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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 01.03.2002
Aktenzeichen: 1 Ta 84/01
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 a
ArbGG § 5 Abs. 1 Satz 1
ArbGG § 5 Abs. 1 Satz 2
Der Trainer einer Fußball-Oberligamannschaft, der neben dem Trainervertrag mit dem Verein einen Arbeitsvertrag mit einer Sponsorenfirma abgeschlossen hat, dort jedoch von jeder Arbeitsleistung freigestellt ist und der dem Präsidium/Vorstand des Vereins unterstellt ist, ist Arbeitnehmer des Vereins.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Gera vom 28.06.2001, Az.: 4 Ca 2729/2000, abgeändert.

Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist zulässig.

Gründe:

I)

Das Beschwerdeverfahren betrifft die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen.

Die Parteien haben unter dem 06.05.1999 einen Vertrag geschlossen, der auszugsweise wie folgt lautet:

1) Der Trainer wird ab dem 01.07.1999 zwei weitere Jahre für die 1. Männermannschaft des 1. SV G. tätig.

2) Er wird unterstellt dem Präsidium und dem Abteilungsleiter Fußball.

3) Der Verein verpflichtet sich gegenüber dem Trainer zur Zahlung des Differenzbetrages aus dem Nettoverdienst seines Arbeitsvertrages/bzw. seines Arbeitslosengeldes und DM 3.500,00 netto (monatlich).

Diese Zahlung stellt ein Honorar dar und ist durch den Verein als AG nicht zu versteuern. Bei entsprechender Erfordernis ist der Verein bemüht, über einen Sponsor einen Pkw bereitzustellen.

4) Die vereinbarte monatliche Vergütung kann bei vereinsschädigendem Verhalten gekürzt oder gestrichen werden. Vereinsschädigendes Verhalten ist auch die unentschuldigte Nichtteilnahme an vom Verein angesetzten Trainings- und Wettkampfterminen.

Für die Zeit vom 08.07.1999 bis 06.07.2001 hatte der Kläger mit der Firma H. GmbH einen Arbeitsvertrag geschlossen. Er erhielt aus diesem Arbeitsverhältnis ein monatliches Nettogehalt von 3.000,00 DM. Die Firma H. GmbH wurde in die Firma T. GmbH & Co. KG umgewandelt. Die Firma T. war sog. Trikotsponsor der Oberligamannschaft des Beklagten.

Das vom Kläger geleitete Training fand im "Stadion ..." in G. statt. Dort stand dem Kläger auch ein Trainerzimmer mit Telefon zur Verfügung.

Dem Kläger wurde nach einem Oberligaspiel am 10.04.2000 durch den Vorstandsvorsitzenden/Präsidenten des Beklagten mitgeteilt, dass man ihn soeben "abgeschossen" habe. Bereits am nächsten Tag wurde ein neuer Trainer eingesetzt.

Die Firma T. kündigte mit Schreiben vom 29.05.2000 das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.07.2000.

Der Kläger erhob gegen die Kündigung vom 10.04.2000 beim Arbeitsgericht Klage. Der Beklagte nahm im Gütetermin vom 03.08.2000 die Kündigung zurück und forderte den Kläger zunächst auf, die Trainertätigkeit wieder aufzunehmen. Das entsprechende Arbeitsangebot des Klägers wurde jedoch nicht angenommen. Stattdessen hat der Beklagte mit Schreiben vom 15.09.2000 dem Kläger eine Tätigkeit als Baustellenkoordinator bei der Firma E. GmbH angeboten. Geschäftsführer dieses zwischenzeitlich in Insolvenz befindlichen Unternehmens war der Vorstandsvorsitzende/Präsident des Beklagten.

Der Kläger macht mit seiner Klage die Vergütung aus dem Trainervertrag für die Zeit ab Oktober 1999 geltend. Er ist der Auffassung, dass er Arbeitnehmer des Beklagten gewesen sei. Die Mannschaft sei in der Saison 1999/2000 von der Thüringenliga in die Oberliga aufgestiegen. Seitdem seien zehn Spieler unter Vollprofiverhältnissen trainiert worden. Das Training habe viermal in der Woche an Nachmittagen und zweimal an Vormittagen stattgefunden. Das Nachmittagstraining habe bis 20.00 Uhr gedauert. Zusammen mit organisatorischen Arbeiten habe er 40 bis 50 Stunden in der Woche für den Beklagten gearbeitet. Im zeitgleich bestehenden Arbeitsverhältnis mit der Firma T. habe er dagegen keinerlei Arbeitsleistung erbracht. Er sei vollständig von der Arbeit für die Trainertätigkeit freigestellt worden. Die von der Firma T. an ihn gezahlte Arbeitsvergütung sei Gegenleistung für die Trikotwerbung durch die Spieler des Beklagten gewesen.

Das Arbeitsgericht hat u. a. über die Frage Beweis erhoben, ob der Kläger bei der Sponsorenfirma eine Arbeitsleistung erbracht hat. Wegen des Ergebnisses wird auf die Vernehmungsniederschrift (Bl. 82 d. A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 28.06.2001 seine Rechtswegezuständigkeit verneint und den Rechtsstreit an das Landgericht Gera verwiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des Beschlusses (Bl. 105 - 109 d. A.) verwiesen.

