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Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 25.08.2009
Aktenzeichen: 1 Sa 1/09
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 626 |
2. Zur Sozialauswahl.
3. Anhörung des Orchestervorstands ist nicht geboten.
4. Zur Anzeige nach § 17 KSchG.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eisenach vom 6. November 2008 - 5 Ca 961/07 - wird zurückgewiesen.
Die Klage gegen die Beklagte zu 2) wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten zu 1) ausgesprochenen, mit betrieblichen Gründen erklärten Kündigung.
Die Beklagte zu 1) war Träger des Theaters E. bis zum 31.12.2008. Das Theater ist im Wege der Zustiftung auf die Beklagte zu 2) übergegangen, die Beklagte zu 1) befindet sich in Liquidation.
Der Kläger ist seit dem 1. Januar 1991 bei der Beklagten zu 1) als Musiker tätig. Der Vertrag vom 16.10.1990 bezeichnet ihn als Hornisten, der Vertrag vom 1.7.1991 verpflichtet ihn zum Spielen des Instruments Waldhorn. Der Kläger, Jahrgang 1958, ist verheiratet und hat drei Kinder, denen gegenüber er unterhaltspflichtig ist.
Mit Schreiben vom 3.7.2007 sprach die Beklagte zu 1) die außerordentliche Kündigung zum 31.7.2008 aus. Mit seiner am 24.7.2007 bei Gericht eingegangen Klage setzt sich der Kläger gegen diese mit betrieblichen Gründen erklärte Kündigung zur Wehr.
Bezüglich der Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts sowie der gewechselten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Eisenach vom 6.11.2008 (Band V Blatt 852 ff.) verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Das Arbeitsgericht hat die Klage mit den aus den Entscheidungsgründen ersichtlichen Gründen abgewiesen (Blatt 857 ff.). Das Arbeitsgericht ist vom Beschluss der Träger ausgegangen, das Orchester zu verkleinern. Das hierzu vorgetragene Konzept, ein Rumpforchester aus Streichern, Holzbläsern und einem Paukisten beizubehalten sowie bei Bedarf weitere Musiker nebst Instrumenten hinzu zu engagieren, sei in sich geschlossen und nicht willkürlich. Die in Art. 5 GG geschützte Kunstfreiheit stehe dem Orchesterträger zur Seite, zumal im Zeitpunkt der Entscheidung, wie das Orchester strukturiert werden solle, über das künftige Repertoire noch nicht entschieden worden sei. Die vom Arbeitgeber vorgenommene Sozialauswahl sei nicht zu beanstanden, da aus §§ 6, 26 TVK hervorgehe, dass ein Vergleich nur unter Musikern desselben Instruments getroffen werden könne. Zudem seien die Rechte der Beteiligungsorgane gewahrt. Weder § 613 a BGB noch § 17 KSchG stehe der Wirksamkeit der Kündigung im Wege. Angesichts des Dauertatbestandes der Umstrukturierung sei die Frist des § 626 Abs. 2 BGB ebenfalls gewahrt.
Gegen diese dem Bevollmächtigten des Klägers am 5.12.2008 zugestellte Entscheidung hat dieser mit am 2. Januar 2009 bei dem Thüringer Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt - und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist auf den 5. März 2009 - mit einem an diesem Tag bei dem Berufungsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet. Gleichzeitig wurde die Klage auf die Beklagte zu 2) erweitert, welche seit dem 1. Januar 2009 im Wege der Zustiftung das Vermögen und die Betriebsteile des Theaters E. übernommen hat.
