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Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 26.04.2007
Aktenzeichen: 3 N 699/05
Rechtsgebiete: GG, ThürVerf, TierSchHuV, ThürOBG, ThürGefHuVO, ThürWaldG, VwGO, GKG
Vorschriften:
GG Art. 2 | |
GG Art. 3 Abs. 1 | |
GG Art. 20 Abs. 3 | |
GG Art. 80 Abs. 1 S. 2 | |
ThürVerf Art. 84 Abs. 1 S. 2 | |
TierSchHuV § 2 Abs. 1 | |
ThürOBG § 6 | |
ThürOBG § 27 | |
ThürOBG § 30 | |
ThürOBG § 31 | |
ThürOBG § 33 | |
ThürOBG § 54 Nr. 3 e | |
ThürGefHuVO § 12 | |
ThürWaldG § 6 Abs. 2 S. 2 | |
VwGO § 47 | |
VwGO § 86 Abs. 1 S. 1 | |
VwGO § 108 Abs. 1 S. 1 | |
GKG § 52 Abs. 1 | |
GKG § 52 Abs. 2 |
2. Zur Verhältnismäßigkeit eines allgemeinen Anleinzwangs im innerörtlichen Bereich.
THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 3. Senat - Im Namen des Volkes Urteil
In dem Normenkontrollverfahren
wegen Ordnungsrechts,
hier: Normenkontrollverfahren
hat der 3. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Lindner, den Richter am Oberverwaltungsgericht Best und den an das Gericht abgeordneten Richter am Verwaltungsgericht Krome aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. April 2007 für Recht erkannt:
Tenor:
§ 11 Abs. 5 der Ordungsbehördlichen Verordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Stadt Meiningen und in den Gemeinden Henneberg, Herpf, Rippershausen, Stepfershausen, Sülzfeld sowie Untermaßfeld vom 2. Mai 2005 wird für unwirksam erklärt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens haben die Antragsteller jeweils zu 15/100 und die Antragsgegnerin zu 25/100 zu tragen; dazu gehören nicht die außergerichtlichen Kosten des Vertreters des öffentlichen Interesses, die dieser selbst trägt.
Das Urteil ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Antragsteller wenden sich gegen den in der "Ordungsbehördlichen Verordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Stadt Meiningen und in den Gemeinden Henneberg, Herpf, Rippershausen, Stepfershausen, Sülzfeld sowie Untermaßfeld" (im Folgenden: VO) vom 2. Mai 2005 geregelten Leinenzwang für Hunde.
Sie sind Halter von Hunden und haben im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin ihren Wohnsitz.
Bereits die Ordnungsbehördliche Verordnung vom 1. August 2003, geändert durch Verordnung vom 17. November 2003, sah einen allgemeinen Leinenzwang für Hunde vor. In der maßgeblichen Vorschrift des § 11 hieß es:
"§ 11
Halten und Mitführen von Tieren
(1) ...
(2) ...
(3) Auf Straßen und in öffentlichen Anlagen dürfen Hunde nur angeleint geführt werden, soweit ein Freilaufen nicht ausdrücklich erlaubt ist.
(4) Jeder Hundehalter hat sicherzustellen, dass Hunde in den in Absatz 3 genannten Bereichen nur von Personen geführt werden, die von der körperlichen Konstitution her in der Lage sind, die Hunde jederzeit sicher an der Leine zu halten. Die Leine muss so beschaffen sein, dass der Hund sicher gehalten werden kann. Sie darf nur so lang sein, dass keine Gefahr von dem Hund ausgehen kann.
(5) Während der Nachtzeit sind im gesamten Stadt- bzw. Gemeindegebiet Hunde an der Leine zu führen.
(6) ...
(7) ...
(8) Von den Regelungen der Absätze 3 bis 6 ausgenommen sind Blinde und hochgradig Sehbehinderte hinsichtlich ihrer mitgeführten Blindenhunde."
Im Zuge der Erarbeitung des Entwurfes einer "Zweiten Verordnung zur Änderung der Ordnungsbehördlichen Verordnung" im Jahre 2005 entschied sich die Antragsgegnerin zu einem Neuerlass der Verordnung. Nach Anhörung der ihr zugeordneten Vertragsgemeinden erließ die Antragsgegnerin - zugleich als erfüllende Gemeinde - die streitgegenständliche Verordnung. Den Verordnungsentwurf legte sie am 11. April 2005 dem Landratsamt des Landkreises Schmalkalden-Meiningen vor. Dieses Amt teilte der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 19. April 2005 mit, dass der Verordnungsentwurf zu keiner rechtsaufsichtlichen Beanstandung führe und um Verkündung nach Maßgabe des § 35 ThürOBG gebeten werde. Die Verkündung der sodann vom Bürgermeister der Antragsgegnerin am 2. Mai 2005 ausgefertigten Verordnung erfolgte im Amtsblatt der Stadt Meiningen und der Gemeinden Henneberg, Herpf, Rippershausen, Stepfershausen und Untermaßfeld in den Ausgaben vom 30. April 2005 (S. 1 ff.), 9. Juli 2005 (S. 2 ff.) und 3. September 2005 (S. 2 ff.). Des Weiteren wurde die Verordnung im Amtsblatt der Gemeinde Sülzfeld in den Ausgaben vom 29. April 2005 und 1. August 2005 - jeweils ohne die Vorschriften zur Geltungsdauer (§ 18) und zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens (§ 19) sowie - vollständig - in der Ausgabe vom 28. Oktober 2005 bekannt gemacht. Sie enthält u. a. folgende Regelungen:
"§ 1
Zweckbestimmung und Geltungsbereich
(1) Diese ordnungsbehördliche Verordnung dient der Gefahrenabwehr und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auf allen Straßen und Anlagen.
(2) Die Verordnung gilt für das gesamte Gebiet
a) der Stadt Meiningen
b) der Gemeinde Henneberg mit den Ortsteilen Unterharles und Einödhausen
c) der Gemeinde Herpf
d) der Gemeinde Rippershausen mit den Ortsteilen Melkers und Solz
e) der Gemeinde Stepfershausen mit dem Ortsteil Träbes
f) der Gemeinde Sülzfeld
g) der Gemeinde Untermaßfeld
sofern in den nachfolgenden Bestimmungen nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist.
(3) ...
§ 2
Begriffsbestimmungen
(1) Straßen im Sinne dieser Verordnung sind - ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse oder eine öffentlich-rechtliche Widmung - alle befestigten und unbefestigten, dem öffentlichen Verkehr oder einzelnen Arten des öffentlichen Verkehrs dienenden Flächen, einschließlich der Plätze und Fußgängerzonen.
(2) Zu den Straßen gehören:
a) der Straßenkörper, einschließlich der Geh- und Radwege, Brücken, Tunnel, Treppen, Durchgänge, Böschungen, Stützmauern, Gänge, Gräben, Entwässerungsanlagen, Park-, Trenn- und Seitenstreifen, Dämme, Rand- und Sicherheitsstreifen
b) der Luftraum über dem Straßenkörper
c) das Zubehör, wie z. B. Verkehrszeichen, Verkehrseinrichtungen und -anlagen aller Art, die der Sicherheit oder Leichtigkeit des Straßenverkehrs oder dem Schutz der Anlieger dienen, und die Bepflanzung.
(3) Anlagen im Sinne dieser Verordnung sind - ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse, insbesondere alle der Allgemeinheit im Stadt/Gemeindegebiet zur Nutzung zur Verfügung stehenden oder bestimmungsgemäß zugänglichen oder dem öffentlichen Interesse/der öffentlichen Sicherheit dienenden Flächen, Gegenstände und Einrichtungen, insbesondere
a) Grün-, Park-, Erholungs-, Spiel- und Sportflächen, Kinderspielplätze sowie Gedenkplätze
b) Ruhebänke, Toiletten, Fahrgastwartehallen, Sport-, Fernsprech-, Wetterschutz- und ähnliche Einrichtungen
c) Ufer und Böschungen von Gewässern
d) Denkmäler und unter Denkmalschutz stehende Baulichkeiten, Kunstgegenstände, Plastiken, Brunnen, Blumenkübel, Abfall- und Sammelbehälter, Wertstoffcontainer, Anschlagtafeln, Beleuchtungs-, Versorgungs-, Kanalisations-, Entwässerungs-, Hochwasserschutz- und Baustelleneinrichtungen.
(4) ...
...
§ 11
Halten und Mitführen von Tieren
(1) Tiere sind so zu halten oder zu beaufsichtigen, dass Personen, andere Tiere und Sachen nicht gefährdet oder geschädigt sowie Personen nicht belästigt werden.
(2) Wer Hunde oder andere Haustiere außerhalb von Zwingern oder Stallungen frei hält, hat dafür zu sorgen, dass sie Einfriedungen nicht überwinden oder sonst das Grundstück nicht ohne Aufsicht verlassen können.
(3) Auf Straßen und Anlagen nach § 2 Abs. 3 Buchstaben a) und b) innerhalb der bebauten Ortsteile (§§ 30 und 34 Baugesetzbuch) sind Hunde an der Leine zu führen. Keine Anleinpflicht besteht auf den in der Anlage namentlich aufgeführten städtischen Hundewiesen. Die Anlage ist Bestandteil dieser Verordnung.
(4) Jeder Hundehalter hat sicherzustellen, dass Hunde in den in Absatz 3 genannten Bereichen nur von Personen geführt werden, die von der körperlichen Konstitution her in der Lage sind, die Hunde jederzeit sicher an der Leine zu halten. Die Leine muss so beschaffen sein, dass der Hund sicher gehalten werden kann. Sie darf nur so lang sein, dass keine Gefahr von dem Hund ausgehen kann.
(5) Während der Nachtzeit sind im gesamten Stadt- bzw. Gemeindegebiet Hunde an der Leine zu führen.
(6) Durch Kot von Tieren dürfen Straßen und Anlagen nicht verunreinigt werden. Entstandene Verunreinigungen sind unverzüglich vom Tierführer zu beseitigen.
(7) ...
(8) Von den Regelungen der Absätze 3 bis 6 ausgenommen sind Blinde und hochgradig Sehbehinderte hinsichtlich ihrer mitgeführten Blindenhunde.
...
§ 17
Ordnungswidrigkeiten
(1) Ordnungswidrig im Sinne von § 50 Ordnungsbehördengesetz handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen
...
33. § 11 Absatz 3 Hunde nicht an der Leine führt
34. § 11 Abs. 4 Satz 1 als Hundehalter nicht sicherstellt, dass Hunde nur von Personen geführt werden, die von der körperlichen Konstitution her in der Lage sind, die Hunde jederzeit sicher an der Leine zu führen
35. § 11 Absatz 4 Sätze 2 und 3 keine zweckentsprechende Leine benutzt
36. § 11 Absatz 5 Hunde während der Nachtzeit nicht an der Leine führt ..."
