der Rechtsordnung im Einklang stand, sondern ob sie nach der Staats- und Verwaltungspraxis als wirksam angesehen wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 1997 - 7 C 21.96 - BVerwGE 105, 255 = NJW 1998, 253). Angesichts des nach den gewerberechtlichen Vorschriften abgewickelten Verfahrens bestehen im vorliegenden Fall insoweit keine Bedenken. Gemäß § 2 der Zweiten Durchführungsverordnung zum Gewerbegesetz - Gewerbebehörden - vom 15. März 1990 (GBl. I S. 169) waren u. a. bei den Räten der Städte Gewerbebehörden zu bilden, denen nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung u. a. die Entscheidung über Anträge auf Gewerbeerlaubnis übertragen war. Nur dann, wenn von vornherein nach jeder Betrachtungsweise eine Entscheidungsbefugnis der Gewerbebehörden für eine Erlaubnis der fraglichen Art zu verneinen wäre, könnte von einer anfänglichen Unwirksamkeit i. S. des § 43 Abs. 3 ThürVwVfG gesprochen werden. Daran fehlt es, da die Anlage zu § 1 der Durchführungsverordnung zum Gewerbegesetz vom 8. März 1990 (GBl. I S. 140) im Verzeichnis der erlaubnispflichtigen Gewerbe u. a. "Glücksspiele gegen Geld" angeführt hat, mag dies begrifflich auch mehrdeutig sein. Die Erlaubnis vom 14. September 1990 selbst hebt auf die einschlägigen gewerberechtlichen Vorschriften ab und regelt die Gebühren nach der Anordnung vom 7. Juni 1990 (GBl. I S. 726). Ergänzend nimmt der Senat insoweit ebenso auf den Beschluss zum Eilverfahren vom 21. Oktober 1999 - 3 EO 939/97 - a. a. O. Bezug (BA S. 10 f.).
Die von der Beklagten zusätzliche angesprochene Fallgruppe nach Art. 19 S. 2 EinigungsV, wonach Verwaltungsakte aufgehoben werden können, wenn sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen dieses Vertrages unvereinbar sind, kommt ebenso nicht in Betracht (vgl. zu den Voraussetzungen insoweit: ThürOVG, Urteil vom 20. April 1994 - 1 KO 14/93 - ThürVBl. 1994, 265 = DöV 1994, 964 = LKV 1995, 294). Es bedürfte zunächst einer entsprechenden Aufhebung durch Verwaltungsakt, die fehlt. Eine Unvereinbarkeit mit rechtsstaatlichen Grundsätzen kann sich dann ergeben, wenn die in Art. 1 und Art. 20 GG niedergelegten Grundsätze berührt werden (vgl. nur ThürOVG, Urteil vom 20. April 1994 - 1 KO 14/93 - DÖV 1994, 9064 = ThürVBl. 1994, 265 = LKV 1995, 294 i. A. an BVerfG, Beschluss vom 23. April 1991 - 1 BvR 1170/90 u. a. BVerfGE 84, 90, 120 f. = NJW 1991, 1597, 1599). Dieser Kernbereich der verfassungsmäßigen Ordnung ist ersichtlich nicht betroffen, wenn allenfalls in Frage steht, ob nach dem geltenden System von bundes- und landesrechtlichen Zuständigkeiten die Frage der Regelungskompetenz nach Art. 70 Abs. 1 GG bzw. Art. 72 i. V. m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG strittig ist (vgl. oben S. 17, vgl. aus der Literatur: Tettinger/Enuschat, Grundstrukturen des deutschen Lotterierechts, München 1999, S. 3 ff.; Voßkuhle/Bumke, Rechtsfragen der Sportwette, Berlin 2002, S. 44 ff) und ob gemeinschaftsrechtlich im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr das Fernhalten privater Anbieter zum Schutz überragend wichtiger Gemeinschaftsgüter durch Beschränkung der Berufszulassung (Art. 12 GG) noch gerechtfertigt werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 6. November 2003 - Rs. C 243/01 - "Gambelli" NJW 2004, 139 = NVwZ 2004, 87 = GewArch 2004, 30 und BVerfG, Beschlüsse vom 26. August 2004 - 1 BvR 1446/04 - GewArch 2005, 118 und vom 15. Dezember 2004 - 1 BvR 2495/04 - GewArch 2005, 119 zu einem sofort vollziehbaren behördlichen Verbot der Vermittlung von Sportwetten österreichischer Veranstalter in Deutschland [zum österreichischen Recht näher: Schwartz/Wohlfahrt, Rechtsfragen der Sportwette, ÖJZ 1998, 601 ff.] und BVerwG, Urteil vom 28. März 2001 - 6 C 2/01 - a. a. O.).
Fehlt der Beklagten demnach die Befugnis, ordnungsrechtlich der Klägerin generell die gewerbliche Durchführung von Sportwetten zu untersagen, waren der Grundverwaltungsakt und die Vollstreckungsregelung aufzuheben, wie das Verwaltungsgericht zu Recht entschieden hat. Die Berufungen der Beklagten und des Vertreters des öffentlichen Interesses mussten daher erfolglos bleiben; sie waren zurückzuweisen.
Die Kostenpflicht ergibt sich aus § 155 Abs. 2 VwGO. Danach fallen die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. Die Kostenverteilung zu je 1/2 folgt aus § 159 S. 1 VwGO i. V. m. § 100 ZPO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Ein Bedürfnis für die Beklagte, die Vollstreckung durch Beibringung einer Bankbürgschaft abwenden zu können, ist für den Senat angesichts der angeordneten Sicherheitsleistung für die Klägerin nicht erkennbar (vgl. § 712 ZPO).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 71 Abs. 1 GKG i. d. F. des Kostenmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 - BGBl. I. S. 718 - i. V. m. §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 2 GKG a. F. auf 545 671,30 € festgesetzt (vgl. Senatsbeschluss vom 19. September 2004 - 3 VO 83/01 -)
Hinweis: Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Ende der Entscheidung
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