Der Kläger vermag in dem Urteil des Arbeitsgerichts seine Argumentation nicht wiederzuerkennen und meint deshalb, ihm sei das rechtliche Gehör versagt geblieben. Ein Kammerorchester ohne Horn (bzw. Waldhorn) sei willkürlich besetzt. Zudem habe das Arbeitsgericht verkannt, dass mit dem Beschluss einer Reduzierung der Orchesterbesetzung der Fall gegeben sei, das unternehmerische Entscheidung und Kündigung ineinander fielen, mit der Konsequenz, dass die Rationalität der Entscheidung in vollem Umfang zu überprüfen sei. Zudem habe die Beklagte zu 1) in der Folge das vorgegebene Konzept weder im Programm umgesetzt, noch habe sie die angeblich wichtige Holzbläsergruppe zusammengehalten. Eine Abwägung der gegenläufigen Interessen sei durch das Arbeitsgericht nicht vorgenommen. So hätten die Zuwendungen bis Ende 2008 gereicht. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht gewahrt, weil das Konzept des Arbeitgebers schon im Mai 2007 festgestanden habe. Der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß gehört, weil die dem Vertretungsorgan gesetzte Frist im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch nicht abgelaufen gewesen sei. Zudem habe der Orchestervorstand im Hinblick auf die Kündigung gehört werden müssen. Die Kündigung verstoße gegen § 613 a Abs. 4 BGB, weil sie der direkten Vorbereitung der Zusammenlegung der Beklagten zu 1) mit der Beklagten zu 2) diene. Weiter sieht der Kläger die Kriterien, welche an eine ordnungsgemäße Sozialauswahl zu stellen sind, nicht bedacht. Schließlich sei § 17 KSchG nicht beachtet worden.
Der Kläger beantragt,
auf die Berufung das Urteil des Arbeitsgerichts Eisenach vom 6.11.2008 - 5 Ca 961/07 abzuändern und festzustellen, dass zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch außerordentliche Kündigung mit Schreiben der Beklagten zu 1) vom 5.7.2007 zum 31.7.2008 beendet worden ist.
sowie weiter,
die Beklagte zu 2) zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen auf Grundlage des mit der Beklagten zu 1) bestehenden Arbeitsvertrages vom 16.10.1990 in der Fassung des Arbeitsvertrages vom 1.7.1991 nach Maßgabe des Tarifvertrages für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) in jeweils geltender Fassung, des Vergütungstarifvertrages mit Vergütungsordnung und Ortszuschlagstabelle in jeweils geltender Fassung, des TV Orchestervorstand in jeweils geltender Fassung, des TV Instrumenten-, Rohr-, Blatt- und Saitengeld in jeweils geltender Fassung, des TV Urlaubsgeld in jeweils geltender Fassung, des TV vermögenswirksame Leistungen ab dem 1.1.09 weiterzubeschäftigen, und
festzustellen, dass ab dem 1.1.2009 zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen und die nun auch gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Klage abzuweisen.
Die Beklagten verteidigen die angegriffene Entscheidung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Die Klage gegen die Beklagte zu 1) ist nicht begründet. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Die Beklagte zu 1) war zur Kündigung des langjährigen Arbeitsverhältnisses berechtigt, § 42 Abs. 1 lit. a TVK iVm § 626 BGB.
Ein wichtiger Grund zur Kündigung war im Fall des Klägers gegeben, weil die Kürzung der Zuschüsse für die Beklagte zu 1) zu einer Umstellung des Konzepts zwang, in deren Folge die Beschäftigungsmöglichkeit des Klägers dauerhaft entfallen ist. Eine außerordentliche Kündigung kann bei einem tarifbedingt unkündbaren Arbeitnehmer durch betriebsbedingte Gründe in Betracht kommen, wenn die Beschäftigung auf Dauer entfällt (BAG 5.2.1998 AP BGB § 626 Nr. 143). So liegt es hier.
Unstreitig haben am 15. Juni 2007 der Freistaat Thüringen, vertreten durch den Kultusminister, die Stadt E., vertreten durch den Oberbürgermeister, und der W.-kreis, vertreten durch den Landrat eine dreijährige Planung zur Finanzierung der Beklagten zu 1) vereinbart. Damit einher ging eine einschneidende Reduzierung der Mittel, die nur dann ein wenig gemildert wurde, wenn die Beklagte zu 1) im Wege der Zustiftung in die Beklagte zu 2) integriert wurde.
Soweit der Kläger meint, die Vereinbarung sei deshalb nicht bindend, weil insbesondere der Oberbürgermeister sich nicht an die Vorgaben der Stadtverordnetenversammlung gehalten habe, ist dieses Argument deshalb nicht durchgreifend, weil durch etwaige Vorgaben die Außenvertretungsmacht des Oberbürgermeisters nicht zu binden vermögen. Die Vereinbarung trägt die Unterschrift des Bürgermeisters, so dass in ihr die rechtlich nach außen verbindliche Auffassung der Stadt zum Ausdruck gebracht wird. Irgendwelche abweichenden Bekundungen anderer Organe der Stadt haben hierauf keinen Einfluss.