In der Anlage zu § 11 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung heißt es:
"Anlage zu § 11 Abs. 3 Satz 2 - städtisch ausgewiesene Hundewiesen
Fläche Nr. | Bezeichnung der Freilauffläche/Lage |
1. | Schillerstraße |
- östlich der Schillerstraße | |
2. | Großmutterwiese |
- südlich des Parkplatzes Großmutterwiese | |
3. | Dreißigacker-Süd/Am Weißbachtal |
- Ecke Berkeser Straße/Am Reitgrund | |
4. | Barbarastraße |
- Barbarastraße, nördlich des Wendehammers | |
5. | Utendorfer Straße |
- östlich der Würfelhäuser" |
Die Antragsteller haben am 30. Mai 2005 beim Oberverwaltungsgericht den vorliegenden Normenkontrollantrag gestellt.
Sie führen im Wesentlichen aus:
Frei laufende Hunde stellten weder eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit noch für die öffentliche Ordnung dar. Das Freilaufen eines Hundes sei auch ein Gebot artgerechter Tierhaltung, denn als Lauftiere verfügten Hunde über einen ausgeprägten Bewegungsdrang. Fremden Menschen gegenüber verhielten sie sich regelmäßig freundlich oder neutral. Soweit Hunde gelegentlich mit ihresgleichen - in Form artgerechter Rangordnungskämpfe - "raufen", begründe dies weder für Menschen noch für Hunde eine Gefahr. Zu ernsthaften Verletzungen der Hunde komme es bei solchen Rangkämpfen regelmäßig nur dann, wenn mindestens einer der beteiligten Hunde an der Leine geführt und diese zu Beginn des Kampfes nicht sofort gelöst oder fallen gelassen werde. Die Antragsgegnerin wolle lediglich unbegründeten Ängsten von Teilen der Bevölkerung entgegen wirken; dies sei ihr verwehrt, da sie lediglich zur Gefahrenabwehr einschreiten dürfe. Sie habe nicht ansatzweise ermittelt, ob überhaupt eine Gefahr durch frei laufende Hunde angenommen werden könne. Irgendwelche Abwägungs- und Einschätzungsvorgänge zu einer Gefahrenprognose ließen sich den Behördenakten nicht entnehmen. Die Antragsgegnerin vermöge nicht einmal konkrete Fälle zu benennen, bei denen es zu nennenswerten Belästigungen durch frei laufende Hunde gekommen sei.
Ferner wäre ein genereller Leinenzwang ein untaugliches - weil ungeeignetes und nicht erforderliches - Mittel zur Gefahrenabwehr. Das Führen an der Leine vergrößere eher im Hinblick auf eine dadurch hervorgerufene Aggressionssteigerung eine etwaige Gefahr. Sowohl die Bundestierärztekammer als auch Vertreter der veterinärmedizinischen und biologisch-ethologischen Wissenschaften lehnten einen generellen Leinenzwang einhellig ab. Die streitgegenständliche Verordnung habe zu keinem signifikanten Absinken sogenannter Beißvorfälle geführt; auch sei die Zahl der Beißvorfälle in dem Zeitraum, in dem der in der früheren ordnungsbehördlichen Verordnung vom 1. August 2003 enthalten gewesene Leinenzwang nicht mehr durchgesetzt worden sei, nicht signifikant gestiegen.
Des weiteren ergebe sich aus der Inbezugnahme der Vorschriften des Baugesetzbuchs in § 11 Abs. 3 VO ein Verstoß gegen § 31 Abs. 1 Satz 2 des Thüringer Ordnungsbehördengesetzes (im Folgenden: ThürOBG). Insoweit verletzten die einschlägigen Vorschriften der VO auch das Bestimmtheitserfordernis des § 31 Abs. 1 Satz 1 ThürOBG. Eine ordnungsbehördliche Verordnung müsse aus sich heraus für den Bürger klar und verständlich sein. Hieran fehle es bei der Bezugnahme schon deshalb, weil das Verständnis den Erwerb einer Textausgabe des Baugesetzbuchs voraussetze. Zudem sei für den "Normalbürger" nicht ohne weiteres ersichtlich, welche Ortsteile der Gemeinde im Einzelnen noch den für die Qualifizierung als Innenbereich erforderlichen Bebauungszusammenhang aufwiesen.
Schließlich verletze die VO die Antragsteller in ihren Rechten, die sich für sie als Hundehalter aus den Vorschriften des Tierschutzgesetzes und der Tierschutz-Hundeverordnung ergäben. Das Tierschutzgesetz verpflichte sämtliche Tierhalter zur artgerechten Tierhaltung. Nach § 2 der Tierschutz-Hundeverordnung müsse jeder Hundehalter seinem Hund ausreichend freien Auslauf gewähren. Dieser Auslauf habe außerhalb umfriedeten Besitztums und frei von Leinen oder ähnlichen die Bewegung hemmenden Maßnahmen zu erfolgen. Die amtliche Begründung der Bundesregierung zur Tierschutz-Hundeverordnung nenne als absolutes Minimum ein Zeitmaß von einer Stunde am Tag. Dieser Verpflichtung als Hundehalter nachzukommen, begründe zugleich ein Recht der Antragsteller. Auf die in der VO genannten Hundewiesen könnten sie nicht verwiesen werden. Diese befänden sich - von einer Ausnahme abgesehen - in für die meisten Hundehalter kaum erreichbaren, abgelegenen Ortsteilen; nur eine einzige Hundewiese liege im Stadtinnern. Den etwa 1000 Hundehaltern in der Stadt Meiningen könne es nicht zugemutet werden, sich morgens und abends "auf diesen 5 Fleckchen" zu versammeln, um dort jeweils mehrere hundert Hunde frei laufen zu lassen; "eine solche Veranstaltung würde sofort zu einer chaotischen Beißveranstaltung ausarten".
Die Antragsteller beantragen,
§ 11 Absätze 3 bis 5 der Ordnungsbehördlichen Verordnung der Stadt Meiningen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vom 2. Mai 2005 für unwirksam zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie trägt im Wesentlichen vor:
Die streitgegenständlichen Regelungen fänden ihre gesetzliche Grundlage in § 27 Abs. 1 ThürOBG. Nach dieser Vorschrift genüge das Vorliegen einer abstrakten Gefahr. Ausreichend seien hierfür hinreichende Anhaltspunkte, die auf einen drohenden Schadenseintritt schließen ließen. Im Jahre 2005 seien im Stadtbereich der Antragsgegnerin 1.029 Hunde und in den ihr - als erfüllende Gemeinde -zugeordneten Gemeinden insgesamt 518 Hunde steuerlich gemeldet gewesen. Für die Jahre 2001 bis 2005 sei ein Anstieg sowohl der Zahl der im Geltungsbereich der VO gemeldeten Hunde als auch der angezeigten Vorfälle im Zusammenhang mit Beißattacken, Bedrohungen und Belästigungen durch frei umherlaufende Hunde festzustellen. Täglich seien mehrere Schreiben, Telefonanrufe sowie persönliche Vorsprachen von Bürgern zu verzeichnen, die sich von frei umherlaufenden Hunden konkret belästigt fühlten. Die Verhaltensweise der Tiere führe insbesondere zu Ängsten bei Menschen, die sich in ihrer eigenen Bewegungsfreiheit massiv beeinträchtigt fühlten. In die Gefahrenprognose habe das Ordnungsamt ferner Erfahrungen des T e. V. einbezogen, dessen Vorsitzender ein erfahrener Tierarzt sei und seine Auffassung zur Notwendigkeit einer Anleinpflicht im Geltungsbereich der VO mitgeteilt habe.
Die angegriffenen Regelungen seien auch verhältnismäßig. Angeleinte Hunde seien vom Hundeführer besser zu kontrollieren. Angriffe beißwütiger Hunde, das Anspringen durch unerzogene Hunde und das unkontrollierte Absetzen des Hundekotes ließen sich nach allgemeiner Lebenserfahrung durch Anleinen des Hundes unterbinden. Das Anleingebot gehöre neben dem Maulkorbgebot zu den klassischen Mitteln der Gefahrenabwehr in diesem Bereich und sei als solches allgemein akzeptiert. So gehe die Vorschrift des § 12 der Thüringer Gefahren-Hundeverordnung von der Zulässigkeit kommunaler Rechtsvorschriften zu Anleingeboten aus und lasse diese unberührt.
Das Recht der Hundehalter auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und ihr Bedürfnis zu artgerechter Tierhaltung stünden dem entsprechenden Grundrecht derjenigen Bürger entgegen, die nicht Hundebesitzer seien und von Hunden nicht gefährdet werden wollten. Bei der Abwägung der betroffenen Grundrechtspositionen seien die Belange der Hundehalter ausreichend berücksichtigt worden. Denn die Anleinpflicht sei in der angegriffenen VO auf den innerörtlichen Bereich der Gemeinden beschränkt.
Ferner gelte sie nicht im Bereich der in der Anlage zu § 11 Abs. 3 Satz 2 VO genannten Hundewiesen. Sie, die Antragsgegnerin, habe sich dabei bemüht, so viele Hundewiesen wie möglich in ihrem Stadtgebiet auszuweisen und solche Wiesen von jedem Ortsteil aus zugänglich zu machen. Im Übrigen sei es jedem Hundehalter des sehr überschaubaren kleinen Stadtgebietes möglich, innerhalb von ca. 5 bis 10 Gehminuten in den Außenbereich zu gelangen, wo Hunde frei umherlaufen könnten. Für die Dorfgebiete der der Antragsgegnerin zugeordneten Gemeinden habe wegen der überschaubaren Ausmaße der überbauten Flächen auf gesondert ausgewiesene Hundewiesen verzichtet werden können. Deren Außenbereiche böten weitläufige Spaziermöglichkeiten für Menschen und unangeleinte Hunde.
Das Bestimmtheitsgebot des § 31 Abs. 1 Satz 1 ThürOBG werde durch die angegriffenen Vorschriften nicht verletzt. Jeder Hundehalter als Normadressat könne erkennen, in welchem Bereich des Stadt- bzw. Gemeindegebietes er sich zu welcher Zeit und in welcher Weise mit seinem Hund bewegen dürfe, auch wenn die in § 11 Abs. 3 VO enthaltene Formulierung "innerhalb der bebauten Ortsteile" Zweifelsfragen nicht gänzlich ausschließe.
Ein Verstoß gegen § 31 Abs. 1 Satz 2 ThürOBG scheide ebenfalls aus. Die ergänzende Bezugnahme auf Vorschriften des Baugesetzbuches diene der Definition, so dass darin ein Hinweis auf eine Anordnung i. S. v. § 31 Abs. 1 Satz 2 ThürOBG nicht gesehen werden könne.
