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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 28.08.2008
Aktenzeichen: 4 EO 405/08
Rechtsgebiete: ThürKAG, AO 1977


Vorschriften:

ThürKAG § 7 Abs. 6
ThürKAG § 7 Abs. 7 S. 1
ThürKAG § 15 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b)
AO 1977 § 169 Abs. 2
AO 1977 § 170 Abs. 1
Die Festsetzungsfrist für die Berechnung der Verjährung von Ausbau- und Anschlussbeiträgen beginnt erst mit der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht. Im Falle der Ungültigkeit einer Beitragssatzung beginnt die Festsetzungsfrist gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) cc) 2. Spiegelstrich ThürKAG erst mit Ablauf desjenigen Kalenderjahres zu laufen, in dem die gültige Satzung beschlossen worden ist.
THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 4. Senat - Beschluss

4 EO 405/08

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Beiträgen,

hier: Beschwerde nach §§ 80, 80a VwGO

hat der 4. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Prof. Dr. Aschke, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Blomenkamp und den Richter am Oberverwaltungsgericht Gravert am 28. August 2008 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Weimar vom 10. Juni 2008 - Az.: 6 E 273/08 We - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 15.411,76 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Nachprüfung der Senat im zweiten Rechtszug beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 5 VwGO), ergibt nicht, dass das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche gegen die Beitragsbescheide vom 12.11.2007 (Nr. BB075203044 und BB075203045) zu Unrecht abgelehnt hätte.

Die Antragstellerin macht im Beschwerdeverfahren allein geltend, dass die geforderten Beiträge entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung verjährt oder verwirkt seien. Es sei nicht darauf abzustellen, wann die erste wirksame Satzung in Kraft getreten sei, sondern auf den Zeitpunkt, in dem die Maßnahme abgeschlossen worden sei und bereits eine Beitragssatzung -mag sie auch unwirksam gewesen sein - bestanden habe. Nach der alten Satzung habe die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 1997 zu laufen begonnen; mit Ablauf des Jahres 2001 sei Verjährung eingetreten. Ein betroffener Grundstückseigentümer habe sich auch bei einer unwirksamen Satzung auf deren Wirksamkeit verlassen und nach Ablauf von zehn Jahren darauf vertrauen dürfen, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Die jetzt gültige Satzung sei nie dazu gedacht gewesen, rückwirkend Erschließungssachverhalte zu regeln, sondern habe die vorherige Satzung, die bis dahin als Rechtsgrundlage für Erschließungsmaßnahmen gegolten habe, für die Zukunft abgelöst. Die alte Satzung sei nicht für unwirksam und nicht für nichtig erklärt, sondern nur gegen eine neue Satzung ausgewechselt worden. Wenn man argumentiere wie das Verwaltungsgericht, die alte Satzung ein halbes Jahrzehnt später für nichtig zu erklären, laufe dies auf eine verfassungswidrige echte Rückwirkung hinaus. Offensichtlich solle die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) cc) ThürKAG erreichen, dass im Falle der Nichtigkeit von Satzungen der Verjährungsseinwand nicht erhoben werden könne. Doch dürfe der Beginn der Festsetzungsfrist nach dieser Vorschrift nicht unbegrenzt hinausgezögert werden. Es ergäben sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch bei unechter Rückwirkung von belastenden Gesetzen aus dem Rechtsstaatsprinzip verfassungsrechtliche Grenzen. Der vorliegende Sachverhalt sei ein typischer Fall, in dem auch bei unechter Rückwirkung der Vertrauensschutz des Bürgers in die schon vor Jahren erworbene Rechtsposition überwiege. Dem Vertrauensschutz der Antragstellerin stehe kein überwiegendes Interesse des Allgemeinwohls gegenüber, auch wenn staatliche Organe dessen Kerngehalt mittlerweile bei den Staatsfinanzen sähen. Vorsorglich werde der Einwand der Verwirkung erhoben. Wenn die Inkrafttretensregelung des § 12 TBS-EWS vom 05.05.2003 bestimme, dass die Beitragssatzung vom 23.04.1999 gleichzeitig außer Kraft trete, wolle man offensichtlich gerade nicht den Eindruck der Nichtigkeit und Unwirksamkeit der Vorschriften der vorangegangenen Satzung nach außen hin dokumentieren, sondern genau das Gegenteil. Dies müsse zu Lasten des Satzungsgebers gehen.