Auch der weitere Angriff auf die Wirksamkeit des Beschlusses, dass nämlich die Stadt R. an der Beschlussfassung zur Finanzierung nicht mitgewirkt habe, ändert nichts an dessen Verbindlichkeit. Aus dem vom Kläger selbst vorgelegten Auszug aus dem Handelsregister des Amtsgerichts Jena - HRB 402-650 - ergibt sich zwar, dass R. Gesellschafter der Träger GmbH der Beklagten zu 1) gewesen ist, dass sich aber durch Spaltungsvertrag vom 20. August 2003 das Vermögen zur Neugründung der "Thüringer L.-theater R- - Thüringen S. GmbH" abgespalten hat.
Die Gesellschafter der Beklagten zu 1) haben gemeinsam mit den Vertretern der Beklagten ein "Abkommen über die Zustiftung" des Vermögens der Beklagten zu 1) zur Beklagten zu 2) getroffen, in dessen Anlage sich eine "unternehmerische Entscheidung zur Struktur des künftigen Theaterbetriebes E." befindet. In diesem enthalten ist ein Abgleich der Strukturen des Orchesters. Während das ursprüngliche Orchester ca. 42 Stellen aufwies, sind für das neue Orchester nur noch 16 Streicher, 7 Holzbläser und 1 Paukist vorgesehen. Weitere Stimmen seien nach Bedarf hinzu zu engagieren. Nach diesem Konzept ist die Stelle des Klägers entfallen.
Das Konzept ist - aus rechtlicher Sicht - nachvollziehbar und nicht willkürlich. Die Beklagte zu 1) hat erstinstanzlich dargelegt, dass alternativ nur eine Kürzung der Gehälter um ein Drittel in Betracht gekommen wäre, ein Weg der angesichts der ersten Reaktionen des Betriebsrates nicht weiter verfolgbar gewesen sei (Schriftsatz 2.11.2007 S. 11, Blatt 107 GA). Der Kläger hat eine - aus ästhetischer und künstlerischer Perspektive gut einfühlbare - Argumentation entwickelt, dass ein Orchester ohne Horn unseren kulturellen Vorstellungen von Musik nicht gerecht werden könne, mithin willkürlich sei. Er hat mit viel Engagement und - trotz der für ihn existentiellen Bedeutung der Rechtsache - Humor belegt, dass Hörner und ihre klangliche Einbindung für zahlreiche bedeutende Kompositionen essentiell sind. So könne nach der überzeugenden Gedankenführung des Klägers "Peter und der Wolf" ohne Hörner nur noch als "Peter ohne Wolf" gegeben werden.
Die Argumentation übersieht zweierlei. Zum einen sieht das Konzept der Beklagten zu 1) nicht vor, Hörner oder Blechinstrumente für immer aus dem Repertoire zu streichen. Es geht vielmehr darum, Musikinstrumente in "Stammkomponenten" und zusätzlich engagierte "Zeitkomponenten" zu unterteilen, sowie diese nach Bedarf zusammenzufügen. Prinzipiell ist es Sache des Arbeitgebers, wie er die Komponenten seiner Arbeitsabläufe zusammenfügt. Er kann im Wege des "Outsourcing" Teile der Tätigkeit auf Fremdunternehmen übertragen (BAG 13.3.2008 - 2 AZR 1037/06), er kann aber auch eine bezahlte Tätigkeit in eine ehrenamtliche Tätigkeit umwandeln (BAG 18.9.2000 2 AZR 570/07; Kirchengerichtshof Evangelische Kirche in Deutschland Urteil vom 20.4.2009 I - 0124/P59 - 08).
Zum anderen ist es nicht Sache der Gerichte, die musikalische oder ästhetische Machbarkeit des Konzepts zu überprüfen. Die Grenze zwischen dargebotener Musik und nur schrillem Lärm ist mit Sicherheit nicht rechtlich determiniert. Auch wenn in einigen obergerichtlichen Urteilen (LAG Sachsen-Anhalt AuR 1995, 222; LAG Hamm 12.6.2003 - 8 Sa 1669/02) anklingt, ein Konzept müsse dargelegt werden, bedeutet dies nicht, dass der Arbeitgeber damit darlegungs- und beweispflichtig wird, die künstlerische Qualität zur Überzeugung der Richterinnen und Richter zu bringen. Dem Arbeitgeber steht an dieser Stelle nicht nur die unternehmerische Gestaltungsfreiheit, sondern auch die grundrechtliche verbürgte Kunstfreiheit zur Seite, welche die subjektiv-ästhetischen Vorstellungen des Orchesterträgers fasst (BAGE 46, 163 ff). Konzept bedeutet in diesem Sinn nur, dass ein Schema geboten wird, wie künftig Orchestermusik - schlecht und recht - geboten werden soll. Dem hat die Beklagte entsprochen.