Die streitgegenständlichen Regelungen könnten zudem nicht gegen das Tierschutzgesetz und die Tierschutz-Hundeverordnung verstoßen, denn nach den dort enthaltenen Vorschriften habe der Tierhalter selbst und nicht die Antragsgegnerin für eine artgerechte Tierhaltung Sorge zu tragen.
Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat keinen Antrag gestellt. Zur Sache führt er im Wesentlichen aus:
Bei der gebotenen abstrakt-generellen Betrachtung fehle es an hinreichenden Anhaltspunkten, die den Schluss auf den drohenden Eintritt von Schäden rechtfertigten. Die von der streitgegenständlichen Verordnung bekämpften bloßen Risiken lägen jenseits des Bereiches feststellbarer Gefahren.
Die Annahme der Antragsgegnerin, unangeleinte Hunde stellten in ihrem Stadtgebiet generell eine Gefahr für andere Tiere oder Menschen dar, sei durch vorliegende Unterlagen nicht hinreichend belegt. Die statistischen Angaben in den Verwaltungsvorgängen zu Beißvorfällen im Gebiet der Antragsgegnerin bezögen sich auf einen Zeitraum von ca. dreieinhalb Jahren und wiesen lediglich 9 Ereignisse mit unangeleinten Hunden aus, die - mangels Hintergrundinformationen - überdies nur bedingt aussagekräftig seien. Vereinzelte Verfahren gegen Hundehalter, deren Hunde Menschen oder Tiere verletzt hätten, reichten nicht aus, um die für den Erlass einer Verordnung erforderliche abstrakt-generelle Gefahr zu bejahen.
Die Stellungnahme des T enthalte keine sachlichen Anhaltspunkte, die auf einen drohenden Schadenseintritt schließen ließen. Erkenntnisse fachkundiger Stellen, die die Notwendigkeit eines Leinenzwangs im gesamten Stadtgebiet begründeten, lägen ebenso wenig vor.
Ein subjektives Unsicherheitsgefühl, das nicht durch zureichende Tatsachen begründet und mit dem damit nur ein bloßer Gefahrenverdacht verbunden sei, rechtfertige kein Einschreiten der Sicherheitsbehörden in Form einer Rechtsverordnung auf der Grundlage der polizeilichen Generalermächtigung. Vielmehr müssten Eingriffe der staatlichen Verwaltung in die Freiheitssphäre zum Zwecke der Gefahrenvorsorge nach den rechtsstaatlichen und demokratischen Grundsätzen in einem besonderen Gesetz vorgesehen sein. Es sei Sache des Gesetzgebers, sachgebietsbezogen darüber zu entscheiden, ob, mit welchem Schutzniveau und auf welche Weise Schadensmöglichkeiten, die nicht durch ausreichende Kenntnis belegt, aber auch nicht auszuschließen seien, vorsorgend entgegengewirkt werden solle.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens (2 Bände) und die beigezogenen Vorgänge der Antragsgegnerin zur Normsetzung (3 Aktenordner).
Entscheidungsgründe:
Der auf die Gültigkeit der Vorschriften des § 11 Absätze 3 bis 5 VO gegenständlich beschränkte Normenkontrollantrag (§ 47 VwGO) hat nur teilweise Erfolg.
Er ist zulässig, insbesondere gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 4 ThürAGVwGO statthaft.
Die - wegen der vor dem 1. Januar 2007 erfolgten Bekanntmachung der VO (im Amtsblatt der Stadt Meiningen und der ihr zugeordneten Vertragsgemeinden am 30. April 2005, 9. Juli 2005 und 3. September 2005 sowie im Amtsblatt der Gemeinde Sülzfeld am 29. April 2005, 1. August 2005 und 28. Oktober 2005) -insoweit noch maßgebliche zweijährige Antragsfrist gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in der bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Gesetzesfassung (vgl. § 195 Abs. 7 VwGO, eingefügt durch Gesetz vom 21. Dezember 2006 [BGBl. I S. 3316]) ist gewahrt. Denn die Antragsteller haben den Normenkontrollantrag bereits am 30. Mai 2005 beim Oberverwaltungsgericht gestellt.
Sie sind auch antragsbefugt i. S. v. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Ihrem Vortrag lassen sich Umstände entnehmen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass sie durch die zur Prüfung gestellten Rechtssätze in einem subjektiven Recht verletzt werden. Bei einem Normenkontrollantrag gegen Rechtsvorschriften, die - wie hier -Verhaltenspflichten regeln, trifft dies jedenfalls für diejenigen Personen zu, die Adressat dieser Gebote sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Mai 2000 - 6 CN 3.99 -NVwZ 2000, 1296 = Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 141 m. w. N.; ferner Urteil vom 17. Januar 2001 - 6 CN 4/00 - NVwZ 2001, 1038). Die Möglichkeit einer Rechtsverletzung - unmittelbar durch die Rechtsvorschrift selbst und nicht erst durch deren Anwendung - ergibt sich in diesen Fällen bereits daraus, dass die Normadressaten - wie hier die Antragsteller als Hundehalter durch den in § 11 Abs. 3 bis 5 VO vorgeschriebenen Leinenzwang - zumindest in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) unmittelbar betroffen sind.
Der damit insgesamt zulässige Normenkontrollantrag ist nur begründet, soweit er die Bestimmung in § 11 Abs. 5 VO, die den generellen Leinenzwang im gesamten Stadt- bzw. Gemeindegebiet während der Nachtzeit anordnet, zum Gegenstand hat; diese Regelung erweist sich als unverhältnismäßig und damit materiell rechtswidrig, so dass sie gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO für unwirksam zu erklären ist (vgl. dazu die Ausführungen unter 2.). Indessen sind die weiteren von den Antragstellern angegriffenen Bestimmungen des § 11 Abs. 3 und 4 VO formell und materiell wirksam (nachfolgend 1.).
1. Die Regelungen finden - mangels einer spezialgesetzlichen Ermächtigung für den allgemeinen Leinenzwang für Hunde (vgl. §§ 39 ff. ThürOBG) - ihre erforderliche gesetzliche Grundlage in der Generalermächtigung des § 27 Abs. 1 ThürOBG. Hiernach können die Ordnungsbehörden zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung Gebote oder Verbote erlassen, die für eine unbestimmte Zahl von Fällen an eine unbestimmte Zahl von Personen gerichtet sind.
Diese Generalermächtigung für den Erlass einer ordnungsbehördlichen Verordnung begegnet - im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 84 Abs. 1 Satz 2 ThürVerf) - keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, an deren abstrakte Gefährdung die Vorschrift anknüpft, sind in jahrzehntelanger Entwicklung durch Rechtsprechung und Lehre nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend präzisiert, in ihrer Bedeutung geklärt und im juristischen Sprachgebrauch verfestigt worden; in Ansehung dieser Entwicklung hat die Generalermächtigung für den Erlass ordnungsbehördlicher Verordnungen inhaltlich hinreichend scharfe Konturen erhalten (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2002 - 6 CN 1.02 - Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 73 m. w. N.).
Auf der Grundlage der genannten gesetzlichen Verordnungsermächtigung ist die VO insbesondere formell ordnungsgemäß, unter Beachtung der für sie einschlägigen Zuständigkeits-, Verfahrens- und Formvorschriften, erlassen worden.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Verkündung der VO zunächst - durch die Bekanntmachung in den Ausgaben des Amtsblattes der Stadt Meiningen und der Gemeinden Henneberg, Herpf, Rippershausen, Stepfershausen und Untermaßfeld vom 30. April 2005 (S. 1 ff.) sowie des Amtblattes der Gemeinde Sülzfeld vom 29. April 2005 - verfrüht erfolgte, weil die Verordnung zu diesem Zeitpunkt vom Bürgermeister der Antragsgegnerin noch nicht einmal ausgefertigt war, wie die Antragsteller meinen. Entsprechendes gilt - im Hinblick auf den erst am 11. April 2005 dem Landratsamt Schmalkalden-Meiningen vorgelegten Verordnungsentwurf -hinsichtlich der zu beachtenden Monatsfrist im aufsichtsbehördlichen Verfahren (vgl. § 33 Satz 2 ThürOBG).
Denn jedenfalls ist durch die spätere, nochmalige Verkündung der VO - mit deren vollständigem Wortlaut - in den Ausgaben des Amtsblattes der Stadt Meiningen und der Gemeinden Henneberg, Herpf, Rippershausen, Stepfershausen und Untermaßfeld vom 9. Juli (S. 2 ff.) und 3. September 2005 (S. 2 ff.) sowie des Amtblattes der Gemeinde Sülzfeld vom 28. Oktober 2005 sowohl die Monatsfrist des § 33 Satz 2 ThürOBG eingehalten als auch weiteren verfahrensrechtlichen Anforderungen an den Erlass der VO genügt.
Die Antragsgegnerin hat mit den Regelungen des § 11 Abs. 3 und 4 VO von der gesetzlichen Generalermächtigung des § 27 Abs. 1 ThürOBG auch in materiellrechtlicher Hinsicht fehlerfreien Gebrauch gemacht. Mit dieser Verordnungsermächtigung, kraft derer die Ordnungsbehörden zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung Gebote oder Verbote für eine unbestimmte Zahl von Fällen an eine unbestimmte Zahl von Personen erlassen können, hat sich der Landesgesetzgeber für den herkömmlichen abstrakten Gefahrenbegriff entschieden (vgl. nur Krumrey/Schwan, Thüringer Ordnungsbehördengesetz, 1996, § 54 Rn. 38 und Senatsbeschluss vom 27. November 2003 - 3 EO 427/02 - n. v.).
§ 54 Nr. 3 e) ThürOBG definiert die tatbestandlich vorausgesetzte abstrakte Gefahr (für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung) als eine nach allgemeiner Lebenserfahrung oder den Erkenntnissen fachkundiger Stellen mögliche Sachlage, die im Falle ihres Eintritts eine Gefahr gemäß den Buchstaben a) bis d) darstellt, d. h. als eine Sachlage, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird. Da die Vorschrift des § 27 Abs. 1 ThürOBG mithin nur insoweit als Grundlage für den Erlass einer sicherheitsbehördlichen Verordnung geeignet ist, als mit ihr Gefahren bekämpft werden sollen, die dem überkommenen (abstrakten) Gefahrenbegriff entsprechen, sind die inhaltlichen Anforderungen an diesen - die Reichweite der Ermächtigung begrenzenden - Begriff zu beachten, die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelt worden sind.
