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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 21.12.2000
Aktenzeichen: 1 Sa 410/99
Rechtsgebiete: BBiG, BGB


Vorschriften:

BBiG § 10
BGB § 133
BGB § 157
Die Auslegung der Vergütungsabrede in einem vom Arbeitsamt geförderten Berufsausbildungsverhältnis kann ergeben, daß dem Auszubildenden kein eigenständiger Vergütungsanspruch gegen das ausbildende Unternehmen zusteht. Darin liegt kein Verstoß gegen zwingendes Recht - hier: § 10 Abs. 1 BBiG (ebenso BAG vom 15.11.2000 - 5 AZR 296/99).
Tenor:

1) Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gotha vom 29.04.1999, Az.: 2 Ca 1532/98, abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3) Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Klägerin eine Ausbildungsvergütung zusteht.

Die Beklagte ist eine gemeinnützige Bildungseinrichtung. Das Arbeitsamt bewilligte mit Bescheid vom 14.07.1995 (Bl. 92 d. A.) im Rahmen der Arbeits- und Berufsförderung Behinderter der Klägerin die Berufsausbildung als Köchin durch die Beklagte für die Zeit vom 01.09.1994 bis 31.08.1998. Mit Änderungsbescheid vom 17.07.1998 (Bl. 16 d. A.) wurde die Berufsausbildung bis 26.02.1999 verlängert. Die Klägerin legte am 25.01.1999 die Abschlussprüfung ab.

Die Parteien schlossen unter dem 01.09.1995 einen Berufsausbildungsvertrag (Bl. 3, 4 d. A.), der unter Ziff. E folgende Regelung enthält:

Der Ausbildende zahlt den Auszubildenden eine angemessene Vergütung (§ 5); diese beträgt z. Zt. monatlich brutto: DM 440,00 im ersten, DM 462,00 im zweiten und DM 485,10 im dritten Ausbildungsjahr.

Ziff. H des Berufsausbildungsvertrages lautet:

Die Höhe der Ausbildungsvergütung richtet sich ausschließlich nach den von der Arbeitsverwaltung festgelegten Leistungssätzen.

Das Arbeitsamt hat der Klägerin Reisekosten gezahlt und ihr die Kosten der Arbeitskleidung erstattet. Ausbildungsgeld wurde der Klägerin vom Arbeitsamt wegen der Höhe des Einkommens der Mutter nicht bewilligt. Den gegen den ablehnenden Bescheid eingelegten Widerspruch nahm die Klägerin zurück.

Die Beklagte hat an die Klägerin keine Ausbildungsvergütung gezahlt.

Mit ihrer Klage vom 12.08.1998 hat die Klägerin die Zahlung der Ausbildungsvergütung für die Zeit vom 01.09.1995 bis 30.06.1998 geltend gemacht. Durch Klageerweiterungen vom 18.11.1998 und 23.02.1999 wurde die Vergütung für die Zeit bis einschließlich Januar 1999 eingeklagt.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 15.675,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 21.08.1998, 1.940,40 DM brutto sowie weitere 1.374,45 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf einen Betrag von 15.675,00 DM seit dem 21.08.1998, von 1.940,40 DM seit dem 27.11.1998 und von 1.374,45 DM seit dem 05.03.1999 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Klägerin sei bekannt gewesen, dass sie lediglich die Leistungen erhalten werde, die das Arbeitsamt im Rahmen der von ihm geförderten beruflichen Rehabilitation zahlt. Dies sei auch im Berufsausbildungsvertrag durch die Vereinbarung zum Ausdruck gebracht worden, dass sich die Höhe der Ausbildungsvergütung ausschließlich nach den von der Arbeitsverwaltung festgelegten Leistungssätzen richte.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des Urteils (Bl. 31 - 36 d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte wendet sich gegen das ihr am 27.05.1999 zugestellte Urteil mit der am 25.06.1999 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 26.08.1999 am 26.08.1999 begründeten Berufung.