Es liegt im Fall des Klägers auch nicht so, dass die Entscheidung, das Orchester zu reorganisieren und die Anzahl der Musiker zu reduzieren, frei im Raum steht. Die Umstrukturierung steht im Kontext einer neuen Finanzverfassung im Freistaat, durch welche insgesamt die Aufgaben zwischen dem Land und den Kommunen neu verteilt werden. Es handelt sich nicht um Umsatzperspektiven und die damit verbundenen, unternehmerischen Reaktionen, sondern um eine Neugestaltung der Kulturlandschaft, bei welcher die Zuwendungsträger sich in weitem Umfang aus der finanziellen Verantwortung zurückziehen. Aufgrund der besonderen Struktur des Kulturbetriebs mit seiner Zuwendungsabhängigkeit kann dieser Verknappung der Mittel auch nicht mit anderen unternehmerischen Mitteln begegnet werden. Damit fallen "unternehmerische Entscheidung" und Arbeitsplatzabbau nicht zusammen. Vielmehr führt die unstreitig getroffene Trägervereinbarung zur Notwendigkeit der Einschränkung der Arbeitsmittel und Arbeitskräfte. Der Maßstab der Überprüfung beschränkt sich mithin nach Überzeugung der Kammer auch hier auf eine Missbrauchskontrolle (BAG 13.3.2008 - 2 AZR 1037/06).
Ein Missbrauch aber kann der Beklagten zu 1) nicht vorgeworfen werden. Sie hat sich vor dem Hintergrund ihrer künstlerischen Gestaltungsfreiheit für ein Rumpforchester mit bestimmten Musikergruppen entschieden, mit der Option, andere Musiker im Bedarfsfall zu engagieren. Sie hat das - der Umfang ist streitig - auch so gehalten. Dieses Konzept benachteiligt zwar den Kläger und die anderen Bläser - auch das Horn wird ja gelegentlich zu den Holzinstrumenten gezählt, aber sie war nicht - jedenfalls nicht jenseits im Dunkel liegender Vermutungen - gegen den Kläger ausgerichtet.
Es spricht auch nicht gegen das Vorliegen des Konzeptes, wenn später die zunächst harmonische Gruppe der Holzbläser auseinanderfällt. Jedenfalls reichen die greifbaren Anhaltspunkte nicht für eine Annahme die Beklagte zu 1) habe ihr Konzept nicht verfolgt. Sie hat vielmehr "plangerecht" alle Kündigungen ausgesprochen.
Eine Sozialauswahl schuldet die Beklagte zu 1) nur innerhalb der Gruppe der Instrumente, da der Arbeitsvertrag und §§ 6, 26 TVK - die Parteien sind tarifgebunden - hier die Vergleichbarkeit eingrenzen. Da alle Musiker, die das Horn spielen, gekündigt wurden, und eine Vergleichbarkeit mit Musikern, die andere Instrumente spielen, nicht in Betracht kommt, konnte der Beklagten insofern ein Fehler nicht unterlaufen.
Bei tarifvertraglichem Ausschluss der ordentlichen Kündigung sind dringende betriebliche Erfordernisse nur ausnahmsweise geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (BAG NUA 2003, 44; NZA 2003, 856). Hier ist allerdings in die Abwägung einzustellen, dass die Beklagte zu 1) auf die Änderung ihrer finanziellen Ausstattung reagieren musste, wollte sie nicht Gefahr laufen, insolvent zu werden. Das Interesse des Klägers an seiner Beschäftigung, der in langen Jahren erworbene und gewachsene Sozialschutz sind allerdings nicht geeignet, die nach dem Konzept der Beklagten zu 1) entfallene Tätigkeit auf Jahre hinaus zu fingieren. Damit wird der Beklagten Unzumutbares abverlangt, und genau diese Disposition ist über § 626 Abs. 1 BGB auszugleichen (BAG 10.5.2007 AP BGB § 626 Unkündbarkeit Nr. 1). Eine Abwägung fällt daher zu Lasten des Klägers aus.