Hiernach ist die abstrakte ordnungsrechtliche Gefahr dadurch gekennzeichnet, dass aus gewissen gegenwärtigen Zuständen nach dem Gesetz der Kausalität gewisse andere Schaden bringende Zustände und Ereignisse erwachsen werden. Maßgebliches Kriterium zur Feststellung einer Gefahr ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Das trifft nicht nur für die konkrete Gefahr zu, die zu Abwehrmaßnahmen im Einzelfall berechtigt, sondern auch für die sicherheitsrechtlichen Verordnungen zugrunde liegende abstrakte Gefahr. Diese unterscheidet sich von der konkreten Gefahr nicht durch den Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, sondern durch den Bezugspunkt der Gefahrenprognose oder, anders ausgedrückt, durch die Betrachtungsweise: Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn in dem zu beurteilenden konkreten Einzelfall in überschaubarer Zukunft mit dem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden kann; eine abstrakte Gefahr ist gegeben, wenn eine generellabstrakte Betrachtung für bestimmte Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen zu dem Ergebnis führt, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden im Einzelfall einzutreten pflegt und daher Anlass besteht, diese Gefahr mit generellabstrakten Mitteln, also einem Rechtssatz zu bekämpfen; das hat zur Folge, dass lediglich auf den Nachweis der Gefahr eines Schadenseintritts im Einzelfall verzichtet werden kann. Auch die Feststellung einer abstrakten Gefahr verlangt mithin eine in tatsächlicher Hinsicht genügend abgesicherte Prognose: Es müssen - bei abstraktgenereller Betrachtung - hinreichende Anhaltspunkte vorhanden sein, die den Schluss auf den drohenden Eintritt von Schäden rechtfertigen. Der erforderliche Wahrscheinlichkeitsgrad des Schadenseintritts hängt dabei von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie dem Ausmaß des möglichen Schadens ab. Die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts muss umso größer sein, je geringer der möglicherweise eintretende Schaden ist, und sie darf umso kleiner sein, je schwerer der etwa eintretende Schaden wiegt. Dabei liegt es im Wesen von Prognosen, dass die vorhergesagten Ereignisse wegen anderer als der erwarteten Geschehensabläufe ausbleiben können (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2002 - 6 CN 8.01 - BverwGE 116, 347 = DVBl. 2002, 1562 = DÖV 2003, 81 = NVwZ 2003, 95 zur vergleichbaren niedersächsischen Generalermächtigung des § 55 NGefAG m. w. N.).
Von dieser mit jeder Prognose verbundenen Unsicherheit ist die Ungewissheit zu unterscheiden, die bereits die tatsächlichen Grundlagen der Gefahrenprognose betrifft. Ist die Behörde mangels genügender Erkenntnisse über die Einzelheiten der zu regelnden Sachverhalte und/oder über die maßgeblichen Kausalverläufe zu der erforderlichen Gefahrenprognose nicht im Stande, so liegt keine Gefahr, sondern - allenfalls - eine mögliche Gefahr, ein Gefahrenverdacht oder ein Besorgnispotential vor. Das gilt insbesondere für Schadensmöglichkeiten, die sich deshalb nicht ausschließen lassen, weil nach dem derzeitigen Wissensstand bestimmte Ursachenzusammenhänge weder bejaht noch verneint werden können. Zwar kann auch in derartigen Situationen ein Bedürfnis bestehen, zum Schutz der etwa gefährdeten Rechtsgüter, namentlich höchstrangiger Rechtsgüter wie Leben und körperlicher Unversehrtheit von Menschen, Freiheitseinschränkungen anzuordnen. Doch beruht ein solches Einschreiten nicht auf der Feststellung einer Gefahr; vielmehr werden dann Risiken bekämpft, die jenseits des Bereichs feststellbarer Gefahren verbleiben. In diesen Fällen kommen nach dem allgemeinen Recht der Gefahrenabwehr allenfalls Maßnahmen zur weiteren Erforschung des Sachverhaltes in Betracht, nicht indessen über die Abklärung des Verdachts hinausgehende Maßnahmen, die auf die Abwehr der vermuteten Gefahr gerichtet sind. Soweit in den ordnungsrechtlichen Vorschriften - wie hier auch die Bestimmungen des Thüringer Ordnungsbehördengesetzes - ausschließlich von Gefahrenabwehr, nicht hingegen von Vorsorge oder Vorbeugung die Rede ist, wohnt dem Gefahrenbegriff nicht aus sich heraus eine Erstreckung auf die Aufgabe der Risiko- oder Gefahrenvorsorge inne. Das allgemeine Gefahrenabwehrrecht bietet deshalb keine Handhabe, derartigen Schadensmöglichkeiten im Wege der Vorsorge zu begegnen. Eine erweiternde Auslegung der entsprechenden Vorschriften, durch die der Exekutive eine Einschätzungsprärogative in Bezug darauf zugebilligt wird, ob die vorliegenden Erkenntnisse die Annahme einer abstrakten Gefahr rechtfertigen, kommt nicht in Betracht. Denn es wäre mit den Grundsätzen der Bestimmtheit gesetzlicher Ermächtigungen zu Rechtsverordnungen der Exekutive und des Vorbehalts des Gesetzes nicht vereinbar, wenn die Exekutive ohne strikte Bindung an den überlieferten Gefahrenbegriff kraft eigener Bewertung über die Notwendigkeit oder Vertretbarkeit eines Verordnungserlasses entscheiden könnte. Vielmehr ist es Sache des zuständigen Gesetzgebers, - unter Abwägung der widerstreitenden Interessen - sachgebietsbezogen darüber zu entscheiden, ob, mit welchem Schutzniveau und auf welche Weise Schadensmöglichkeiten vorsorgend entgegen gewirkt werden soll, die nicht durch ausreichende Kenntnisse belegt, aber auch nicht auszuschließen sind, und die Rechtsgrundlagen für entsprechende Grundrechtseingriffe zu schaffen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2002 - 6 CN 8.01 - a. a. O., m. w. N.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Antragsgegnerin zu Recht vom Vorliegen einer durch frei umherlaufende Hunde ausgehenden abstrakten Gefahr ausgegangen, der sie mit den streitgegenständlichen Regelungen zu begegnen sucht. Das gilt insbesondere für den in § 11 Abs. 3 VO angeordneten Leinenzwang.
Ihm liegen Erwägungen zu Gefährdungen oder Belästigungen von Menschen, Hunden oder anderen Tieren durch das unberechenbare Verhalten frei umherlaufender Hunde zugrunde. Eine abstrakte Gefahrenlage ist insoweit unter dem Gesichtspunkt einer Beeinträchtigung unterschiedlicher Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit anzuerkennen.
Das gilt vornehmlich für die Individualrechtsgüter wie Leben, Gesundheit und Eigentum (insbesondere an anderen Tieren), soweit direkt durch das unberechenbare tierische Verhalten von Hunden - wie insbesondere Beißen, Anspringen, Hetzen, Reißen, Schnappen, Umherjagen, Beschnüffeln - die genannten Rechtsgüter beeinträchtigt werden. Es ist zwar fraglich, ob die auf diesem typischen Verhaltensrepertoire frei umher laufender Hunde beruhenden Verletzungsgefahren bei anderen Hunden oder Menschen bereits allein durch die von der Antragsgegnerin überreichten Unterlagen belegt werden. Das gilt vornehmlich für die - sich auf einen Zeitraum von ca. dreieinhalb Jahren beziehenden - statistischen Angaben in den Verwaltungsvorgängen zu Beißunfällen im Gebiet der Antragsgegnerin; sie weisen nur einige Vorfälle mit unangeleinten Hunden aus, die - mangels Hintergrundinformationen - nur bedingt aussagekräftig sind. Im Ergebnis kann jedoch offen bleiben, ob die in den beigezogenen Unterlagen der Antragsgegnerin enthaltenen Erkenntnisse die Gefahrenprognose allein stützen können.
Die erforderliche abstrakt-generelle Gefahr der Verletzung von Menschen und Tieren durch unangeleinte Hunde folgt jedenfalls schon aus der allgemeinen Lebenserfahrung. Zur Annahme einer abstrakten Gefahr reicht aus, dass die Sachverhalte, an die eine ordnungsbehördliche Verordnung anknüpft, nach der Lebenserfahrung geeignet sind, im Regelfall Gefahren zu verursachen. Geboten ist damit nur eine typisierende prognostische Beurteilung der Gefahrenlage (vgl. nur Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 4. Auflage 2005, § 11 Rn. 625). In diesem Zusammenhang kann auch auf eine bestehende allgemeine Lebenserfahrung abgestellt werden (vgl. nur OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. September 2006 - 7 C 10539/06 - DÖV 2007, 82). Eine solche wird namentlich für Situationen, in denen sich Hunde und Menschen begegnen, wegen der (potentiellen) Konfliktträchtigkeit anzunehmen sein. Dementsprechend geht die überwiegende Rechtsprechung ohne weiteres vom Bestehen einer abstrakten Gefahr bei frei umherlaufenden Hunden wegen der von ihnen ausgehenden Verletzungsgefahren aus (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Juli 1989 - 1 S 3107/88 - ESVGH 39, 288 = DVBl. 1989, 1007 = NVwZ-RR 1990, 16 m. w. N.; OVG Berlin, Urteil vom 11. September 1992 - 2 B 3/90 - LKV 1993, 169 m. w. N.; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. September 2006 - 7 C 10539/06 - DÖV 2007, 82 m. w. N.; dazu wohl auch neigend: BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2002 - 6 CN 8.01 - a. a. O.; a. A. Niedersächsisches OVG, Urteil vom 27. Januar 2005 - 11 KN 38/04 - NordÖR 2005, 179).
Diese Beurteilung wird durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach es am erforderlichen fachwissenschaftlichen Nachweis für einen kausalen Zusammenhang zwischen Rassezugehörigkeit des Hundes und der Gefahr des Schadenseintritts fehle, nicht in Frage gestellt. Das gilt insbesondere für die Aussage des Gerichts, es sei nicht offenkundig, dass von Hunden im Allgemeinen und von solchen bestimmter Größe und Beißkraft in erhöhtem Maße eine abstrakte Gefahr im Sinne des allgemeinen Sicherheitsrechts ausgehe (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2002 - 6 CN 8.01 - a. a. O.). Das Bundesverwaltungsgericht hat damit die Möglichkeit, das Vorliegen einer abstrakten Gefahr aus offenkundigen Tatsachen abzuleiten, ausdrücklich nur mit der Begründung verneint, es sei bei der rechtlichen Beurteilung der betreffenden ordnungsbehördlichen Verordnung (der Niedersächsischen Gefahrtier-Verordnung) an das zugrunde liegende Regelungskonzept gebunden, das an die Zugehörigkeit von Hunden zu bestimmten Rassen und Typen anknüpfe. Es hat insoweit in seinem Urteil vom 3. Juli 2002 - 6 CN 8.01 - a. a. O. näher ausgeführt:
"... die niedersächsische Gefahrtier-Verordnung knüpft nicht an diejenigen Gefahren an, die wegen der Unberechenbarkeit des tierischen Verhaltens mit der Haltung von Hunden allgemein oder von solchen bestimmter Größe oder Beißkraft verbunden sind. Vielmehr sieht der Verordnungsgeber Hunde bestimmter Rassen und eines bestimmten Typs als besonders gefährlich an ... Das Regelungskonzept der Verordnung lässt es nicht zu, die Aufzählung in § 1 Abs. 1 GefTVO als Benennung besonders gefährlicher Hunde aufzufassen, die nicht wegen ihrer genetischen Herkunft, sondern wegen anderer bei ihnen typischerweise gegebenen Merkmale wie etwa ihrer Größe oder Beißkraft erfasst werden. Das erkennende Gericht ist bei der Beurteilung der Rechtsgültigkeit der Verordnung an das ihr zugrunde liegende Regelungskonzept gebunden und darf dieses nicht durch ein anderes Konzept ersetzen. Infolgedessen kommt es nicht darauf an, dass der Verordnungsgeber möglicherweise bereits nach der geltenden Gesetzeslage zur Abwehr der von Hunden unzweifelhaft ausgehenden Gefahren eine rechtsgültige Verordnung mit anderem Inhalt hätte erlassen können. Auch wenn diese Frage - wofür vieles spricht - zu bejahen wäre, würde das an dem dargestellten Rechtsmangel des hier umstrittenen Regelungswerks nichts ändern."