Die Beklagte ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass die Berufsausbildung der Klägerin als Rehabilitationsmaßnahme vom Arbeitsamt gefördert worden sei und daher nur nach den Förderrichtlinien zu beurteilen sei. Dies sei auch in Ziff. H des Berufsausbildungsvertrages so festgehalten. Eine Ausbildungsvergütung in bestimmter Höhe sei in Ziff. E des Ausbildungsvertrages nur deshalb eingetragen worden, weil die Industrie- und Handelskammer Ausbildungsverträge nur anerkannt habe, wenn diese vollständig ausgefüllt gewesen seien. Die eingetragene Vergütung habe den damaligen Richtsätzen der Bundesanstalt für Arbeit entsprochen. Die Bindung der Ausbildungsvergütung an die Leistungen des Arbeitsamtes sei auch kein Verstoß gegen zwingendes Recht, wie das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 15.11.2000 jüngst bestätigt habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin ist der Auffassung, in Ziff. E des Ausbildungsvertrages sei eine konkrete und ziffernmäßig bestimmte Ausbildungsvergütung vereinbart worden. Daran ändere auch Ziff. H des Ausbildungsvertrages nichts, denn dort sei lediglich zum Ausdruck gebracht worden, dass die vereinbarte Vergütung den Leistungssätzen des Arbeitsamtes zu entsprechen habe. Die von der Beklagten angezogene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts sei nicht einschlägig, da nach dem dort mitgeteilten Sachverhalt eine konkrete Vergütungsvereinbarung gerade nicht getroffen worden sei.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist begründet. Die Klage ist unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts abzuweisen.

Die Klage ist zulässig. Die Durchführung des Verfahrens vor dem Schlichtungsausschuss gemäß § 111 Abs. 2 ArbGG war keine Prozessvoraussetzung. Zwar hat die Klägerin die Klage noch während des bestehenden Berufsausbildungsverhältnisses erhoben. Der Schlichtungsausschuss ist jedoch mit Abschluss der Ausbildung durch die Klägerin am 25.01.1999 unzuständig geworden. Damit wurde die Klage nachträglich zulässig.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Der Klägerin steht kein Anspruch auf Ausbildungsvergütung gegen die Beklagte zu. Die Auslegung des zwischen den Parteien geschlossenen Ausbildungsvertrages gem. den §§ 133, 157 BGB ergibt, dass der Klägerin eigenständige Vergütungsansprüche gegen die Beklagte nur in dem Umfang zustehen, in dem die Bundesanstalt für Arbeit Leistungen erbringt. Die der Ausbildungsvergütung entsprechende Leistung des Arbeitsamtes ist, wie aus dem Bescheid der Bundesanstalt für Arbeit vom 14.07.1995 hervorgeht, das Ausbildungsgeld. Ein Ausbildungsgeld hat die Klägerin jedoch nicht erhalten. Folglich steht der Klägerin auch keine Ausbildungsvergütung zu.

Die zwischen den Parteien getroffene Vergütungsvereinbarung ist in sich widersprüchlich. Einerseits wird in Ziff. E des Ausbildungsvertrages die Vergütung für jedes Ausbildungsjahr ziffernmäßig benannt. Andererseits wird in Ziff. H des Ausbildungsvertrages erneut eine Aussage zur Höhe einer Ausbildungsvergütung getroffen, dahingehend, dass sich diese ausschließlich nach den von der Arbeitsverwaltung festgelegten Leistungssätzen richtet. Daraus folgt, dass die Vergütungsabrede in Ziff. E weder abschließend noch endgültig ist. Ziffer H besagt nämlich, dass auch eine andere Höhe der Ausbildungsvergütung maßgebend sein kann, wenn dies die Leistungssätze des Arbeitsamtes so vorsehen. Die durch die Leistungssätze vorgegebene Höhe der Ausbildungsvergütung soll sogar die ausschließlich maßgebliche sein.

Der aufgezeigte Widerspruch ist nicht, wie die Klägerin meint, so zu lösen, dass in Ziff. H gleichsam nur bestätigt wird, dass es sich bei der in Ziff. E genannten Vergütung nur um eine Vergütung handelt, die den Leistungssätzen der Arbeitsverwaltung entspricht. Ziffer H kann auch nicht als Vorgabe dem Grunde nach verstanden werden, die durch Ziff. E konkret ausgefüllt wurde. Ziffer H ist durch die Betonung der Ausschließlichkeit vielmehr die zuerst maßgebliche Vergütungsregelung, die im Konfliktfalle der Regelung in Ziff. E vorgeht.