Die Beklagte zu 1) war auch nicht gehalten, die Kündigung zum Jahresende auszusprechen. Dem steht schon § 42 Abs. 1 TVK entgegen. Dort ist nämlich geregelt, dass die Kündigung nur unter Einhaltung einer Jahresfrist zum Ende des für das Orchester üblichen Beschäftigungsjahres gekündigt werden kann. Zwar reichten die für 2008 von den Trägern zugewendeten Mittel, um die Beschäftigung bis zum Jahresende zu erstrecken. Aufgrund der Regelung im Tarifvertrag durfte aber die Beklagte zu 1) allerdings diesen Beendigungszeitpunkt nicht anstreben. Für eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über die gesamte Saison 2008/2009 hätten wiederum im Folgejahr sieben Monate Gehaltskosten eine Deckungslücke verursacht. Die Überlegungen des Klägers, hier hätten Gelder eingesetzt werden können, die in Erhaltungsarbeiten für das Gebäude geflossen sind, erscheinen spekulativ und sachfremd. Die Wahl des Beendigungszeitpunktes ist mithin nicht zu beanstanden.
Der Kündigungsgrund ist auch nicht nach § 626 Abs. 2 BGB verwirkt. Zweck ist, dass der Beschäftigte aus Gründen der Rechtssicherheit möglichst bald nach einem bestimmten Vorfall über die Konsequenzen für das Arbeitsverhältnis Klarheit gewinnt (BAG 17.3.2005 NZA 2006, 101). Bei betriebsbedingten Gründen wie vorliegend, die einer notwendigen Anpassung der Kostenstruktur an die vorhandenen Mittel geschuldet sind, liegt ein Dauertatbestand vor (vgl. etwa BAG AP BGB § 626 Nr. 143). In solchen Fällen beginnt die Frist regelmäßig mit dem Tag, an welchem die Beschäftigungsmöglichkeit entfällt (BAG AP BGB § 626 Nr. 86). Allerdings kann (!) die Kündigung schon zu dem Zeitpunkt ausgesprochen werden, zu welchem der Fortfall der Beschäftigung absehbar wird (BAG EzA BGB § 626 nF Nr. 141). Daran hat sich die Beklagte zu 1) orientiert. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB kann nicht abgelaufen sein, weil ihr Ablauf noch nicht in Gang gesetzt worden war. Dies gilt selbst dann, wenn die im Tarifvertrag geregelte Kündigungsfrist bei der Berechnung der Verwirkungsfrist noch mit eingedacht wird.
Die Anhörung des Betriebsrates weist keine Fehler auf. Zwar war die Frist, die dem Betriebsrat gesetzt worden war, zu dem Zeitpunkt, als die Kündigung ausgesprochen worden ist, noch nicht abgelaufen. Das Schreiben des Arbeitgebers vom 27.6.2007 räumt hier den 13.7.2007 als Endpunkt einer Zustimmung oder zur Äußerung von Bedenken ein (Band I Blatt 142 GA). Der Ausspruch der Kündigung führt nach Auffassung des Klägers zu einem Fehler. Dabei bleibt allerdings unberücksichtigt, dass der Betriebsrat zu diesem Zeitpunkt der Kündigung bereits mit Schreiben vom 3.7.2007 (Band III Blatt 608 GA) widersprochen hatte. Teilt der Betriebsrat dem Arbeitgeber Bedenken mit, ist dies als abschließende Stellungnahme zu bewerten (Erfurter Kommentar/Kania BetrVG § 102 Rn. 13). - Auch der Streit der Parteien um teilweise in den Sozialdaten enthaltene Fehler ist nicht weiterführend. Die Beklagte zu 1) hat insofern auf ihre Korrektur im Schreiben vom 6.7.2007 verwiesen. Zudem ist die Unterrichtungspflicht subjektiv determiniert. Dem Arbeitgeber fällt hier weder eine bewusste Fehlinformation zur Last, noch sind die Daten von erkennbarer Relevanz für die Entscheidung. Den Kern nicht berührende Details sind irrelevant (zur verhaltensbedingten Kündigung: LAG Schleswig-Holstein 24.7.2001 LAGE KSchG §1 Nr. 78).