An dieser Auffassung hat das Bundesverwaltungsgericht auch in der Folgezeit festgehalten (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2002 - 6 CN 1.02 -Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 73 zur Schleswig-Holsteinischen Gefahrhundeverordnung).
Demgegenüber überzeugt die dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. Januar 2005 - 11 KN 38/04 - (NordÖR 2005, 179) zugrunde liegende Auffassung nicht, für die Annahme einer von allen Hunderassen ausgehenden abstrakten Gefahr bedürfe es eines wissenschaftlichen Beleges, an dem es fehle (vgl. insbesondere die Ausführungen unter Sp. 44, Juris). Diese Rechtsprechung beruht wohl auf einem Missverständnis der Maßgaben des in Bezug genommenen Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Juli 2002 - 6 CN 8.01 -(a. a. O.). Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht scheint den vom Bundesverwaltungsgericht als maßgeblich erachteten Gesichtspunkt der Bindung an das Regelungskonzept der angegriffenen Verordnung übersehen zu haben.
Die Antragsgegnerin war mithin nicht gehalten, für eine Gefahrenprognose auf nähere wissenschaftliche Erkenntnisse zu den direkt vom unberechenbaren tierischen Verhalten von Hunden im Allgemeinen ausgehenden Gefahren für die vorbezeichneten Rechtsgüter zurückzugreifen, wie die Antragsteller meinen. Eine diesbezügliche Sachaufklärung - etwa durch zusätzliche statistische Erhebungen oder Einholung fachlicher Erkenntnisse - ist nicht schon deshalb veranlasst, weil die Antragsteller die Einschätzung der Behörde zur Gefahrenlage für fehlerhaft halten.
Die Antragsteller stellen selbst nicht in Abrede, dass es durch freilaufende Hunde vereinzelt zu Gefährdungen von Personen oder Tieren kommen kann. Sie bewerten entsprechende Vorfälle - als tatsächliche Grundlagen der Gefahrenprognose - nur in anderer Weise als die Antragsgegnerin.
Darüber hinaus begründet das subjektive Unsicherheitsgefühl, das schon durch das Umherlaufen nicht angeleinter Hunde bei Menschen in örtlicher Nähe hervorgerufen werden kann, selbst eine abstrakte Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Dafür kommt es nicht darauf an, ob ein solches (subjektives) Unsicherheitsgefühl einer tatsächlichen (objektiven) Gefährdung von Personen oder Sachen entspricht. Schon allein der Umstand, dass ein frei herumlaufender Hund bei anderen Menschen, insbesondere wenn er etwa auf sie zuläuft, (gegebenenfalls unbegründete) Ängste und Unbehagen hervorrufen kann, birgt in sich die nicht fernliegende Gefahr, dass die betreffenden Menschen in ihrer Freiheit, sich auch außerhalb geschützter Räume angstfrei und unbefangen bewegen zu können, beeinträchtigt werden. Solche Beeinträchtigungen sind nicht nur zu erwarten, wenn Hunde - wie insbesondere beim Schnappen, Anspringen oder Nachrennen - sich unberechenbar verhalten. Sie können auch von gut erzogenen und in der Regel gehorsamen Hunden beim freien Herumlaufen ohne weiteres bei ängstlichen Menschen entstehen. Das gilt umso mehr, als Menschen, die die Begegnung mit einem Hund angstbesetzt erleben, unsicher reagieren dürften. Ein von einem Hund wahrgenommenes ängstliches Verhalten kann bei ihm weitere Reaktionen auslösen, die die Angst der betreffenden Menschen noch vergrößert, und auf diese Weise einen "gefahrenerhöhenden Kreislauf" in Gang setzen. Auch solche erst durch mögliche "Fehlreaktionen" von Passanten ausgehende Verhaltensweisen von Hunden sind als "hundetypisch" einzuordnen und in die Beurteilung einzubeziehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. Juli 1967 - I 195/66 - ESVGH 18, 19; Bayerischer VGH, Urteil vom 18. Februar 2004 - 24 B 03.645 - DÖV 2004, 579 = BayVBl. 2004, 535 = NVwZ-RR 2005, 35 m. w. N.).
Solche durch die Begegnung mit Hunden ausgelösten Ängste sind unabhängig davon, ob sie objektiv begründet sind, jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der öffentlichen Sicherheit rechtserheblich, weil sie andere Menschen in ihrem Anspruch, "frei von Angst ihrer Wege gehen zu dürfen" (Art. 2 Abs. 1 GG), beeinträchtigen (vgl. Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Auflage 2001, F 84 m. w. N.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Juli 1989 - 1 S 3107/88 - a. a. O. m. w. N.; OVG Berlin, Urteil vom 11. September 1992 - 2 B 3/90 - a. a. O. m. w. N.; a. A. wohl Niedersächsisches OVG, Urteil vom 27. Januar 2005 - 11 KN 38/04 - a. a. O.).
In welchen Fällen ein durch das freie Umherlaufen eines Hundes bei einem Passanten hervorgerufener Angst- oder Schockzustand eine solche Intensität aufweist, dass er zugleich als Eingriff in die Gesundheit einzustufen wäre, braucht mithin nicht erörtert zu werden. Ebenso kann dahin gestellt bleiben, ob und in welchen Fällen die von frei umherlaufenden Hunden ausgehenden bloßen Belästigungen auch unter dem Gesichtspunkt einer Störung der öffentlichen Ordnung eine abstrakte Gefahr begründen können.
Ausgehend von den dargestellten abstrakten Gefährdungslagen können auch die Regelungen in § 11 Abs. 4 VO auf die Verordnungsermächtigung des § 27 Abs. 1 ThürOBG gestützt werden. Sie betreffen Verhaltenspflichten, die letztlich der Effektivität des allgemeinen Leinenzwangs im Hinblick auf den ihm zugrunde liegenden Regelungszweck dienen, den vom unkontrollierbaren Verhalten frei herumlaufender Hunde ausgehenden (abstrakten) Gefahren für die Gesundheit, das Eigentum und die Freiheit anderer Menschen zu begegnen. Damit ist die Verordnungsermächtigung des § 27 Abs. 1 ThürOBG als Rechtsgrundlage für die in § 11 Abs. 4 VO angeordneten Verhaltenspflichten gleichermaßen geeignet wie für den in § 11 Abs. 3 geregelten Leinenzwang selbst.
Der allgemeine Leinenzwang für Hunde erweist sich ferner als verhältnismäßig.
Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz belässt dem Normgeber bei der Festlegung der von ihm ins Auge gefassten Regelungsziele wie bei der Beurteilung dessen, was er zur Verwirklichung dieser Ziele für geeignet und erforderlich halten darf, einen weiten Einschätzungs- und Prognosespielraum, der je nach der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter nur in begrenztem Umfang überprüft werden kann. Insbesondere bei der gerichtlichen Kontrolle der Zwecktauglichkeit einer Rechtsvorschrift ist Zurückhaltung geboten. Die diesbezügliche Einschätzung des Normgebers ist erst dann zu beanstanden, wenn das eingesetzte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zieles "objektiv untauglich oder ungeeignet" bzw. "schlechthin ungeeignet" ist (zum Beurteilungsspielraum des Normgebers hinsichtlich der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Regelung vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 1986 - 1 BvL 26/83 - BverfGE 73, 301 = NVwZ 1987, 401 = DVBl. 1987, 355 m. w. N.; Beschluss vom 9. März 1994 - 2 BvL 43/92 u. a. -BverfGE 90, 145 = NJW 1994, 1577 m. w. N.; Beschluss vom 16. März 2004 - 1 BvR 550/02 - NVwZ 2004, 975 m. w. N.).
Der vom Verordnungsgeber angeordnete allgemeine Leinenzwang bezweckt den Schutz vor den von frei umherlaufenden Hunden - unabhängig von deren Größe oder Beißkraft - generell ausgehenden Gefahren für Leib, Leben, Eigentum und die Freiheit von Menschen, sich auch außerhalb ihrer eigenen geschützten Räumlichkeiten angstfrei und unbefangen zu bewegen. Mit dem in den streitgegenständlichen Vorschriften statuierten allgemeinen Anleinzwang soll das unkontrollierbare Verhalten frei herumlaufender Hunde und den damit verbundenen abstrakten Gefahren für die vorbezeichneten Rechtsgüter begegnet werden.
Ausgehend von diesem Regelungsziel entsprechen die Bestimmungen zum Leinenzwang in § 11 Abs. 3 VO den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Im Hinblick auf die dem Normgeber zuzugestehende Einschätzungsprärogative kann der Regelung die erforderliche Geeignetheit nicht abgesprochen werden. Der allgemeine Leinenzwang verbessert die Kontrolle über das Verhalten von Hunden und fördert damit den von der Antragsgegnerin verfolgten Regelungszweck. Dies liegt für alle Örtlichkeiten und Tageszeiten ohne weiteres auf der Hand. Vernünftigerweise lässt sich nicht ernsthaft in Abrede stellen, dass der an der Leine geführte Hund jedenfalls besser als das frei herumlaufende Tier an unberechenbaren Verhaltensweisen gehindert werden kann.