Der Kläger wendet sich gegen den ihm am 06.07.2001 zugestellten Beschluss mit seiner am 20.07.2001 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und begründeten sofortigen Beschwerde.

Dem Beklagten wurde rechtliches Gehör zur Beschwerde gewährt. Er hat Abweisung der Beschwerde beantragt.

II)

Die sofortige Beschwerde ist gem. den §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 Abs. 4 GVG statthaft. Sie ist gem. § 569 Abs. 2 ZPO formgerecht und gem. § 577 Abs. 2 ZPO fristgerecht eingelegt worden und damit insgesamt zulässig.

Die sofortige Beschwerde ist begründet. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts ist abzuändern, da der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen zulässig ist.

Der Kläger ist Arbeitnehmer des Beklagten, zumindest aber arbeitnehmerähnliche Person.

Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG sind die Arbeitsgerichte zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis. Gem. § 5 Abs. 1 S. 1 ArbGG sind Arbeitnehmer i. S. des Arbeitsgerichtsgesetzes Arbeitnehmer und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Nach § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG gelten als Arbeitnehmer ferner solche Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist Arbeitnehmer, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines Anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Der Arbeitnehmerbegriff ergibt sich vornehmlich im Umkehrschluss aus den Vorschriften zu den selbständigen Dienstverpflichteten und den arbeitnehmerähnlichen Personen. Aus diesen Vorschriften folgt, dass weder der Umstand der wirtschaftlichen Abhängigkeit noch die Tätigkeit für nur einen Auftraggeber den Arbeitnehmerstatus begründen kann. Kein Arbeitnehmer ist, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. § 84 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 HGB enthält insoweit eine über seinen unmittelbaren Anwendungsbereich hinausgehende gesetzliche Wertung. Für die Abgrenzung von Bedeutung sind in erster Linie die tatsächlichen Umstände, unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist. Die Eingliederung zeigt sich insbesondere daran, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht seines Vertragspartners hinsichtlich Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit unterliegt. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Merkmale lassen sich nicht aufstellen. Letztlich kommt es auf eine Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalles an (zuletzt: BAG vom 11.10.2000 n. v.; BAG vom 19.01.2000, AP Nr. 33 zu § 611 BGB Rundfunk - jeweils m. w. Nachw.).

Nach den aufgezeigten Kriterien ist der Kläger Arbeitnehmer.

Bereits dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag vom 06.05.1999 sind hierfür deutliche Anhaltspunkte zu entnehmen, wobei auf den Inhalt der Vertragsgestaltung und nicht darauf abzustellen ist, wie die Parteien den Vertrag bezeichnet haben und welche Vergütungsart sie vereinbart haben. Das Arbeitsgericht beanstandet zu Unrecht, dass sich der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag "auch nicht ansatzweise an den vom Deutschen Fußballverband vorgegebenen Musterarbeitsvertrag für Trainer" anlehne. Damit wird auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln vom 01.08.1997 (AR-Blattei ES 1480 Nr. 26) Bezug genommen, das bei einem Fußballtrainer u. a. deshalb die Arbeitnehmereigenschaft verneint hat, weil sein Dienstvertrag, in dem weder eine Weisungsbindung noch ein Nebentätigkeitsverbot vorgesehen war, von einem solchen Mustervertrag abgewichen sei. Das LAG Köln hat die Abweichung des dortigen Dienstvertrages von folgender Klausel des Mustervertrages (nicht Musterarbeitsvertrages, wie das Arbeitsgericht schreibt) hervorgehoben: "Er (der Trainer) unterliegt den Weisungen des Vorstandes. Nur mit Genehmigung des Vereins kann ein anderes Arbeitsverhältnis fortgesetzt bzw. eingegangen werden". Eine solche Abweichung liegt in der hier streitigen Vertragsgestaltung gerade nicht vor, denn nach Ziff. 2 des Vertrages wird der Kläger dem Präsidenten und dem Abteilungsleiter Fußball unterstellt. Mit einer Unterstellung kann vom Wortsinn her, wie der Kläger zu Recht betont, nur eine Weisungsgebundenheit gemeint sein. Wenn das Arbeitsgericht diese Weisungsgebundenheit deshalb verneint, weil der Kläger seine Tätigkeit nach den Bekundungen eines Zeugen angeblich völlig frei und unabhängig einteilen konnte, so verwechselt es die vertragliche Vorgabe mit einer freien Gestaltungsmöglichkeit, die sich aus der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ergibt. Aber auch das Kriterium des Mustervertrages, wonach nur mit Genehmigung des Vereins ein anderes Arbeitsverhältnis begründet werden darf, ist im Vertragsverhältnis zwischen den Parteien faktisch verwirklicht, denn zeitgleich zum Trainingsvertrag lief der Arbeitsvertrag mit einem Sponsor-Unternehmen des Beklagten, so dass auch für den Kläger im Ergebnis nicht die Möglichkeit bestand, ein anderes Arbeitsverhältnis zu begründen.