Die Kündigung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil - dies ist zwischen den Parteien streitig - der Orchestervorstand nicht ordentlich gehört sein soll. Zwar ermittelt der Orchestervorstand nach § 5 Abs. 1 S. 3 lit. b) 2. Alt. bei Kündigung eines Musikers die Auffassung des Orchesters, und er ist auch bei Veränderungen der Planstellen des Orchesters zu unterrichten, § 5 Abs. 2 TV Orchestervorstand. § 9 stellt darüber hinaus klar, dass die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten hiervon nicht berührt werden. Zutreffend hat bereits das Sächsische LAG darauf hingewiesen, dass der TV Orchestervorstand keine dem Personalvertretungsrecht - oder hier ist § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG einschlägig - entsprechende Sanktionsnorm enthält, die ausspricht, dass ein Verstoß gegen das Anhörungsrecht zur Unwirksamkeit der Kündigung führt (Urteil vom 28.11.1997 3 Sa 744/97). Einen systematischen Grund bietet weiter das in § 3 BetrVG verankerte Repräsentationsmonopol des Betriebsrates, welches die Einrichtung weiterer Kollektivorgane und ihrer Befugnisse beschränkt. Individualrechtliche Konsequenzen können mithin aus der Beteiligung des Orchestervorstandes nicht abgeleitet werden. Auf die zweifelhafte These, die Personalunion von Betriebsratsmitgliedern und Mitgliedern des Orchestervorstandes genüge den Beteiligungspflichten, kommt es mithin nicht an.
§ 613 a Abs. 4 S. 1 BGB steht der Kündigung gleichfalls nicht entgegen. Zum einen fallen die Strukturanpassung des Orchesters und die Zustiftung zeitlich auseinander. Auch zeigen die Finanzierungsabsprachen der Träger vom 15.6.2007, das die Zustiftung zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen war, weil die Förderung für Eisenach, je nach dem, ob die Zustiftung erfolgte oder nicht, unterschiedlich ausgestaltet war. Und weiter soll nach dem Willen der Träger der Theaterbetrieb in Eisenach selbständig erhalten bleiben. Aus alledem folgt, dass die Kündigung nicht zur Harmonisierung der Zustiftung erfolgte.
Schließlich verstößt die Kündigung auch nicht gegen § 17 KSchG, so dass die Entlassungssperre des § 18 KSchG nicht zum Tragen kommt. Die Voraussetzungen der Anzeigepflicht liegen nicht vor. Die Angaben der Parteien differieren. Der Kläger nennt 172 im Stellenplan enthaltene Stellen, die Beklagte zu 1) verweist auf mehr als 200 Beschäftigte, da sie regelmäßig beschäftigte Aushilfen mit einbezieht. Die Beklagte hat aber substantiiert dargelegt, dass von den vor dem Betriebsrat zur Anhörung gebrachten 21 Kündigungen nur 16 im Zeitfenster des § 17 KSchG zum Ausspruch gebracht wurden. Zwei Kündigungen erfolgten zeitlich versetzt, so dass sie nicht mitzählen. Zwei Änderungsverträge wurden abgeschlossen. Mithin sind auch diese nicht mitzuzählen. Weiter trägt die Beklagte zu 1) einen Aufhebungsvertrag vor. Nun stehen aber Aufhebungsverträge anderen Beendigungstatbeständen im Rahmen des § 17 KSchG gleich (BAG 11.3.1999 AP KSchG 1969 Nr. 12). Deshalb ist die Rechnung der Beklagten, es seien nur 16 Entlassungen zu zählen, nicht akzeptabel. Aber auch unter Einbeziehung der siebzehnten Beendigung wird bei der vom Kläger in Bezug genommenen Beschäftigtenzahl von 172 die 10 %-Quote, deren Erreichen die Anzeigepflicht begründet, nicht überschritten.
Damit erweisen sich die vom Kläger gegen die Kündigung vorgebrachten, rechtlichen Argumente insgesamt nicht als stichhaltig. Zur den Konsequenzen im kulturellen und künstlerischen Bereich sich zu äußern fehlt der Kammer die Kompetenz.
Die gegen die Beklagte zu 2) in zweiter Instanz erhobene Klage ist zulässig. Zum einen hat sich die Beklagte zu 2) vorbehaltlos auf die gegen sie gerichtete Klage eingelassen, zum anderen war die Erweiterung infolge der Zustiftung auch zweckdienlich, § 533 Nr. 1 ZPO. Die Konsequenzen einer Verurteilung im Sinn der Klageanträge wären von der Beklagten zu 2) umzusetzen gewesen. Der Feststellungsantrag ist ebenfalls zulässig, sein Rechtsschutzbedürfnis folgt aus der Leugnung des Fortbestandes der vertraglichen Bindung.