Dem lässt sich nicht entgegen halten, dass das Anleinen von Hunden deren Aggressionen letztlich steigere und deshalb unzweckmäßig sei. Eine solche Sichtweise nimmt, was die Antragsteller wohl verkennen, nicht nur das Regelungsinstrumentarium selbst, für das sich der Verordnungsgeber zur Bekämpfung der abstrakten Gefahren entschieden hat, in den Blick. Sie läuft vielmehr auf eine Gesamtbetrachtung der Situation dergestalt hinaus, dass Überlegungen zur voraussichtlichen Entwicklung der Aggressivität von Hunden bei Durchsetzung des Leinenzwangs im Geltungsbereich der VO - unter der Annahme fehlender sonstiger Auslaufmöglichkeiten - angestellt werden. Mit dieser Argumentation vergleichen die Antragsteller unzulässigerweise die in den Blick zu nehmenden Gefahrensituationen, deren Bekämpfung die VO dient, mit einer anderen Situation, die erst zu einem späteren Zeitpunkt aufgrund eines - von ihnen hypothetisch angenommenen - bestimmten Entwicklungsverlaufes eintreten würde. Die Argumentation missachtet zudem den dem Verordnungsgeber zuzugestehenden Einschätzungs- und Prognosespielraum, was er zur Verwirklichung der Regelungsziele für geeignet halten darf.
Bei Beachtung der Einschätzungsprärogative des Verordnungsgebers hinsichtlich der Erforderlichkeit zur Zweckerreichung erweist sich die Regelung in § 11 Abs. 3 VO auch als erforderlich, weil andere gleich wirksame Mittel zur Verwirklichung des Regelungsziels nicht zur Verfügung stehen.
Die genannte Regelung entspricht auch dem Gebot der Angemessenheit, der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (vgl. auch § 6 Abs. 2 ThürOBG), in Bezug auf den vom Verordnungsgeber verfolgten Regelungszweck. Im Hinblick auf den hohen Rang, den insbesondere die betroffenen Individualrechtsgüter Leben, Gesundheit, Eigentum und Freiheit von Menschen haben, ist die Anordnung eines Leinenzwangs grundsätzlich als eine angemessene, den betroffenen Hundehaltern bzw. -führern zumutbare Belastung anzusehen (vgl. nur Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Auflage 2001, F 79 und OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21. September 2006 - 7 C 10539/06 - a. a. O.). Trägt der Leinenzwang der Konfliktträchtigkeit bestimmter Situationen, in denen sich Hunde, andere Tiere und Menschen begegnen, Rechnung, ist er rechtlich nicht zu beanstanden, weil damit nur relativ geringfügige, jedenfalls aber im überwiegenden Allgemeininteresse hinzunehmende Einschränkungen für den Tierhalter bzw. -führer verbunden sind. Sie müssen wegen der Befugnis des Verordnungsgebers zu Typisierungen auch von denjenigen Hundehaltern hingenommen werden, deren Tiere wegen ihrer Erziehung oder ihres Charakters mit hoher Wahrscheinlichkeit keine der Gefahren verursachen würden, deren Vermeidung im Einzelnen bezweckt wird (vgl. Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Auflage 2001, F 79; ferner VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Juli 1989 - 1 S 3107/88 - a. a. O.).
Auch die konkrete Ausgestaltung des Leinenzwangs in § 11 Abs. 3 VO stellt sich noch als angemessen dar. Solange im Geltungsbereich einer ordnungsbehördlichen Verordnung ausreichend Flächen vorhanden sind, in deren Bereich Hunde frei laufen können, bestehen im Allgemeinen keine Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit des Leinenzwangs (vgl. Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Auflage 2001, F 79 und OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21. September 2006 - 7 C 10539/06 - a. a. O.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich typischerweise im innerörtlichen Bereich nur begrenzt Flächen für den Freilauf von Hunden ausweisbar sind. Vorliegend verbleiben den Hundehaltern ausreichende Möglichkeiten, ihre Hunde in den Stadt- und Gemeindegebieten unangeleint frei umherlaufen zu lassen. Das trifft für die städtischen Hundewiesen der Antragsgegnerin ebenso zu wie für ihre eigenen Außenbereiche und diejenigen der Vertragsgemeinden. Letztlich vermögen die Antragsteller keine gewichtigen Anhaltspunkte dafür aufzuzeigen, dass bei einer isolierten Betrachtung der Regelung des § 11 Abs. 3 VO - ohne Einbeziehung des in § 11 Abs. 5 VO für die Nachtzeit angeordneten örtlich unbeschränkten Leinenzwangs - die bestehenden Auslaufmöglichkeiten für Hunde in den Stadt- und Gemeindegebieten unter Berücksichtigung der konkreten Gesamtsituation nicht mehr zureichend wären.
Demgegenüber lassen sich tierschutzrechtliche Anforderungen an eine artgerechte Hundehaltung, namentlich die in § 2 Abs. 1 der Tierschutz-Hundeverordnung vom 2. Mai 2001 (BGBl. I S. 838), geändert durch Gesetz vom 19. April 2006 (BGBl. I S. 900), vorgeschriebenen Auslaufmöglichkeiten für Hunde im Freien, nicht ins Feld führen. Etwaige geringfügige Unbequemlichkeiten, die mit dem Aufsuchen der für den freien Auslauf von Hunden geeigneten Örtlichkeiten für einzelne Hundehalter bzw. -führer verbunden sind, müssen diese regelmäßig hinnehmen. Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe des Verordnungsgebers, das artgerechte Halten von Hunden zu ermöglichen, sondern in erster Linie Sache des Hundehalters, für die artgerechte Haltung seines Tieres zu sorgen und sich von diesem gegebenenfalls zu trennen, wenn er dessen artgerechte Haltung nicht mehr gewährleisten kann (vgl. nur VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Juli 1989 - 1 S 3107/88 - a. a. O.).
Die in § 11 Abs. 4 VO angeordneten Verhaltenspflichten genügen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ebenso. Diese Beurteilung unterliegt insoweit keinen anderen Maßstäben. Zur grundsätzlichen Rechtfertigung kann deshalb auf die obigen Ausführungen zur Verhältnismäßigkeitsprüfung hinsichtlich des Leinenzwangs Bezug genommen werden.
Entgegen der Auffassung der Antragsteller sind die Regelungen in § 11 Abs. 3 und 4 VO ferner inhaltlich hinreichend bestimmt.
Das aus dem Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitende und in § 31 Abs. 1 Satz 1 ThürOBG für ordnungsbehördliche Verordnungen spezialgesetzlich geregelte Gebot der hinreichenden Bestimmtheit einer Norm fordert vom Normgeber, seine Regelungen so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart des Sachbereichs und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Der Betroffene soll in zumutbarer Weise feststellen können, welches Verhalten verboten oder geboten ist, damit er sein Handeln darauf einrichten kann. Für die Frage, welche Bestimmtheitsanforderungen im Einzelnen erfüllt sein müssen, ist auch die Intensität der von der Regelung ausgehenden oder durch sie zugelassenen Einwirkungen auf die Normadressaten von Belang. Lässt sich der Tatbestand eines Verbots oder Gebots aufgrund der Eigenart des Sachbereichs mit beschreibenden Merkmalen nicht ausreichend kennzeichnen, darf der Normgeber auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurückgreifen. In jedem Fall müssen sich aus Wortlaut, Zweck und Zusammenhang der Regelung objektive Kriterien entwickeln lassen, die eine willkürliche Handhabung der Norm durch die für die Vollziehung zuständigen Behörden ausschließen. Mögliche Nachteile einer dennoch verbleibenden Unbestimmtheit können bis zu einem gewissen Grad durch ein rechtsstaatliches Verfahren, insbesondere durch die gerichtliche Kontrolle, ausgeglichen werden (vgl. hierzu nur BVerfG, Beschluss vom 24. November 1981 - 2 BvL 4/80 - BverfGE 59, 104 [114] = NJW 1982, 1275).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der in § 11 Abs. 3 VO angeordnete Leinenzwang nach seinem räumlichen Geltungsbereich hinreichend abgegrenzt. Dies gilt zunächst hinsichtlich der von den Antragstellern geltend gemachten Unsicherheiten darüber, welche Gebietsbereiche im Einzelnen nach dem in der Vorschrift des § 11 Abs. 3 Satz 1 VO genannten Abgrenzungskriterium "innerhalb der bebauten Ortsteile (§§ 30 und 34 Baugesetzbuch)" in den Geltungsbereich fallen.
Schon im Ausgangspunkt ihrer Argumentation, für den "Normalbürger" sei nicht ohne weiteres ersichtlich, welche Ortsteile der Gemeinde im Einzelnen noch den für die Qualifizierung als Innenbereich erforderlichen Bebauungszusammenhang aufwiesen, verfehlen die Antragsteller das von der Antragsgegnerin gewählte Abgrenzungskriterium. Denn die Antragsgegnerin hat sich mit der Formulierung "innerhalb der bebauten Ortsteile (§§ 30 und 34 Baugesetzbuch)" in § 11 Abs. 3 Satz 1 VO nicht für eine Abgrenzung des Außen- und Innenbereiches im engeren, bauplanungsrechtlichen Sinne entschieden. Vielmehr deutet schon der Wortlaut der Bestimmung darauf hin, dass das dort genannte Tatbestandsmerkmal "innerhalb der bebauten Ortsteile" lediglich den bebauten Ortsteil i. S. v. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB betrifft, nicht hingegen auch den in derselben Vorschrift erwähnten Bebauungszusammenhang erfasst. Diese Auslegung nimmt nicht nur darauf Rücksicht, dass das bauplanungsrechtliche Abgrenzungskriterium der "im Zusammenhang bebauten Ortsteile" i. S. v. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB letztlich aus zwei - wenn auch inhaltlich aufeinander bezogenen - Tatbestandsmerkmalen besteht (zu den Voraussetzungen der "im Zusammenhang bebauten Ortsteile" i. S. v. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB vgl. nur Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 9. Auflage 2005, § 34 Rn. 1 a. E. bis Rn. 8 m. w. N.), und die Antragsgegnerin nur eines dieser Tatbestandsmerkmale in der VO in Bezug genommen hat.
Sie vermeidet auch innere Unstimmigkeiten im Verhältnis der unterschiedlichen Regelungen des § 11 Abs. 3 VO untereinander. Die in § 11 Abs. 3 Sätze 2 und 3 VO in Bezug genommenen städtischen Hundewiesen wären nach bauplanungsrechtlichen Gesichtspunkten angesichts ihrer jeweiligen Größe jedenfalls als Außenbereich zu qualifizieren. Deshalb würde der in § 11 Abs. 3 Satz 1 VO angeordnete allgemeine Anleinzwang für Hunde auf diesen Gebietsarealen ohnehin nicht gelten, verstünde man die in § 11 Abs. 3 Satz 1 VO genannten "bebauten Ortsteile" lediglich als Kurzfassung der "im Zusammenhang bebauten Ortsteile" i. S. v. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB, mit der auf eine Abgrenzung des Außen- und Innenbereiches im engeren Sinne abgestellt wird. Der Regelungen des § 11 Abs. 3 Sätze 2 und 3 VO bedürfte es in diesem Falle nicht mehr, da auf den dort genannten Hundewiesen Hunde schon nach § 11 Abs. 3 Satz 1 VO unangeleint, frei umher laufen dürften.