Diese Begründung verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Wie bereits im richterlichen Hinweis vom 18.07.2008 dargestellt, steht die erstinstanzliche Entscheidung im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Senats. Danach entsteht die sachliche Beitragspflicht nach den landesrechtlichen Vorschriften nicht bereits mit dem technischen Abschluss einer beitragsfähigen Maßnahme, sondern erst in dem Zeitpunkt, in dem alle gesetzlichen Voraussetzungen für ihre Entstehung erfüllt sind. Zu diesen Voraussetzungen gehört auch die Geltung einer Beitragssatzung. Dies hat der Senat nicht nur zum Straßenausbaubeitragsrecht entschieden (§ 7 Abs. 6 ThürKAG; vgl. Beschluss vom 29.09.1999, 4 ZEO 844/98, DÖV 2000, S. 512 f.; ebenso Beschluss vom 09.05.2000, 4 ZEO 946/98, LKV 2000, S. 548 f.), sondern auch zum Anschlussbeitragsrecht (§ 7 Abs. 7 Satz 1 ThürKAG; vgl. Beschluss vom 01.08.2000, 4 ZEO 154/99, Juris; Beschluss vom 18.03.2002, 4 ZEO 669/01, NVwZ-RR 2003, S. 91 f.). Der Senat hat weiter entschieden, dass auch die Festsetzungsfrist für die Berechnung der Verjährung nach § 15 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) bb) ThürKAG i. V. m. §§ 169 Abs. 2, 170 Abs. 1 AO 1977 nicht mit dem tatsächlichen Abschluss der Maßnahme, sondern erst mit der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht beginnt (Beschluss vom 16.12.2002, 4 EO 866/02, KStZ 2003, S. 114 f.). Auf die genannten Entscheidungen wird verwiesen. Dass dies so ist, wird durch die Bestimmung in § 15 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) cc) zweiter Spiegelstrich ThürKAG bestätigt. Denn nach dieser Vorschrift ist § 170 Abs. 1 AO 1977, der den Beginn der Festsetzungsfrist regelt, mit der Maßgabe anzuwenden, dass im Falle der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf desjenigen Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung beschlossen worden ist.

Die ausdrückliche Regelung in § 15 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) cc) zweiter Spiegelstrich ThürKAG steht auch dem Argument der Antragstellerin entgegen, dass es für den Beginn der Verjährungsfrist nicht auf die Wirksamkeit der Satzung ankomme, sondern nur auf die Existenz einer Satzung, auf deren vermeintliche Wirksamkeit der Bürger irrtümlich vertraue. Wollte man dem Standpunkt der Antragstellerin folgen, dass bereits eine frühere, aber unwirksame Satzung beim Adressaten einen Vertrauensschutz erzeugt, der der Verjährung einer tatsächlich bestehenden Forderung gleichsteht, würde die Verjährungsregelung des § 15 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) cc) zweiter Spiegelstrich ThürKAG in allen Fällen seiner Wirksamkeit beraubt, in denen Satzungen mit erheblichem Zeitverzug nachgebessert werden mussten. Die Auffassung der Antragstellerin führte somit zu einem Ergebnis, das dem Regelungszweck der Norm widerspräche. Denn dem Gesetzgeber ging es mit dieser Vorschrift ersichtlich darum, den Schwierigkeiten der Aufgabenträger bei der Schaffung der satzungsrechtlichen Grundlagen Rechnung zu tragen und ihnen im Falle nachgebesserter, erstmals gültiger Satzungen auch genügend Zeit zu belassen, um sie zu vollziehen. Anderenfalls könnte etwa dann, wenn sich eine Satzung im gerichtlichen Verfahren als nichtig erweist, die verbleibende Zeit zu knapp werden, um eine neue Satzung und auf dieser Grundlage neue Bescheide zu erlassen. Der Senat verkennt dabei nicht, dass in einigen Fällen zwischen der vom Normadressaten erwarteten Möglichkeit, dass der Aufgabenträger ihm gegenüber einen Bescheid erlassen könnte, und dem tatsächlichen Ablauf der Verjährungsfrist erhebliche Zeitspannen liegen können, welche die reguläre Verjährungsfrist bei weitem oder sogar mehrfach überschreiten. Er hat daher die Frage, ob diese Vorschrift verfassungsrechtlich bedenklich sein könnte, zwar schon früher erwogen. Abgesehen davon, dass sich die Vorschrift, wie oben ausgeführt, in die beitragsrechtliche Systematik einfügt, hat er jedoch keine stichhaltigen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit, erst recht keine von solchem Gewicht, dass sie im summarischen Eilverfahren entscheidungserheblich werden könnten (vgl. zur ähnlichen landesrechtlichen Regelung auch BayVGH, Beschluss vom 16.05.2008, 20 ZB 08.903; vgl. ferner OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.12.2007, 9 B 44.06; OVG Brandenburg, Beschluss vom 08.09.2005, 2 B 112/04; alle zitiert nach Juris).

Die Antragstellerin kann sich schließlich nicht auf Verwirkung berufen. Erstens setzt auch die Verwirkung grundsätzlich voraus, dass ein Recht, das über längere Zeit nicht geltend gemacht wird und beim Betroffenen das schützwürdige Vertrauen erzeugt, nicht mehr geltend gemacht zu werden, tatsächlich entstanden ist (vgl. BayVGH, Urteil vom 17.05.2006, 23 CS 06.928, Juris). Des Weiteren würde das ersichtliche Regelungsziel des § 15 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) cc) zweiter Spiegelstrich ThürKAG unterlaufen. Auch der Sache nach ist in einer späten Beitragserhebung keine grobe Unbilligkeit zu erkennen. Denn es wird in aller Regel so sein, dass zwar die Maßnahme längere Zeit zurückliegen mag, dass aber der auf Dauer vermittelte Vorteil, dessentwegen der Beitrag erhoben wird, noch weit in die Zukunft reicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des für die Kostenberechnung maßgebenden Streitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.

Hinweis: Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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