Die Klage ist indes nicht begründet.
Da eine Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung nicht möglich ist, kann weder eine Verurteilung in eine Weiterbeschäftigung erfolgen, noch kann festgestellt werden, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) ein bindendes Arbeitsrechtsverhältnis besteht.
Die Kostenentscheidungen folgen aus §§ 97, 91 ZPO. Für die Zulassung der Revision war ein Grund nicht zu erkennen. Zwar liegen einige Kündigungen vor. Gleichwohl handelt es sich um die Umsetzung einer unternehmerischen Entscheidung im Einzelfall. Abweichungen von obergerichtlichen oder höchstrichterlichen Entscheidungen sind nicht erkennbar.
Der Vortrag im Schriftsatz des Klägers vom 20.8.2009 gibt für die Kammer (vgl. zum Verfahren BAG 18.12.2008 NZA 2009, 334) keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
Nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts entfielen auf 204 Beschäftigte 16 Entlassungen. Der Kläger geht im Rahmen seiner Berufungsbegründung insoweit nur auf die vorliegenden Stellenpläne ein. Die Anzahl der Planstellen schwankt nach seinen Angaben zwischen 170,5 und 172,5 Stellen. Er führt weiter aus, in der Aufstellung der Beklagten zu 1) sei von 17 bis 21 Entlassungen die Rede. Auf dieser Grundlage hat sich die Kammer in ihrer Entscheidung mit dem Vortrag auseinandergesetzt, und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen für eine Anzeigepflicht schon bei Unterstellung des klägerischen Vortrags nicht festzustellen seien.
Nunmehr lässt der Kläger in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz vortragen, es gebe eine weitere Kündigung, hinsichtlich derer eine Kündigung in dem relevanten Zeitfenster ausgesprochen sei. Damit kann sein Vortrag grenzwertig als schlüssig eingestuft werden. Allerdings hat der Kläger ein Beweismittel nicht benannt. Die Beklagten sind dem Vortrag unmittelbar entgegengetreten (Schriftsatz vom 21.8.2009). Sie verweisen unter Substantiierung des Vortrags darauf hin, das Arbeitsverhältnis sei infolge einer Befristung ausgelaufen. Derartige Fälle unterfallen auch in Ansehung des Begriffs der "anderen Beendigungen" in § 17 Abs. 1 S. 2 KSchG nicht der Ermittlung der Zahl der Entlassung zur Begründung einer Anzeigepflicht(vgl. etwa: Lembke/Oberwinter in: Thüsing/Laux/Lembke, Kündigungsschutzgesetz, § 17 Rn. 26). Von daher wäre der Kläger gehalten, seinen Vortrag seinerseits unter Beweisantritt näher auszuführen. Daran fehlt es bislang. Der abstrakte Hinweis, Erkundigungen hätten diese Tatsache zu Tage gebracht wird allein belegt mit dem Verweis auf eine Liste, welche die Beklagte zu 1) erstinstanzlich vorgelegt hat. Da der Kläger darlegungs- und beweispflichtig für einen Verstoß gegen §§ 17, 18 KSchG ist - es geht um die tatsächlichen Voraussetzungen der Anzeigepflicht (BAG 22.3.2001 AP GG Art. 101 Nr. 59) - genügt der jetzige Vortrag keinesfalls, um dem Argument der Pflichtverletzung Durchschlagskraft zu verleihen.
Auch die Überlegung, ein Hinweis auf die Darlegungs- und Beweislast sei geboten, weil diese vom Kläger anscheinend verkannt werde, führt nicht weiter. Der weitere Vortrag des Klägers erfolgte nach Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz. Es ist nicht im Ansatz vorgetragen, warum dieser späte Zeitpunkt gewählt wurde, obwohl die initiale Information (Blatt 617 GA) schon in erster Instanz vorgelegen hat. Ein Anwendungsfall des § 156 Abs. 2 ZPO liegt nicht vor. Im Lichte der Prozessförderungspflicht des Klägers und der Verspätungsregeln gibt es keinen Grund, die Verhandlung nochmals zu eröffnen (vgl. auch BAG 6.9.2007 NZA 2008, 636).
Ende der Entscheidung
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