Ferner verweist die Regelung des § 11 Abs. 3 Satz 1 VO - im Zusammenhang mit dem Tatbestandsmerkmal "innerhalb der bebauten Ortsteile" - in einem Klammerzusatz auf die Vorschriften der §§ 30 und 34 BauGB. Es liegt nahe, diesen Hinweis so zu verstehen, dass die Rechtsvorschriften - im Sinne einer Erläuterung - bei der Auslegung der Formulierung mit zu berücksichtigen sind. Dieses Verständnis macht - angesichts der gesondert in Bezug genommenen weiteren Vorschrift des § 30 BauGB - aber wiederum nur dann Sinn, wenn vom Verordnungsgeber eine Abgrenzung des Außen- und Innenbereiches nach bauplanungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht gewollt ist.
Die vorgenannten Erwägungen drängen zu der Annahme, dass die Antragsgegnerin sich in § 11 Abs. 3 Satz 1 VO der Sache nach für ein Abgrenzungskriterium entschieden hat, das sich auch mit den Begriffen "geschlossene Ortslage" oder "bebaute Ortslage" umschreiben lässt. Diese räumliche Festlegung genügt noch den an die Verordnung zu stellenden inhaltlichen Bestimmtheitsanforderungen.
Zur Formulierung "innerhalb bebauter Ortslagen" hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz im bereits mehrfach zitierten Urteil vom 21. September 2006 - 7 C 10539/06 - a. a. O. ausgeführt:
"...Das Tatbestandsmerkmal 'innerhalb bebauter Ortslagen' lässt sich nach Wortlaut und Zweck der Regelung hinreichend bestimmen. Für den rechtsunkundigen, aber verständigen, durchschnittlichen Hundehalter ist ohne weiteres erkennbar, dass er seinen Hund dort anleinen muss, wo gewöhnlich mit dem Erscheinen von Personen und/oder anderen Tieren zu rechnen ist. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn eine nicht nur vereinzelte Bebauung mit Wohnhäusern oder sonstigen Gebäuden besteht. Insofern ist der Auffassung der Antragsgegnerin ausdrücklich zuzustimmen, wonach 'man weiß, dass nach der letzten Bebauung die Ortslage endet und mit der ersten Bebauung die Ortslage beginnt'. Gerade mit Blick auf die geringe Eingriffsintensität, die mit dem bloßen Anleinen des Tieres verbunden ist, und dem schützenswerten Interesse Dritter, durch das unberechenbare Verhalten freilaufender Hunde nicht gefährdet zu werden, ist es nicht zu beanstanden, wenn die Antragsgegnerin den gefahrenabwehrrechtlich zu verstehenden Begriff der bebauten Ortslage verwendet. Dieser stimmt gerade nicht mit dem bauplanungsrechtlichen Tatbestandsmerkmal des 'innerhalb des im Zusammenhang bebauten Ortsteils' im Sinne des § 34 BauGB überein. Von dem betroffenen Normadressaten wird deshalb keine Kenntnis der Rechtsprechung zur Abgrenzung von Innen- und Außenbereich erwartet. Vielmehr kann das Verhalten ohne weiteres an dem oben beschriebenen Normziel ausgerichtet werden. Das genügt (polizei- und verfassungs-) rechtlichen Anforderungen an eine bestimmte Regelung. Insbesondere war es nicht geboten, den räumlichen Geltungsbereich der Gefahrenabwehrverordnung parzellenscharf abzugrenzen. Anders als beispielsweise in einer Landschaftsschutzverordnung, durch die insbesondere die Bebaubarkeit und damit die wirtschaftliche Ausnutzbarkeit von Grundstücken regelmäßig erheblich eingeschränkt wird, ist die Reichweite des hier zur Prüfung stehenden Gebotstatbestands mit Blick auf die Eigenart des zu regelnden Sachverhalts und die vergleichsweise nur geringe Eingriffsintensität ausreichend beschrieben."
Es ist nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin mit der von ihr gewählten Formulierung "innerhalb der bebauten Ortsteile" in § 11 Abs. 3 Satz 1 VO in der Sache ein anderes Abgrenzungskriterium wählen wollte und sich hier deshalb Bestimmtheitsfragen in anderer Weise als in dem vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz entschiedenen Fall stellen. Dessen Erwägungen, die der Senat sich zu eigen macht, sind wegen des inhaltsgleichen Abgrenzungskriteriums vielmehr auf den vorliegenden Fall übertragbar. Umstände, die ihre Richtigkeit in Frage stellen könnten, sind weder von den Verfahrensbeteiligten vorgetragen worden noch sonst für den Senat ersichtlich. Allein der Hinweis darauf, dass die Abgrenzung für den mit baurechtlichen Begriffen nicht vertrauten Bürger nicht eindeutig sei (so zur Formulierung "innerhalb der geschlossenen Ortslage": Niedersächsisches OVG, Urteil vom 27. Januar 2005 - 11 KN 38/04 - a. a. O., das eine entsprechende Regelung in einer ordnungsbehördlichen Verordnung für mit dem Bestimmtheitsgebot nicht mehr vereinbar angesehen hat), vermag eine anderweitige Beurteilung nicht zu rechtfertigen.
Die Bezugnahme auf die "bebauten Ortsteile (§§ 30 und 34 Baugesetzbuch)" in § 11 Abs. 3 Satz 1 VO verstößt ebenso wenig gegen § 31 Abs. 1 Satz 2 ThürOBG. Nach dieser Vorschrift, die eine spezialgesetzliche Ausprägung des allgemeinen Bestimmtheitsgrundsatzes enthält, sind Hinweise auf Anordnungen außerhalb von ordnungsbehördlichen Verordnungen unzulässig, soweit diese Anordnungen Gebote oder Verbote von unbeschränkter Dauer enthalten. Diese Bestimmung ist offensichtlich nicht einschlägig. Der Hinweis in der Regelung des § 11 Abs. 3 Satz 1 VO hat kein Gebot oder Verbot zum Gegenstand, sondern erschöpft sich in der Angabe von Rechtsvorschriften, die bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals ("innerhalb der bebauten Ortsteile") mit zu berücksichtigen sind.
Bedenken gegen die inhaltliche Bestimmtheit bestehen ebenso wenig hinsichtlich der in § 11 Abs. 3 Sätze 2 und 3 VO geregelten Ausnahmen vom Leinenzwang für die in der Anlage zur Verordnung im Einzelnen aufgeführten städtischen Hundewiesen. Weder ist von den Verfahrensbeteiligten dargetan noch sonst ersichtlich, dass Unklarheiten etwa in Bezug auf die Lage oder die Grenzen dieser Freilaufflächen bestehen könnten, zumal die genannten Hundewiesen auch durch entsprechende Hinweistafeln vor Ort ausgewiesen sind.
Auch die Regelungen in § 11 Abs. 4 VO genügen den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes. Das gilt insbesondere für die in Satz 1 statuierte Verantwortlichkeit des Hundehalters dafür, dass Hunde im innerörtlichen Bereich nur von solchen Personen geführt werden, die von der körperlichen Konstitution her in der Lage sind, die Hunde jederzeit sicher an der Leine zu halten. Welche körperlichen Voraussetzungen die Person, die einen Hund führt, damit konkret erfüllen muss, lässt sich der Regelung selbst nicht unmittelbar entnehmen; dies ist unschädlich. Im Hinblick auf ihren Zweck sicherzustellen, dass die Kontrolle über einen Hund mit einer Leine überhaupt sachgerecht ausgeübt werden kann, er sich insbesondere nicht losreißt, entscheiden über die Anforderungen an die körperliche Konstitution zwangsläufig die konkreten Umstände, nämlich die Eigenschaft des Hundes, wie etwa dessen Größe und Stärke. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Regelung des Satzes 2, wonach die Leine so beschaffen sein muss, dass der Hund sicher gehalten werden kann, sowie der diese Verhaltenspflicht näher konkretisierenden Regelung hinsichtlich der Leinenlänge in Satz 3. Welches Verhalten damit von Personen, die einen Hund halten oder führen, gefordert wird, wird damit ausschnittweise umschrieben. Der Antragsgegnerin wäre es auch unbenommen gewesen, lediglich eine allgemeine Verhaltenspflicht für das Führen eines Hundes (an der Leine) im Hinblick auf die Vermeidung von Gefahren oder Belästigungen anzuordnen, etwa dahingehend, dass Hunde so (an der Leine) zu führen sind, "dass Personen, andere Tiere und Sachen nicht gefährdet oder geschädigt sowie Personen nicht belästigt werden" (vgl. nur § 6 Abs. 1 Satz 1 der Ordnungsbehördlichen Verordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Landeshauptstadt Erfurt vom 16. Mai 2003). Die inhaltliche Bestimmtheit einer solchen Regelung wäre ebenso wenig fraglich wie entsprechende Verhaltensanforderungen allgemeiner Art in anderen Sachbereichen des Ordnungs- und Polizeirechts (vgl. etwa nur das allgemeine Rücksichtnahmegebot im Straßenverkehr gemäß § 1 Abs. 2 StVO). Die Antragsgegnerin hat sich dafür nicht entschieden, sondern auch in Bezug auf das Führen des Hundes an der Leine Verhaltensanforderungen an den Führer bzw. Halter eines Hundes gestellt, die keine größeren Unklarheiten aufwerfen als eine - auf den Umgang mit Hunden bezogene -allgemeine Verhaltenspflicht. Sie mögen - ausgehend vom Regelungsziel des Verordnungsgebers - gegebenenfalls unzureichend sein. Dies berührt indessen nicht die Frage der inhaltlichen Bestimmtheit.
Die Regelungen in § 11 Abs. 3 und 4 VO stehen ferner mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) im Einklang.
Eine Verletzung dieses Grundsatzes ergibt sich nicht daraus, dass die Antragsgegnerin einen allgemeinen Leinenzwang für sämtliche Hunde angeordnet und nicht nach Art, Größe oder Beißkraft der Hunde differenziert hat. Denn ein Normgeber darf - ausgehend von einer grundsätzlich bestehenden abstrakten Gefahr durch freilaufende Hunde - Sachverhalte typisieren und damit in einer abstraktgenerellen Regelung Besonderheiten des einzelnen Falles (wie etwa bei Kleinsthunden) vernachlässigen (vgl. nur OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21. September 2006 - 7 C 10539/06 - a. a. O. m. w. N.). Wegen der geringen Eingriffsintensität ist der Verordnungsgeber nicht einmal verpflichtet, Ausnahmeregelungen für atypische Fälle zu schaffen (vgl. Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Auflage 2001, F 79).