Das in Ziff. 2 des Vertrages geregelte Weisungsrecht wird im übrigen bekräftigt durch die Vertragsstrafenabrede in Ziff. 4, wonach die monatliche Vergütung gekürzt oder gestrichen werden kann, wenn der Kläger an den vom Verein angesetzten Trainings- und Wettkampfterminen unentschuldigt nicht teilnimmt. Daraus wird deutlich, dass selbst Trainingszeiten letztlich vom Verein vorgegeben werden konnten. Auch wenn dies der geübten Praxis nicht entsprach, hätte der Beklagte jederzeit mit seinem Weisungsrecht eingreifen können.

Entscheidend für ein Arbeitsverhältnis spricht jedoch, dass bei einer Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände und unter Berücksichtigung der Eigenart der Trainertätigkeit eine abhängige Beschäftigung anzunehmen ist. Der Kläger war in einer Funktion tätig, in der ihm bei der reinen Arbeitsausführung - vergleichbar einem Chirurgen bei der Operation - naturgemäß keine Weisungen gegeben werden konnten. Dennoch war er in eine fremde Arbeitsorganisation insoweit eingefügt, als das Training im Stadion und die Spiele an den jeweils vorbestimmten Orten stattfanden. Der Kläger hat seine Arbeitskraft auch bezüglich der Arbeitszeit ausschließlich für den Beklagten eingesetzt. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Kläger im Arbeitsverhältnis mit der Sponsorenfirma vollständig von der Arbeitsleistung freigestellt war, wie der vom Arbeitsgericht als Zeuge vernommene Geschäftsführer dieser Firma glaubhaft bekundet hat. Dabei mag dahinstehen, ob das Bestreiten der entsprechenden Behauptung des Klägers durch den Beklagten mit Nichtwissen gem. § 138 Abs. 4 ZPO überhaupt zulässig war, denn der Arbeitsvertrag zwischen dem Trainer eines Fußballvereins und einem Unternehmen, das diesen Verein sponsert, ist zwangsläufig Gegenstand der eigenen Wahrnehmung des Vereins. Da der Kläger von der Arbeitsleistung für die Sponsorenfirma vollständig freigestellt war, ist die Schlussfolgerung zu ziehen, dass diese Freistellung dem Verein zugute kommen sollte. Die Erwartungen an die Lebensfremdheit der Gerichte werden auch überstrapaziert, wenn behauptet wird, der Trainer einer Oberligamannschaft, die ausländische Vertragsspieler beschäftigt, könne Umfang und zeitliche Lage des Trainings völlig nach seinem Belieben gestalten.

Darin, dass der Kläger beim Beklagten eine Vollzeitbeschäftigung ausübte, liegt auch der entscheidende Unterschied im Sachverhalt, der dem Landesarbeitsgericht Köln zur Entscheidung vorlag. Der dortige Trainer, ein prominentes ehemaliges Mitglied der englischen Fußball-Nationalmannschaft erhielt für unstreitig 1,5 Trainingsstunden in der Woche 10.000,00 DM monatlich und trat daneben als Fernsehkommentator, Spielervermittler und Honorardozent an einer Fußballakademie auf. Er bekam das Geld offensichtlich nicht für irgendeine Tätigkeit, sondern für seinen bekannten Namen. Nur aus dieser Sondersituation heraus verneinte das Landesarbeitsgericht Köln die Arbeitnehmereigenschaft. Für die völlig anders gearteten Verhältnisse des vorliegenden Streitfalles ist dagegen mit dem Arbeitsgericht Passau (Beschluss vom 01.12.1998 - 3 Ca 605/98) und dem LAG München (Beschluss vom 19.03.1999 - 9 Ta 26/99) die Arbeitnehmereigenschaft des Fußballtrainers zu bejahen.

Schließlich zeigt das Angebot des Beklagten, den Kläger nach Rücknahme der Kündigung bei der Fa. E. GmbH zu beschäftigen, dass auch der Beklagte davon ausgegangen ist, dass mit dem Kläger ein Arbeitsverhältnis begründet worden war.

Der Kläger ist aber zumindest arbeitnehmerähnliche Person, denn er ist vom Beklagten wirtschaftlich abhängig. Die Vergütung, die der Beklagte schuldet, ist die einzige, zumindest aber die wesentliche Einkommensquelle des Klägers. Das zeitlich parallel zum Trainervertrag begründete Arbeitsverhältnis mit der Sponsorenfirma hat lediglich den Zweck, den größeren Teil der vom Beklagten geschuldeten Vergütung von einem Dritten zahlen zu lassen. Dass das Arbeitsverhältnis mit der Sponsorenfirma bei Wegfall des Trainervertrages keinen wirtschaftlichen Wert repräsentiert, zeigt die Tatsache hinreichend deutlich, dass es einen Monat nach der außerordentlichen Kündigung durch den Beklagten ebenfalls gekündigt wurde.

Gründe für die Zulassung der weiteren Beschwerde sind nicht ersichtlich. Gegen diese Entscheidung findet folglich kein Rechtsmittel statt.

Ende der Entscheidung

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