Dies ergibt sich neben der Textauslegung und der Systematik vor allem aus den Umständen des Vertragsschlusses. Der Vertrag bezog sich auf ein vom Arbeitsamt als Rehabilitationsmaßnahme gefördertes Berufsausbildungsverhältnis. Dem Vertragsschluss war der Antrag der Klägerin auf Gewährung der Leistungen für die berufliche Rehabilitation vorausgegangen, ferner der Bewilligungsbescheid vom 14.07.1995, in dem bereits die Leistungen des Arbeitsamtes dem Grunde nach benannt wurden (Ausbildungsgeld, Reisekosten und Arbeitskleidung) und in dem die Beklagte als ausbildendes Unternehmen angegeben worden war. Erst danach kam es zum Vertragsschluss zwischen den Parteien. Wenn demnach im Ausbildungsvertrag für die Höhe der Ausbildungsvergütung die Leistungssätze der Arbeitsverwaltung für ausschließlich maßgebend bezeichnet wurden, muss den Parteien bewusst gewesen sein, dass eine Vergütung nur im Umfang einer Refinanzierung durch das Arbeitsamt erfolgt und ein eigenständiger Anspruch gegen die Beklagte gerade nicht begründet werden sollte.

Unter der Prämisse, dass es sich um eine geförderte Maßnahme handelt, konnte auch nicht missverstanden werden, was mit dem Bezug auf die von der Arbeitsverwaltung festgelegten Leistungssätze in Ziff. H des Ausbildungsvertrages gemeint war. Es ging nicht um die Leistungssätze, nach denen sich im "normal" geförderten Ausbildungsverhältnis die Höhe der Ausbildungsvergütung richtet, sondern um die Leistungssätze, die dem konkret geförderten Ausbildungsverhältnis der Klägerin zugrundelagen, also um die für die konkrete Förderung einschlägigen Richtlinien. Diese sehen für die Klägerin nur die Gewährung eines vom Einkommen der Eltern abhängigen Ausbildungsgeldes vor.

Mit den Leistungssätzen des Arbeitsamtes i. S. der Ziff. H des Ausbildungsvertrages ist daher nichts anderes gemeint, als die einschlägigen Förderrichtlinien der Bundesanstalt für Arbeit. Von daher entspricht der hier zu beurteilende Sachverhalt im entscheidungserheblichen Kern der Sachverhaltskonstellation, die der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15.11.2000 (5 AZR 296/99) zugrundelag. Dieses Urteil ist noch nicht mit Tatbestand und Entscheidungsgründen versehen veröffentlicht, die vom Bundesarbeitsgericht herausgegebene Pressemitteilung Nr. 76/00 ist jedoch hinreichend aussagefähig. Nach dem dortigen Sachverhalt war für ein nach den gleichen Vorschriften gefördertes Berufsausbildungsverhältnis in der Vergütungsabrede des Formularausbildungsvertrages eingefügt: "Entsprechend der Richtlinie der Bundesanstalt für Arbeit". Die dortige Klägerin erhielt ebenfalls kein Ausbildungsgeld. Das Bundesarbeitsgericht legte die Vergütungsabrede dahingehend aus, dass die Klägerin keinen eigenständigen Vergütungsanspruch gegen das ausbildende Unternehmen erwerben sollte. Einen Verstoß gegen § 10 Abs. 1 S. 1 BBiG verneinte das Bundesarbeitsgericht ebenfalls. Nach seiner Auffassung ist diese gesetzliche Bestimmung zur Vermeidung von Wertungs- und Systemwidersprüchen im öffentlich finanzierten Ausbildungsverhältnis dann nicht anzuwenden, wenn die Ausbildungsvergütung vertraglich an Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit gebunden wird und ein sozialrechtlicher Anspruch des Auszubildenden auf derartige Leistungen nicht besteht.

Die Klägerin hat gem. § 91 ZPO als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wurde gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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