Soweit die Regelung in § 11 Abs. 8 VO eine Ausnahme vom Leinenzwang und von den hieran anknüpfenden weiteren Verhaltensanforderungen in § 11 Abs. 4 VO für die von Blinden oder hochgradig Sehbehinderten mitgeführten Blindenhunde vorsieht, begründet dies ebenfalls keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Die den unterschiedlichen Regelungen zugrunde liegenden Sachverhalte sind schon nicht miteinander vergleichbar, so dass eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von vornherein nicht zu erwägen ist. Die Antragsteller weisen selbst darauf hin, dass Blindenhunde blinde Personen oder hochgradig Sehbehinderte nur dann führen können, wenn sie mit ihnen durch ein - aus leichten Metall- und Kunststoffstangen bestehendes - Gestell unmittelbaren und festen Körperkontakt haben. Der Einsatz einer Hundeleine scheidet deshalb in den Fällen, in denen sich Blinde oder hochgradig Sehbehinderte eines Blindenhundes bedienen, naturgemäß von vornherein aus. Vor dem Hintergrund dieser Sachlage ist offensichtlich, dass die Antragsgegnerin glaubte, für den beschriebenen Sachverhalt eine gegebenenfalls überflüssige Ausnahmebestimmung vorsehen zu müssen, um Regelungslücken in der Verordnung zu vermeiden.
Die angegriffenen Regelungen stehen im Ergebnis auch nicht im Widerspruch zu den Vorschriften der vom Thüringer Landesverwaltungsamt erlassenen Thüringer Gefahren-Hundeverordnung - ThürGefHuVO - (hier: i. d. F. der Bekanntmachung vom 21. März 2005 [ThürStAnz. S. 748]) als höherrangigem Recht. Das gilt auch unter dem Gesichtspunkt, dass nach § 30 Abs. 2 ThürOBG eine nachgeordnete Behörde ergänzende Regelungen durch eine ordnungsbehördliche Verordnung nur dann und insoweit treffen darf, als dies eine von einer höheren Behörde in derselben Angelegenheit bereits erlassene Verordnung ausdrücklich zulässt. Die in der Thüringer Gefahren-Hundeverordnung enthaltenen Vorschriften lösen keine Sperrwirkung dergestalt aus, dass es unteren Ordnungsbehörden verwehrt wäre, in ordnungsbehördlichen Verordnungen - wie hier geschehen - einen allgemeinen Leinenzwang für Hunde jeglicher Art anzuordnen. Das folgt schon - in Bezug auf die möglichen Gefahrenquellen beim Umgang mit Hunden - aus den unterschiedlichen Regelungsgegenständen der Thüringer Gefahren-Hundeverordnung einerseits und den streitgegenständlichen Vorschriften in der VO der Antragsgegnerin andererseits.
Beim Umgang mit Hunden lassen sich typischerweise drei Gefahrenquellen voneinander unterscheiden, die als Anknüpfungspunkt für Verhaltensanforderungen fungieren können: gefahrenträchtige Situationen, gefährliche Hunde, ungeeignete Personen. Auf diese Gefahrenquellen können die Ordnungsbehörden mit allgemeinen Verhaltensanordnungen für den Umgang mit Hunden überhaupt, mit besonderen Verhaltensanforderungen für den Umgang mit als "gefährlich" eingestuften Hunden sowie mit Anforderungen an die Person des Halters der Hunde reagieren (vgl. Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Auflage 2001, F 76). Mit dem Erlass der Thüringer Gefahren-Hundeverordnung hat das Thüringer Landesverwaltungsamt von der ihm eröffneten Möglichkeit, den von bestimmten - als "gefährlich" erachteten - Hunden ausgehenden Gefahren zu begegnen, umfassend Gebrauch gemacht. Damit dient die Thüringer Gefahren-Hundeverordnung dem Zweck, den Schutz der Bevölkerung und den Schutz anderer Tiere vor "gefährlichen Hunden" zu verbessern. Die Verordnung regelt indessen nicht die von Hunden generell in bestimmten - gefahrenträchtigen - Situationen ausgehenden Gefahren (vgl. auch § 12 ThürGefHuVO). Nur solche sind Gegenstand der streitgegenständlichen Verordnung der Antragsgegnerin. Besteht damit schon angesichts der unterschiedlichen Gefahrenquellen, an die die Verordnungen inhaltlich anknüpfen, keine Parallelität der Regelungsziele, können die Vorschriften der Thüringer Gefahren-Hundeverordnung eine Sperrwirkung im Verhältnis zu den streitgegenständlichen Regelungen nicht entfalten.
2. Indessen ist die Bestimmung des § 11 Abs. 5 VO, die den generellen Leinenzwang im gesamten Stadt- und Gemeindegebiet der Antragsgegnerin und ihrer Vertragsgemeinden während der Nachtzeit anordnet, unwirksam. Sie stellt sich als unverhältnismäßig dar, weil sie den Anforderungen der Angemessenheit nicht mehr Stand hält.
Im Hinblick auf das der Bestimmung zugrunde liegende Regelungsziel ist nicht mehr erkennbar, dass der Verordnungsgeber eine noch angemessene Regelung gefunden hat. Der für die Nachtzeit angeordnete örtlich unbeschränkte Leinenzwang bezweckt, die Kontrolle über das grundsätzlich unberechenbare Verhalten von Hunden gerade für Zeiten absoluter Dunkelheit - wegen des nur noch eingeschränkt vorhandenen Blickkontakts zwischen einem Hund und dessen Führer - besonders abzusichern. Zu diesem Anliegen stehen die mit dem Leinenzwang verbundenen Rechtsgutbeeinträchtigungen außer Verhältnis. Denn wegen des örtlich uneingeschränkten Leinenzwangs in der Nachtzeit - unabhängig von der Jahreszeit -verbleiben den Hundehaltern im Ergebnis kaum noch Gelegenheiten, ihre Hunde in den Stadt- und Gemeindegebieten der Antragsgegnerin und ihrer Vertragsgemeinden unangeleint, frei umherlaufen zu lassen. Insbesondere in den Wintermonaten - mit kurzem Tageslicht - bedeutet dies, dass für eine weit überwiegende Zeitspanne des Tages Hunde im Geltungsbereich der VO praktisch nur noch angeleint geführt werden dürften. Das wirkt sich gerade im Zusammenhang damit, dass auch tagsüber das Ausführen des Hundes ohne Leine in allen geschlossenen Ortslagen verboten ist, besonders einschneidend für die Möglichkeiten der Hundehalter aus, ihren Tieren einen regelmäßigen Auslauf im Freien zu gewähren. Damit werden einer Vielzahl von Hundehaltern, die nicht entsprechend große und zum Auslauf von Hunden im Freien geeignete private Grundstücke nutzen können, überhöhte organisatorische Anstrengungen abverlangt, um ihren Hunden noch einen regelmäßigen freien Auslauf zu ermöglichen. Das gilt umso mehr, als dafür auch tagsüber außerhalb der geschlossenen Ortschaften nicht sämtliche Gebietsteile zur Verfügung stehen. So sind gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 ThürWaldG in den Wäldern Hunde, sofern sie nicht dort zur Jagd eingesetzt werden, generell, auch tagsüber, an der Leine zu führen. Zu berücksichtigen ist im Rahmen der Zumutbarkeitsbeurteilung ferner, dass das Halten eines Hundes ein sozialtypisches Verhalten darstellt, das ein Verordnungsgeber - ungeachtet des ihm zuzugestehenden weiten Gestaltungsspielraumes - nicht in einer Weise reglementieren darf, dass damit dem "Normalbürger", der nicht private große, für einen freien Auslauf geeignete Areale besitzt, eine artgerechte Hundehaltung praktisch kaum oder nur noch bei überhöhten organisatorischen Anstrengungen möglich wäre. Auch in Ansehung des hohen Ranges der betroffenen Individualrechtsgüter Dritter - wie Leben, Gesundheit, Eigentum und Freiheit -, deren Schutz der Leinenzwang dienen soll, kann dieser, soweit er - wenn auch nur für die Nachtzeit - örtlich unbeschränkt in allen Stadt- und Gemeindegebieten gelten soll, nicht mehr als eine noch den Hundehaltern zumutbare Belastung angesehen werden (zur Verhältnismäßigkeit eines allgemeinen Leinenzwangs außerhalb "bebauter Ortslagen" bei "nicht einsehbaren Flächen" vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21. September 2006 - 7 C 10539/06 - a. a. O., m. w. N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, da die Antragsteller und die Antragsgegnerin teilweise obsiegen bzw. unterliegen. Der Senat bemisst das mit dem Normenkontrollantrag verfolgte Interesse, soweit er sich auf die Regelung des § 11 Abs. 5 VO bezieht, nur mit einem Viertel des Wertes des gesamten Verfahrensgegenstands. Denn das Interesse der Antragsteller an der Feststellung der Unwirksamkeit der vorgenannten Bestimmung, die nur den Leinenzwang während der Nachtzeit regelt, wiegt gegenüber dem mit dem Normenkontrollantrag verfolgten Interesse, den Leinenzwang im Geltungsbereich der VO insgesamt zu Fall zu bringen, weniger schwer. Damit ergibt sich ein Verhältnis der Teile des Streitgegenstands von 1/4 und 3/4, hinsichtlich derer die Antragsteller und die Antragsgegnerin obsiegen bzw. unterliegen. Die den Antragstellern insgesamt zu 3/4 aufzuerlegenden Kosten sind von allen anteilig - nach Kopfteilen - und damit zu jeweils 15/100 zu tragen (vgl. § 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO), während die Antragsgegnerin mit 1/4 (= 25/100) der Kosten zu belasten ist.
Es entspricht nicht der Billigkeit, den Antragstellern oder der Antragsgegnerin auch die etwaigen außergerichtlichen Kosten des Vertreters des öffentlichen Interesses aufzuerlegen, denn dieser hat im Verfahren keinen Antrag gestellt und ist dementsprechend ein eigenes Kostenrisiko nicht eingegangen (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 154 Abs. 3 Hs. 1 VwGO entsprechend).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) sind nicht ersichtlich.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstands wird auf 25.000,- € festgesetzt.
Gründe
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG i. V. m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Für die Bemessung des Interesses eines Antragstellers an der Feststellung der Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Rechtsvorschriften ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte der Auffangstreitwert gemäß § 52 Abs. 2 GKG (5.000,- €) zugrunde zu legen (vgl. Senatsbeschluss vom 15. März 2007 - 3 N 194/07 -). Die für alle Antragsteller gesondert zu berücksichtigenden Einsatzwerte sind in entsprechender Anwendung des § 5 ZPO zu addieren, so dass sich ein Gesamtstreitwert i. H. v. 25.000,- € ergibt.
Ende der Entscheidung
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